MS und Fatigue (28.06.08) - Praxis Dr. Wiborg Neu-Ulm

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MS und Fatigue (28.06.08) - Praxis Dr. Wiborg Neu-Ulm
Multiple Sklerose und Fatigue
Dr. med. Andreas Wiborg
Facharzt für Neurologie
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Augsburger Str. 4
89231 Neu-Ulm
Tel. 0731/72 4002
www.dr-wiborg.de
Was ist Fatigue?
ein nicht zu beherrschendes
Gefühl der körperlichen oder seelischen
Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Ermüdung und
Energielosigkeit,
das vor Beginn der MS nicht bestand (???)
oft unabhängig von körperlicher Belastung
ohne Zeichen einer Depression
keine Selbstzweifel
keine Hoffnungslosigkeit
keine Verzweiflung
i.d.R. keine Antriebsstörung
häufig Verstärkung bei Hitze / Besserung bei Kälte
Wie wichtig ist Fatigue?
70 - 97% aller MS-Patienten klagen über Fatigue
50 - 60% aller MS-Patienten bezeichnen Fatigue als das
beeinträchtigendste Symptom
in ca. 30% Erstsymptom der MS
starke Beeinträchtigung im täglichen Leben bei
Arbeit (eine der häufigsten zur Berentung führenden
Ursachen)
sozialem Leben
anderen Aktivitäten
Symptomhäufigkeit Patientenerhebung
(n=44)
45
41
40
35
trifft zu
traf nie zu
33
35
28
30
27
25
22
20
19
20
18
15
15
10
5
ge
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Günzburg, 2003
Wodurch entsteht Fatigue?
Ursache und Entstehungsmechanismus unklar
keine sichere Abhängigkeit von
Alter
Geschlecht
Art der MS (schubförmig vs. progredient (nur inkonstant
stärkere Fatigue bei progredienten Verläufen))
Erkrankungsdauer (widersprüchlich)
Grad der Behinderung (EDSS) (widersprüchlich)
T2-Veränderungen im Kernspin (sog. Läsionslast)
Verteilung der Herde im Kernspin
Wodurch entsteht Fatigue?
Hypothesen:
lokale Demyelinisierung und Nervenfaser-Schädigung im
„retikulären aktivierenden System“ des Hirnstamms
diffuse Demyelinisierung und Nervenfaserschädigung
verminderter Stoffwechsel im Stirnhirn (präfrontal, prämotorisch,
supplementär-motorisch) und in Stammganglien in PETUntersuchungen Defizite bei Bewegungsprogrammierung
Leitungsverzögerung von Nerven führt zu verzögerter
Reizerkennung vermehrte Anstrengung bei Reizverarbeitung
Vergleich Stoffwechsel MS - Kontrollen
Normal
MS
Wodurch entsteht Fatigue?
Hypothesen:
lokale Demyelinisierung und Nervenfaser-Schädigung im
„retikulären aktivierenden System“ des Hirnstamms
diffuse Demyelinisierung und Nervenfaserschädigung
verminderter Stoffwechsel im Stirnhirn (präfrontal, prämotorisch,
supplementär-motorisch) und in Stammganglien in PETUntersuchungen Defizite bei Bewegungsprogrammierung
Leitungsverzögerung von Nerven führt zu verzögerter
Reizerkennung vermehrte Anstrengung bei Reizverarbeitung
Wodurch entsteht Fatigue?
neuroendokrine (=„hormonelle“) Störungen durch
entzündliche Botenstoffe (s. Abgeschlagenheit und
Interferonen)
vermehrter Energiebedarf im motorischen System
durch ungenügende Motoneuron-Aktivierung (aber:
zentrale motorische Leitungszeit ist normal, lediglich
längere Erholungszeit)
Gefühl der Hilflosigkeit (van der Werf)
Wie diagnostiziert man Fatigue?
genaue Anamnese
Hinweise für Depression
Medikamente?
Stress
Schlafstörung ggf. Untersuchung im Schlaflabor
Fatigue-Ausmaß und -Verlauf
mehr als die Hälfte aller Tage über mehr als 6 Wochen?
Beginn oder deutliche Verstärkung in den letzten 6 Wochen
neuer Schub?
andere Erkrankung?
Wie diagnostiziert man Fatigue?
körperlich-neurologische Untersuchung
Hinweise für eine andere Erkrankung als MS?
Hinweise für MS-bedingte körperl. Behinderung und
Überforderung (z.B. bei Spastik, Ataxie, Lähmung) evtl.
Krankengymnast zuziehen
Hinweise für MS-bedingte Atemstörung
Messung des Ausmaßes der Fatigue
Behandlung von Fatigue
MS
Arbeit
Depression
Fatigue entsteht durch viele
Medikamente
Schub
FATIGUE
Faktoren
Schlaf
Hitze
Trainingsmangel
Schmerz
Nicht-medikamentöse Therapie
Differenzierung möglichst aller Einflussfaktoren (z.B.
Depression, Schlafverhalten, Umgebungseinflüsse,
andere Erkrankungen)
Aufklärung, einer
dass
ein sehr häufiges Symptom ist
Empfehlung
Konsensus-Gruppe:
Empfehlung
einerFatigue
Konsensus-Gruppe:
regelmäßige Ruhepausen
•• 33 bis
bis 5x
5x pro
pro Woche
Woche
Änderung des Tagesablaufes (ggf. Tagebuch)
•• 33 bis
30
Minuten
lang
bis
30
Minuten
lang
Vermeidung von Hitze
•
maximal
Fatigue
kühle
Bäder /mäßige
Duschen
• bis
bis
maximal
mäßige
Fatigue auftritt
auftritt
Vermeidung
übermäßiger
körperlicher
•
der
10%
Woche
• Versuch
Versuch
der Steigerung
Steigerung um
um
10% jede
jedeBelastung
Woche
regelmäßiges Fitnesstraining
•• Vorsicht:
Vorsicht: nie
nie überfordern
überfordern !!!!
Nicht überfordern!!
„Energie-Effektivität-Strategie“
Schritt 1:
Messung der Fatigue (z.B. Fragebogen)
Tagebuch über eine Woche
Erfassen (realistischer) kurz- und langfristiger Ziele
Schritt 2:
Analyse des Tagebuches
Ermittlung des optimalen Ruhe-Aktivität-Verhältnisses
Erfassung von möglichen Änderungen von Verhalten, Umgebung
und evtl. Hilfsmitteln, ggf. Einschaltung von Hilfsdiensten
Schritt 3:
Umsetzung des Erarbeiteten
Re-Evaluation nach mehreren Wochen
Beseitigung Fatigue-auslösender Faktoren
Absetzen oder Reduzieren sedierender Medikamente
Schmerzmittel
Antiepileptika
Antidepressiva
Antihistaminika
Blutdruckmittel
Entzündungshemmer
Antipsychotika
Asthmamittel
Herzmittel
Antidiabetika
Magenmittel
Hormonersatz
Immunmodulatoren
Muskelrelaxanzien
Sedativa
Behandlung etwaiger anderer Ursachen (Blutsalze,
Schilddrüse, ungenügende Flüssigkeitszufuhr)
Medikamente I
AMANTADIN (z.B. PK-Merz®)
unspezifische zentrale Stimulation durch
Dopaminfreisetzung
Hemmung von Glutamatrezeptoren
Endorphin-Ausschüttung (?)
bekannt aus der Parkinson-Behandlung
mehrere doppelblinde, kontrollierte Studien positiv
Nebenwirkungen: Verstopfung, Schlaflosigkeit, innere
Unruhe
selten: Übelkeit, Angst, grippeähnl. Symptome, Halluzinationen,
Verwirrtheit, Benommenheit, Durst, abnormes Schwitzen
Kontraindikationen: Epilepsie, Verwirrtheit,
Schwangerschaft, schwere Leber- und Nierenschäden,
Glaukom, Hypertonie
Medikamente II
MODAFINIL (Vigil ®)
Wirkung im ZNS auf bestimmte vegetative Rezeptoren
Angriff vermutlich im sog. „aktivierenden retikulären System“
reduziert die Übertragung eines hemmenden Botenstoffes
(GABA) im Hirnstamm und Großhirn
dadurch insgesamt vermehrt Ausschüttung aktivierender
Botenstoffe
Nebenwirkungen: Kopfschmerz, innere Unruhe,
Appetitlosigkeit, Verwirrtheit, epilept. Anfälle, Herzrasen, MagenDarm-Beschwerden
Kontraindikationen: Angst, schwere Leber-/Nierenerkrankung,
Hypertonie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Medikamente III
ANTIDEPRESSIVA
selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)
z.B. Fluctin®, Fevarin®, Seroxat®, Zoloft®
MAO-Hemmer
Aurorix®
Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
z.B. Pertofran®, Edronax®
Medikamente IV
AMINOPYRIDINE
Kalium-Kanal-Blockade Leitungsverbesserung
evtl. unspezifischer zentral stimulierender Effekt
nur als experimentelle Therapie
Einnahme 3 - 4xtäglich
Nebenwirkungen: epileptische Anfälle, Schwindel,
Verwirrtheit, Missempfindungen, Bauchschmerzen,
Leberfunktionsstörung
geringe therapeutische Breite
Kontraindikationen: Epilepsie, große subcortikale Herde,
Verwirrtheit
Medikamente V
Oder einfach nur – den neurologischen Tausendsassa ?!
Aus empirischen Beobachtungen
14 Pat. mit 1.300 mg ASS, 12 Pat. mit Placebo
Doppelblind, randomisiert
1.
1. Aufklärung
Aufklärung
des
des Patienten
Patienten und
und seiner
seiner Umgebung
Umgebung
2.
2. Anerkennung
Anerkennung der
der Fatigue
Fatigue
als
als krankheitsbedingt
krankheitsbedingt und
und als
als typisches
typisches MS-Symptom
MS-Symptom
3.
3. Überprüfung
Überprüfung der
der Medikation
Medikation
••Tageseinteilung
Tageseinteilung
••moderates
moderates
Training
Training
•Ruhepausen
•Ruhepausen
•Physiotherapie
•Physiotherapie
medikamentöse
medikamentöseTherapie
Therapie
•Schlafstörungen
•Schlafstörungen
behandeln
behandeln
•Vermeiden
•Vermeidenvon
von
Hitze
Hitze