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Skript
Vorlesungsskript Geometrie SS 2012
Uwe Semmelmann
Die Vorlesung basiert auf dem Buch ”Elementare Differentialgeometrie” von Christian Bär,
de Gruyter, 2. Auflage, 2010.
KAPITEL 1
Kurventheorie
1. Kurven in Rn
1.1. Reguläre Kurven.
Definition 1.1. Sei I ⊂ R ein Intervall. Eine parametrisierte Kurve ist eine unendlich
oft differenzierbare Abbildung c : I → Rn . Eine parametrisierte Kurve c heißt regulär oder
auch regulär parametrisiert, falls ċ(t) 6= 0 für alle t ∈ I erfüllt ist. Die Menge c(I) ⊂ Rn nennt
man Spur der Kurve c.
Bemerkung 1.2.
(1) Sei c : I → Rn eine Abbildung, d.h. c(t) = (c1 (t), . . . , cn (t)). Die Abbildung
c ist genau dann eine parametrisierte Kurve, wenn alle Komponentenfunktionen ci für i = 1, . . . , n, beliebig oft differenzierbare Abbildungen sind. Es gilt
ċ(t) = (ċ1 (t), . . . , ċn (t)), wobei ċi = dtd ci .
(2) ċ(t) = limh→0 h1 (c(t + h) − c(t)). Dieser Vektor in Rn ist der Tangentialvektor an die
Kurve c : I → Rn im Punkt c(t). Somit ist eine Kurve regulär genau dann, wenn in
jedem Punkt ein nicht-trivialer (von Null verschiedener) Tangentialvektor existiert.
Für später: reguläre Kurven sind Immersionen, ihre Spur sind Untermannigfaltigkeiten in Rn .
(3) Eine Kurve c = c(t) läßt sich als die zeitliche Bewegung eines Punktes im Rn interpretieren. Der Vektor ċ(t) ist dann der Geschwindigkeitsvektor zum Zeitpunkt t. Die
Geschwindigkeit entspricht der Länge von ċ(t).
Beispiel 1.3.
(1) Die konstante Kurve c(t) = c0 ist nicht regulär, da ċ ≡ 0.
(2) Geraden im Rn sind reguläre Kurven: c(t) = v0 + tv, wobei v0 = c(0), v ∈ Rn , ċ =
v 6= 0.
3
4
1. KURVENTHEORIE
(3) Die Kreislinie in der Ebene (um den Nullpunkt, vom Radius r), ist parametrisiert
durch c(t) = (r cos t, r sin t). Die Kurve c ist periodisch, es gilt c(t) = c(t + 2π). Die
Spur der Kurve c kann auch beschrieben werden als
c(R) = {(x, y) ∈ R2 | x2 + y 2 = r2 } .
Der Tangentialvektor berechnet sich als ċ(t) = (−r sin t, r cos t). Damit gilt
c(t) ⊥ ċ(t)
und
|c(t)|2 = |ċ(t)|2 = r2 .
Die Kurve c = c(t) ist regulär, die Abbildung c : R → R2 ist aber nur injektiv nach
Einschränkung auf ein kleineres Intervall I ⊂ R, z.B. I = (0, 2π).
(4) Die ebene Kurve c : R → R2 , c(t) = (t2 − 1, t3 − t) hat einen Doppelpunkt, d.h. es gilt
c(1) = c(−1) = (0, 0). Die Kurve c ist regulär, denn ċ(t) = (2t, 3t2 − 1) 6= 0 für alle t.
Insbesondere gilt ċ(1) = (2, 2) und ċ(−1) = (−2, 2). Die Spur von c ist gegeben als
c(R) = {(x, y) ∈ R2 | x2 + x3 = y 2 } .
1
1
(5) Die Schraubenlinie im R3 ist parametrisiert durch c(t) = (r cos t, r sin t, h t) für
positive Konstanten r und h.
(6) Die Neilsche Parabel ist definiert als die Kurve c : R → R2 mit c(t) = (t2 , t3 ). Die
Kurve ist regulär für alle t 6= 0. Denn ċ(t) = (2t, 3t2 ). In t = 0 hat c eine Spitze. Für
die Spur von c gilt:
3
c(R) = {(x, y) ∈ R2 | x ≥ 0, y = ± x 2 } .
1
1
(7) Die logarithmische Spirale ist definiert als c : R → R2 mit c(t) = (et cos t, et sin t).
1. KURVEN IN Rn
5
1.2. Umparametrisierungen. Eine parametrisierte Kurve c : I ⊂ R → Rn ist die
Punktmenge c(R) ⊂ Rn zusammen mit einer Parametrisierung, d.h. der Art und Weise, wie
c(I) durchlaufen wird. Die Parametrisierung von c kann man ändern ohne c(I) zu ändern.
Definition 1.4. Sei c : I → Rn eine parametrisierte Kurve. Eine Parametertransformation von c ist eine bijektive Abbildung ϕ : J → I, von einem Intervall J ⊂ R, für die ϕ und
ϕ−1 unendlich oft differenzierbar sind. Man nennt c̃ = c ◦ ϕ die Umparametrisierung von c.
Lemma 1.5. Sei c̃ = c ◦ ϕ die Umparametrisierung einer regulären Kurve c. Dann ist auch
c̃ eine reguläre Kurve.
Beweis. Nach Voraussetzung existiert ϕ−1 und es gilt (ϕ−1 ◦ ϕ)(t) = t für alle t. Ableiten
dieser Gleichung und Anwenden der Kettenregel liefert
d
d
d
1 = (ϕ−1 ◦ ϕ)(t) = ( ϕ−1 (ϕ(t))) · ϕ(t) .
dt
dt
dt
Daraus folgt, dass ϕ̇(t) für alle t ∈ J von Null verschieden ist und damit auch
˙ = (c ◦˙ ϕ)(t) = ċ(ϕ(t)) · ϕ̇(t) 6= 0 .
c̃(t)
Eine Parametertransformation kann die Richtung, in der eine Kurve durchlaufen wird,
entweder umkehren oder erhalten. Zum Beispiel erhält ϕ(t) = at die Richtung für a > 0 und
kehrt sie um, für a < 0.
Definition 1.6. Eine Parametertransformation ϕ heißt orientierungserhaltend, falls
ϕ̇(t) > 0 für alle t und orientierungsumkehrend, falls ϕ̇(t) < 0 für alle t.
Zur Erinnerung: ϕ ist monoton wachsend für ϕ̇(t) > 0 und monoton fallend für ϕ̇(t) < 0.
Lemma 1.7. Eine Parametertransformation ist entweder orientierungserhaltend oder orientierungsumkehrend.
Beweis. Sei ϕ eine Parametertransformation. Angenommen es existiert ein t1 mit ϕ̇(t1 ) >
0 und ein t2 mit ϕ̇(t2 ) < 0. Dann existiert nach dem Zwischenwertsatz ein t3 mit ϕ̇(t3 ) = 0.
Das ist aber ein Widerspruch zur Definition einer Parametertransformation.
Genau genommen ist eine Kurve eine Äquivalenzklasse von regulär parametrisierten Kurven. Zwei Kurven heißen äquivalent, falls sie Umparametrisierungen von einander sind. Eine
orientierte Kurve ist eine Äquivalenzklasse von parametrisierten Kurven, wobei zwei solcher
Kurven äquivalent sind, wenn sie durch orientierungserhaltende Parametertransformationen
auseinander hervorgehen. Jede Kurve besitzt genau zwei Orientierungen.
Jede Kurve besitzt eine ausgezeichnete Parametrisierung.
6
1. KURVENTHEORIE
Definition 1.8. Eine Kurve c : I → Rn heißt nach Bogenlänge parametrisiert, falls
kċ(t)k = 1 für alle t ∈ I gilt, d.h. c wird mit konstanter Geschwindigkeit durchlaufen.
Hierbei ist k · k die euklidische Norm, d.h. es gilt kċ(t)k2 = ċ1 (t)2 + . . . + ċn (t)2 . Eine
Parametrisierung nach Bogenlänge existiert immer und ist im Wesentlichen eindeutig.
Satz 1.9. Zu jeder regulär parametrisierten Kurve c gibt es eine orientierungserhaltende
Parametertransformation ϕ, so dass die Umparametrisierung c̃ = c ◦ ϕ nach Bogenlänge
parametrisiert ist.
Beweis. Sei c : I → Rn eine regulär parametrisierte Kurve. Für ein fixiertes t0 ∈ I
definiert man
Z s
ψ(s) :=
kċ(t)k dt .
t0
Damit erhält man ψ̇(s) = kċ(s)k > 0, d.h. die Funktion ψ ist streng monoton wachsend und
somit ψ : I → J := ψ(I) eine orientierungserhaltende Parametertransformation. Zu zeigen
ist nun, dass c̃ = c ◦ ϕ mit ϕ = ψ −1 : J → I nach Bogenlänge parametrisiert ist, d.h. das
˙
kc̃(t)k
= 1 für alle t ∈ J erfüllt ist. Dazu berechnet man mit der Kettenregel:
ϕ̇(t) = ψ̇ −1 (t) =
1
1
=
.
kċ(ϕ(t))k
ψ̇(ϕ(t))
und damit schließlich
˙
kc̃(t)k
= kc ◦˙ ϕ(t)k = kċ(ϕ(t)) · ϕ̇(t)k = kċ(ϕ(t)) ·
1
k=1,
kċ(ϕ(t))k
d.h. die Kurve c̃ ist nach Bogenlänge parametrisiert.
Satz 1.10. Sind ca : Ia → Rn , a = 1, 2 zwei Parametrisierungen nach Bogenlänge derselben Kurve, so ist die zugehörige Parametertransformation ϕ : I1 → I2 mit c1 = c2 ◦ ϕ von
der Form
ϕ(t) = t + t0
falls c1 , c2 gleichorientiert sind, und von der Form
ϕ(t) = −t + t0
falls c1 , c2 entgegengesetzt orientiert sind.
Beweis. Da nach Voraussetzung kċa (t)k = 1, a = 1, 2 für alle t gilt, folgt auch
1 = kċ1 (t)k = kċ2 (ϕ(t)) · ϕ̇(t)k = kċ2 (ϕ(t))k · |ϕ̇(t)| = |ϕ̇(t)| .
Damit erhält man ϕ̇(t) = ±1 und folglich die Behauptung ϕ(t) = ±t + t0 .
1. KURVEN IN Rn
7
1.3. Länge einer Kurve. Was hat die Parametrisierung nach der Bogenlänge mit der
Länge einer Kurve zu tun? Um die Frage zu beantworten, muss man zunächst die Länge einer
Kurve definieren.
Definition 1.11. Sei c : [a, b] → Rn eine parametrisierte Kurve. Dann heißt
Z b
kċ(t)k dt
L[c] =
a
Länge der Kurve c. Hierbei ist k · k die euklidische Norm auf Rn .
Sei c : I = [a, b] → R3 mit c(t) = (x(t), y(t), z(t)) eine Raumkurve. Dann berechnet sich
die Länge als
Z bp
L[c] =
ẋ(t2 ) + ẏ(t)2 + ż(t)2 dt
a
Um von der Länge einer Kurve sprechen zu können, muß man noch klären, ob die Länge
von der gewählten Parametrisierung abhängt.
Lemma 1.12. Die Länge parametrisierter Kurven ändert sich nicht beim Umparametrisieren.
Beweis. Die Behauptung folgt aus der Substitutionsregel für Integrale. Sei c̃ = c ◦ ϕ eine
Umparametrisierung von c, mit ϕ : [A, B] → [a, b]. Dann gilt
Z B
Z B
Z B
˙
L[c̃] =
kc̃(t)k
dt =
kċ(ϕ(t)) · ϕ̇(t)k =
kċ(ϕ(t))k · |ϕ̇(t)| dt
A
A
A
Nun kann man o.B.d.A. annehmen, dass ϕ̇(t) > 0 gilt und damit ϕ(A) = a, ϕ(B) = b und
|ϕ̇(t)| = ϕ̇(t). Anderenfalls gilt ϕ(A) = b, ϕ(B) = a und |ϕ̇(t)| = −ϕ̇(t) und nach dem
Vertauschen der Integrationsgrenzen hebt sich das Vorzeichen wieder auf. Sei s := ϕ(t) also
ds
= ϕ̇(t) = |ϕ̇(t)|. Es folgt
dt
Z b
Z b
ds
L[c̃] =
kċ(s)k
dt =
kċ(s)k ds = L[c] .
dt
a
a
Die Länge ist also unabhängig von der Parametrisierung.
Beispiel 1.13. Sei c : [0, α] → R2 ein Kreisbogen vom Winkel α, d.h. c(t) = (cos t, sin t)
mit ċ(t) = (− sin t, cos t). Dann berechnet sich die Länge von c als
Z αq
Z α
2
L[c] =
sin (t) + cos2 (t) dt =
dt = α .
0
Insbesondere ist der Umfang des Einheitskreises gleich 2π.
0
8
1. KURVENTHEORIE
Sei c : [a, b] → Rn nach Bogenlänge parametrisiert, dann gilt für jedes s ∈ [a, b]:
Z s
L[c |[a,s] ] =
dt = s − a
a
d.h. eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve ist so lang wie das entsprechende Parameterintervall.
Jede reguläre Kurve läßt sich nach Bogenlänge parametrisieren. In konkreten Beispielen
kann es aber sehr schwer sein, die Umparametrisierung zu finden bzw. durchzuführen. Sei
c : I = [a, b] → Rn eine beliebige Kurve. Dann ist, wie im Beweis von Satz 1.9 gezeigt, die
Umparametrisierung auf Bogenlänge gegeben durch
Z s
−1
ϕ=ψ
mit
ψ(s) =
kċ(t)k dt .
a
Beispiel 1.14. Sei c : R → R2 eine Ellipse gegeben als c(t) = (2 sin t, cos t) mit Geschwindigkeitsvektor ċ(t) = (2 cos t, − sin t). Für die Spur, also die Ellipse als Punktmenge,
gilt:
c(R) = {(x, y) ∈ R2 | ( x2 )2 + y 2 = 1} .
Für eine Umparametrisierung auf Bogenlänge muß man die Länge von c auf einem Intervall
[0, s] ausrechnen. Man erhält
Z sp
Z sp
2
2
ψ(s) = L[c |[0,s] ] =
4 cos t + sin t dt =
4 − 3 sin2 t dt .
0
0
Das ist ein sogenanntes elliptisches Integral. Es kann nicht durch elementare Funktionen ausgedrückt werden. Insbesondere kann man explizit keine Umparametrisierung auf Bogenlänge
angeben.
2
Beispiel 1.15. Sei c : R → R2 eine Parabel gegeben als c(t) = (t, t2 ) mit Geschwindig√
keitsvektor ċ(t) = (1, t), also kċ(t)k = 1 + t2 . Die Länge berechnet sich als
Z s√
√
√
ψ(s) = L[c |[0,s] ] =
1 + t2 dt = 12 (s 1 + s2 + ln(s + 1 + s2 )) .
0
Hier kann man die Länge explizit angeben, allerdings ist es selbst für diese einfache Kurve
sehr schwierig, die Umparametrisierung, also die Umkehrfunktion ϕ = ψ −1 , anzugeben
1. KURVEN IN Rn
9
1.4. Rektifizierbare Kurven. Eine Länge kann man auch für gewisse Kurven c : I →
Rn definieren, die nur stetig sind. Dazu nutzt man eine Approximation durch Streckenzüge.
Definition 1.16. Ein Polygon in Rn ist ein Tupel P = (a0 , . . . , ak ) mit ai ∈ Rn und
ai 6= ai+1 . Die Länge eines Polygons P ist die Summe der Längen der Geradensegmente, d.h.
L[P ] =
k−1
X
kai+1 − ai k ,
i=0
dabei bezeichnet k · k die euklidische Norm in Rn .
Sei c : [a, b] → Rn eine stetige Kurve. Man wählt eine Unterteilung des Intervalls [a, b]:
a = t0 < t1 < . . . < tk = b
und versucht die Länge von c durch die Länge des eingeschriebenen Polygons
P = (c(t0 ), . . . , c(tk ))
zu approximieren. Aus der Dreiecksungleichung folgt, dass bei einer Verfeinerung der Zerlegung die Länge des eingeschriebenen Polygons höchstens größer wird.
Definition 1.17. Eine stetige Kurve c : [a, b] → Rn heißt rektifizierbar falls
k−1
X
sup{
kc(ti+1 ) − c(ti )k | k ∈ N, a = t0 < . . . tk = b}
i=0
eine endliche Zahl ist.
Beispiel 1.18. Es gibt stetige Kurven, die nicht rektifizierbar sind. Sei c : [0, 1] → R2
definiert durch c(t) = (t, t cos πt ) für t 6= 0 und c(0) = (0, 0). Dann ist c eine stetige nicht
rektifizierbare Kurve. Man betrachtet eine Unterteilung des Intervalls [0, 1], die die Endpunkte
1
1
1
1
und die Punkte t2k = 2k
und t2k−1 = 2k+1/2
enthält, d.h. c(t2k ) = ( 2k
, 2k
) und c(t2k−1 ) =
1
( 2k+1/2 , 0). Es folgt
2k−1
2k−1
X
X 1
kc(ti+1 ) − c(ti )k >
.
2i
i=1
i=1
Das Supremum über alle möglichen Unterteilungen ist also nicht endlich. Die Länge des
eingeschriebenen Polygons beliebig groß, je feiner man die Unterteilung wählt.
Bemerkung 1.19.
(1) Ist eine Kurve c : [0, 1] → Rn rektifizierbar, so ist c([0, 1]) bzgl. des üblichen Volumenmaßes eine Nullmenge.
(2) Es existieren Peano-Kurven c : [0, 1] → R2 , die stetig sind und trotzdem c([0, 1]) =
[0, 1] × [0, 1] erfüllen. Nach (1) sind solche Kurven nicht rektifizierbar.
10
1. KURVENTHEORIE
Man kann nun zeigen, dass sich für parametrisierte (es reicht stetig differenzierbar) Kurven c : [a, b] → Rn die Länge nach Definition 1.11 als das Supremum der Längen aller
eingeschriebenen Kurven ergibt. Genauer hat man
Satz 1.20. Sei c : [a, b] → Rn eine parametrisierte Kurve und sei P ein in die Kurve c
eingeschriebenes Polygon. Dann gilt:
L[P ] ≤ L[c] .
Weiterhin gilt: c ist rektifizierbar und
L[c] = sup L[P ] ,
P
wobei das Supremum über alle in c eingeschriebenen Polygone genommen wird.
1.5. Kürzeste Verbindungen in Rn . Mit Hilfe der Länge von Kurven kann man einen
Abstandsbegriff auf Rn definieren. Man definiert den Abstand d(p, q) zweier Punkte p, q ∈ Rn
durch
d(p, q) := inf L[c] ,
c
dabei wird das Infinum über alle regulären Kurven c genommen, die die Punkte p und q
verbinden.
Satz 1.21. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten p, q ∈ Rn ist die Gerade
g : [0, 1] → Rn ,
g(t) = p + t(q − p)
Die Gerade g realisiert den euklidischen Abstand, d.h. d(p, q) = L[g] = kq − pk.
Beweis. Sei c : [0, 1] → Rn eine Kurve mit c(0) = p und c(1) = q. Annahme es gibt ein
t0 ∈ [0, 1] mit
c(t0 ) 6= g(t0 ) = p + t0 (q − p) .
Man betrachtet das Polygon P = (p, q) = (c(0), c(1)) mit L[P ] = kq − pk. Dann ist P 0 =
(c(0), c(t0 ), c(1)) ein Polygon zu einer Verfeinerung der P definierenden Unterteilung von
[0, 1]. Beide Polygone sind c eingeschrieben. Nach der Dreiecksungleichung gilt also
L[g] = L[P ] < L[P 0 ] ≤ L[c] .
Die Länge der beliebigen, p und q verbindenden und von g verschiedenen Kurve c, is also
größer als die Länge von g, also größer als kq − pk.
Bemerkung 1.22.
(1) Der Begriff der Länge, und damit auch der des Abstandes, hängen vom gewählten
Skalarprodukt ab. Statt des euklidischen Skalarproduktes h·, ·i kann man ganz beliebige Skalarprodukte h betrachten und die Länge definieren durch
Z bp
Lh [c] :=
h(ċ(t), ċ(t)) dt .
a
2. EBENE KURVEN
11
(2) Kürzeste Verbindungen hängen ebenfalls vom Skalarprodukt (bzw. Metrik) und dem
Raum, in dem die Kurven verlaufen ab. Für später: kürzeste Verbindungen auf der
Sphäre S n ⊂ Rn+1 , bzgl. der vom euklidischen Skalarprodukt induzierten Metrik,
liegen auf Großkreisen in S n .
2. Ebene Kurven
2.1. Das Normalenfeld ebener Kurven. Unter ebenen Kurven versteht man Kurven
in R2 , d.h. c : I → R2 . Für ebene Kurven läßt sich immer ein Normalenfeld definieren.
Definition 2.1. Sei c = (c1 , c2 ) : I → R2 nach Bogenlänge parametrisiert. Dann heißt
n(t) := (−ċ2 (t), ċ1 (t)) das Normalenfeld an die Kurve c.
Bemerkung 2.2.
(1) Für alle t ∈ I gilt kn(t)k = 1.
(2) Das Normalenfeld ist orthogonal zum Tangentialvektor: hn(t), ċ(t)i = 0.
(3) Der Vektor n(t) entsteht aus ċ(t) durch Drehung um 90 Grad , bzw durch Multiplikation mit i in C = R2 . Daher ist (ċ(t), n(t)) eine positiv orientierte Basis von R2 .
(4) Ist die Kurve c nicht nach Bogenlänge parametrisiert kann man n(t) wie oben definieren und erhält wieder einen Vektor, der senkrecht auf dem Tangentialvektor ċ(t)
steht. Dieser Vektor hat allerdings nicht mehr unbedingt die Länge 1 und wird daher
noch normiert, um den Normalenvektor zu erhalten.
2.2. Krümmung ebener Kurven. Sei c : I → R2 eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve. Durch Ableiten der Bedingung kċ(t)k = 1 erhält man
d
hċ(t), ċ(t)i = hc̈, ċi + hċ, c̈i = 2 hc̈(t), ċ(t)i
dt
Damit ist der Vektor c̈ senkrecht zum Tangentialvektor ċ(t) und daher notwendigerweise ein
Vielfaches des Normalenvektors n(t). Hier ist es wichtig, dass c eine ebene Kurve war. Es
existiert also eine Funktion κ : I → R mit
0 =
(1)
c̈(t) = κ(t) n(t) .
Definition 2.3. Die Funktion κ : I → R in (1), heißt Krümmung der Kurve c.
12
1. KURVENTHEORIE
Beispiel 2.4. Sei c : R → R2 ein Kreis vom Radius r, parametrisiert durch c(t) =
(r cos rt , r sin rt ). Dann gilt
ċ(t) = (− sin rt , cos rt )
und
c̈(t) = (−r cos rt , −r sin rt ) = 1r n(t) .
Die Kurve c ist also nach Bogenlänge parametrisiert und hat konstante Krümmung κ(t) = 1r .
Je kleiner der Radius ist, umso größer ist die Krümmung des Kreises.
Bemerkung 2.5.
(1) Der Betrag der Krümmung ist gleich der Länge von c̈(t), d.h.
p
|κ(t)| = kc̈(t)k = c̈1 (t)2 + c̈2 (t)2 .
(2) Die Krümmung ist ein Maß für die Abweichung der Kurve von einer Geraden. Sei
c : I → R2 eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve. Dann ist c genau dann eine
Gerade, wenn c̈(t) = 0 auf I gilt, also genau dann, wenn κ(t) = 0 auf I gilt.
Beweis: Aus c̈(t) = 0 folgt c(t) = at + b für Vektoren a, b ∈ R2 . Die Kurve c erfüllt
also eine Geradengleichung. Umgekehrt sei c eine nach Bogenlänge parametrisierte
Gerade, d.h. c(t) = at + b mit a, b ∈ R2 , kak = 1 und damit auch c̈(t) = 0.
(3) Im Fall ebener Kurven hat die Krümmung ein Vorzeichen. Positive Krümmung,
κ > 0, bedeutet, dass sich die Kurve in Richtung des Normalenvektors, d.h. in
Durchlaufrichtung nach links krümmt. Negative Krümmung, κ < 0, bedeutet, dass
sich die Kurve in Durchlaufrichtung nach rechts krümmt.
Beweis: Man schreibt den Tangentialvektor als ċ(t) = (cos θ(t), sin θ(t)). (Auf die
Existenz der Winkelfunktion θ(t) wird später noch mal eingegangen). Damit folgt
c̈(t) = θ̇(t) (− sin θ(t), cos θ(t)) = θ̇(t) n(t) ,
d.h. κ(t) = θ̇. Positive Krümmung heißt also, dass der Winkel θ zu nimmt und sich
die Kurve in Richtung der Normalen krümmt. Für negative Krümmung entsprechend
in die andere Richtung.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Krümmung einer ebenen Kurve zu berechnen.
Lemma 2.6. Sei c : [a, b] → R2 eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve. Dann gilt
für die Krümmung von c:
ċ1 (t) c̈1 (t)
κ(t) = det(ċ(t), c̈(t)) =
= ċ1 (t)c̈2 (t) − c̈1 (t)ċ2 (t)
ċ2 (t) c̈2 (t)
2. EBENE KURVEN
13
Beweis. Nach Definition gilt |κ(t)| = kc̈(t)k = kc̈(t)k · kċ(t)k. Der Betrag der Krümmung
ist also gleich dem Flächeninhalt des von c̈(t) und ċ(t) aufgespannten Rechtecks. Dieser berechnet sich auch mit der Determinante, d.h. es folgt |κ(t)| = det(ċ(t), c̈(t)). Tatsächlich gilt
die letzte Gleichung aber auch ohne Betragstriche, denn
κ(t) > 0 (ċ(t), c̈(t)) ist eine positiv orientierte Basis in R2 , det(ċ(t), c̈(t)) > 0
und analog
κ(t) < 0 (ċ(t), c̈(t)) ist eine negativ orientierte Basis in R2 det(ċ(t), c̈(t)) < 0 .
Aus der Determinantenformel erhält man nun auch eine Möglichkeit, die Krümmung von
Kurven in allgemeiner Parametrisierung zu bestimmen.
Satz 2.7. Sei c : [a, b] → R2 eine regulär parametrisierte ebene Kurve. Dann berechnet
sich die Krümmung von c
det(ċ(t), c̈(t))
κ(t) =
.
kċ(t)k3
Insbesondere gilt κ̃ = κ ◦ ϕ, wobei κ̃ die Krümmung der nach Bogenlänge parametrisierten
Kurve c̃ = c ◦ ϕ ist, die durch eine orientierungserhaltende Umparametrisierung ϕ aus c
hervorgeht. Die Krümmung ist also bis auf das Vorzeichen invariant unter Umparametrisierungen.
Beweis. Übungsaufgabe, siehe [2].
Beispiel 2.8. Mit Hilfe der Formel aus Satz 2.7 läßt sich die Krümmung des Graphens
einer Funktion f : I → Rqberechnen. Gegeben sei also die Kurve c(t) = (t, f (t)). Dann folgt
ċ(t) = (1, f˙(t)), kċ(t)k = 1 + f˙(t)2 und c̈(t) = (0, f¨(t)). Aus der Formel folgt damit
1
κ(t) =
kċ(t)k3
1
0
˙
¨
f (t) f (t)
=
f¨(t)
(1 + f˙(t))3/2
Als weitere Anwendung erhält man die Invarianz der Krümmung unter euklidischen Bewegungen.
Folgerung 2.9. Die Krümmung einer Kurve ändert sich nicht unter orientierungserhaltenden euklidischen Bewegungen, d.h. unter Abbildungen der Form
F : R2 → R2
mit
F (x) = Ax + b ,
für eine gewisse Matrix A ∈ SO(2) und einen Vektor b ∈ R2 .
14
1. KURVENTHEORIE
Sei c : [a, b] → R2 eine ebene Kurve mit der Krümmung κ(t). Die Kurve c̃ ergebe sich aus
c durch die Anwendung einer euklidischen Bewegung F : R2 → R2 mit F (x) = Ax + b, d.h.
˙ = A · ċ(t) und c̃(t)
¨ = A · c̈(t). Mit der Formel
c̃(t) = F (c(t)) = A · c(t) + b. Dann folgt c̃(t)
aus Satz 2.7 ergibt sich die Krümmung von c̃ als
1
1
1
˙
¨
det(c̃(t),
c̃(t))
=
det(A· ċ(t), A· c̈(t)) =
det(ċ(t), c̈(t)) = κ(t) .
3
3
˙
kA · ċ(t)k
kċ(t)k3
kc̃(t)k
In dieser Rechnung nutzt man aus, dass eine Matrix A ∈ SO(2) die Determinante 1 hat und
das euklidische Skalarprodukt (und damit die Norm) erhalten. Außerdem gilt die aus der
linearen Algebra bekannte Formel det(A · v, A · w) = det(A) det(v, w), für beliebige 2 × 2
Matrizen A und Vektoren u, v ∈ R2 .
2.3. Der Krümmungskreis. Die Tangente an eine Kurve c im Punkt c(t), also die
Gerade g(s) = c(t) + s ċ(t) approximiert c in c(t) zu erster Ordnung. Man erhält die Tangente
in c(t) als Grenzwert aller Geraden durch die Punkte c(t) und c(t0 ) für t0 → t. Man erhält
die Tangente in c(t) auch als Grenzwert aller Geraden durch die Punkte c(t1 ) und c(t2 ) für
t1 , t2 → t. In Analogie sucht man nun einen Kreis, der die Kurve c im Punkt c(t) bis zu
zweiter Ordnung approximiert.
Satz 2.10. Sei c : [a, b] → R2 eine ebene, nach Bogenlänge parametrisierte Kurve. Ist
c̈(t) 6= 0, dann liegen c(t1 ), c(t2 ), c(t3 ) für t1 , t2 , t3 hinreichend nahe an t, nicht auf einer
Geraden. Konvergieren t1 , t2 , t3 gegen t, dann konvergiert der eindeutig bestimmte Kreis durch
die Punkte c(t1 ), c(t2 ), c(t3 ) gegen eine Kreis durch c(t) vom Radius r um den Mittelpunkt Z
mit:
1
1
und
Z = c(t) +
n(t) ,
r =
|κ(t)|
κ(t)
c(t2 ) c(t)
c(t1 )
c(t)
c(t3 )
t1 , t2 , t3 → t
Z
Bemerkung 2.11.
1
1
(1) Den Kreis um p = c(t) + κ(t)
n(t) mit dem Radius r = |κ(t)|
nennt man
Krümmungskreis oder auch Schmiegekreis. Die Kurve der Mittelpunkte nennt man
Evolute oder auch Brennkurve von c.
2. EBENE KURVEN
15
(2) Der Krümmungskreis approximiert c in c(t) zu zweiter Ordnung, d.h. die erste und
zweite Ableitung stimmen überein. Der Krümmungskreis und die Kurve haben die
gleiche Tangenten und die gleiche Krümmung.
Beweis. Der vollständige Beweis findet sich in [4]. Es soll hier nur erklärt werden, wie
man die Position des Krümmungskreises bestimmt. Sei dazu t1 < t2 < t3 , so dass die Punkte
c(t1 ), c(t2 ), c(t3 ) nicht auf einer Geraden liegen. Sei weiterhin Z(t1 , t2 , t3 ) ∈ R2 der Mittelpunkt
des eindeutig bestimmten Kreises durch c(t1 ), c(t2 ), c(t3 ) und f (t) das Quadrat des Abstandes
zwischen c(t) und dem Kreismittelpunkt Z(t1 , t2 , t3 ), d.h.
f (t) := hc(t) − Z(t1 , t2 , t3 ), c(t) − Z(t1 , t2 , t3 )i = kc(t) − Z(t1 , t2 , t3 )k2 .
Die Punkte c(t1 ), c(t2 ), c(t3 ) liegen alle auf dem Kreis und haben daher denselben Abstand
von Z(t1 , t2 , t3 ), also: f (t1 ) = f (t2 ) = f (t3 ). Aus dem Satz von Rolle folgt nun, dass Zahlen
ξ1 ∈ (t1 , t2 ) und ξ2 ∈ (t2 , t3 ) existieren, mit f˙(ξ1 ) = f˙(ξ2 ) = 0. Rechnet man die Ableitung
von f aus und setzt die Zahlen ξi ein, so erhält man
(2)
hċ(ξi ), c(ξi ) − Z(t1 , t2 , t3 )i = 0 .
Als Nächstes betrachtet man die Funktion
g(t) := hċ(t), c(t) − Z(t1 , t2 , t3 )i .
Wie gerade gezeigt gilt g(ξ1 ) = g(ξ2 ) = 0. Wieder folgt aus dem Satz von Rolle, dass es eine
Zahl η ∈ (ξ1 , ξ2 ) gibt, mit ġ(η) = 0. Setzt man das in die Formel für ġ(t) ein, so folgt
(3)
hc̈(η), c(η) − Z(t1 , t2 , t3 )i = −1 .
Sei nun die Existenz des Grenzwertes Z := limt1 ,t2 ,t3 →t Z(t1 , t2 , t3 ) gezeigt, dann erhält man
aus (2) und (3) die folgenden beiden Gleichungen:
hċ(t), c(t) − Zi = 0
und
hc̈(t), c(t) − Zi = −1 ,
Aus der ersten Gleichung folgt, dass Z auf der Geraden g(s) = c(t) + sn(t) liegt, d.h. es gilt
c(t) − Z = αn(t) für eine gewisse Zahl α. Setzt man das in die zweite Gleichung ein, so ergibt
sich hκ(t)n(t), αn(t)i = −1 und damit schließlich κ(t)α = −1, d.h.
1
1
1
α=−
,
Z = c(t) +
n(t),
kc(t) − Zk =
.
κ(t)
κ(t)
|κ(t)|
Damit ist die Position und der Radius des Schmiegekreises wie behauptet bestimmt.
2.4. Die Frenet-Gleichungen. Sei c : I → R2 eine nach Bogenlänge parametrisierte
Kurve. Bezeichne v(t) := ċ(t) den Geschwindigkeits- bzw Tangentialvektor an c. Dann nennt
man die positive Orthonormalbasis (v(t), n(t)) das begleitende 2-Bein der Kurve c. Die FrenetGleichungen beschreiben die zeitliche Änderung des begleitenden 2-Beins.
Satz 2.12. Sei c : I → R2 eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve mit der
Krümmung κ : I → R. Dann gilt:
0 −κ(t)
(v̇(t), ṅ(t)) = (v(t), n(t))
κ(t)
0
16
1. KURVENTHEORIE
d.h. man hat die beiden Gleichungen: v̇(t) = κ(t)n(t) und ṅ(t) = −κ(t)v(t).
Beweis. Die erste Gleichung ist genau die definierende Gleichung der Krümmung: v̇(t) =
c̈(t) = κ(t)n(t).
Zum Beweis der zweiten Gleichung leitet man hn(t), n(t)i = 1 ab und erhält die Beziehung
hṅ(t), n(t)i = 0. Der Vektor ṅ(t) steht also senkrecht auf dem Normalenvektor n(t) und muß
daher in Richtung des Tangentialvektors v(t) = ċ(t) zeigen, d.h. es existiert eine Funktion
α : I → R, mit ṅ(t) = α(t)v(t). Nun leitet man die Gleichung hn(t), v(t)i = 0 ab und erhält:
0 = hṅ(t), v(t)i + hn(t), v̇(t)i
= hα(t)v(t), v(t)i + hn(t), κ(t)n(t)i
= α(t)kv(t)k2 + κ(t)kn(t)k2
= α(t) + κ(t) .
Somit folgt α(t) = −κ(t) und damit die zweite Gleichung ṅ(t) = −κ(t)v(t).
2.5. Ebene Kurven konstanter Krümmung. Als Anwendung der Krümmungskreises
und der Frenet-Formeln erhält man eine Beschreibung der ebenen Kurven konstanter
Krümmung.
Satz 2.13. Eine reguläre ebene Kurve hat genau dann konstante Krümmung κ, wenn sie
1
Teil eines Kreises vom Radius |κ|
(für κ 6= 0) oder Teil einer Geraden (für κ = 0) ist.
Beweis. Es wurde schon gezeigt, dass κ = 0 genau dann gilt, wenn c Teil einer Geraden
ist und das ein Kreis vom Radius r die konstante Krümmung κ = 1r hat. Zu zeigen bleibt,
1
dass eine Kurve c von konstanter Krümmung κ 6= 0 Teil eines Kreises vom Radius |κ|
ist.
Es ist Z(t) := c(t) + κ1 n(t) die Kurve der Krümmungskreismittelpunkte. Es folgt
Ż(t) = ċ(t) +
1
1
ṅ(t) = ċ(t) + (−κ) ċ(t) = 0 .
κ
κ
Somit ist Z = Z(t) ein fester Punkt in der Ebene und es gilt: kZ − c(t)k =
1
die Kurve c liegt auf einem Kreis vom Radius |κ|
um Z.
1
|κ|
für alle t, d.h.
2.6. Die Krümmung bestimmt die Kurve. Als Anwendung der Frenet-Gleichungen
findet man, dass zu jeder vorgegebenen Funktion eine im Wesentlichen eindeutig bestimmte
Kurve existiert, die diese Funktion als Krümmung besitzt.
Satz 2.14. Sei κ : [a, b] → R stetig. Dann existiert eine Kurve c : [a, b] → R2 , die
nach Bogenlänge parametrisiert ist und für die κ die Krümmung ist. Je zwei Kurven mit
Krümmung κ unterscheiden sich nur durch eine euklidische Bewegung.
2. EBENE KURVEN
17
Beweis. Gesucht ist eine Kurve c(t) = (c1 (t), c2 (t)) mit Krümmung κ. Man setzt ċ(t) =
(cos θ(t), sin θ(t)) und n(t) = (− sin θ(t), cos θ(t)). Dann gilt, wie schon gezeigt, κ(t) = θ̇(t)
und damit
Z
t
κ(s) ds ,
θ(t) =
0
wobei man o.B.d.A. annimmt, dass c(0) = (0, 0), ċ(0) = (1, 0) gilt und damit θ(0) = 0.
Die Kurve c ist nun durch die Winkelfunktion θ bestimmt. Denn aus ċ1 (t) = cos θ(t) und
ċ2 (t) = sin θ(t) folgt:
Z r
Z s
Z s
κ(t)dt]dr
cos[
cos θ(r)dr =
c1 (s) =
0
0
0
und analog gilt:
s
Z
c2 (s) =
Z
sin θ(r)dr =
0
s
Z r
sin[
κ(t)dt]dr .
0
0
Die Kurve c ist somit eindeutig bestimmt. Allerdings muss im Allgemeinen eine euklidische
Bewegung auf c angewandt werden, um die Anfangsbedingungen c(0) = (0, 0) und θ(0) = 0
zu realisieren. Eine Kurve mit vorgegebener Krümmung κ ist also eindeutig bestimmt bis auf
euklidische Bewegungen.
Beispiel 2.15.
(1) Man erhält noch mal die Klassifikation von Kurven konstanter Krümmung. Sei c =
(c1 , c2 ) eine Kurve konstanter Krümmung κ. Unter der Voraussetzung c(0) = (0, 0)
und θ(0) = 0 folgt dann
Z s
1
c1 (s) =
cos(rκ) dr =
sin(sκ) .
κ
0
und analog
Z
s
sin(rκ) = −
c2 (s) =
0
1
1
cos(sκ) +
.
κ
κ
Die Kurve c ist also eine Kreislinie vom Radius
1
κ
um den Punkt (0, κ1 ).
(2) Sei c eine Kurve mit linearer Krümmung, z.B. κ(t) = t. Wie schon erwähnt nennt man
c Cornu-Spirale, aber auch Klothoide, Spinn- oder Strassenbaukurve. Man findet
2
θ(t) = t2 , falls wieder θ(0) = 0 vorausgesetzt wird. Damit folgt für c = (c1 , c2 ):
Z s
Z s
2
r2
c1 (s) =
cos( 2 ) dr,
und
c2 (s) =
sin( r2 ) dr .
0
0
Man sieht, dass c nach Bogenlänge parametrisiert ist. Die auftretenden Integrale
nennt man Fresnelsche Integrale. Sie lassen sich nicht durch elementare Funktionen
beschreiben. Diese Integrale spielen in der Optik eine wichtige Rolle.
18
1. KURVENTHEORIE
2.7. Existenz der Winkelfunktion.
Lemma 2.16. Sei c : [a, b] → R2 eine ebene nach Bogenlänge parametrisierte Kurve. Dann
existiert eine glatte Funktion θ : [a, b] → R, so dass
ċ(t) = (cos θ(t), sin θ(t)) .
Sind θ1 , θ2 zwei solche Funktionen, so unterscheiden sie sich nur um ein ganzzahliges Vielfaches von 2π, d.h. θ1 = θ2 + 2k π . Insbesondere ist die Differenz θ(b) − θ(a) eindeutig
durch die Kurve c festgelegt.
Die Zahl θ(t) misst den Winkel zwischen dem Tangentialvektor ċ(t) und der x-Achse.
Dieser Winkel ist bis auf ganzzahlige Vielfache von 2π eindeutig bestimmt. Die Definition
wäre eindeutig durch die Festsetzung θ(t) ∈ [0, 2π). Doch damit hätte man Sprünge an den
Stellen, wo θ(t) den Wert 2π erreicht, der Tangentialvektor ċ(t) also eine volle Umdrehung
beendet. Die Bedeutung des Lemmas liegt darin, dass θ(t) trotzdem als glatte Funktion
gewählt werden kann.
Beweis. a) Man nimmt zunächt an, dass das Bild ċ([a, b]) ganz in einem der folgenden
vier Halbkreise liegt:
Sr := { (x, y) ∈ S 1 | x > 0 },
Sl := { (x, y) ∈ S 1 | x < 0 }
So := { (x, y) ∈ S 1 | y > 0 },
Su := { (x, y) ∈ S 1 | y < 0 } .
Mit dieser Voraussetzung ist immer entweder ċ1 (t) oder ċ2 (t) ungleich Null und damit folgende
Konstruktion möglich.
Sei z.B. ċ1 (t) > 0, d.h. das Bild liege im rechten Halbkreis Sr . Dann gilt für θ(t):
ċ2 (t)
sin θ(t)
=
= tan θ(t) .
ċ1 (t)
cos θ(t)
Daraus folgt
θ(t) = arctan( ċċ21 (t)
) + 2kπ,
(t)
k∈Z.
Die ganze Zahl k ist konstant und festgelegt durch den Anfangswert θ(a). Die Formel
zeigt, dass die so definierte Winkelfunktion sogar glatt, d.h. beliebig oft differenzierbar ist.
Der Fall der anderen Halbkreise wird analog behandelt. Für den oberen bzw. untere Halbkreis
hat man ċ2 (t) 6= 0 und man nimmt arccot zur Definition von θ.
b.) Sei nun das Bild ċ([a, b]) nicht mehr ganz in einem der vier Halbkreise enthalten. Dann
wählt man eine Unterteilung a = t0 < t1 < . . . < tk = b des kompakten Intervalls [a, b], so
dass für alle i das Bild ċ([ti , ti+1 ]) in einem der Halbkreise enthalten ist.
Nun definiert man induktiv die Winkelfunktion θ auf [a, b] mit Hilfe von Teil a.): Zu
gegebenen Anfangswert θ(a) definiert man θ auf [a, t1 ]. Dann ist θ dort glatt und eindeutig
bestimmt. Ausserdem ist θ(t1 ) festgelegt. Jetzt definiert man θ auf [t1 , t2 ] und geht schrittweise
so weiter und erhält schließlich eine glatte Winkelfunktion θ auf dem Intervall [a, b].
2. EBENE KURVEN
19
Die Funktion θ ist eindeutig bestimmt bis auf die Wahl des Anfangswertes θ(a), d.h. bis
auf ein Vielfaches von 2π.
2.8. Geschlossene Kurven. Mit Hilfe der Winkelfunktion soll nun für eine gewisse Klasse von Kurven eine interessante Invariante, die Umlaufzahl, definiert werden. Dazu
müssen aber zunächst noch einige Bezeichnungen eingeführt werden.
Definition 2.17. Eine parametrisierte Kurve c : R → Rn heißt periodisch mit Periode L,
falls c(t + L) = c(t) für alle t ∈ R gilt und es kein L0 mit 0 < L0 < L gibt, das ebenfalls diese
Eigenschaft besitzt (d.h. L ist die minimale Periode). Eine Kurve heißt geschlossen, falls sie
eine periodische reguläre Parametrisierung besitzt.
Beispiel 2.18. Die Kreislinie c : R → R2 mit c(t) = (cos t, sin t) ist eine periodisch
parametrisierte Kurve mit Periode 2π. Diese Kurve ist geschlossen.
Bemerkung 2.19.
(1) Nicht jede Parametrisierung einer geschlossenen Kurve ist periodisch.
(2) Die Parametrisierung nach Bogenlänge einer geschlossenen Kurve ist periodisch. Die
Periode ist dann gleich der Länge.
Definition 2.20. Eine geschlossene Kurve heißt einfach geschlossen, falls sie eine periodische reguläre Parametrisierung c mit Periode L besitzt, so dass c|[0,L) injektiv ist.
Bemerkung 2.21.
Einfach geschlossen bedeutet, dass die Kurve keine Selbstschnitte besitzt. Einfach
geschlossene Kurven sind Einbettungen von S 1 nach R2 .
2.9. Die Umlaufzahl.
Definition 2.22. Sei c : R → R2 eine ebene nach Bogenlänge parametrisierte Kurve,
periodisch mit Periode L. Sei θ : R → R die Winkelfunktion. Dann ist
1
nc :=
(θ(L) − θ(0))
2π
die Umlaufzahl der Kurve c.
20
1. KURVENTHEORIE
Beispiel 2.23. Sei c : R → R die Kreislinie vom Radius r in der Parametrisierung nach
Bogenlänge: c(t) = (r cos rt , r sin rt ). Die Periode bzw. Länge der Kurve ist dann L = 2πr. Es
gilt ċ(t) = (− sin rt , cos rt ) = (cos( rt + π2 ), sin( rt + π2 )). Die Winkelfunktion ist also gegeben als
θ(t) = rt + π2 und es folgt für die Umlaufzahl:
1
(θ(2π r) − θ(0)) = 1 ,
nc =
2π
d.h. die Kreislinie hat Umlaufzahl 1.
2.10. Unabhängigkeit von der Parametrisierung.
Lemma 2.24. Seien c1 , c2 : R → R2 zwei ebene nach Bogenlänge parametrisierte Kurven,
periodisch mit Periode L. Entsteht c2 aus c1 durch eine orientierungserhaltende Parametertransformation, so gilt für die Umlaufzahlen
nc1 = nc2 .
Entsteht c2 aus c1 durch eine orientierungsumkehrende Parametertransformation, so gilt
nc1 = − nc2 .
Beweis. Sei ϕ die Parametertransformation, d.h. c2 = c1 ◦ ϕ. Wegen der Eindeutigkeit
der Parametrisierung nach Bogenlänge folgt
ϕ(t) = ± t + t0 .
Sei ϕ orientierungserhaltend, dann gilt ϕ = t + t0 . Damit folgt
ċ2 (t) = ċ1 (t + t0 ) = (cos θ1 (t + t0 ), sin θ1 (t + t0 ))
Für die Winkelfunktion besagt diese Gleichung, dass θ2 (t) = θ1 (t + t0 ) und θ1 (t) = θ2 (t − t0 ).
Sei θ̃1 (t) := θ1 (t + L). Dann ist, da L die Periode von c1 ist, mit θ1 auch θ̃1 eine
Winkelfunktion von c1 . Damit erhält man für die Differenz der Winkelfunktionen
nc2 − nc1 =
1
2π
( θ2 (L) − θ2 (0) − [θ1 (L) − θ1 (0)] )
=
1
2π
( θ1 (L + t0 ) − θ1 (t0 ) − θ1 (L) + θ1 (0) )
=
1
2π
( [θ̃1 (t0 ) − θ̃1 (0)] − [θ1 (t0 ) − θ1 (0)] )
=
0
Die Winkelfunktion θ̃1 unterscheidet sich von der Winkelfunktion θ1 um ein ganzzahliges
Vielfaches von 2π. Daher sind die beiden Differenzen in der letzten Klammer gleich und
heben sich somit weg. Es folgt nc1 = nc2 .
Ist φ orientierungsumkehrend, dann gilt φ(t) = −t + t0 und der Beweis für nc1 = −nc2
verläuft analog (siehe [2]).
Bemerkung 2.25.
2. EBENE KURVEN
21
(1) Das Lemma zeigt, dass die Umlaufzahl einer orientierten geschlossenen ebenen
Kurve wohldefiniert ist. Die Umlaufzahl wechselt ihr Vorzeichen bei Umkehrung der
Orientierung.
(2) Die Umlaufzahl nc ist eine ganze Zahl. Beweis: Offensichtlich gilt cos θ(L) = cos θ(0)
und sin θ(L) = sin θ(0). Es folgt eiθ(L) = eiθ(0) und damit ei[θ(L)−θ(0)] = 1. Also
muss die Differenz θ(L) − θ(0) ein ganzzahliges Vielfaches von 2π sein und es folgt
direkt aus der Definition, dass die Umlaufzahl eine ganze Zahl ist.
(3) Die Umlaufzahl ist die Windungszahl der Kurve ċ : [a, b] → R2 \ {0}. Ist eine Kurve
c : [a, b] → R2 \ {0} nicht nach Bogenlänge parametrisiert, so schreibt man sie
in Polarkoordinaten als c(t) = r(t)(cos θ(t), sin θ(t)) und definiert die Umlaufzahl
1
wieder als nc = 2π
(θ(b) − θ(b)).
(4) Die Umlaufzahl ist eine sogenannte reguläre Homotopieinvariante, d.h. sie ändert sich
nicht bei stetigen Deformationen der Kurve durch Familien regulärer Kurven. Der
Satz von Whitney-Graustein besagt sogar die Umkehrung und damit die Äquivalenz:
Zwei geschlossene Kurven haben die gleiche Umlaufzahl genau dann, wenn sie regulär
homotop sind.
2.11. Krümmung und Umlaufzahl. Ein Zusammenhang zwischen Krümmung und
Umlaufzahl ist anschaulich klar. Denn gilt κ > 0 hinreichend lange, so krümmt sich die Kurve
entsprechend lange nach links und sollte somit nach gewisser Zeit einen Umlauf beenden und
einen positiven Beitrag zur Umlaufzahl leisten. Analog sollte negative Krümmung κ < 0 einen
negativen Beitrag zur Umlaufzahl leisten. Tatsächlich gilt nun der folgende Satz.
Satz 2.26. Sei c : R → R2 eine nach Bogenlänge parametrisierte ebene periodische Kurve
mit Periode L. Sei κ : R → R die Krümmung von c. Dann gilt
Z L
1
nc =
κ(t) dt .
2π 0
Beweis. Sei der Tangentialvektor an c gegeben als ċ(t) = (cos θ(t), sin θ(t)). Wie schon
bemerkt folgt dann κ(t) = θ̇(t). Die Aussage ist nun eine direkte Folgerung aus dem Hauptsatz
der Differential- und Integralrechnung.
Z L
Z L
1
1
1
nc =
(θ(L) − θ(0)) =
θ̇(t) dt =
κ(t) dt .
2π
2π 0
2π 0
22
1. KURVENTHEORIE
Bemerkung 2.27. Ist die Kurve c : [a, b] → R2 nicht nach Bogenlänge parametrisiert, so
kann man sie durch c̃ = c ◦ ϕ auf Bogenlänge umparametrisieren. Es gilt dann
Z L
Z L
Z b
(4)
κ̃(t) dt =
κ(ϕ(t)) dt =
κ(s) kċ(s)k ds .
0
0
a
Tatsächlich ist, wie im Beweis von Satz 1.9 gezeigt: ϕ = ψ −1 mit ψ̇(s) = kċ(s)k. Das Integral
in (4) nennt man die Totalkrümmung der Kurve c bzw. c̃. Dividiert durch 2π ergibt es jeweils
die Umlaufzahl einer geschlossenen ebenen Kurve.
2.12. Der Umlaufsatz von Hopf. Es soll nun gezeigt werden, was anschaulich vielleicht klar ist, dass geschlossene ebene Kurven mit mehr als zwei Umläufen, also mit |nc | ≥ 2,
Selbstschnitte haben müssen.
Satz 2.28 (Hopf, 1935). Eine einfach geschlossene ebene Kurve hat Umlaufzahl 1 oder−1.
Bemerkung 2.29. Der Umlaufsatz von Hopf kann auch so formuliert werden, dass die Totalkrümmung einer einfach geschlossenen ebenen Kurve immer gleich ±2π ist. Als Folgerung
erhält man daraus eine Abschätzung für die totale Absolutkrümmung einer nach Bogenlänge
parametrisierten einfach geschlossenen Kurve c. Es gilt:
Z L
|κ(t)| dt ≥ 2π .
0
Mit Gleichheit genau dann, wenn die Krümmung ihr Vorzeichen nicht ändert. Das führt auf
die Untersuchung konvexer Kurven, die etwas später betrachtet werden.
Eine weitere Konsequenz des Umlaufsatzes ist, dass jede einfach-geschlossene Kurve regulär homotop zur Kreislinie ist. Denn die Kreislinie hatte Umlaufzahl 1.
Beweis. Der Umlaufsatz von Hopf folgt aus einem Liftungslemma. Bevor dieses formuliert wird, soll zunächst an den Begriff sternförmig erinnert werden.
Definition 2.30. Sei X ⊂ Rn , x0 ∈ Rn . Dann heißt X sternförmig bzgl. x0 , falls für
jeden Punkt x ∈ X die Strecke zwischen x und x0 ganz in X enthalten ist, d.h.
t x + (1 − t) x0 ∈ X
∀ t ∈ [0, 1] .
Bemerkung 2.31. Sternförmige Mengen sind kontrahierbar und damit insbesondere einfach zusammenhängend. Das folgende Liftungslemma gilt allgemeiner für einfach zusammenhängende Mengen.
2. EBENE KURVEN
23
x0
x0
Lemma 2.32 (Liftungslemma). Sei X ⊂ Rn sternförmig bzgl. x0 . Sei e : X → S 1 ⊂ R2
eine stetige Abbildung. Dann existiert eine stetige Abbildung θ : X → R, so dass
e(x) = (cos θ(x), sin θ(x)) = eiθ(x)
für alle x ∈ X. Die Abbildung θ ist durch die Vorgabe von θ(x0 ) = θ0 eindeutig bestimmt.
Beweis. siehe [2] Für n = 1 folgt die Existenz von θ analog zur Existenz der Winkelfunktion.
Bemerkung 2.33. Ist die Abbildung e : X → S 1 nicht surjektiv, so kann man den Lift
θ : X → R direkt angeben. Insbesondere hat man in diesem Fall für alle x1 , x2 ∈ X:
| θ(x1 ) − θ(x2 ) | < 2π .
Beweis der Bemerkung: Der Punkt z0 = (cos ϕ, sin ϕ) liege nicht im Bild von e. In diesem
Fall sind die Abbildungen
ψk : (ϕ + 2π(k − 1), ϕ + 2π) → S 1 \ {z0 } ⊂ R2 ,
t 7→ (cos t, sin t)
für jedes k ∈ Z Homöomorphismen, d.h. umkehrbar stetige Abbildungen. Den Lift definiert
man dann durch
θ := ψk−1 ◦ e : X → (ϕ + 2π(k − 1), ϕ + 2π) .
Nach Definition gilt dann e(x) = (cos θ(x), sin θ(x)). Die Zahl k ist durch die Bedingung
θ(x0 ) = θ0 eindeutig festgelegt und es folgt | θ(x1 ) − θ(x2 ) | < 2π für alle x1 , x2 ∈ X.
Nun zum Beweis des Umlaufsatzes von Hopf.
a.) Sei c = (c1 , c2 ) eine nach Bogenlänge parametrisierte einfach geschlossene ebene Kurve,
mit einer periodischen Parametrisierung der Periode L. Sei x0 := max{c1 (t) | t ∈ R} die
maximale x-Koordinate von c. Das Maximum wird angenommen, d.h. x0 ist wohldefiniert,
da die Spur von c kompakt ist. Die Gerade L := {(x, y) ∈ R2 | x = x0 } schneidet die Kurve
c in einem Punkt p. Durch eine Parametertransformation ϕ(t) = t + t0 kann man erreichen,
dass c(0) = p gilt.
Sei G die Gerade G := {p + s(1, 0) | s ∈ R}. Dann liegen auf dem rechten Halbstrahl von
G, also zu Parameterwerten s > 0, keine Punkte von c mehr.
24
1. KURVENTHEORIE
Nach Konstruktion steht ċ(0) senkrecht auf der Geraden G. Denn ist q ein von p verschiedener Punkt auf G, rechts von p, so nimmt die Funktion f (t) := kc(t) − qk2 in t = 0 ihr
Minimum an, d.h. f˙(0) = 0 und damit steht ċ(0) senkrecht auf p − q. Da c nach Bogenlänge
parametrisiert ist folgt, ċ(0) = (0, 1) oder ċ(0) = (0, −1). Im zweiten Fall führt man noch
die Parametertransformationen ϕ(t) = −t durch und kann dann im Weiteren ċ(0) = (0, 1)
annehmen.
L
c
ċ(0)
f (0)
p.
G
q
f (t)
c(t)
(0, L)
(L, L)
X
(0, 0)
b.) Sei X = { (t1 , t2 ) ∈ R2 | 0 ≤ t1 ≤ t2 ≤ L }. Die Menge X ⊂ R2 ist sternförmig bzgl.
(0, 0). Man betrachtet folgende stetige Abbildung e : X → S 1 :
 c(t )−c(t )
2
1

für t2 > t1 , (t1 , t2 ) 6= (0, L)

 kc(t2 )−c(t1 )k
e(t1 , t2 ) :=
ċ(t)
für t1 = t2 = t



−ċ(0)
für t1 = 0, t2 = L
Die Abbildung e ist wohldefiniert, da die Kurve c einfach geschlossen ist. Somit ist c(t1 ) =
c(t2 ) im ersten Fall der Definition von e nicht möglich. Die Stetigkeit der Abbildung e folgt aus
der schon erwähnten Tatsache, dass die Sekante durch c(t1 ) und c(t2 ) beim Grenzübergang
t1 , t2 → t in die Tangente ċ(t) übergeht. Die Stetigkeit in (0, L) folgt direkt aus der Definition
von ċ(0) als Grenzwert eines Differenzenquotienten.
Aus dem Liftungslemma folgt nun die Existenz einer Abbildung θ : X → R mit
e(t1 , t2 ) = (cos θ(t1 , t2 ), sin θ(t1 , t2 )) .
Insbesondere ist t 7→ θ(t, t) eine Winkelfunktion für c, da
ċ(t) = e(t, t) = (cos θ(t, t), sin θ(t, t)) .
Nach Definition der Umlaufzahl erhält man daraus
(5)
2π nc = θ(L, L) − θ(0, 0) = (θ(L, L) − θ(0, L)) + (θ(0, L) − θ(0, 0)) .
3. DIE ISOPERIMETRISCHE UNGLEICHUNG
25
c.) Nun soll gezeigt werden, dass der Punkt (1, 0) nicht im Bild der Abbildung t 7→ e(0, t)
liegt, um dann die Bemerkung 2.33 anwenden zu können.
Annahme es existiert ein t ∈ (0, L) mit e(0, t) = (1, 0). Dann ist man im ersten Fall der
Definition von e und es folgt c(t) = c(0) + µ(1, 0) für ein µ ∈ R+ . Damit liegt aber c(t) auf
dem rechten Halbstrahl der Geraden G, was aber im Widerspruch zur Annahme in a.) steht.
Offensichtlich sind auch e(0, 0) und e(0, L) von (1, 0) verschieden. Damit gibt es kein reelles
t mit e(0, t) = (1, 0).
Aus der Bemerkung 2.33 für ϕ = 0 folgt somit, dass das Bild der Abbildung t 7→ θ(0, t)
in einem Intervall der Form (2πk, 2π(k + 1)) liegt.
Nach der Definition von e und den Annahmen in a.) gilt e(0, L) = −ċ(0) = (0, −1) und
somit θ(0, L) = 3π
+ 2πk. Ausserdem ist e(0, 0) = ċ(0) = (0, 1), also θ(0, 0) = π2 + 2πk. Daraus
2
folgt
θ(0, L) − θ(0, 0) = π .
Analog zeigt man, dass der Punkt (−1, 0) nicht im Bild der Abbildung t 7→ e(t, L) liegt.
Mit der Bemerkung 2.33 für ϕ = π folgt dann, dass das Bild der Abbildung t 7→ θ(t, L) in
einem Intervall der Form (π + 2πk, π + 2π(k + 1)) liegt. Es folgt θ(L, L) = 2π + π2 + 2πk und
θ(0, L) = 3π
+ 2πk und damit wieder
2
θ(L, L) − θ(0, L) = π .
Insgesamt folgt dann mit Gleichung (5): 2πnc = π + π = 2π, also nc = 1.
Neben dem Umlaufsatz von Hopf gibt es eine Reihe weiterer Sätze über geschlossene
Kurven, die anschaulich klar, aber doch recht schwer zu beweisen sind. Besonders wichtig ist
zum Beispiel der Kurvensatz von Jordan:
Satz 2.34. Sei c : R → R2 eine einfach geschlossene Kurve mit Umlaufzahl nc = 1.
Dann zerfällt die offene Menge M := R2 \ Spur(c) in zwei Zusammenhangskomponenten,
˙ i . Die Punkte von Ga liegen per Definition außerhalb der Kurve, die von Gi
M = Ga ∪G
innerhalb. Das Gebiet Gi ist beschränkt und c berandet die kompakte Menge Ḡi . Dagegen ist
Ga unbeschränkt.
3. Die Isoperimetrische Ungleichung
In diesem Kapitel soll die Frage geklärt werden, welches beschränkte Gebiet in R2 bei
vorgegebenen Umfang den größten Flächeninhalt hat.
Satz 3.1. Sei G ⊂ R2 ein beschränktes Gebiet, berandet von einer einfach geschlossenen
Kurve c mit der Länge L[c]. Sei A[G] der Flächeninhalt von G, dann gilt:
1
A[G] ≤
L[c]2 .
4π
Gleichheit gilt genau dann, wenn c eine Kreislinie ist.
26
1. KURVENTHEORIE
Beweis. 1. Schritt: Berechnung des Flächeninhalts A[G]:
Lemma 3.2. Sei c(t) = (x(t), y(t)) die Randkurve von G mit Umlaufzahl nc = 1, d.h. c
werde im mathematisch positiven Sinn durchlaufen. Sei L = L[c] die Länge von c. Dann gilt
RL
RL
RL
A[G] = − 0 ẋ(t) y(t) dt = 0 x(t) ẏ(t) dt = 12 0 [x(t) ẏ(t) − ẋ(t) y(t)] dt .
n
ċ
ċ
n
n ċ
G
Beweis. Das Lemma folgt unmittelbar aus dem Integralsatz von Gauß für Gebiete. Sei
V = (V1 , V2 ) : G → R2 eine glatte Abbildung (Vektorfeld), dann gilt:
Z L
Z
∂V1
∂V2
+
) dx dy = −
hV (c(t)), n(t)i dt .
(
∂y
0
G ∂x
Das Vorzeichen erklärt sich dadurch, dass n(t) in das Gebiet G hinein zeigt, da der Durchlaufsinn von c positiv ist.
Zur Berechnung des Flächeninhaltes A[G] wendet man den Gaußschen Integralsatz auf
1
2
das Vektorfeld V (x, y) = (x, y) an. Es gilt offensichtlich ∂V
= ∂V
= 1 und daher folgt
∂x
∂y
Z
Z
∂V1
∂V2
(
+
) dx dy = 2
dx dy = 2 A[G]
∂y
G ∂x
G
und für die rechte Seite:
Z L
Z L
Z L
h(x(t), y(t)), (−ẏ(t), ẋ(t))i dt =
(−x(t)ẏ(t) + y(t)ẋ(t)) dt .
hV (c(t)), n(t)i dt =
0
0
0
Insgesamt folgt also für den Flächeninhalt die Formel
Z
1 L
A[G] =
(−x(t) ẏ(t) + ẋ(t) y(t)) dt .
2 0
Die beiden anderen Gleichungen für A[G] ergeben sich durch partielle Integration.
2. Schritt: Beweis der isoperimetrischen Ungleichung.
Die Kurve c sei geschrieben als c(t) = (x(t), y(t)). O.B.d.A. sei c nach Bogenlänge parametrisiert. Da c einfach geschlossen ist, sind die Funktionen c, x und y periodisch mit Periode
L = L[c].
3. DIE ISOPERIMETRISCHE UNGLEICHUNG
27
Man ändert die Parametrisierung, um 2π-periodische Funktionen zu erhalten und identifiziert Punkte in R2 mit komplexen Zahlen. Dazu definiert man eine C-wertige Funktion
z : R → C durch
L
L
z(t) = x( 2π
t) + i y( 2π
t) .
Die Parametertransformation ϕ(t) =
periodisch.
L
t
2π
überführt c in z. Die neue Funktion z ist 2π-
Bekanntlich lassen sich 2π-periodische Funktionen in eine Fourierreihe entwickeln. D.h. es
existieren Konstanten ck , k ∈ Z, so dass die Funktion z sich schreibt als
∞
X
z(t) =
ck eikt .
k=−∞
Die Konstanten ck nennt man Fourierkoeffizienten von z.
Zur Erinnerung: Die Funktionen {eikt } bilden im Raum L2 ([0, 2π]) der quadratisch integrierbaren Funktionen auf [0, 2π] ein vollständiges Orthonormalsystem bzgl. des Skalarproduktes
Z 2π
1
f (t) g(t) dt
(f, g) :=
2π 0
Die Fourierkoeffizienten ck einer Funktion auf [0, 2π] bzw. einer 2π-periodischen Funktion z
auf R, erhält man dann als Skalarprodukt von z mit der Funktion eikt .
Fourierreihenentwicklung für L[c]2 . Als erstes berechnet man folgendes Integral
Z 2π
Z 2π
L[c]2
2
L 2
L
.
|ż(t)| dt =
( 2π
) kċ( 2π
t)k2 dt =
2π
0
0
Für die letzte Gleichung wurde benutzt, dass die Kurve c nach Bogenlänge parametrisiert ist,
d.h. der Tangentialvektor ċ(t) die Norm 1 hat. Als nächstes bestimmt man die Fourierreihe
von ż(t) durch
X
d X ikt
ż(t) =
(
ck e ) =
ck i k eikt .
dt k
k
Daraus folgt:
R 2π
0
|ż(t)|2 dt =
R 2π
ż(t) · ż(t) dt
R 2π P
i(k−l)t
dt
= 0
k,l ck · cl k l e
R
P
2π i(k−l)t
=
dt
k,l ck · cl k l 0 e
P
2 2
=
k |ck | k 2π
0
Insgesamt erhält man folgende Fourierreihenentwicklung des Quadrats der Länge von c.
2
2
L[c] = (2π)
∞
X
k=−∞
k 2 |ck |2 .
28
1. KURVENTHEORIE
Fourierreihenentwicklung für den Flächeninhalt A[G]. Mit Hilfe der Formel
(x + iy)i(ẋ − iẏ) = xẏ − ẋy + i(xẋ + y ẏ)
kann man die Flächeninhaltsformel aus dem ersten Schritt umschreiben:
Z L
Z L
(x(t)ẏ(t) − ẋ(t)y(t)) dt =
Re [(x(t) + iy(t)) i (ẋ(t) − iẏ(t))] dt .
2 A[G] =
0
0
In dieser Formel ersetzt man nun c durch z. Es gilt ċ(t) = 2π
ż( 2π
t) und daher
L
L
i
h
RL
t) 2π
i ż( 2π
t) dt
2 A[G] = 0 Re z( 2π
L
L
L
h
i
R 2π
= 0 Re z(s) i ż(s) ds
s = 2π
t
L
P
R 2π
P
= 0 Re ( k ck eiks ) i( l c̄l (−i) l e−ils ) ds
i
hP
R 2π
i(k−l)s
ds
= 0 Re
k,l ck c̄l l e
i
hP
R 2π i(k−l)s
ds
= Re
k,l ck c̄l l 0 e
P
2
=
k |ck | k 2π
Durch Vergleich der Rechnungen für L[c]2 und A[G] erhält man schließlich:
X
X
A[G]
L[c]2
=
k |ck |2 ≤
k 2 |ck |2 =
.
2
π
(2π)
k
k
1
und somit die behauptete Ungleichung A[G] ≤ 4π
L[c]2 . Gleichheit gilt genau dann, wenn
X
(k 2 − k) |ck |2 = 0 .
k
2
Da k − k > 0 für k 6= 0, 1 gilt Gleichheit genau dann, wenn ck = 0 für k 6= 0, 1 gilt. Setzt
man dies in die Entwicklung von z ein, gilt Gleichheit genau dann, wenn
z(t) = c0 + c1 eit
also genau dann, wenn c eine Kreislinie ist.
4. Raumkurven
In diesem Abschnitt sollen Raumkurven betrachtet werden, also Kurven c : I → R3 . Ein
erstes Problem ist die Definition eines Normalenvektors an die Kurve, da nun das orthogonale
Komplement ċ(t) ⊥ eine Ebene ist.
Definition 4.1. Sei c : I → R3 eine nach Bogenlänge parametrisierte Raumkurve. Dann
bezeichnet man die Funktion κ : I → R mit
κc (t) = kc̈(t)k
als die Krümmung von c.
4. RAUMKURVEN
29
Bemerkung 4.2.
(1) Die Krümmung einer Raumkurve hat kein Vorzeichen.
(2) Wieder ist die Krümmung ein Maß für die Abweichung der Kurve von einer Geraden,
d.h. κc = 0 genau dann, wenn c Teil einer Geraden ist.
(3) Sei c̃ : I → R2 eine ebene Kurve mit der Krümmung κ̃ Dann kann man mit R2 ⊂ R3 ,
c̃ auch als Raumkurve betrachten: c(t) := (c̃(t), 0), also c : I → R3 . Man hat also
zwei Krümmungsdefinitionen für die ebene Kurve c̃. Es gilt
¨ 0)k = kc̃(t)k
¨
κc (t) = kc̈(t)k = k(c̃(t),
= |κ(t)| .
Definition 4.3. Sei c : I → R3 nach Bogenlänge parametrisiert, t0 ∈ I, κ(t0 ) 6= 0. Der
Normalenvektor von c in t0 ist definiert durch
c̈(t0 )
c̈(t0 )
n(t0 ) :=
=
.
kc̈(t0 )k
κ(t0 )
Der Binormalenvektor von c in t0 ist definiert durch
b(t0 ) := ċ(t0 ) × n(t0 ) .
Bemerkung 4.4.
(1) Aus kċ(t)k = 1 folgt durch Ableiten wieder, dass ċ(t) senkrecht auf c̈(t), und damit
auf dem Normalenvektor n(t), steht.
(2) Nach Definition sind ċ(t), n(t) und b(t) Einheitsvektor. Genauer: das Tripel
{ċ(t), n(t), b(t)} bildet eine positiv orientierte Orthonormalbasis in R3 .
Definition 4.5. Die Orthonormalbasis {ċ(t), n(t), b(t)} heißt begleitendes 3-Bein der
Kurve c. Es ist nur definiert für Punkte mit κ(t) 6= 0.
4.1. Das Vektorkreuzprodukt. Zur Erinnerung sollen hier einige Eigenschaften des
Vektorkreuzproduktes × : R3 × R3 → R3 aufgelistet werden.
(1)
a × b := (a2 b3 − a3 b2 , a3 b1 − a1 b3 , a1 b2 − a2 b1 )
(2)
ha × b, ci = det(a b c)
∀a, b ∈ R3
∀a, b, c ∈ R3
(3) Wenn kak = kbk = 1 und ha, bi = 0, dann ist {a, b, a × b} eine positiv orientierte
Orthonormalbasis. Denn: det(a b a × b) = ha × b, a × bi = ka × bk2 > 0.
30
1. KURVENTHEORIE
(4) Identifiziert man R3 mit den imaginären Quaternionen ImH = {ai + bj + ck|a, b, c ∈
R}, dann kann man für p, q ∈ ImH = R3 das Vektorkreuzprodukt auch so schreiben:
p × q = Im(p · q)
(5) Graßmann Identität:
(a × b) × c = ha, ci b − hb, ci a
∀a, b, c ∈ R3 .
(6) Seien a, b : I → R3 zwei Raumkurven, dann gilt:
d
(a(t) × b(t)) = ȧ(t) × b(t) + a(t) × ḃ(t) .
dt
4.2. Windung.
Definition 4.6. Sei c : I → R3 nach Bogenlänge parametrisiert und t0 ∈ I mit κ(t0 ) 6= 0.
Dann ist die Windung oder auch Torsion von c in t0 definiert durch
τ (t0 ) := hṅ(t0 ), b(t0 )i .
Bemerkung 4.7.
(1) Die Windung ist ein Maß dafür, wie stark sich n(t) aus der Ebene b⊥ =
span{ċ(t), n(t)} heraus bewegt.
(2) Etwas später wird bewiesen: Es gilt τ ≡ 0 genau dann, wenn c in einer Ebene bleibt.
4.3. Frenet-Gleichungen.
Satz 4.8. y Sei c : I → R3 eine nach Bogenlänge parametrisierte Raumkurve mit
Krümmung κ(t) > 0 für alle t ∈ I. Sei (v = ċ, n, b) das begleitende 3-Bein und τ die
Windung, dann gilt:


0 −κ 0



κ
0
−τ
(v̇, ṅ, ḃ) = (v, n, b) 


0 τ
0
d.h. folgende drei Gleichungen sind erfüllt:
(1)
v̇(t) = κ(t) n(t)
(2)
ṅ(t) = −κ(t) v(t) + τ (t) b(t)
(3)
ḃ(t) = −τ (t) n(t)
4. RAUMKURVEN
31
Beweis. Die erste Gleichung ist genau die Definition des Normalenvektors, denn v̇(t) =
c̈(t) = κ(t)n(t).
Zur zweiten Gleichung: der Normalenvektor steht senkrecht auf dem Tangentialvektor.
Leitet man die Gleichung hn(t), v(t)i = 0 ab, so folgt
hṅ(t), v(t)i = − hn(t), c̈(t)i = κ(t) ,
wobei die letzte Gleichung gilt, da der Normalenvektor n(t) die Länge eins hat. Daraus folgt
auch, wieder durch Ableiten, dass n(t) auf ṅ(t) senkrecht steht. Schliesslich folgt
hṅ(t), b(t)i = τ (t)
aus der Definition der Windung. Da {v(t), n(t), b(t)} eine Orthonormalbasis ist, hat man
somit die zweite Gleichung bewiesen.
Zur dritten Gleichung: nach Definition steht der Binormalenvektor b(t) senkrecht auf v(t)
und n(t). Ableiten von hb(t), ċ(t)i = 0 liefert
hḃ(t), v(t)i = − hb(t), c̈(t)i = 0 .
Aus der letzten Gleichung folgt dass b(t) senkrecht auf n(t) steht. Das Ableiten von
hb(t), ṅ(t)i = 0 liefert dann
hḃ(t), n(t)i = − hb(t), ṅ(t)i = − τ (t) ,
nach Definition der Windung. Schliesslich hat b(t) die Länge eins und steht daher senkrecht
auf ḃ(t). Damit ist auch die dritte Gleichung bewiesen.
Beispiel 4.9 (Schraubenlinie). Man betrachtet die Raumkurve c : R → R3 gegeben als
c(t) = (cos( √t2 ), sin( √t2 ), √t2 ). Die Kurve c ist nach Bogenlänge parametrisiert, denn
ċ(t) =
√1
2
(− sin( √t2 ), cos( √t2 ), 1)
Also kċ(t)k2 = 12 (1 + 1) = 1. Die 2. Ableitung berechnet sich als
c̈(t) =
1
(−
2
cos( √t2 ), − sin( √t2 ), 0) .
Damit berechnet sich die Krümmung als: κ(t) = kc̈(t)k = 12 , d.h. die Krümmung der Schraubenlinie ist konstant und ungleich Null. Mit der Krümmung kennt man dann den Normalenvektor n(t):
c̈(t)
n(t) =
= (− cos( √t2 ), − sin( √t2 ), 0) .
κ(t)
Daraus erhält man aus einer kleinen Rechnung auch noch den Binormalenvektor b(t) als
b(t) = ċ(t) × n(t) =
√1
2
(sin( √t2 ), cos( √t2 ), 1) .
Schliesslich berechnet sich die Windung als
τ (t) = hṅ(t), b(t)i =
d.h. die Schraubenlinie hat auch konstante Windung.
1
,
2
32
1. KURVENTHEORIE
Bemerkung 4.10. Eine allgemeine Schraubenlinie ist definiert als eine Kurve c mit
hċ(t), ui konstant für einen festen Vektor u ∈ R3 . Man kann zeigen: c ist genau dann eine allgemeine Schraubenlinie, wenn eine Zahl µ existiert mit τ = µ κ.
Lemma 4.11. Sei c : I → R3 eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve mit κ 6= 0.
Dann sind folgende Aussagen äquivalent
(1) Das Bild von c liegt in einer Ebene, d.h. c ist eine ebene Kurve.
(2) Der Binormalenvektor ist konstant, d.h. b(t) = b0 für alle t ∈ I.
(3) Die Windung verschwindet, d.h. τ (t) = 0 für alle t ∈ I.
Beweis.
Bemerkung 4.12.
(1) Krümmung und Windung einer Raumkurve bleiben erhalten unter orientierungserhaltenden euklidischen Bewegungen, d.h. Abbildung F der Form F (x) = Ax + b, mit
A ∈ SO(3), b ∈ R3 .
(2) Analog zu den ebenen Kurven sind die Raumkurven bis auf euklidische Bewegungen
eindeutig durch ihre Krümmung und Windung bestimmt.
4.4. Hauptsatz der Raumkurventheorie.
Satz 4.13. Sei I ⊂ R ein Intervall, seien κ, τ : I → R glatte Funktionen mit κ > 0.
Dann existiert eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve c : I → R3 mit Krümmung κ und
Windung τ . Die Kurve ist bis auf orientierungserhaltende euklidische Bewegungen eindeutig
bestimmt.
Beweis. Man nutzt die Existenz und Eindeutigkeit der Lösungen linearer gewöhnlicher
Differentialgleichungssysteme:


0 0 0
0
 1 0 −κ 0 
d

(c, v, n, b) = (c, v, n, b) 
 0 κ 0 −τ 
dt
0 0 τ
0
Mit den Anfangsbedingungen c(t0 ) = 0, v(t0 ) = e1 , n(t0 ) = e2 , b(t0 ) = e3 folgt die Existenz
und Eindeutigkeit einer Lösung (c, v, n, b). Die erste Komponente c liefert die gesuchte Kurve
c. Das Tripel (v(t), n(t), b(t)) bildet für alle t ∈ I eine positiv orientierte Orthonormalbasis in
R3 . Dazu berechnet man die Matrix A mit
d
(hv, vi, hn, ni, hb, bi, hv, ni, hv, bi, hb, ni) = (hv, vi, hn, ni, hb, bi, hv, ni, hv, bi, hb, ni) · A .
dt
4. RAUMKURVEN
33
Man sieht, dass der konstante Vektor (1, 1, 1, 0, 0, 0) eine Lösung ist, die auch die Anfangsbedingungen erfüllt. Die Lösung ist aber eindeutig bestimmt und die Vektoren (v, n, b) damit
eine Orthonormalbasis. Die Basis ist positiv orientiert, da det(v(t), n(t), b(t)) > 0 für alle
t ∈ I gilt.
Aus den Frenet-Gleichungen folgt schliesslich, dass κ die Krümmung und τ die Windung
von c sein muss.
4.5. Schmiegekugel einer Raumkurve. Für eine ebene Kurve c : I → R2 mit κ(t0 ) 6=
0 und Krümmungskreismittelpunkt Z(t0 ) lässt sich zeigen, dass der Abstand kc(t) − Z(t0 )k
konstant in t ist bis auf Terme in o(|t − t0 |2 ). Ein analoges Konzept für Raumkurven definiert
die Schmiegekugel.
Satz 4.14.
(1) Sei c : I → R3 eine nach Bogenlänge parametrisierte Raumkurve
mit κ(t0 ) 6= 0 und τ (t0 ) 6= 0 . Bezeichne {v, n, b} ihr begleitendes Dreibein. Die
Kugeloberfläche um den Punkt
c(t0 ) +
1
κ̇(t0 )
n(t0 ) −
b(t0 ) ,
κ(t0 )
τ (t0 )κ2 (t0 )
die durch den Punkt c(t0 ) geht, berührt die Kurve in t0 von dritter Ordnung und ist
durch diese Eigenschaft eindeutig charakterisiert.
(2) Es sei c : I → R3 eine Raumkurve, deren Bildmenge c(I) in der Sphäre (Kugeloberfläche) vom Radius r > 0 um den Mittelpunkt m liegt, also c(I) ⊂ Sr (m) := {p ∈
R3 |kp − mk = r}. Setze κ0 (t) := 1/r det(c(t)p− m, ċ(t), c̈(t)). Dann sind Krümmung
κ̇0 (t)
und Windung von c gegeben durch κ(t) := 1/r2 + κ0 (t)2 und τ (t) := 1/r1/r
2 +κ (t)2 .
0
Insbesondere verschwindet die Krümmung von c zu keinem Parameterwert t.
(3) Es sei c : I → R3 eine Raumkurve mit κ(t) 6= 0 und τ (t) 6= 0 für alle t. Dann liegt die
Bildmenge c(I) in einer Sphäre genau dann, wenn für alle t die folgende Gleichung
erfüllt wird:
d κ̇
τ
=
κ
dt τ κ2
Beweis. Zu (a): Wir setzen den Mittelpunkt der gesuchten Kugel wie folgt an,
m(t0 ) = c(t0 ) + αv(t0 ) + βn(t0 ) + γb(t0 ) .
Dabei seien α, β und γ reelle Koeffizienten, die es zu bestimmen gilt.
Nun berührt die Kurve c per Definition die Oberfläche dieser Kugel in dritter Ordnung,
falls eine weitere Kurve c̃ :] − , [→ R3 existiert mit c̃(0) = c(t0 ), deren Bildmenge in dieser
Kugeloberfläche liegt, und deren Ableitungen in t = 0 bis zu dritter Ordnung mit denen von
c in t = t0 übereinstimmen. Man kann nun zeigen, dass dies genau dann gilt, wenn die ersten
drei Ableitungen der Funktion
h(t) := hc(t) − m(t0 ), c(t) − m(t0 )i
34
1. KURVENTHEORIE
in t = t0 verschwinden. Wir haben
ḣ(t) = 2hc(t) − m(t0 ), ċ(t)i
ḧ(t) = hc(t) − m(t0 ), c̈(t)i + 2 hċ(t), ċ(t)i
| {z }
≡1
...
...
h (t) = hċ(t), c̈(t)i +hc(t) − m(t0 ), c (t)i
| {z }
≡0
Also:
ḣ(t0 ) = 0 ⇔ hm(t0 ) − c(t0 ), ċ(t0 )i = 0 ⇔ hc(t0 ) − m(t0 ), v(t0 )i = 0 ⇔ α = 0
1
ḧ(t0 ) = 0 ⇔ hm(t0 ) − c(t0 ), c̈(t0 )i + 1 = 0 ⇔ κ(t0 )β = 1 ⇔ β =
κ(t0 )
...
κ̇(t0 )
β=1/κ(t0 )
...
h (t0 ) = 0 ⇔ hm(t0 ) − c(t0 ), c (t0 )i = 0 ⇔ κ̇(t0 )β + κ(t0 )τ (t0 )γ = 0 ⇔ γ = − 2
κ (t0 )τ (t0 )
Dabei haben wir benutzt, dass
...
c = κn
˙ = κ̇n + κ(−κv + τ b) .
Zu (b): OBdA sei m = 0. Sei h(t) := hc(t) − m, c(t) − mi. Aus h(t) konstant folgt 0 =
hc(t), ċ(t)i . Also bilden x(t) := c(t)/r, v(t) und x(t) × v(t) zu jedem Parameterwert t eine
positive ONB. Daher
c̈(t) = hc̈(t), x(t)ix(t) + hc̈(t), v(t)iv(t) + hc̈(t), x(t) × v(t)ix(t) × v(t)
Weiterhin folgt aus hv(t), c(t)i = 0 dass
d
hc̈(t), c(t)i = hv(t), c(t)i − hv(t), v(t)i = −1.
dt
Wegen κ0 (t) = hx(t) × v(t), c̈(t)i und hc̈(t), ċ(t)i = 0 (weil c nach der Bogenlänge parametrisiert ist) haben wir also c̈(t) = −1/r x(t) + κ0 (t)x(t) × v(t) . Das Längenquadrat von c̈(t) ist
also gleich 1/r2 + κ0 (t)2 , woraus die Formel für κ(t) folgt. Weiter folgt aus hc̈(t), c(t)i = −1
und hc̈(t), v(t)i = 0 dass
d
...
h c (t), c(t)i = {hc̈(t), c(t)i} − hc̈(t), v(t)i = 0
dt
Daher
d 1
1
τ (t) = −hḃ, ni = −h {
v(t) × c̈(t)},
c̈(t)i
dt κ(t)
κ(t)
1
κ̇(t)
1
1
...
=−
{hv(t) × c (t), c̈(t)i} − h
c̈(t) × c̈(t),
c̈(t)i +
hv(t) × c̈(t), c̈(t)i
2
{z
}
κ(t)
κ(t) | {z } κ(t)
κ(t)3 |
=0
=0
wobei wir benutzt haben, dass das Kreuzprodukt von zwei Vektoren den Flächeninhalt des von
diesen aufgespannten Parallelotops als Länge besitzt und senkrecht zu beiden steht. Setzen
wir den weiter oben hergeleiteten Ausdruck für c̈(t) ein, so ergibt dies
1
...
τ (t) = −
{hv(t) × c (t), −1/r x(t) + κ0 (t)x(t) × v(t)i}
2
κ(t)
5. DIE KEPLERSCHEN GESETZE
35
Der zweite Summmand im rechten Eintrag des Skalarproduktes verschwindet, da wir schon
...
...
wissen, dass hx(t), c (t)i = 0 und daher auch hx(t) × v(t), c (t) × v(t)i = 0 . Daher
τ (t) =
1
1
...
...
{hv(t) × c (t), 1/r x(t)i} =
det(v(t), c (t), x(t))
2
2
κ(t)
r κ(t)
=
1/r κ̇0 (t)
1 d
{det(v(t),
c̈(t),
x(t))}
=
r κ(t)2 dt
1/r2 + κ0 (t)2
Zu (c): als Vorüberlegung, falls c(t) auf einer Sphäre verläuft, so gilt κ(t) 6= 0 nach Teil (b).
Und wegen der Voraussetzung τ (t) 6= 0 für alle t und der Eindeutigkeit der Schmiegekugel
ist diese Sphäre notwendigerweise die Oberfläche der Schmiegekugel in t, also ist m := m(t)
konstant in t. Umgekehrt, falls m(t) konstant gleich m ist, so folgt h0 (t) = 0 für die Funktion
h(t) := hc(t)
√ − m, c(t) − mi , also ist h(t) = h konstant und c verläuft ganz in der Sphäre mit
Radius h um m = m(t) .
Es bleibt zu überlegen, wann m(t) konstant ist, also wann ṁ ≡ 0 : Wegen Teil (a) folgt
ṁ(t) =
κ̇(t)
d
1
n(t) − 2
b(t)
c(s) +
dt
κ(t)
κ (t)τ (t)
˙
Wegen ḃ(t) = −τ (t)n(t) , 1/κ(t)
= −κ̇(t)/κ(t)2 und ṅ = −κ(t)v + τ (t)b folgt
ṁ(t) =
τ (t)
d
κ̇(t)
− { 2
} b(t)
κ(t) dt κ (t)τ (t)
Es folgt Teil (c).
5. Die Keplerschen Gesetze
Ziel dieses Abschnittes ist es, die drei Keplerschen Gesetze zu beweisen. Die Darstellung
ist dem Buch Analysis I, von K. Königsberger entnommen (siehe [5], Kapitel 12). Zunächst
soll noch mal an die Beschreibung ebener Kurven in Polarkoordinaten erinnert werden.
5.1. Kurven in Polarkoordinaten. Sei c : I → R2 eine ebene Kurve. Dann kann man
c schreiben als
c(t) = r(t) eiϕ(t) = r(t) (cos ϕ(t), sin ϕ(t)) ,
dabei ist ϕ(t) der Winkel zwischen c(t) und der x-Achse. Die Funktion r(t) = kc(t)k gibt den
Abstand zum Nullpunkt an. Die Länge berechnet sich als
Z b
Z bp
L[c] =
kc(t)k dt =
r(t)2 ϕ̇(t)2 + ṙ(t)2 dt
a
a
36
1. KURVENTHEORIE
Mit der im Beweis der isoperimetrischen Ungleichung hergeleiteten Flächeninhaltsformel
erhält man für die Sektorfläche F [c] den folgenden Ausdruck (Sektorformel von Leibniz):
Rb
F [c] = 21 a (x(t) ẏ(t) − ẋ(t) y(t)) dt
Rb
= 21 a Im(ċ(t) c(t) ) dt
Rb
= 12 a r(t)2 ϕ̇(t) dt
Es muss der letzte Schritt noch begründet werden. Tatsächlich folgt aus c(t) = r(t) eiϕ(t)
durch Ableiten die Formel ċ(t) = ṙ(t) eiϕ(t) + r(t) ϕ̇(t) i eiϕ(t) und damit
ċ(t) c(t) = (ṙ(t) eiϕ(t) + r(t) ϕ̇(t) i eiϕ(t) ) r(t) e−iϕ(t) = ṙ(t) r(t) + r(t)2 i ϕ̇(t) .
Der Imaginärteil von ċ(t) c(t) ist also wirklich r(t)2 ϕ̇(t).
5.2. Kegelschnitte. Gegeben sei eine Gerade L (= Leitlinie), ein Punkt F (=Brennpunkt) im Abstand p > 0 von L, sowie eine Zahl ε > 0 (= numerische Exzentrizität).
Definition 5.1. Ein Kegelschnitt ist die Menge aller Punkte (= geometrischer Ort), für
deren Abstände r und d von F bzw. L die Beziehung r = d ε gilt.
Betrachtet man Polarkoordinaten mit dem Ursprung im Brennpunkt F , dann erhält man
für einen Punkt P auf dem Kegelschnitt mit den Polarkoordinaten (r, ϕ) die Beziehung
d = p + r cos ϕ,
r = εd
Daraus folgt r = εp + εr cos ϕ und, nach r aufgelöst, ergibt sich die Darstellung eines Kegelschnittes in Polarkoordinaten bzgl. des Brennpunktes F :
εp
(6)
r =
.
1 − ε cos ϕ
Nun sollen noch die Kegelschnitte (als Punktmenge) in kartesischen Koordinaten dargestellt werden. Der Punkt P habe bzgl. des kartesischen Koordinatensystems mit dem Ursprung in F die Koordinaten (ξ, η). Aus r = εd folgt r2 = ε2 d2 und somit
η 2 + ξ 2 = ε2 (p + ξ)2 = ε2 (p2 + 2pξ + ξ 2 )
Das ist äquivalent zur Gleichung
ξ 2 (1 − ε2 ) − 2 p ε2 ξ + η 2 = ε2 p2 .
In Abhängigkeit von ε verschiebt man nun das Koordinatensystem in Richtung der x-Achse.
y := η,
x := ξ −
p ε2
1 − ε2
Damit ergeben sich folgende drei Fälle.
für ε 6= 1
x := ξ +
p
2
für ε = 1
5. DIE KEPLERSCHEN GESETZE
37
1. Fall: Ellipse, für ε < 1
x2
y2
+
= 1
a2
b2
wobei a =
εp
1 − ε2
b := √
εp
1 − ε2
wobei a =
εp
ε2 − 1
b := √
2. Fall: Hyperbel, für ε > 1
x2
y2
−
= 1
a2
b2
εp
ε2 − 1
3. Fall: Parabel, für ε = 1
y2 = 2 p x
√
Im Fall der Ellipse gilt b = a 1 − ε2 . Wenn ε gegen Null geht, nähert sich der Kegelschnitt dem Kreis an. Nach der Sektorformel gilt für den Flächeninhalt einer Ellipse mit den
Halbachsen a, b, also der Kurve c(t) = (a cos t, b sin t) mit t ∈ [0, 2π], die Gleichung
Z
√
1 2π
ab(cos2 t + sin2 t) dt = π a b = π a2 1 − ε2 .
F =
2 0
5.3. Geometrie der Planetenbewegung. Sei c : I → R3 \ {0} die Bewegung eines
Planeten im Gravitationsfeld der Sonne. Aus der Newtonschen Mechanik folgt dann:
m c̈(t) = − γ M m
(7)
c(t)
kc(t)k3
dabei ist M die Masse der Sonne, m die Masse des Planeten, γ die Gravitationskonstante und
es wird angenommen, dass die Sonne in 0 ∈ R3 liegt. Hierbei muss c nicht unbedingt nach
Bogenlänge parametrisiert sein, da nicht konstante Durchlaufgeschwindigkeit angenommen
werden kann. Weiter definiert man
Drehimpulsvektor
J(t) := m c(t) × ċ(t) ,
Achsenvektor
A(t) :=
1
γMm
J(t) × ċ(t) +
1
kc(t)k
c(t) .
Aus den Eigenschaften des Vektorkreuzproduktes folgt, dass die Vektoren J(t) und A(t)
aufeinander senkrecht stehen. Außerdem zeigt der Vektor J(t) in Richtung des Binormalenvekors b(t) = ċ(t) × n(t), da aus Gleichung (7) folgt, dass c(t) proportional zu c̈(t) ist.
Lemma 5.2. Die Vektoren A(t) und J(t) sind zeitlich konstant.
Beweis. Aus den Rechenregeln für das Vektorkreuzprodukt (siehe Abschnitt 4.1) folgt
˙
J(t)
= m ċ(t) × ċ(t) + m c(t) × c̈(t) = 0 + 0 = 0
38
1. KURVENTHEORIE
und aus den Rechenregeln und Gleichung (7) ergibt sich
˙ × ċ(t) + J(t) × c̈(t)) + (
Ȧ(t) = 1 (J(t)
γMm
=
1
γMm
ċ(t)
kc(t)k
−
hc(t),ċ(t)i
kc(t)k3
c(t)
ċ(t)
m (c(t) × ċ(t) × (− γ M ) kc(t)k
+ ( kc(t)k
−
3)
= − (c(t) × ċ(t)) ×
c(t)
kc(t)k3
= − ( hc(t),c(t)i
ċ(t) −
kc(t)k3
ċ(t)
−
+ ( kc(t)k
hċ(t),c(t)i
kc(t)k3
hc(t),ċ(t)i
kc(t)k3
ċ(t)
c(t)) + ( kc(t)k
−
c(t))
hc(t),ċ(t)i
kc(t)k3
c(t))
c(t))
hc(t),ċ(t)i
kc(t)k3
c(t))
=0
Folgerung 5.3. Sei J = J(t0 ) für ein t0 ∈ I, der zeitlich konstante Drehimpulsvektor.
Die Kurve c = c(t) liegt dann für alle Zeiten in der Ebene E := J ⊥ = span{c(t), ċ(t)}.
Beweis. Nach Definition steht der Vektor J senkrecht auf dem Tangentialvektor ċ(t).
˙ = 0, d.h. J(t) = J(t0 ) für alle t und damit folgt
Wie gerade gezeigt gilt J(t)
d
hc(t) − c(0), J(t)i = hċ(t), J(t)i = 0 .
dt
Das bedeutet aber, dass der Vektor c(t) − c(0) für alle Zeiten t senkrecht auf J steht, d.h. die
Kurve c verläuft für alle Zeiten in der Ebene E = J ⊥ .
Bemerkung 5.4. Zusammen mit der Kurve c liegt, nach Definition, auch ihr Achsenvektor A = A(t) für alle Zeiten t in der Ebene E.
Man wählt nun in E Polarkoordinaten mit dem zeitlich konstanten Vektor A als x-Achse
und mit der Sonne im Zentrum. Sei also wieder ϕ(t) der Winkel zwischen A und c(t) und es
bezeichne r(t) = kc(t)k den Abstand zwischen c(t) und 0. Dann folgt aus der Definition des
Winkels
hA, c(t)i = ε kc(t)k cos ϕ(t)
mit ε = kAk .
Auf der anderen Seite gilt, nach Definition von A und der Eigenschaft ha × b, ci = det(a, b, c)
des Vektorkreuzproduktes, auch
hA, c(t)i = h γ M1 m J × ċ(t) +
=
1
γMm
det(J, ċ(t), c(t)) + kc(t)k
=
1
γMm
det(ċ(t), c(t), J) + kc(t)k
=
1
γMm
hċ(t) × c(t), m c(t) × ċ(t)i + kc(t)k
kJk
= − γM
+ kc(t)k
m2
Diese Rechnung hat folgende Konsequenz.
Folgerung 5.5.
c(t)
, c(t)i
kc(t)k
5. DIE KEPLERSCHEN GESETZE
39
(1) Ist A = 0 dann ist kc(t)k konstant, d.h. der Planet bewegt sich auf einer Kreisbahn
um die Sonne.
(2) Ist A 6= 0 dann bewegt sich der Planet auf einem Kegelschnitt um die Sonne, die in
einem der Brennpunkte steht.
kJk
Beweis. Gilt A = 0, dann folgt aus der obigen Rechnung kc(t)k = γ M
. Die Norm von
m2
c(t) ist also konstant, d.h. die Kurve liegt auf einem Kreis. Es bleibt noch die zweite Aussage,
im Fall A 6= 0, zu zeigen. Es gilt
ε kc(t)k cos ϕ(t) = hA, c(t)i = −
kJk2
+ kc(t)k
γ M m2
und daher folgt, mit ε = kAk, die Gleichung
r(t) = kc(t)k =
1
εp
kJk
=
2
γ M m 1 − ε cos ϕ(t)
1 − ε cos ϕ(t)
mit
p =
kJk
γ M m2 kAk
Das ist aber genau die Gleichung (6) eines Kegelschnittes in Polarkoordinaten, mit dem
Brennpunkt in Null.
Satz 5.6 (1. Keplersches Gesetz). Die Planeten bewegen sich auf Kegelschnitten, in deren
Brennpunkt die Sonne steht.
Bemerkung 5.7. Die Bahnen der Planeten sind beschränkt und daher Ellipsen. Hyperbeln und Parabeln kommen bei Kometen und im atomaren Bereich vor.
Da die Vektoren A und J konstant sind, kann man folgendermassen eine Orthonormalbasis definieren:
A
J
e1 :=
,
e3 :=
,
e2 := e1 × e3
kAk
kJk
Da die Bahnkurve c ganz in der Ebene E = J ⊥ verläuft, schreibt sich c als
c(t) = (x(t), y(t), 0)
und nach Definition von J gilt daher

 



x(t)
ẋ(t)
0
1

0
J = c(t) × ċ(t) =  y(t)  ×  ẏ(t)  = 
m
0
0
x(t) ẏ(t) − ẋ(t) y(t)
Da der Vektor J konstant ist, ist auch x(t) ẏ(t) − ẋ(t) y(t) konstant. Es gilt
kJk = m |x(t) ẏ(t) − ẋ(t) y(t)|
Die Strecke von 0 bis c(t) überstreicht daher nach der Sektorformel von Leibniz im Zeitintervall [t1 , t2 ] die Fläche
40
1. KURVENTHEORIE
Z
1 t2
= 1 kJk (t2 − t1 ) ,
(x(t)
ẏ(t)
−
ẋ(t)
y(t))
dt
(8)
2 t1
2m
d.h. die überstrichene Fläche hängt nur von der Zeitdifferenz ab.
Satz 5.8 (2. Keplersches Gesetz). Die Strecke von der Sonne zum Planeten überstreicht
in gleichen Zeiten gleiche Flächen.
Bemerkung 5.9. Als Folgerung erhält man, dass sich die Planeten in der Nähe der Sonne
schneller bewegen.
Sei T die Zeit, die ein Planet für einen einmaligen Umlauf um die Sonne benötigt. Wie
schon festgestellt, berechnet sich die Fläche einer Ellipse mit den Hauptachsen a > b als
√
F = πab = πa2 1 − ε2 .
Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, daher ist nach der Formel in (8) der Flächeninhalt
1
auch gegeben als F = 2m
kJk T . Aus dem Vergleich beider Formeln erhält man
T2 =
4π 2 3
4m2 2 4
2
π
a
(1
−
ε
)
=
a
kJk2
γM
denn
εp
εp
1 kJk2
2
und
somit
1
−
ε
=
=
1 − ε2
a
a γ M m2
2
Man bemerke, dass die Zahl γ4πM für alle Planeten und alle Bahnen gleich ist. Insgesamt ergibt
sich damit:
a =
Satz 5.10 (3. Keplersches Gesetz). Die Quadrate der Umlaufzeiten verhalten sich wie
die Kuben der grossen Achsen, d.h. für die Umlaufzeiten T1 , T2 bzw. Achslängen a1 , a2 zweier
Planeten gilt
T12
a31
=
.
T22
a32
6. Konvexe Kurven
6.1. Geraden in der Ebene. Für die spätere Anwendung braucht man eine alternative
Beschreibung von Geraden in der Ebene. Eine Gerade G ⊂ R2 wird bestimmt durch einen
Punkt x0 ∈ G und einen Vektor N , der senkrecht auf G steht. Man hat
G = {x ∈ R2 | hx − x0 , N i = 0} .
Die Gerade G unterteilt R2 in zwei Halbebenen H1 und H2 :
H1 := {x ∈ R2 | hx − x0 , N i ≤ 0}
und
Es gilt also H1 ∩ H2 = G und H1 ∪ H2 = R2 .
H2 := {x ∈ R2 | hx − x0 , N i ≥ 0} .
6. KONVEXE KURVEN
41
6.2. Definition der Konvexität.
Definition 6.1. Eine reguläre ebene Kurve heißt konvex, falls für jeden ihrer Punkte gilt:
Die Kurve liegt ganz auf einer Seite der Tangente durch diesen Punkt, d.h. ganz in einer der
beiden Halbebenen, die durch die Tangente definiert werden.
konvex
nicht konvex
Bemerkung 6.2. Es kann gezeigt werden, dass eine geschlossene Kurve genau dann
konvex ist, wenn sie eine kompakte konvexe Menge in R2 berandet, d.h. eine Menge, die mit
je zwei Punkten auch die Verbindungsgerade enthält.
Sei c : I → R2 eine reguläre parametrisierte Kurve. Für t0 ∈ I sei ċ(t0 ) = (ċ1 (t), c2 (t))
der Tangentialvektor und N (t0 ) = (−ċ2 (t), c1 (t)) der nicht-normierte Normalenvektor. Die
Tangente durch c(t0 ) ist bestimmt durch den Punkt c(t0 ) und den Normalenvektor N (t0 ), d.h.
durch die Gleichung hx − c(t0 ), N (t0 )i = 0. Die Definition kann man also auch so formulieren
Eine reguläre ebene Kurve c : I → R2 ist genau dann konvex, wenn für alle t0 ∈ I gilt:
hc(t) − c(t0 ), N (t0 )i ≥ 0 für alle t ∈ I oder hc(t) − c(t0 ), N (t0 )i ≤ 0 für alle t ∈ I.
n(t0 )
ċ(t0 )
c(t0 )
c(t0 )
c(t)
c(t)
hc(t) − c(t0 ), n(t0 )i ≥ 0
ċ(t0 )
n(t0 )
hc(t) − c(t0 ), n(t0 )i ≤ 0
Es bleibt die Frage, ob für manche t0 die Ungleichung ≤ und für andere ≥ gelten kann.
Es stellt sich raus, dass dies nicht möglich ist. Tatsächlich gilt
Lemma 6.3. Sei c : I → R2 eine konvexe Kurve mit nicht-normierten Normalenfeld N .
Dann ist c genau dann konvex, wenn
(9)
hc(t) − c(t0 ), N (t0 )i ≥ 0
für alle
t, t0 ∈ I
hc(t) − c(t0 ), N (t0 )i ≤ 0
für alle
t, t0 ∈ I
oder
(10)
42
1. KURVENTHEORIE
Beweis. Ist eine der Ungleichungen (2) oder (3) für alle t, t0 ∈ I erfüllt, dann ist c
offensichtlich konvex.
Sei nun c konvex. Zu zeigen ist, dass entweder Ungleichung (14) oder Ungleichung (16)
für alle t, t0 ∈ I erfüllt ist. Angenommen, es existieren t1 < t2 ∈ I, so dass für alle t ∈ I die
beiden Ungleichungen
hc(t) − c(t1 ), N (t1 )i ≥ 0
hc(t) − c(t2 ), N (t2 )i ≤ 0
erfüllt sind. Dann soll gezeigt werden, dass aus Stetigkeitsgründen die Existenz eines Punktes
t3 ∈ [t1 , t2 ] folgt, so dass hc(t) − c(t3 ), N (t3 )i = 0 für alle t ∈ I gilt. Das bedeutet aber, dass
für jedes t ∈ I der Punkt c(t) auf der Tangenten G durch c(t3 ) liegt. Somit liegt c ganz auf
G und G ist die Tangente durch c(t0 ) für alle t0 . Es gilt also hc(t) − c(t0 ), N (t0 )i = 0 für alle
t, t0 ∈ I, d.h. die Ungleichungen (14) und (16) sind gleichzeitig erfüllt.
Ein solches t3 kann man folgendermassen finden. Man definiert
t3 := inf{s > t1 | hc(t) − c(s), N (s)i ≤ 0 für alle t ∈ I}
Das Infimum ist wohldefiniert, da t2 in der Menge liegt, d.h. die Menge ist nicht leer. Da man
beliebig nah an t3 Punkte s findet, für die hc(t) − c(s), N (s)i ≤ 0 gilt, folgt aus der Stetigkeit
der Funktion s 7→ hc(t) − c(s), N (s)i, dass auch hc(t) − c(t3 ), N (t3 )i ≤ 0 für alle t ∈ I gilt.
Ist t3 = t1 dann folgt aus der Ungleichung hc(t) − c(t1 ), N (t1 )i ≥ 0 für alle t ∈ I die
Gleichung hc(t) − c(t3 ), N (t3 )i = 0 für alle t ∈ I und man ist fertig.
Sei nun t3 > t1 . Aus der Definition von t3 folgt, dass für alle Punkte s ∈ (t1 , t3 ) gilt:
hc(t) − c(s), N (s)i ≥ 0 für alle t ∈ I. Wie oben folgt nun aus der Stetigkeit der Funktion
s 7→ hc(t) − c(s), N (s)i, dass auch hc(t) − c(t3 ), N (t3 )i ≥ 0 für alle t ∈ I gilt. Somit erhält man
wieder die Gleichung hc(t) − c(t3 ), N (t3 )i = 0 für alle t ∈ I und das Lemma ist bewiesen. 6.3. Konvexität und Krümmung. Es ist intuitiv klar, dass sich eine konvexe Kurve
immer in die selbe Richtung krümmt, immer nach links (positive Krümmung) oder immer
nach rechts (negative Krümmung). In der Tat gilt
Satz 6.4. Sei c : R → R2 eine einfach geschlossene ebene Kurve mit der Krümmung
κ : R → R. Die Kurve c ist genau dann konvex, wenn κ(t) ≥ 0 für alle t ∈ R oder κ ≤ 0 für
alle t ∈ R gilt.
Beweis. O.B.d.A. sei c nach Bogenlänge parametrisiert. Man betrachtet die Taylorentwicklung von c und erhält
1
c(t) = c(t0 ) + ċ(t0 ) (t − t0 ) + c̈(t0 ) (t − t0 )2 + α(t) (t − t0 )2
2
für eine Funktion α : R → R2 mit limt→t0 α(t) = 0. Bildet man das Skalarprodukt mit dem
Normalenvektor n(t0 ), so folgt
1
hc(t)−c(t0 ), n(t0 )i = (t−t0 ) hċ(t0 ), n(t0 )i + (t−t0 )2 hc̈(t0 ), n(t0 )i + hα(t), n(t0 )i (t − t0 )2 .
2
6. KONVEXE KURVEN
43
Nun ist hċ(t0 ), n(t0 ) = 0, hn(t0 ), n(t0 )i = 1 und es gilt nach Definition der Krümmung die
Beziehung c̈(t0 ) = κ(t0 )n(t0 ), d.h. man erhält die Gleichung
1
(11)
hc(t) − c(t0 ), n(t0 )i = (t − t0 )2 κ(t0 ) + (t − t0 )2 hα(t), n(t0 )i .
2
Sei nun c eine konvexe Kurve. Nach Lemma 6.3 kann man hc(t) − c(t0 ), n(t0 )i ≥ 0 für alle
t, t0 ∈ R annehmen. Den Fall hc(t) − c(t0 ), n(t0 )i ≤ 0 für alle t, t0 ∈ R behandelt man analog,
wobei man das umgekehrte Vorzeichen der Krümmung erhält. Damit liefert Gleichung (11)
nach Division durch die positive (!) Größe (t − t0 )2 die Ungleichung
1
κ(t0 ) + hα(t), n(t0 )i ≥ 0
2
für alle t, t0 ∈ R. Der Grenzübergang t → t0 ergibt somit κ(t0 ) ≥ 0. Da t0 beliebig war folgt,
wie zu zeigen war, dass die Krümmung nicht-negativ ist.
Für die umgekehrte Richtung sein nun κ(t) ≥ 0 für alle t ∈ R vorausgesetzt (den Fall
κ(t) ≤ 0 für alle t ∈ R behandelt man analog). Da für die Winkelfunktion θ die Beziehung
θ̇ = κ gilt, bedeutet die Voraussetzung, dass θ monoton wachsend ist.
Angenommen, die Kurve c ist nicht konvex, dann gibt es ein t0 , so dass die Funktion
ψ : R → R,
ψ(t) := hc(t) − c(t0 ), n(t0 )i
sowohl negative als auch positive Werte annimmt. Da c periodisch ist, existieren t1 , t2 ∈ [0, L)
(L ist die Periode von c), so dass ψ in t1 das Minimum und in t2 das Maximum annimmt. Es
folgt
(12)
ψ(t1 ) < 0 = ψ(t0 ) < ψ(t2 ) ,
d.h. die Funktion ψ nimmt im Intervall [0, L) drei verschiedene Werte an. Weiterhin gilt
ψ̇(t) = hċ(t), n(t0 )i, damit folgt
0 = ψ̇(t1 ) = hċ(t1 ), n(t0 )i
und
0 = ψ̇(t2 ) = hċ(t2 ), n(t0 )i
Somit ist ċ(t1 ) = ±ċ(t0 ) und ċ(t2 ) = ±ċ(t0 ). Dies bedeutet aber, dass die Einheitsvektoren
ċ(t0 ), ċ(t1 ), ċ(t2 ) alle zu n(t0 ) orthogonal sind und deshalb müssen wenigstens zwei von ihnen
übereinstimmen. Man wählt s1 , s2 ∈ {t0 , t1 , t2 } mit s1 < s2 und
ċ(s1 ) = ċ(s2 ) .
Dann gilt für die Winkelfunktion θ(s2 ) = θ(s1 ) + 2kπ mit k ∈ Z, und k ≥ 0, da θ monoton
wachsend ist. Aus ċ(s1 + L) = ċ(s1 ) = ċ(s2 ) folgt analog, dass θ(s1 + L) = θ(s2 ) + 2lπ mit
l ∈ Z, l ≥ 0. Die Umlaufzahl von c berechnet sich also als
1
(θ(s1 + L) − θ(s1 )) = k + l .
nc =
2π
Da c einfach geschlossen ist, folgt aus dem Umlaufsatz, dass ±1 = nc = k + l ≥ 0. Es muss
also k = 0, l = 1 oder k = 1, l = 0 gelten. Sei z.B. k = 0. Dann ist θ(s2 ) = θ(s1 ) und, da θ
monoton ist, muss θ auf dem Intervall [s1 , s2 ] konstant sein. Somit parametrisiert c auf [s1 , s2 ]
eine Gerade und es gilt für alle s ∈ [s1 , s2 ], dass
c(s) = c(s1 ) + (s − s1 ) ċ(s1 ) = c(s1 ) ± (s − s1 ) ċ(t0 ) .
44
1. KURVENTHEORIE
Daraus folgt für die oben definierte Funktion ψ und s ∈ [s1 , s2 ], dass
ψ(s) = hc(s) − c(t0 ), n(t0 )i
= hc(s1 ) ± (s − s1 ) ċ(t0 ) − c(t0 ), n(t0 )i ,
= hc(s1 ) − c(t0 ), n(t0 )i
d.h. die Funktion ψ ist konstant auf dem Intervall [s1 , s2 ]. Da aber wenigstens zwei der drei
Werte t0 , t1 , t2 im Intervall [s1 , s2 ] liegen, widerspricht dies der Ungleichung (12).
Ist l = 0 erhält man analog einen Widerspruch, indem man s2 und s1 + L statt s1 und s2
betrachtet. Die Kurve c muss also konvex sein.
Bemerkung 6.5. Nicht einfach geschlossen Kurven können überall positive Krümmung
haben, ohne konvex zu sein.
κ > 0, aber nicht konvex
Bemerkung 6.6.
(1) Eine einfach geschlossene Kurve der Periode L ist genau dann konvex, wenn
RL
|κ(t)| dt = 2π gilt.
0
(2) Die Bedingung, dass die Kurve einfach geschlossen ist wurde nur für eine Richtung
des Beweises benötigt. Nämlich für den Beweis, dass aus κ ≥ 0 die Konvexität folgt.
Hierfür wurde der Umlaufsatz benutzt. Man hat also noch: Für die Krümmung einer
beliebigen konvexen Kurve ist entweder κ(t) ≥ 0 für alle t oder κ(t) ≤ 0 für alle t.
6.4. Der Vierscheitelsatz.
Definition 6.7. Sei c : I → R2 eine reguläre ebene Kurve. Die Kurve c hat einen Scheitel
in t0 ∈ I falls dort κ̇(t0 ) = 0 gilt.
Beispiel 6.8. Die Ellipse sei parametrisiert durch c : R → R2 mit c(t) = (a cos t, b sin t),
mit 0 < a < b. Da dies keine Parametrisierung nach Bogenlänge ist, benutzt man die
1
Krümmungsformel κ(t) = kċ(t)k
3 det(ċ(t), c̈(t)) und erhält
κ(t) =
ab
3
(a2 sin2 t + b2 cos2 t) 2
.
6. KONVEXE KURVEN
45
Die Parametrisierung der Ellipse ist 2π-periodisch und eine Bestimmung der Nullstellen der
Funktion κ̇(t) liefert die vier Scheitelpunkte (a, 0), (0, b), (−a, 0), (0, −b) entsprechend den
Parameterwerten t = 0, π2 , π, 3π
.
2
Bemerkung 6.9. Die Kurve in Bemerkung 6.5 ist auch ein Beispiel für eine nicht-konvexe
Kurve mit genau zwei Scheitelpunkten.
Es stellt sich nun heraus, dass jede einfach geschlossene konvexe Kurve immer mindestens
vier Scheitelpunkte besitzt. Genauer gilt
Satz 6.10 (Vierscheitelsatz). Ist c : R → R2 eine einfach geschlossene konvexe Kurve der
Periode L, dann hat c mindestens vier Scheitelpunkte in [0, L).
Beweis. Zunächst muss man zwei Hilfsaussagen beweisen.
Lemma 6.11. Schneidet eine einfach geschlossene ebene konvexe Kurve c eine Gerade in
mehr als zwei Punkten, so enthält die Kurve ein ganzes Segment dieser Geraden. Auf diesem
Segment ist die Krümmung konstant Null und c hat unendlich viele Scheitelpunkte
Beweis. siehe [2]
zwei Schnittpunkte mehr als zwei Schnittpunkte drei Schnittpunkte, aber nicht konvex
Lemma 6.12. Schneidet eine einfach geschlossene ebene konvexe Kurve c eine Gerade in
mehr als einem Punkt tangential. Dann enthält die Kurve ein ganzes Geradensegment und
hat somit unendlich viele Scheitelpunkte.
Beweis. siehe [2]
Beweis des Vierscheitelsatzes: O.B.d.A. kann man annehmen, dass die Kurve c nach
Bogenlänge parametrisiert ist. Sei L ihre Länge bzw. Periode. Da die Krümmung κ periodisch
mit Periode L ist, nimmt sie im Intervall [0, L) ihr Maximum und ihr Minimum an. In den
entsprechenden Punkten ist die Ableitung Null. Man hat also schon zwei Scheitelpunkte.
O.B.d.A. kann man auch annehmen, dass κ in t = 0 das Minimum und in t = t0 ∈ (0, L)
das Maximum annimmt. Sei G die Gerade durch die beiden Punkte c(0) und c(t0 ), nach
Lemma 6.11 kann man annehmen, dass G keinen weiteren Schnittpunkt mit c hat. Nach
eventueller Anwendung einer euklidischen Bewegung kann man annehmen, dass G die xAchse ist. Angenommen, die Kurve c hat keine weiteren Scheitel. Dann ist κ̇ nirgends Null
46
1. KURVENTHEORIE
auf den Intervallen (0, t0 ) und (t0 , L) Das Vorzeichen der Krümmung ist daher auf jedem der
RL
Intervalle konstant. Die Vorzeichen können nicht gleich sein, da 0 κ̇ dt = κ(L) − κ(0) = 0
gilt. Sei etwa κ̇(t) > 0 auf (0, t0 ) und κ̇(t) < 0 auf (t0 , L).
Die Kurve c liegt nicht ganz auf einer Seite der Geraden G. Denn anderenfalls würde c
die Gerade G in t = 0 und t = t0 tangential schneiden. Nach Lemma 6.12 hätte c dann aber
unendlich viele Scheitelpunke und man wäre fertig.
c(0)
κ̇ > 0
c(t0 )
G
κ̇ < 0
Man kann also annehmen, dass c auf (0, t0 ) oberhalb von G und auf (t0 , L) unterhalb von
G liegt. Da G die x-Achse war, folgen für die y-Komponente von c die Ungleichungen c2 (t) > 0
auf (0, t0 ) und c2 (t) < 0 auf (t0 , L). Damit ergibt sich κ̇(t) c2 (t) > 0 für alle t ∈ (0, t0 ) ∪ (t0 , L)
und insbesondere
Z L
κ̇(t) c2 (t) dt > 0 .
(13)
0
Partielle Integration und die Frenet-Gleichungen liefern
Z L
Z L
Z L
ṅ(t) dt = n(L) − n(0) = (0, 0) .
κ(t) ċ(t) dt =
κ̇(t) c(t) dt = −
0
0
0
Betrachtet man in dieser Gleichung die y-Komponente (bildet also das Skalarprodukt mit
dem Einheitsvektor e2 ) findet man
Z L
κ̇(t) c2 (t) dt = 0 ,
0
was aber im Widerspruch zu (13) steht. Also muss es einen dritten Scheitel geben, d.h. ein
t1 mit κ̇(t1 ) = 0. Man kann z.B. annehmen, dass t1 ∈ (t0 , L) gilt. Angenommen, es gäbe
keinen vierten Scheitel. Dann ist die Kurve c, entsprechend den Intervallen (0, t0 ), (t0 , t1 )
und (t1 , L), in drei Bögen aufgeteilt, auf denen κ̇ nicht verschwindet. Wie schon gezeigt
kann das Vorzeichen von κ̇ nicht auf allen drei Bögen gleich sein. Nun faßt man die zwei
Bögen mit gleichem Vorzeichen zusammen und hat wieder eine Aufteilung von c in zwei
Bögen mit unterschiedlichem Vorzeichen und einer Nullstelle von κ̇. Man kann dann wie oben
argumentieren, da die Nullstelle nichts an der Positivität des Integrals in (13) ändert.
Bemerkung 6.13.
(1) Aus dem Beweis folgt sogar, dass es immer mindestens zwei lokale Maxima und zwei
lokale Minima der Krümmung κ gibt (Übungsaufgabe). Manchmal definiert man
Scheitelpunkte auch als Extrempunkte der Krümmung.
6. KONVEXE KURVEN
47
(2) Der Vierscheitelsatz besitzt eine Umkehrung, die erst 2005 bewiesen wurde.
Satz 6.14. Sei κ : S 1 → R eine stetige Funktion, die entweder konstant (ungleich
Null) ist, oder mindestens zwei lokale Maxima und zwei lokale Minima besitzt. Dann
existiert eine einfach geschlossene Kurve c : R → R2 , deren Krümmung κ ist.
(3) Man hat folgende Charakterisierungen konvexer Kurven.
Sei c einfach geschlossen, regulär und Rand einer kompakten zusammenhängenden Menge A ⊂ R2 , also c = ∂A. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
(a) Die Kurve c ist konvex.
(b) Die Menge A, berandet von c, ist konvex.
(c) Jeder Gerade trifft die Kurve c entweder in einem Geradensegment (was auch
zu einem Punkt entarten kann) oder in zwei Punkten.
(d) Für jede Tangente an c liegt A (und damit c) stets ganz auf einer Seite davon.
(e) Die Krümmung von c wechselt nicht das Vorzeichen.
Beweis. siehe [6]
(4) Über die Totalkrümmung von Raumkurven hat man noch folgenden Sätze.
Satz 6.15 (Fenchel). Für jede geschlossene reguläre Raumkurve c : [a, b] → R3
gilt für die Totalkrümmung die Ungleichung
Z b
κ(t) kċ(t)k dt ≥ 2π
a
mit Gleichheit genau dann, wenn die Kurve eben, einfach geschlossen und konvex
ist.
Beweis. siehe [2]
Der Satz von Fenchel hat verschiedene Interpretationen bzw. Konsequenzen. Man
sieht z.B., dass eine Raumkurve mindestens Totalkrümmung 2π haben muss, um
sich zu schliessen. Man kann an der Totalkrümmung ablesen, ob die Kurve in einer
Ebene verläuft. Der Satz von Fenchel verallgemeinert den Umlaufsatz von Hopf auf
Raumkurven.
Für verknotete Raumkurven hat man den Satz von Fary-Milnor.
Satz 6.16. Sei c : [a, b] → R3 eine einfach geschlossene verknotete Raumkurve,
d.h. c ist nicht isotop zur Kreislinie S 1 . Dann gilt für die Totalkrümmung:
Z b
κ(t) kċ(t)k dt > 4π
a
48
1. KURVENTHEORIE
Beweis. siehe [2]
Ist also die Totalkrümmung kleiner gleich 4π dann ist die Kurve unverknotet.
KAPITEL 2
Flächentheorie
1. Reguläre Flächen
Definition 1.1. Eine Teilmenge S ⊂ R3 heisst reguläre Fläche, falls zu jedem p ∈ S
eine offene Menge V ⊂ R3 mit p ∈ V , eine offene Menge U ⊂ R2 und eine glatte Abbildung
F : U → R3 existiert mit:
(1)
(2)
(3)
(4)
F −1 (p) ∈ U
F (U ) = S ∩ V
F : U → S ∩ V ist ein Homöomorphismus
Die Jacobimatrix Du F hat für alle u ∈ U den (maximalen) Rang 2
Bemerkung 1.2. Die Funktion F bzw. das Tripel (U, F, V ) aus der Definition 15 nennt
man lokale Parametrisierung von S um p. Die Menge S ∩ V heisst Koordinatenumgebung
von p. Der Punkt F (u) ∈ S mit u = (u1 , u2 ) ∈ U ⊂ R2 hat die Koordinaten u1 , u2 bzgl. der
Parametrisierung F .
Die lokale Parametrisierung F sei gegeben als F (u) = (F1 (u), F2 (u), F3 (u)) für Funktionen Fi : U → R. Dann hat Du F genau dann den Rang 2, wenn die Vektoren
Du F (e1 ), Du F (e2 ) ∈ R3 linear unabhängig sind, wobei {e1 , e2 } die kanonische Basis in R2
bezeichnet und Du F als lineare Abbildung Du F : R2 → R3 betrachtet wird. Es gilt
Du F = (Du F (e1 ), Du F (e2 ))
 ∂F1 ∂F1 

=
∂u1
∂F2
∂u1
∂F3
∂u1
∂u2
∂F2
∂u2
∂F3
∂u2


Dabei sind die Vektoren Du F (ei ), i = 1, 2 genau die Tangentialvektoren in t = 0 an die
”Koordinatenlinien”F (ci (t)) mit ci (t) = u + tei , i = 1, 2.
Beispiel 1.3 (Graph einer Funktion). Sei f : U ⊂ R2 → R eine glatte Funktion, definiert
auf einer offenen Menge U ⊂ R2 . Dann ist der Graph von f , also die Menge
S := { (x, y, f (x, y)) | (x, y) ∈ U }
49
50
2. FLÄCHENTHEORIE
eine reguläre Fläche. Man definiert F : U → R3 durch F (x, y) = (x, y, f (x, y)). Für V = R3
hat man nach Definition F (U ) = S = S ∩ V und
F −1 : S → U,
F −1 (x, y, z) = (x, y)
ist offensichtlich wohldefiniert und stetig, also F ein Homöomorphismus. Die Jacobi Matrix
von F hat Rang 2, da


1 0


Du F = D(x,y) F =  0 1 
∂f
∂x
∂f
∂y
Beispiel 1.4 (Die 2-dimensionale Sphäre). Die 2-dimensionale Sphäre ist definiert als die
Menge
S = S 2 = { (x, y, z) ∈ R3 | x2 + y 2 + z 2 = 1 } ⊂ R3 .
Im Unterschied zum obigen Beispiel gibt es für die Sphäre keine Parametrisierung, die
nur durch eine Funktion F gegeben ist. Man benötigt mindestens zwei. Hier soll eine Parametrisierung mit sechs Funktionen beschrieben werden. Man definiert die offene Menge
U = {(x, y) ∈ R2 | x2 + y 2 < 1} in R2 und weiter folgende sechs offene Mengen in R3
(1) V1+ := { (x, y, z) ∈ R3 | x > 0 },
V1− := { (x, y, z) ∈ R3 | x < 0 }
(2) V2+ := { (x, y, z) ∈ R3 | y > 0 },
V2− := { (x, y, z) ∈ R3 | y < 0 }
V3− := { (x, y, z) ∈ R3 | z < 0 }
p
Offensichtlich ist der Schnitt S 2 ∩ V3± genau der Graph von f (x, y) = ± 1 − x2 − y 2 . Der
Schnitt der Mengen Vi± , i = 1, 2, 3 definiert die verschiedenen Halbkugeln der Sphäre und
liefert insbesondere eine Überdeckung von S 2 . Entsprechend hat man die lokalen Parametrisierungen
p
F1± (y, z) = (± 1 − y 2 − z 2 , y, z)
√
F2± (x, z) = (x, ± 1 − x2 − z 2 , z)
p
F3± (x, y) = (x, y, ± 1 − x2 − y 2 )
(3) V3+ := { (x, y, z) ∈ R3 | z > 0 },
Der Satz vom regulären Wert bzw. der Satz über implizite Funktionen liefert nun ein
einfaches Kriterium dafür, wann Nullstellenmengen von Funktionen f : V0 ⊂ R3 → R reguläre
Flächen definieren.
Satz 1.5. Sei V0 ⊂ R3 offen, f : V0 → R glatt und S ⊂ R3 die Nullstellenmenge von f ,
d.h.
S := { (x, y, z) ∈ R3 | f (x, y, z) = 0 } .
Dann ist die Menge S eine reguläre Fläche, falls
gradf (p) 6= (0, 0, 0)
für alle Punkte p ∈ S gilt.
1. REGULÄRE FLÄCHEN
51
Beweis. Sei p = (x0 , y0 , z0 ) ∈ S, nach Voraussetzung ist
gradf (p) = ( ∂f
(p), ∂f
(p), ∂f
(p)) 6= (0, 0, 0) ,
∂x
∂y
∂z
also kann man o.B.d.A annehmen, dass z.B. ∂f
(p) 6= 0 gilt. Der Satz über implizite Funktionen
∂z
liefert dann die Existenz von V ⊂ V0 offen, mit p ∈ V , U ⊂ R2 offen, mit (x0 , y0 ) ∈ U und
g : U → R glatt, so dass
S ∩ V = { (x, y, g(x, y)) | (x, y) ∈ U } .
Die Menge S ist also lokal der Graph der Funktion g und man hat die lokale Parametrisierung
F : U → V mit F (x, y) = (x, y, g(x, y)).
Beispiel 1.6 (Das Ellipsoid). Das Ellipsoid definiert man als die Menge
S := { (x, y, z) ∈ R3 | ( xa )2 + ( yb )2 + ( zc )2 = 1 }
für gewisse a, b, c ∈ R \ {0}. Die so definierte Menge S ist eine reguläre Fläche. Sei V0 = R3
und f : V0 → R definiert als f (x, y, z) = ( xa )2 + ( yb )2 + ( zc )2 − 1. Dann folgt
, 2y , 2z ) .
gradf (x, y, z) = ( 2x
a2 b2 c2
Somit ist (0, 0, 0) die einzige Nullstelle von gradf . Aber der Nullpunkt liegt nicht in S, d.h.
S ist regulär.
Bemerkung 1.7. Die Bedingung gradf (p) 6= (0, 0, 0) für alle p ∈ S ist hinreichend aber
nicht notwendig. Z.B. kann man die (reguläre) 2-dimensionale Sphäre auch beschreiben als
S 2 = { (x, y, z) ∈ R3 | h(x, y, z) = 0 } ,
für die Funktion h(x, y, z) = (x2 + y 2 + z 2 − 1)2 mit
gradh(x, y, z) = 2(x2 + y 2 + z 2 − 1) (2x, 2y, 2z)
Somit verschwindet gradh in allen Punkten von S 2 .
Beispiel 1.8 (Der Doppelkegel). Der Doppelkegel als Punktmenge in R3 läßt sich beschreiben als
S = { (x, y, z) ∈ R3 | x2 + y 2 − z 2 = 0 } .
Sei f : R3 → R definiert durch f (x, y, z) = x2 +y 2 −z 2 . Es folgt gradf (x, y, z) = (2x, 2y, −2z) ,
d.h. S \ {(0, 0, 0)} ist eine reguläre Fläche nach Satz 1.5 mt V0 := R3 \ {(0, 0, 0)}.
Behauptung: Der Doppelkegel S ist keine reguläre Fläche.
52
2. FLÄCHENTHEORIE
c
u2
u1u
0
U0
F
p1
p
p2
U
S
Annahme S sei regulär. Dann existieren offene Mengen V ⊂ R3 , U ⊂ R2 und eine glatte
Abbildung F : U → V , so dass p = (0, 0, 0) ∈ V, F (U ) = S ∩ V und F : U → S ∩ V ist ein
Homöomorphismus. Sei u0 := F −1 (0, 0, 0) ∈ U . Dann existiert eine offene Kreisscheibe U 0 ⊂ U
von u0 . Da F ein Homöomorphismus ist folgt, dass F (U 0 ) ⊂ S∩V offen ist. Nach Definition der
Teilraumtopologie existiert also eine offene Menge V 0 ⊂ R3 mit V 0 ⊂ V und F (U 0 ) = S ∩ V 0 .
Nach Definition enthält V 0 eine kleine Kugel um den Nullpunkt in R3 . Es existieren nun
Punkte p1 = (x1 , y1 , z1 ) und p2 = (x2 , y2 , z2 ) mit p1 , p2 ∈ V 0 , z1 > 0, z2 < 0. Sei u1 := F −1 (p1 )
und u2 := F −1 (p2 ). Dann existiert ein Weg c in U 0 , der u1 und u2 verbindet aber nicht durch
Null geht. Es ist aber F ◦ c ein Weg in S, der p1 und p2 verbindet und daher notwendigerweise
durch F (u0 ) = (0, 0, 0) geht. Das ist ein Widerspruch, da F bijektiv ist. (Tatsächlich muss
die z-Koordinate auf dem Bildweg irgendwann Null sein und aus (x, y, 0) ∈ S folgt aus der
definierenden Gleichung x = y = 0).
1.1. Differenzierbare Abbildungen. Ziel dieses Abschnittes ist es zu definieren, was
differenzierbare Abbildungen zwischen regulären Flächen sind. Ausgehen kann man von dem
Begriff der Glattheit von Abbildungen, die zwischen offenen Mengen in euklidischen Räumen
definiert sind. Aber schon die Glattheit von F −1 , für die lokalen Parametrisierungen F , muss
erst definiert werden. Wie üblich nennt man eine Abbildung glatt, wenn sie beliebig oft differenzierbar ist.
Satz 1.9. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche mit lokaler Parametrisierung (U, F, V ). Sei
W ⊂ Rn offen und sei ϕ : W → R3 eine Abbildung mit ϕ(W ) ⊂ S ∩V . Dann gilt: ϕ : W → R3
ist genau dann glatt, wenn ψ := F −1 ◦ ϕ : W → U ⊂ R2 glatt ist.
Beweis. Zunächst sei die Abbildung ψ := F −1 ◦ ϕ glatt. Dann ist auch ϕ = F ◦ ψ glatt,
da F nach Definition einer regulären Fläche glatt ist.
Es bleibt die andere Richtung zu zeigen. Sei also ϕ : W → R3 glatt. Weiter sei p ∈ W, q :=
ϕ(p) ∈ S ∩ V und u0 := F −1 (q) ∈ U . Zu zeigen ist, dass ψ = F −1 ◦ ϕ in einem beliebigen
Punkt p ∈ W glatt ist. Es sei F (u1 , u2 ) = (x(u1 , u2 ), y(u1 , u2 ), z(u1 , u2 )). Nach Voraussetzung
hat Du0 F den Rang 2. O.B.d.A. kann man annehmen, dass die Matrix
!
∂x
∂x
∂u1
∂y
∂u1
∂u2
∂y
∂u2
1. REGULÄRE FLÄCHEN
53
in u0 invertierbar ist. Falls nicht, muss man noch die Koordinaten vertauschen. Man definiert
nun eine Abbildung G : U × R → R3 durch
G(u1 , u2 , t) = (x(u1 , u2 ), y(u1 , u2 ), z(u1 , u2 ) + t) .
Das Differential von G in (u0 , 0) = ((u0 )1 , (u0 )2 , 0) berechnet sich als
 ∂x ∂x

0
∂u1
∂u2

 ∂y ∂y
0 
D((u0 )1 ,(u0 )2 ,0) G =  ∂u
∂u2
1
∂z
∂u1
∂z
∂u2
1
Daraus folgt, dass D(u0 ,0) G invertierbar ist, denn
det D(u0 ,0) G = det
∂x
∂u1
∂y
∂u1
∂x
∂u2
∂y
∂u2
!
(u0 ) 6= 0 .
Der Umkehrsatz liefert jetzt die Existenz einer offenen Umgebung U1 ⊂ U × R von (u0 , 0) ∈
R3 und einer offenen Umgebung V1 ⊂ V von q ∈ S ∩ V , so dass G|U1 : U1 → V1 ein
Diffeomorphismus ist. Man setzt W1 := ϕ−1 (V1 ) und erhält eine offene Umgebung von p.
Weiter gilt für alle p0 ∈ W1 :
G−1 ◦ ϕ(p0 ) = (F −1 ◦ ϕ(p0 ), 0) .
Denn G ist ein Diffeomorphismus und man hat nach Definition von G die Gleichung
G(u1 , u2 , 0) = F (u1 , u2 ). Also folgt
G((F −1 ◦ ϕ(p0 ), 0)) = F (F −1 ◦ ϕ(p0 )) = ϕ(p0 ) = G(G−1 ◦ ϕ(p0 )) .
Da G−1 und ϕ glatt sind, gilt dies auch für die Verknüpfung G−1 ◦ ϕ. Da damit auch alle
Komponenten dieser Abbildung glatt sind, folgt die zu beweisende Behauptung, dass F −1 ◦ ϕ
auf W1 glatt ist.
Folgerung 1.10. Sei S eine reguläre Fläche mit lokalen Parametrisierungen (U1 , F1 , V1 )
und (U2 , F2 , V2 ). Dann ist
F2−1 ◦ F1 : F1−1 (V1 ∩ V2 ) → F2−1 (V1 ∩ V2 )
glatt mit der glatten Umkehrungabbildung (F2−1 ◦ F1 )−1 = F1−1 ◦ F2 , d.h. Parametertransformationen sind Diffeomorphismen.
Beweis. Die Aussage der Folgerung ergibt sich direkt aus Satz 1.9 mit W := F1−1 (V1 ∩
V2 ), ϕ := F1 , F := F2 und (U, F, V ) = (U2 , F2 , V2 ).
Definition 1.11. Seien S1 , S2 ⊂ R3 reguläre Flächen, p ∈ S1 . Eine stetige Abbildung
f : S1 → S2 heisst glatt nahe p, falls es eine lokale Parametrisierung (U1 , F1 , V1 ) von S1 um p
und eine lokale Parametrisierung (U2 , F2 , V2 ) von S2 um f (p) gibt, so dass
f˜ := F −1 ◦ f ◦ F1 : F −1 (f −1 (V2 ) ∩ V1 ) → U2
2
1
eine glatte Abbildung zwischen offenen Mengen in R2 ist.
54
2. FLÄCHENTHEORIE
Bemerkung 1.12.
(1) Eine Abbildung zwischen regulären Flächen heißt glatt, wenn sie in jedem Punkt
glatt ist.
(2) Die Verknüpfung glatter Abbildungen zwischen regulären Flächen ist wieder glatt.
(3) Ein Diffeomorphismus zwischen regulären Flächen S1 , S2 ist eine bijektive glatte
Abbildung f : S1 → S2 , für die auch die Umkehrabbildung f −1 glatt ist.
(4) Abbildungen f : S → Rn , für reguläre Flächen S sind genau dann glatt, wenn f ◦ F
für jede lokale Parametrisierung (einer Überdeckung von S ) glatt ist.
(5) Der Begriff der Glattheit hängt nicht von der gewählten Parametrisierung ab.
Beweis. Seien (Ũi , F̃i , Ṽi ), i = 1, 2 zwei lokale Parametrisierungen um einen
Punkt der Fläche. Dann schreibt man
F̃2−1 ◦ f ◦ F̃1 = (F̃2−1 ◦ F2 ) ◦ (F2−1 ◦ f ◦ F1 ) ◦ (F1−1 ◦ F̃1 ) .
Dabei sind die Parametertransformationen F̃i−1 ◦ Fi , i = 1, 2 glatt. Es folgt also, dass
F̃2−1 ◦ f ◦ F̃1 genau dann glatt ist, wenn F2−1 ◦ f ◦ F1 glatt ist.
1.2. Die Tangentialebene. Analog zu den Tangentialvektoren an Kurven, als eindimensionale Vektrorräume, die die Kurve zu erster Ordnung approximieren. Führt man
nun den Begriff des Tangentialraumes ein. In jedem Punkt der Fläche erhält man einen zweidimensionalen Vektrorraum, der die Fläche zu erster Ordnung annähert.
Definition 1.13. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche, p ∈ S. Die Tangentialebene (bzw. der
Tangentialraum) von S in p ist definiert als:
Tp S := { X ∈ R3 | ∃ ε > 0, c : (−ε, ε) → S
glatte Kurve mit c(0) = p, ċ(0) = X } .
Die Vektoren X ∈ Tp S nennt man Tangentialvektoren in p an S.
Bemerkung 1.14.
(1) Der Tangentialraum in p ist also die Menge aller Tangentialvektoren in p an Kurven
durch p.
(2) Es bleibt noch zu zeigen, dass Tp S ein 2-dimensionaler Vektorraum ist.
Satz 1.15. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche, p ∈ S, sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung von S um p und sei u0 := F −1 (p) ∈ U . Dann gilt:
Tp S = Bild(Du0 F ) ,
wobei Du0 F als lineare Abbildung Du0 F : R2 → R3 betrachtet wird.
1. REGULÄRE FLÄCHEN
55
Beweis. Man hat zwei Inklusionen zu zeigen. Zuerst soll gezeigt werden, dass das Bild
von Du0 F im Tangentialraum Tp S liegt. Sei also X ∈ Bild(Du0 F ), dann existiert ein Y ∈ R2
mit X = Du0 F (Y ). Man setzt c(t) := F (u0 + tY ). Für hinreichend kleine t liegt u0 + tY in
U , also dem Definitionsbereich von F . Es ist c(0) = F (u0 ) = p und aus der Kettenregel folgt
d ċ(0) =
F (u0 + tY ) = Du0 F (Y ) = X .
dt t=0
Nach Definition liegt X damit im Tangentialraum Tp S.
Nun soll gezeigt werden, dass der Tangentialraum im Bild von Du0 F liegt. Sei also X ∈
Tp S, realisiert als X = ċ(0) für eine glatte Kurve c in S durch p = c(0), die o.B.d.A in V liege.
Man setzt dann u := F −1 ◦ c und definiert Y := u̇(0) ∈ R2 . Wiederum aus der Kettenregel
folgt:
d d Du0 F (Y ) =
F ◦ u(t) =
c(t) = X .
dt t=0
dt t=0
Damit liegt also X wirklich im Bild von Du0 F und die Aussage ist bewiesen.
Folgerung 1.16. Die Tangentialebene Tp S ⊂ R3 ist für alle Punkte p ∈ S ein 2dimensionaler Unterraum des R3 . Sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung um p. Dann
∂F ∂F
bilden die Vektoren ∂u
,
eine Basis in Tp S.
1 ∂u2
Beweis. Wie gerade gezeigt, ist der Tangentialraum Tp S das Bild der linearen Abbildung
Du0 F und damit wieder ein Vektorraum. Die Basisvektoren e1 , e2 werden dabei auf die linear
∂F
∂F
und Du0 F (e2 ) = ∂u
abgebildet. Diese bilden eine
unabhängigen Vektoren Du0 F (e1 ) = ∂u
1
2
Basis im Tangentialraum, da nach Definition einer regulären Fläche die Jacobi Matrix von F
den Rang 2, d.h.
dimTp S = dimBild(Du0 F ) = RangDu0 F = 2 .
Satz 1.17. Sei V ⊂ R3 offen, f : V → R glatt und S = f −1 (0) ⊂ R3 mit gradf (p) 6= 0
für alle p ∈ S. Dann gilt für alle p ∈ S
Tp S = gradf (p)⊥ ,
d.h. der Gradient von f steht senkrecht auf der Tangentialebene.
Beweis. Sei X ∈ Tp S mit X = ċ(0) für eine Kurve c : (−ε, ε) → S durch p = c(0). Die
Kurve c liegt ganz in S, also folgt nach Definition von S die Gleichung f (c(t)) = 0 für alle
t ∈ (−ε, ε). Ableiten nach t und Anwendung der Kettenregel liefert
d f (c(t)) = hgradf (c(0)), ċ(0)i = hgradf (p), Xi .
0 =
dt t=0
⊥
Es folgt also X ∈ gradf (p) und damit Tp S ⊂ gradf (p)⊥ . Aus Dimensionsgründen folgt dann
die behauptete Gleichheit Tp S = gradf (p)⊥ . Tatsächlich gilt
dim gradf (p)⊥ = 2 = dim Tp S .
56
2. FLÄCHENTHEORIE
Beispiel 1.18. Wie schon gezeigt, kann man die 2-dimensionale Sphäre realisieren als
S = f −1 (0) für die Funktion f (x, y, z) = x2 +y 2 +z 2 −1. Es gilt gradf (p) = 2(p1 , p2 , p3 ) = 2p
für einen Punkt p = (p1 , p2 , p3 ). Aus dem letzten Satz folgt also für den Tangentialraum an
die Sphäre S 2 im Punkte p:
2
Tp S 2 = gradf (p)⊥ = { X ∈ R3 | hX, gradf (p)i = 0 } = p⊥ ,
d.h. die Tangentialebene der Sphäre im Punkte p ist genau das orthogonale Komplement des
Fußpunktes p.
1.3. Das Differential. Regulär parametrisierte Flächen werden in jedem Punkt zu erster Ordnung durch die Tangentialebene approximiert. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden,
wie eine differenzierbare Abbildung zwischen regulären Flächen durch eine lineare Abbildung,
dass Differential der Abbildung, zu erster Ordnung approximiert wird.
Definition 1.19. Seien S1 , S2 ⊂ R3 reguläre Flächen, sei f : S1 → S2 eine glatte Abbildung und sei p ∈ S1 . Das Differential von f in p ist eine Abbildung
dp f : Tp S1 → Tf (p) S2
definiert auf Tangentialvektoren X = ċ(0), mit c : (−ε, ε) → S, c(0) = p, durch
d dp f (X) =
f (c(t)) .
dt t=0
Bemerkung 1.20. Es ist c̃ = f ◦ c eine Kurve in S2 mit c̃(0) = f (p), d.h. dp f (X) ist,
nach Definition, ein Tangentialvektor in Tf (p) S2 .
Satz 1.21. Das Differential dp f (X) ist wohldefiniert, d.h. dp f (X) hängt nicht von der
Wahl der Kurve c mit c(0) = p, ċ(0) = X ab. Darüber hinaus ist das Differential eine lineare
Abbildung zwischen den Tangentialräumen.
Beweis. Es seien (U1 , F1 , V1 ) bzw. (U2 , F2 , V2 ) lokale Parametrisierungen von S1 um p
bzw. von S2 um f (p). O.B.d.A kann man annehmen, dass f (S ∩ V1 ) ⊂ V2 erfüllt ist. Anderenfalls verkleinert man die offenen Mengen mittels geeigneter Durchschnitte.
Man betrachtet die lokale Abbildung
f˜ := F2−1 ◦ f ◦ F1 : U1 → U2 .
Sei u0 := F1−1 (p) ∈ U1 . Der Tangentialvektor X ∈ Tp S1 sei gegeben als X = ċ(0) für eine
Kurve c mit c(0) = p. Weiter sei u := F1−1 ◦ c : I → U1 die Urbildkurve mit u(0) = u0 . Dann
gilt
d Du0 F1 (u̇(0)) =
F1 (u(t)) = ċ(0) = X .
dt t=0
1. REGULÄRE FLÄCHEN
57
Also insbesondere u̇(0) = (Du0 F1 )−1 X. Weiter gilt
dp f (X) = dtd t=0 f ◦ c(t) = dtd t=0 f ◦ F1 ◦ u(t) =
d
dt t=0
F2 ◦ f˜ ◦ u(t)
= Du0 (F2 ◦ f˜)u̇(0)
= Du0 (F2 ◦ f˜) ◦ (Du0 F1 )−1 X
Damit erhält man für das Differential die von der Kurve c unabhängige Formel
dp f = Du0 (F2 ◦ f˜) ◦ (Du0 F1 )−1 = Df˜(u0 ) F2 ◦ Du0 f˜ ◦ (Du0 F1 )−1 .
Somit ist das Differential dp f wohldefiniert, und auch linear, als Verknüpfung linearer Abbildungen.
Bemerkung 1.22. Das Differential dp f läßt sich mittels lokaler Parametrisierungen durch
die Jacobi-Matrix der lokalen Abbildung f˜ beschreiben. Seien F1 bzw F2 lokale Parametrisierungen um p bzw f (p), mit F1 (u0 ) = p, dann hat man folgendes kommutative Diagramm:
dp f
Tp S1
O
/
Tf (p) S2
O
Df˜(u ) F2
Du0 F1
R2
0
Du0 f˜
/
R2
wobei die lokale Abbildung f˜ definiert ist als f˜ = F2−1 ◦ f ◦ F1 , d.h.
dp f ◦ Du F1 = D ˜ F2 ◦ Du f˜ .
f (u0 )
0
0
Beispiel 1.23. Sei A : R3 → R3 eine orthogonale, lineare Abbildung, A ∈ O(3). Die
Matrizenmultiplikation mit A induziert eine Abbildung f : S 2 → S 2 , f (p) = A · p, mit
p ∈ S 2 ⊂ R3 . Ein Tangentialvektor X ∈ Tp S 2 sei realisiert als X = ċ(0) für eine Kurve
c : I → S 2 . Dann gilt:
d d d dp f (X) =
f (c(t)) =
A · c(t) = A · c(t) = A · X
dt dt dt
t=0
t=0
t=0
Aus dieser Rechnung folgt für das Differential der Abbildung f :
dp f = A|Tp S 2 : Tp S 2 → Tp S 2 .
1.4. Die erste Fundamentalform.
Definition 1.24. Die erste Fundamentalform einer regulären Fläche S ⊂ R3 ist die
Abbildung p 7→ Ip , die jedem p ∈ S die Einschränkung des euklidischen Sklarproduktes auf
Tp S ⊂ R3 zuordnet. Seien X, Y ∈ Tp S ⊂ R3 Tangentialvektoren an S in p. Dann schreibt
man
Ip (X, Y ) = gp (X, Y ) = hX, Y i .
wobei h·, ·i das euklidische Skalarprodukt bezeichnet.
58
2. FLÄCHENTHEORIE
Die erste Fundamentalform I bzw. g definiert eine Metrik auf S, die man für Längen und
Winkelmessung auf S benötigt. Nach Wahl einer Basis in Tp S entspricht Ip einer symmetrischen positiv definiten 2 × 2-Matrix. Sei (e1 , e2 ) die kanonische Basis des R2 . Dann bilden die
Spalten der Jacobi-Matrix eine Basis in Tp S:
Du F (e1 ) =
∂F
,
∂u1
Du F (e2 ) =
∂F
.
∂u2
Hieraus erhält man eine Matrixdarstellung für die erste Fundamentalform:
∂F ∂F
gij (u) = gp (Du F (ei ), Du F (ej )) =
,
∂ui ∂uj
für i, j ∈ {1, 2}. Dabei sind die Matrixeinträge gij lokal auf U definierte Funktionen, die
glatt von u ∈ U abhängen. Die lokale Darstellung der ersten Fundamentalform hängt von der
gewählten lokalen Parametrisierung ab.
Beispiel 1.25 (Die affine Ebene). Hier hat man die folgende globale Parametrisierung:
F : R2 → R3 mit F (u1 , u2 ) = p0 + u1 X + u2 Y. Für gegebene Vektoren p0 , X, Y ∈ R3 .
Parametrisiert hat man dadurch die Ebene durch den Punkt p0 , die von den Vektoren X, Y
aufgespannt wird. Für die erste Fundamentalform findet man
∂F
∂F
g11 (u) =
(u),
(u) = hX, Xi
∂u1
∂u1
und ganz analog g22 (u) = hY, Y i, g12 (u) = g21 (u) = hX, Y i. Zum Beispiel hat man für p0 = 0
und X = e1 , Y = e2 , also im Fall, dass S die x, y-Ebene ist, die Einheitsmatrix als Matrix
der ersten Fundamentalform. Die erste Fundamentalform in dieser Parametrisierung ist eine
konstante Matrix, d.h. nicht von der lokalen Koordinate u abhängig.
Eine zweite Parametrisierung der affinen Ebene nutzt die Polarkoordinaten. Die Ebene
S sei hier die x, y-Ebene. Dann betrachtet man folgende lokale Parametrisierung, definiert
durch F̃ : (0, ∞) × (0, 2π) → R3 mit F̃ (r, ϕ) := (r cos ϕ, r sin ϕ, 0). In dieser Parametrisierung
berechnet sich die erste Fundamentalform als
*
+
∂ F̃
∂ F̃
g̃11 (r, ϕ) =
(r, ϕ),
(r, ϕ) = h(cos ϕ, sin ϕ, 0), (cos ϕ, sin ϕ, 0)i = 1
∂r
∂r
Analog findet man g̃12 = g̃21 = 0 und g̃22 = r2 . Die Matrix der ersten Fundamentalform in
dieser Parametrisierung ist also
1 0
0 r2
Die lokale Gestalt der ersten Fundamentalform hängt damit von der gewählten lokalen Parametrisierung ab.
Beispiel 1.26 (Die Zylinderfläche). Als Punktmenge läßt sich die Fläche S beschreiben
als S = {(x, y, z) ∈ R3 | x2 + y 2 = 1}. Man wählt dann folgende lokale Parametrisierung:
1. REGULÄRE FLÄCHEN
59
F : (0, 2π) × R → R3 mit F (ϕ, h) = (cos ϕ, sin ϕ, h) Für die erste Fundamentalform in dieser
Parametrisierung findet man
*
+
∂ F̃
∂ F̃
g11 (ϕ, h) =
(r, ϕ),
(r, ϕ) = h(− sin ϕ, cos ϕ, 0), (− sin ϕ, cos ϕ, 0)i = 1 .
∂ϕ
∂ϕ
Analog findet man
*
g12 (ϕ, h) = g21 (ϕ, h) =
∂ F̃
∂ F̃
(r, ϕ),
(r, ϕ)
∂ϕ
∂h
+
= h(− sin ϕ, cos ϕ, 0), (0, 0, 1)i = 0 .
und g22 (ϕ, h) = 1. Somit ist in den (ϕ, h)-Koordinaten die Einheitsmatrix die Matrix der
ersten Fundamentalform. In geeignenten Koordinaten hat die Ebene und die Zylinderfläche
also die gleiche erste Fundamentalform.
1.5. Verhalten bei Koordinatentransformationen. Es soll nun untersucht werden,
wie sich die erste Fundamentalform bei Änderung der lokalen Parametrisierung einer gegebenen Fläche ändert.
Satz 1.27. Seien (U, F, V ) und (Ũ , F̃ , Ṽ ) zwei lokale Parametrisierungen mit der Koordinatentransformation ϕ = F̃ −1 ◦ F . Seien weiter (gij ) bzw. (g̃ij ) die Matrizen der ersten
Fundamentalformen bzgl. F bzw. F̃ . Dann gilt in Matrixschreibweise
(gij ) = Du ϕT · (g̃kl (ϕ(u))) · Du ϕ .
Ausgeschrieben ist die Formel der Koordinatentransformation
X ∂ϕk
∂ϕl
gij (u) =
(u) ·
(u) · g̃kl (ϕ(u)) ,
∂u
∂u
i
j
kl
dabei schreibt sich ϕ : U → R2 als ϕ(u1 , u2 ) = (ϕ1 (u1 , u2 ), ϕ2 (u1 , u2 )).
Beweis. Sei A = (a1 , . . . , an ) eine reelle Matrix mit den Spalten a1 , . . . an . Dann steht in
der i.ten Zeile und j.ten Spalte der Matrix AT ·A der Eintrag (AT ·A)ij = hai , aj i. Sei nun A die
∂F
∂F
Jacobi-Matrix Du F mit den Spalten ∂u
und ∂u
. Dann folgt für die erste Fundamentalform
1
2
∂F ∂F
(gij (u)) =
,
= (Du F )T · (Du F ) .
∂ui ∂uj
Es gilt nun F = F̃ ◦ ϕ und daher folgert man mit der Kettenregel
(gij (u)) = (Du F )T · (Du F ) = (Du (F̃ ◦ ϕ))T · (Du (F̃ ◦ ϕ)
= (Du ϕ)T · (Dϕ(u) F̃ )T · Dϕ(u) F̃ · Du ϕ
= (Du ϕ)T · (g̃kl (ϕ(u))) · Du ϕ
60
2. FLÄCHENTHEORIE
1.6. Normalenfelder und Orientierbarkeit.
Definition 1.28. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche. Ein Normalenfeld auf S ist eine
Abbildung N : S → R3 , für die N (p) in jedem Punkt p ∈ S senkrecht zum Tangentialraum
Tp S ist. Ein Normalenfeld N auf S heißt Einheitsnormalenfeld falls es in jedem Punkt die
Länge eins hat, d.h. wenn kN (p)k = 1 für alle p ∈ S gilt.
Bemerkung 1.29.
(1) Existiert ein Normalenfeld N auf S, dann gilt also Tp S = N (p)⊥ .
(2) Mit N ist auch −N ein (Einheits-)-Normalenfeld. Nicht jede reguläre Fläche besitzt
ein stetiges Einheitsnormalenfeld.
(3) Im Fall eines Einheitsnormalenfeldes N : S → S 2 ⊂ R3 bezeichnet man die Abbildung N auch als Gauß-Abbildung.
Beispiel 1.30. Sei S = {(x, y, 0) ∈ R3 | x, y ∈ R} die x, y-Ebene in R3 . Dann ist offensichtlich N (x, y, 0) := (0, 0, 1) ein konstantes Einheitsnormalenfeld auf S.
Beispiel 1.31. Sei S = S 2 die Einheitssphäre in R3 . Dann ist N = Id, also N (p) = p für
alle p ∈ S 2 ein nicht-konstantes Einheitsnormalenfeld auf S 2 . Denn, wie schon gezeigt, ist der
Tangentialraum an S 2 in einem Punkt p ∈ S 2 gegeben als
Tp S 2 = { X ∈ R3 | X ⊥ p } = p⊥ .
Nach Definition der Sphäre gilt auch kpk = 1.
Beispiel 1.32. Das Möbiusband besitzt, wie etwas später gezeigt wird, kein stetiges Einheitsnormalenfeld.
Definition 1.33. Eine reguläre Fläche S ⊂ R3 heißt orientierbar, falls es auf S ein glattes
Einheitsnormalenfeld gibt.
Bemerkung 1.34.
(1) Äquivalent zur Orientierbarkeit ist die Existenz eines glatten Normalenfeldes ohne
Nullstellen. Im allgemeinen Fall erhält man durch Normierung ein Einheitsnormalenfeld.
(2) Später wird gezeigt, dass zur Orientierbarkeit ebenfalls die Existenz eines stetigen
Normalenfeldes äquivalent ist.
(3) Ebenen, Sphären und Zylinder sind orientierbar. Das Möbiusband ist nicht orientierbar.
Lemma 1.35. Auf jeder regulären Fläche existieren lokal glatte Einheitsnormalenfelder.
1. REGULÄRE FLÄCHEN
61
Beweis. Sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung von S. Dann definiert man auf S ∩ V
ein Normalenfeld Ñ durch:
Ñ (p) = Du F (e1 ) × Du F (e2 )
wobei p die Koordinaten u hat, d.h. u = F −1 (p). Da F eine reguläre Parametrisierung von
S ist, sind die Tangentialvektoren Du F (e1 ), Du F (e2 ) ∈ Tp S in jedem Punkt p ∈ S linear unabhängig und das Vektorkreuzprodukt N (p) damit von Null verschieden. Durch Normierung
erhält man dann auf S ∩ V auch ein Einheitsnormalenfeld N = kÑ
.
Ñ k
Bemerkung 1.36. Mit dieser Konstruktion findet man im Allgemeinen kein global definiertes Einheitsnormalenfeld. Denn seien (U1 , F1 , V1 ) und (U2 , F2 , V2 ) zwei lokale Parametrisierungen. Dann liefert obige Konstruktion Einheitsnormalenfelder N1 und N2 auf (V1 ∩ V2 ) ∩ S.
Es gilt aber
N1 (p) = N2 (p)
oder
N1 (p) = − N2 (p)
Orientierbarkeit von S entscheidet sich an der Frage, ob sich das Vorzeichen konsistent wählen
läßt. Das führt auf eine weitere äquivalente Bedingung für Orientierbarkeit.
Satz 1.37. Eine reguläre Fläche S ⊂ R3 ist genau dann orientierbar, wenn S so von
lokalen Parametrisierungen überdeckt werden kann, dass für alle Parametertransformationen
ϕ die Ungleichung
det (Du ϕ) > 0
für alle Punkte u im Definitionsbereich von ϕ erfüllt ist.
Beweis. Man beginnt mit folgender Vorüberlegung. Sei p ∈ (V1 ∩V2 )∩S, ui = Fi−1 (p), i =
1, 2, und sei Ni (p), i = 1, 2 als normiertes Vektorkreuzprodukt der beiden Spalten der JacobiMatrix von Fi definiert auf Vi ∩ S. Aus den Eigenschaften des Vektorkreuzproduktes folgt
dann, dass (Dui Fi (e1 ), Dui Fi (e2 ), Ni (p)) für i = 1, 2 eine positiv orientierte Basis im R3 ist.
Wie schon bemerkt gilt N1 (p) = ±N2 (p). Sei ϕ = F2−1 ◦F1 die Koordinatentransformation zwischen F1 und F2 . Dann gilt N1 (p) = N2 (p) genau dann, wenn die Basen (Du1 F1 (e1 ), Du2 F1 (e2 ))
und (Du1 F2 (e1 ), Du2 F2 (e2 )) von Tp S ⊂ R3 gleichorientiert sind. Das gilt genau dann, wenn
ϕ in u1 orientierungserhaltend ist, d.h. genau dann wenn det(Du1 ϕ) > 0 gilt. Denn Du1 ϕ
ist genau die Transformationsmatrix, die die beiden betrachteten Basen von Tp S in einander
überführt.
Zunächst sei nun die Determinante der Jacobi-Matrix Du ϕ für alle Parametertransformationen ϕ positiv. Zu zeigen ist, dass daraus die Orientierbarkeit der Fläche S folgt, also ein
global definiertes Einheitsnormalenfeld existiert.
Sei S von lokalen Parametrisierungen (Ui , Fi , Vi ) überdeckt. Man definiert lokale Einheitsnormalenfelder Ni auf Vi ∩ S wie oben. Nach der Vorüberlegung gilt dann
Ni |Vi ∩Vj = Nj |Vi ∩Vj ,
d.h. man erhält ein global definiertes Einheitsnormalenfeld N , dass eingeschränkt auf jede
der Mengen Vi ∩ S mit Ni übereinstimmt. Die Fläche S ist also nach Definition orientierbar.
62
2. FLÄCHENTHEORIE
Sei nun umgekehrt S orientierbar. Dann existiert auf S ein glattes Einheitsnormalenfeld
N : S → R3 . Zu zeigen ist nun, dass eine Überdeckung von S durch lokale Parametrisierungen
existiert, für die die Determinanten der Jacobi-Matrizen aller Koordinatentransformationen
positiv sind.
Dazu sei S wieder von lokalen Parametrisierungen (U, F, V ) überdeckt. O.B.d.A. kann
man annehmen, dass die Mengen U und damit auch V ∩ S = F (U ) zusammenhängend sind.
Durch eventuelles Vertauschen der lokalen Koordinaten u1 , u2 kann man dann erreichen, dass
N (p) = Ñ (p) :=
Du F (e1 ) × Du F (e2 )
,
kDu F (e1 ) × Du F (e2 )k
für alle p ∈ V ∩ S und u = F −1 (p). Denn aus N und Ñ erhält man eine lokal definierte
stetige Funktion f : V ∩ S → {±1} mit f (p) := hN (p), Ñ (p)i. Eine stetige Funktion auf
einer zusammenhängenden Menge mit Werten in einer diskreten Menge ist aber konstant,
d.h. f ≡ 1 oder f ≡ −1 auf V ∩ S.
Seien nun (U1 , F1 , V1 ) und (U2 , F2 , V2 ) zwei lokale Parametrisierungen dieser eventuell
modifizierten Überdeckung von S. Dann gilt für die wie oben konstruierten lokalen Einheitsnormalenfelder N1 und N2 die Gleichung
N1 (p) = N (p) = N2 (p)
für alle p ∈ V1 ∩ V2 ∩ S. Wieder folgt aus der Vorüberlegung, dass det Du ϕ > 0 für alle
Koordinatentransformationen ϕ gelten muss.
Bemerkung 1.38.
(1) Der Beweis zeigt, dass es ausreicht, die Existenz eines stetigen Einheitsnormalenfeldes
zu fordern. Ein solches Vektorfeld ist dann automatisch differenzierbar (glatt) und
es folgt die Orientierbarkeit.
(2) Graphen von Funktionen bzw. Flächen, die von einer Koordinatenumgebung
überdeckt werden können sind orientierbar.
(3) Reguläre Flächen, die als Nullstellenmengen von Funktionen gegeben sind, sind orientierbar.
1.7. Das Möbiusband. In diesem Abschnitt soll die Nichtorientierbarkeit des
Möbiusbandes bewiesen werden. Der Beweis findet sich in dem Buch von do Carmo (siehe [3]).
Das Möbiusband erhält man, indem man in folgendem Diagram gegenüberliegende Seiten
entsprechend der Pfeilrichtungen identifiziert (verklebt).
Die Konstruktion des Möbiusbandes läßt sich auch so beschreiben.
1. REGULÄRE FLÄCHEN
63
(1) Man betrachtet den Kreis vom Radius 2 in der x, y-Ebene: K = {(x, y, 0) | x2 + y 2 =
4} und das offene Intervall AB = {(0, 2, z) | |z| < 1} durch den Punkt (0, 2, 0) ∈ K.
Dabei seien A, B die Endpunkte des abgeschlossenen Intervalls.
(2) Man bewegt den Mittelpunkt C des Intervalls AB entlang des Kreises K und dreht
dabei AB um C in der Cz-Ebene, also zum Ursprung hin.
(3) Man dreht so, dass sich AB umd den Winkel u2 dreht, falls C auf K um den Winkel
u gedreht wird. Dreht sich C um 2π, so wird AB in sich überführt, wobei die Punkte
A, B vertauscht werden.
Das Möbiusband wird nun von zwei Parametrisierungen überdeckt. Für die erste definiert
man F1 : U → S mit U = {(u, v) | 0 < u < 2π, −1 < v < 1} durch
F1 (u, v) = (2 − v sin u2 ) sin u, (2 − v sin u2 ) cos u, v cos u2 .
Nicht getroffen durch F1 werden die Punkte mit u = 0, d.h. die Punkte vom Anfangsintervall
AB.
In der zweiten Parametrisierung nimmt man die Koordinate u um den Winkel π2 versetzt,
d.h. man definiert F2 : U → S mit
F2 (ū, v̄) = (2 − v̄ sin( π4 + ū2 ) cos ū, −(2 − v̄ sin( π4 + ū2 ) sin ū, v̄ cos( π4 + ū2 .
Nicht getroffen werden Punkte mit ū = 0, entsprechend u = π2 .
Die Vereinigung F1 (U ) ∪ F2 (U ) überdeckt das Möbiusband, während der Durchschnitt die
disjunkte Vereinigung F1 (U ) ∩ F2 (U ) = W1 ∪ W2 ist mit
W1 := {F1 (u, v) | π2 < u < 2π}
und
W2 := {F1 (u, v) | 0 < u < π2 }
Die Koordinatentransformation ϕ = F2−1 ◦ F1 , (u, v) 7→ (ū, v̄) ist auf W1 ∪ W2 gegeben durch
(ū, v̄) = (u − π2 , v) in W1
und
(ū, v̄) = ( 3π
+ u, −v) in W2 .
2
Offensichtlich gilt det D(u,v) ϕ > 0 auf F1−1 (W1 ) und det D(u,v) ϕ < 0 auf F1−1 (W2 ).
Angenommen, das Möbiusband S sei orientierbar. Dann existiert ein glattes Einheitsnormalenfeld N : S → R3 . Es folgt
N =
ε1
D(u,v) F1 (e1 )×D(u,v) F1 (e2 )
kD(u,v) F1 (e1 )×D(u,v) F1 (e2 k
auf F1 (U )
mit ε1 = 1 oder ε1 = −1
=
ε2
D(ū,v̄) F2 (e1 )×D(ū,v̄) F2 (e2 )
kD(ū,v̄) F2 (e1 )×D(ū,v̄) F2 (e2 k
auf F2 (U )
mit ε2 = 1 oder ε2 = −1
=
ε1 det(D(u,v) ϕ)
D(ū,v̄) F2 (e1 )×D(ū,v̄) F2 (e2 )
kD(ū,v̄) F2 (e1 )×D(ū,v̄) F2 (e2 k
auf W1 ∪ W2
Denn D(u,v) ϕ ist die Transformationsmatrix der beiden Basen DF1 (ei ), i = 1, 2 und
DF2 (ei ), i = 1, 2 und es gilt die Formel Aa × Ab = det A (a × b) für Vektoren a, b ∈ R3 .
In der Anwendung ist A die 3 × 3-Matrix, die man aus D(u,v) ϕ erhält in dem man eine 1 auf
der Diagonalen ergänzt.
Es folgt also ε1 = ε2 · det Du ϕ auf W1 ∪ W2 . Die Vorzeichen ε1 und ε2 können nun
entweder gleich oder verschieden sein. Angenommen es gilt ε1 = ε2 , also det Du ϕ = 1 > 0, im
64
2. FLÄCHENTHEORIE
Widerspruch zu det Du ϕ < 0 auf W2 . Angenommen es gilt ε1 = −ε2 , dann folgt det Du ϕ =
−1 < 0, im Widerspruch zu det Du ϕ > 0 auf W1 .
Damit erhält man auch insgesamt einen Widerspruch, d.h. das Möbiusband ist nicht
orientierbar.
1.8. Die zweite Fundamentalform. Sei S ⊂ R3 eine orientierte, reguläre Fläche
mit glattem Einheitsnormalenfeld N : S → S 2 ⊂ R3 . Man bezeichnet N auch als GaußAbbildung. Für das Differential gilt:
dp N : Tp S → TN (p) S 2 = Tp S .
Denn man hat Tp S = N (p)⊥ und Tx S 2 = x⊥ . Insgesamt also TN (p) S 2 = N (p)⊥ = Tp S d.h.
das Differential dp N ist ein Endomorphismus von Tp S.
Definition 1.39. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche mit einer Orientierung gegeben durch
das Einheitsnormalenfeld N . Dann heißt
Wp : Tp S → Tp S,
Wp (X) := − dp N (X)
die Weingarten-Abbildung der Fläche S.
Beispiel 1.40 (Die Sphäre S 2 ). Hier gilt N = Id und daher Wp = −Id : Tp S 2 → Tp S 2 .
Beispiel 1.41 (Die x, y-Ebene). Sei S = {(x, y, 0) ∈ R3 } die x, y-Ebene. Dann ist das
Einheitsnormalenfeld gegeben als N (x, y, z) = (0, 0, 1) und somit Wp = −dNp = 0 für alle
p ∈ S.
Beispiel 1.42 (Der Zylinder). S = S 1 × R = {(x, y, z ∈ R3 |x2 + y 2 = 1)}. Das (äußere)
Einheitsnormalenfeld ist gegeben als N (x, y, z) = (x, y, 0). Als Basis in Tp X mit p = (x, y, z)
wählt man die Vektoren X1 = (0, 0, 1) und X2 = (−y, x, 0). Dann berechnet man
 
 

 
 

0
0
x
x
0
Wp  0  = − dp N  0  = − dtd t=0 N  y  = − dtd t=0  y  =  0 
z+t
0
0
1
1
Den zweiten Basisvektor X2 = (−y, x, 0) realisiert man zunächst als Tangentialvektor X2 =
ċ(0) für c(t) = (cos(t + t0 ), sin(t + t0 ), z), wobei (x, y) = (cos t0 , sin t0 ) für ein t0 ∈ R. Dann
berechnet man analog:






−y
−y
cos(t + t0 )
Wp  x  = − dp N  x  = − dtd t=0 N  sin(t + t0 ) 
0
0
z






cos(t + t0 )
sin(t0 )
−y
= − dtd t=0  sin(t + t0 )  =  cos(t0 )  = −  x 
0
0
0
1. REGULÄRE FLÄCHEN
65
In der Basis (0, 0, 1), (−y, x, 0) hat die Weingarten-Abbildung Wp also die Matrixdarstellung
0
0
.
0 −1
Satz 1.43. Die Weingarten-Abbildung einer orientierten regulären Fläche S ⊂ R3 ist
selbst-adjungiert bzgl. der ersten Fundamentalform. Insbesondere existiert in jedem Punkt
p ∈ S eine Basis von Eigenvektoren in Tp S.
Beweis. Sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung von S um p mit u = F −1 (p). Weiter
seien X1 := Du F (e1 ) und X2 := Du F (e2 ) die Basisvektoren von Tp S. Nach Definition des
Normalenfeldes gilt N (p) ⊥ Tp S für alle p ∈ S und damit folgt für alle genügend kleinen t:
∂F
(u + tej ), N (F (u + tej )) = 0,
i, j = 1, 2 .
∂ui
Das Ableiten dieser Gleichung und die Anwendung der Kettenregel liefert dann
E
D ∂F
(u
+
te
),
N
(F
(u
+
te
))
0 = dtd t=0 ∂u
j
j
i
D E
D
E
∂F
d
∂F
= dtd t=0 ∂u
(u
+
te
),
N
(p)
+
(u),
N
(F
(u
+
te
))
j
j
∂ui
dt t=0
i
E
D 2
F
(u), N (p) + hXi , dp N (Du F (ej ))i
= ∂u∂i ∂u
j
D 2
E
F
= ∂u∂i ∂u
(u),
N
(p)
+ hXi , −Wp (Xj )i
j
Aus der Definition der ersten Fundamentalform und dem Satz von Schwarz über die Vertauschbarkeit partieller Ableitungen erhält man daraus:
2
2
∂ F
∂ F
Ip (Xi , Wp (Xj )) =
(u), N (p) =
(u), N (p) = Ip (Xj , Wp (Xi )) .
∂ui ∂uj
∂uj ∂ui
Mit Hilfe der Bilinearität von Ip und der Liniearität von Wp folgert man daraus dann, dass
Wp selbst-adjungiert bzgl. Ip ist, also für alle Tangentialvektoren X, Y ∈ Tp S die Gleichung
Ip (X, Wp (Y )) = Ip (Wp (X), Z)
erfüllt ist.
Definition 1.44. Die zweite Fundamentalform der Fläche S im Punkt p ∈ S ist die zur
Weingartenabbildung gehörende Bilinearform:
IIp (X, Y ) := Ip (Wp (X), Y )
für Tangentialvektoren X, Y ∈ Tp S.
66
2. FLÄCHENTHEORIE
1.9. Ausdruck in lokalen Koordinaten. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche, p ∈ S und
(U, F, V ) eine lokale Parametrisierung um p = F (u). In Tp S fixiert man wieder die Basis
X1 := Du F (e1 ), X2 := Du F (e2 )
und erhält dadurch Matrizen
g(u) := (gij (u)),
w(u) := (wji (u)) ,
h(u) := (hij (u)),
die erste bzw. zweite Fundamentalform Ip bzw. IIp und die Weingartenabbildung Wp beschreiben und definiert sind durch
gij (u) = Ip (Xi , Xj ) = hXi , Xj i
2
F
hij (u) = IIp (Xi , Xj ) = Ip (Wp (Xi ), Xj ) = hWp (Xi ), Xj i = h ∂u∂i ∂u
, N (p)i
j
P2
k
Wp (Xi ) =
k=1 wi (u) Xk ,
wobei wik (u) in der k-ten Zeile und i-ten Spalte der der Matrix w(u) steht. Die Weingartenabbildung Wp wird vollständig durch die Matrix wik beschrieben. Analog beschreibt die
symmetrische Matrix h(u) vollständig die zweite Fundamentalform IIp und die symmetrische
Matrix g(u) beschreibt vollständig die erste Fundamentalform. Die Matrix w(u) ist im Allgemeinen nicht symmetrisch. Es soll nun die Matrix w(u) durch die Matrizen g(u) und h(u)
ausgedrückt werden.
Lemma 1.45. Es gilt w(u) = g(u)−1 · h(u) bzw ausführlich geschrieben
wji (u)
=
2
X
g ik (u) · hkj (u) ,
k=1
kj
wobei (g ) die zu (gij ) inverse Matrix bezeichnet.
Beweis.
hij (u) = Ip (Wp (Xi ), Xj ) =
2
X
Ip (wik (u)Xk , Xj ) =
k=1
2
X
2
X
wik (u)gkj (u) =
k=1
k=1
−1
−1
Das beweist h(u) = g(u)w(u) und somit w(u) = g(u) h(u) und mit g(u)
die zu beweisende Gleichung.
Bemerkung 1.46. Für eine beliebige invertierbare 2 × 2-Matrix gilt
−1
1
a b
d −b
=
a b
−c a
c d
det
c
d
Insbesondere gilt
g(u)
d.h.
−1
1
=
det g(u)
g22 (u) −g12 (u)
−g21 (u) g11 (u)
gkj (u)wik (u) .
= (g ij (u)) folgt
2. KRÜMMUNG VON FLÄCHEN
g 11 (u) =
g22 (u)
,
det g(u)
g 12 (u) = g 21 (u) = −
67
g12 (u)
g11 (u)
, g 22 (u) =
.
det g(u)
det g(u)
2. Krümmung von Flächen
2.1. Normal-Krümmung und geodätische Krümmung. Sei S ⊂ R3 eine reguläre,
orientierte Fläche mit glattem Einheitsnormalenfeld N : S → S 2 und sei c : (−ε, ε) →
S eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve auf S. Dann ist ċ(t) ein Tangentialvektor
(der Länge 1) und daher ċ(t) ⊥ N (c(t)). Sei p(t) = N (c(t)) × ċ(t). So erhält man eine
Orthonormal-Basis ċ(t), p(t), N (c(t)) von R3 . Außerdem ist ċ(t), p(t) eine Orthonormal-Basis
von Tc(t) S = N (c(t))⊥ , denn ċ(t) und p(t) sind senkrecht zu N (c(t)). Den Vektor c̈(t) kann
man als Linearkombination der Vektoren ċ(t), p(t), N (c(t)) schreiben. Da kċ(t)k = 1 gilt
c̈(t) ⊥ ċ(t) und c̈(t) ist daher nur eine Linearkombination der Vektoren p(t) und N (c(t)). Die
entsprechenden Koefizienten bezeichnet man mit κgeo (t) und κnor (t):
c̈(t) = κgeo (t) p(t) + κnor (t) N (c(t)) .
Definition 2.1. Die Funktionen κgeo (t) bzw. κnor (t) heißen geodätische Krümmung bzw.
Normalkrümmung von c.
Aus der Zerlegung von c̈(t) folgt offensichtlich
κgeo (t) = hc̈(t), p(t)i,
κnor (t) = hc̈(t), N (c(t))i .
Die Norm des Vektors c̈(t) ist genau die Krümmung κ(t) von c als Raumkurve, d.h.
q
κ(t) = kc̈(t)k =
κgeo (t)2 + κnor (t)2 .
Insbesondere gilt κ2nor ≤ κ2 mit Gleichheit genau dann, wenn κgeo = 0.
Sei κ(t) 6= 0, dann ist der Normalenvektor n(t) von c definiert durch c̈(t) = κ(t)n(t). Da
n(t) senkrecht ist zu ċ(t), liegt n(t) in der von p(t) und N (c(t)) aufgespannten Normalenebene
α von c. Sei θ der Winkel zwischen n(t) und N (c(t)), dann ist n(t) = sin θ p(t) + cos θ N (c(t))
und damit c̈(t) = κ(t) sin θ p(t) + κ(t) cos θ N (c(t)) Es folgt
κnor (t) = κ(t) cos θ
und
κgeo (t) = κ(t) sin θ .
Insbesondere gilt |κnor (t)| ≤ κ(t).
Satz 2.2 (Meusnier). Sei S ⊂ R3 eine orientierte reguläre Fläche mit Einheitsnormalenfeld N und zweiter Fundamentalform II. Sei p ∈ S und c : (−ε, ε) → S nach Bogenlänge
parametrisiert mit c(0) = p. Dann gilt für die Normalenkrümmung
κnor (0) = IIp (ċ(0), ċ(0)) .
Insbesondere hängt die Normalkrümmung hängt nur von S, p und ċ(0) ab.
68
2. FLÄCHENTHEORIE
Beweis. Es gilt ċ(t) ∈ Tc(t) S = N (c(t))⊥ . Damit folgt für alle t ∈ (−ε, ε) die Gleichung
hN (c(t)), ċ(t)i = 0. Leitet man diese Gleichung nach t ab, so erhält man
0 = d hN (c(t)), ċ(t)i
dt t=0
= hdp N (ċ(0)), ċ(0)i + hN (p), c̈(0)i
= h− Wp (ċ(0)), ċ(0)i + κnor
Also
κnor = hWp (ċ(0)), ċ(0)i = IIp (ċ(0), ċ(0)) .
Der Satz von Meusnier zeigt die Korrektheit der folgenden Definition, die die Definition
der Normalkrümmung etwas modifiziert.
Definition 2.3. Sei p ∈ S und X ∈ Tp S ein Einheitsvektor. Weiter sei c : (−ε, ε) → S
eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve mit c(0) = p und ċ(0) = X. Die Normalenkrümmung von S in p in Richtung X ist definiert als
κnor,X = κnor (0) ,
wobei κnor (0) die Normalenkrümmung von c ist. Falls X 6= 0 kein Einheitsvektor ist, so
definiert man
κnor,X = κnor, X .
kXk
Bemerkung 2.4.
(1) Aus dem Satz von Meusnier folgt κnor,X = IIp (X, X) falls kXk = 1. Für ein beliebiges
X ∈ Tp S, X 6= 0 gilt dann
κnor,X = κnor,
X
kXk
= IIp (
X
X
IIp (X, X)
IIp (X, X)
,
) =
=
.
2
kXk kXk
kXk
Ip (X, X)
(2) Im Unterschied zur Normalkrümmung hängt die
p geodätische Krümmung auch von
der Kurve c ab. Denn sonst würde aus κ(t) = κgeo (t)2 + κnor (t)2 folgen, dass κ(t)
nur von ċ(t) abhängt, was nicht der Fall ist.
(3) Ein Orientierungswechsel von c ändert die Normalkrümmung nicht. Denn
IIp (−ċ(t), −ċ(t)) = IIp (ċ(t), ċ(t))
(4) Ein Orientierungswechsel von S ändert das Vorzeichen der Normalkrümmung. Denn
hc̈(t), −N (c(t))i = − hc̈(t), N (c(t))i .
2. KRÜMMUNG VON FLÄCHEN
69
(5) Sei p ∈ S und X ∈ Tp S, X 6= 0. Sei α die durch X definierte Normalenebene von
S in p, die Ebene durch p, die durch die Vektoren N (p) und X eindeutig bestimmt
ist. Dann ist κnor,X die Krümmung in p der Kurve S ∩ α. Durchschnitte von S mit
Normalenebenen nennt man Normalschnitte von S.
Beweis. Aus dem Satz über implizite Funktionen folgt, dass der Normalenschnitt S ∩ α in einer kleinen Umgebung von p eine reguläre Kurve mit Tangentialvektor in p proportional zu X ist. Sei t 7→ c(t) eine reguläre Parametrisierung
nach Bogenlänge von S ∩ α mit c(0) = p. Dann ist c eine ebene Kurve, sie liegt ganz
in der Ebene α und somit liegt auch c̈ in α. Insbesondere ist c̈(0) eine Linearkombination von X und N (p) = N (c(0)). Da c nach Bogenlänge parametrisiert ist, folgt
c̈(0) ⊥ ċ(0). Folglich ist c̈(0) proportional zu N (c(0)), d.h.
c̈(0) = hc̈(0), N (c(0))i N (c(0)) = κnor (0) N (c(0)) .
Somit erhält man
κ(0) = kc̈(0)k = |κnor (0)| = |κnor,X | ,
Damit ist (modulo Vorzeichen) die Normalenkrümmung in Richtung X genau die
Krümmung der Kurve c = S ∩ α.
Beispiel 2.5. Sei S ⊂ R3 der Zylinder S = {(x, y, z) ∈ R3 | x2 + y 2 = 1 }. Ein Einheitsnormalenfeld in (x0 , y0 , z0 ) ∈ S ist gegeben durch N = (x0 , y0 , 0). Die Durchschnitte von S
mit ”horizontalen”Normalenebenen (parallel zur x, y-Ebene) sind Kreise vom Radius 1 und
Krümmung 1. Deswegen ist der Betrag der Normalenkrümmung in ”horizontalen”Richtungen
1. Die Durchschnitte von S mit ”vertikalen”Normalenebenen (senkrecht zur x, y-Ebene) sind
Geraden mit der Krümmung 0. Somit ist die Normalenkrümmung von S in vertikalen Richtungen 0. Die Durchschnitte von S mit schrägen Normalenrichtungen sind Ellipsen, deren
Krümmung zwischon 0 und 1 liegen. Die Normalenkrümmungen des Zylinders S liegen damit
zwischen 0 und 1.
2.2. Hauptkrümmungen. Die Weingarten-Abbildung Wp : Tp S → Tp S ist selbstadjungiert bzgl. der ersten Fundamentalform. Deswegen hat sie zwei reelle Eigenwerte κ1
und κ2 und es existiert eine Orthonormalbasis X1 , X2 aus Eigenvektoren:
Wp (Xi ) = κi Xi
i = 1, 2 .
Definition 2.6. Sei S eine orientierte reguläre Fläche und sei p ∈ S. Die Eigenwerte
κ1 und κ2 der Weingarten-Abbildung Wp heißen Hauptkrümmungen von S im Punkt p. Die
zugehörigen Eigenvektoren heißen Hauptkrümmungsrichtungen.
Konvention:
κ1 ≤ κ2 .
70
2. FLÄCHENTHEORIE
Satz 2.7 (Euler-Formel). Sei X ∈ Tp S ein Tangentialvektor der Länge eins und sei ϕ
der Winkel zwischen X1 und X2 , so dass X = cos ϕ X1 + sin ϕ X2 . Dann gilt
κnor,X = cos2 ϕ κ1 + sin2 ϕ κ2 .
Beweis. Aus dem Satz von Meusnier folgt
κnor,X = IIp (X, X) = hWp (X), Xi = hWp (cos ϕ X1 + sin ϕ X2 ), cos ϕ X1 + sin ϕ X2 i
= cos2 ϕ κ1 |X1 |2 + cos ϕ sin ϕ(κ1 hX1 , X2 i + κ2 hX2 , X1 i) + sin2 ϕ κ2 |X2 |2
Da X1 , X2 als Orthonormalbasis in Tp S bzgl. Ip = h·, ·i gewählt wurde folgt
κnor,X = cos2 ϕ κ1 + sin2 ϕ κ2 ,
und damit die zu beweisende Euler-Formel.
Folgerung 2.8. Die Hauptkrümmungen κ1 und κ2 sind Minimum bzw Maximum der
Normalkrümmungen von S in p.
Beweis. Sei X = cos ϕ X1 + sin ϕ X2 ∈ Tp S. Dann folgt aus der Euler-Formel
κnor,X = cos2 ϕ κ1 + sin2 ϕ κ2
≥
cos2 ϕ κ1 + sin2 ϕ κ1 = κ1 = κnor,X1
κnor,X = cos2 ϕ κ1 + sin2 ϕ κ2
≤
cos2 ϕ κ2 + sin2 ϕ κ2 = κ2 = κnor,X2
Beispiel 2.9.
(1) Die x, y-Ebene. Hier ist Wp = 0 daher gilt κ1 = κ2 = 0.
(2) Die Sphäre S 2 sei durch die äußere Normale orientiert. Dann ist Wp = −id also gilt
κ1 = κ2 = −1.
(3) Der Zylinder S = {(x, y, z) ∈ R3 |x2 + y 2 = 1} orientiert durch die äußere Normale
N (x, y, z) := (x, y, 0). Die Matrix der Weingarten-Abbildung W
der Basis
p bzgl. 0
0
X1 = (0, 0, 1) und X2 = (−y, x, 0) war berechnet worden als
. Damit
0 −1
folgt κ1 = −1 und κ2 = 0. Dieses Ergebnis folgt (modulo Vorzeichen) aus Folgerung
2.8 und der Berechnung von Normalenkrümmung durch Normalenschnitte.
Definition 2.10. Sei S ⊂ R3 eine orientierte reguläre Fläche. Eine Kurve c : I → S heißt
Krümmungslinie, falls ihr Tangentialvektor in jedem Punkt eine Hauptkrümmungsrichtung
ist (oder, äquivalent, falls ihre Normalkrümmung in jedem Punkt eine Hauptkrümmung ist).
2. KRÜMMUNG VON FLÄCHEN
71
2.3. Gauß- und mittlere Krümmung.
Definition 2.11. Sei S eine (durch ein Einheitsnormalenfeld N ) orientierte reguläre
Fläche, sei p ∈ S und seien κ1 und κ2 die Hauptkrümmungen von S in p. Dann heißen
1
1
K(p) := κ1 · κ2 = det Wp
und
H(p) := (κ1 + κ2 ) = Spur(Wp )
2
2
Gauß- bzw. mittlere Krümmung von S in p. Man nennt H := H · N das mittlere Krümmungsfeld.
Bemerkung 2.12.
(1) Die mittlere Krümmung ändert das Vorzeichen bei Orientierungswechsel der Fläche.
(2) Die Gauß-Krümmung und das mittlere Krümmungsfeld ändern sich nicht bei Orientierungswechsel der Fläche und sind daher auch für nicht orientierte Flächen definiert.
Satz 2.13. Sei S ⊂ R3 eine orientierte reguläre Fläche mit den Hauptkrümmungen κ1 , κ2 ,
der Gauß-Krümmung K und der mittlerer Krümmung H. Dann gilt
H2 − K =
1
4
(κ1 − κ2 )2 ≥ 0 ,
dabei wird die Gleichheit genau dann angenommen, wenn die Hauptkrümmungen gleich sind.
In lokalen Koordinaten lassen sich K und H folgendermaßen ausdrücken:
K =
det(hij )
det(gij )
H =
1
2
P
h11 h22 −h212
2
g11 g22 −g12
=
wii =
1
2
P
hij g ji =
1
2 det(gij )
(h11 g22 − 2h12 g12 + h22 g11 )
Mit Hilfe der verschiedenen Krümmungen lassen sich nun spezielle Punkte auf Flächen
charakterisieren. Auf deren geometrische Bedeutung wird später noch genauer eingegangen.
Definition 2.14. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche. Ein Punkt p ∈ S heißt:
(1)
elliptisch
falls K(p) > 0,
(2)
hyperbolisch
falls K(p) < 0,
(3)
parabolisch
falls K(p) = 0, aber Wp 6= 0,
(4)
Flachpunkt
falls Wp = 0, also κ1 (p) = κ2 (p) = 0.
(5)
Nabelpunkt
falls κ1 (p) = κ2 (p).
Beispiel 2.15. Sei die Fläche S als Graph einer Funktion f : R2 → R gegeben. Dann ist,
bis auf einen positiven Faktor!, (hij ) die Hesse-Matrix, also die Matrix der zweiten partiellen
Ableitungen von f . Damit gilt: der Punkt (0, 0, f (0, 0)) ist elliptisch, falls Hess(f ) positiv
oder negativ definit ist, hyperbolisch, falls Hess(f ) indefinit ist und parabolisch, falls Hess(f )
den Rang 1 hat.
72
2. FLÄCHENTHEORIE
Sei S der Graph der Funktion f : U ⊂ R2 → R. Dann hat S die globale reguläre
Parametrisierung F (x, y) = (x, y, f (x, y)). Seien fx bzw. fy die partiellen Ableitungen von f
nach x bzw. y. Als Basis im Tangentialraum an S erhält man die Vektoren X1 = (1, 0, fx )T
und X2 = (0, 1, fy )T . Ein Einheitsnormalenfeld ist offensichtlich


−fx
1
 −fy  .
N=p
1 + fx2 + fy2
1
p
Es sei h die positive Funktion h(x, y) = 1 + fx2 + fy2 . Dann gilt zum Beispiel
*
!
!+
0
−fx
∂ 2F
1
1
1 ∂ 2f
0
II(X1 , X2 ) = h
, Ni =
, −fy
= fxy =
.
∂x ∂y
h
h
h ∂x ∂y
f
1
xy
Durch ähnliche Rechnungen zeigt man insgesamt II = h1 Hess(f ) und insbesondere für Punkte
(x, y), in denen der Gradient von f verschwindet, und damit h = 1 gilt, stimmt die Hessische
von f und die zweite Fundamentalform überein. In den anderen Punkten ist der Unterschied
ein positiver Faktor. Für die Gauß-Krümmung gilt dann
det II
1
K =
= 4 det Hess(f ) .
det I
h
Beispiel 2.16 (Hyperbolisches Paraboloid auch Sattelfläche)). Die Sattelfläche ist defi2
2
2
niert als S = {(x, y, z) ∈ R3 |z = y 2 −x
}. Sie ist
also der Graph der Funktion f (x, y) = y −x .
−2 0
Die Hessische von f ist die Matrix
. Die Determinante dieser Matrix ist −4 und
0 2
die Spur ist gleich Null. Das hyperbolische Paraboloid hat also im Punkt (0, 0, 0) GaußKrümmung K = −4 und mittlere Krümmung H = 0. Alle Punkte sind damit hyperbolisch,
denn die Gauß-Krümmung ist nach der obigen Bemerkung in allen Punkten negativ, aber
nicht konstant. Die mittlere Krümmung verschwindet in allen Punkten (x, y) mit x = y oder
x = −y, d.h. die Sattelfläche ist also insbesondere keine Minimalfläche.
Bemerkung 2.17. Beispiele für Flächen konstanter negativer Gauß-Krümmung erhält
man als Rotationsflächen. Zum Beispiel in dem man die Traktrix oder Schleppkurve als
Meridiankurve nimmt (siehe [6]).
Beispiel 2.18.
(1) Die x, y-Ebene. Da Wp = 0, ist K ≡ 0, H ≡ 0, d.h. alle Punkte sind Flachpunkte
(2) Die Sphäre S 2 orientiert durch die äußere Normale. Da κ1 = κ2 = −1, ist K ≡
1, H ≡ −1 und alle Punkte sind elliptisch.
(3) Der Zylinder S = {(x, y, z)|x2 + y 2 = 1}, orientiert durch die äußere Normale N =
(x, y, 0). Da κ1 = −1, κ2 = 0, ist K ≡ 0, H ≡ − 21 und alle Punkte sind parabolisch.
2. KRÜMMUNG VON FLÄCHEN
73
Satz 2.19. Eine orientierte reguläre Fläche S ⊂ R2 besteht genau dann nur aus Nabelpunkten, man sagt S ist total umbilisch in R3 , wenn S Teil einer Ebene oder Teil einer Sphäre
ist.
Beweis. Offensichtlich bestehen reguläre Flächen in Ebenen und Sphären nur aus Nabelpunkten.
Sei nun umgekehrt S eine orientierte reguläre Fläche, die nur aus Nabelpunkten bestehe.
Die Fläche S sei orientiert durch die Gauß-Abbildung N : S → S 2 und es sei (U, F, V ) eine
lokale Parametrisierung. S besteht genau dann nur aus Nabelpunkten, wenn eine Funktion λ :
S → R existiert mit Wp = λ(p) idTp S . für alle p ∈ S. Angewandt auf die Tangentialvektoren
∂F
= Du F (ei ), i = 1, 2 ist diese Gleichung äquivalent zu
∂ui
∂F
) =
dp N ( ∂u
i
∂N F
∂ui
∂F
= − λ ∂u
.
i
Leitet man diese Gleichung nach den lokalen Koordinaten uj ab, so erhält man
∂2N F
∂ui ∂uj
∂λ
= − ∂u
j
∂F
∂ui
2
F
− λ ∂u∂i ∂u
.
j
Vertausch man die Rollen von i und j, und wendet man das Lemma von Schwarz an, so
∂λ ∂F
∂λ ∂F
∂F
folgt ∂u
= ∂u
. Die Tangentialvektoren ∂u
sind aber linear unabhängig. Es folgt, dass
j ∂ui
i ∂uj
i
alle partiellen Ableitungen der Funktion λ verschwinden, λ also konstant auf allen Zusammenhangskomponenten der Fläche ist. Im Fall λ = 0 ist die Gauß-Abbildung N : S → S 2
konstant. Die Fläche S liegt also in der Ebene N ⊥ . Im Fall λ 6= 0 ist λ1 N F + F konstant. Die
1
Fläche S liegt damit auf einer Sphäre vom Radius |λ|
.
Satz 2.20. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche, p ∈ S, (X1 , X2 ) sei eine Orthonormalbasis
von Tp S, N sei ein glattes Einheitsnormalenfeld, definiert in einer Umgebung von p und
(X1 , X2 , N (p)) sei positiv definit. Dann existiert eine lokale Parametrisierung (U, F, V ) mit:
(1) 0 ∈ U,
F (0) = p,
(2) gij (0) = δij ,
i = 1, 2
∂g
i, j, k = 1, 2
(3) ukij = 0,
(4) F (u) = p + u1 X1 + u2 X2 +
1
2
P
hij (0) ui uj N (p) + O(kuk3 )
dabei ist (gij ) die Matrix der ersten und (hij )die Matrix der zweiten Fundamentalform, weiter
ϕ(u) steht O(kuk3 ) für eine Funktion ϕ mit kuk
3 < ε.
Beweis. siehe [2]
Folgerung 2.21. Jede reguläre Fläche kann lokal als Graph über ihrer Tangentialebene
dargestellt werden.
74
2. FLÄCHENTHEORIE
Beweis. O.B.d.A. sei p = 0, X1 = e1 , X2 = e2 , N (p) = e3 . Daraus folgt aus dem letzten
Satz:
1X
F (u1 , u2 ) = (u1 , u2 ,
hij (0)ui uj ) + O(kuk3 ) .
2
Sei π : R3 → Tp S = R2 × {0} ∼
= R2 die Orthogonalprojektion. Dann folgt
π ◦ F (u1 , u2 ) = (u1 , u2 ) + O(kuk3 ) .
Die Jacobi-Matrix von π ◦ F in (0, 0) ist also die Einheitsmatrix und π ◦ F ist daher in einer
Umgebung von (0, 0) umkehrbar. Es existiert also eine Funktion ψ : Ũ ⊂ Tp S → R2 mit
(π ◦ F ) ◦ ψ = id. Es gilt also
F (ψ(v1 , v2 )) = (v1 , v2 , (F ◦ ψ)3 (v1 , v2 )) ,
d.h. S ist in einer Umgebung von p der Graph der dritten Komponentenfunktion (F ◦ψ)3 . 2.4. Geometrische Interpretation der Gauß-Krümmung. Die reguläre Fläche S
entspricht in einer Umgebung von p näherungsweise (bis auf Terme dritter Ordnung) dem
Graphen der Funktion
1 X
(u1 , u2 ) 7→
hij (0) ui uj
2 i,j
Bemerkung 2.22. Der Schnitt des Graphen mit der Ebene z = z0 ist jeweils von der
Form
{(x, y) | ax2 + bxy + cy 2 = z0 } ,
b.z.w., nach Hauptachsentransformation, von der Form
{(u, v) | αu2 + βv 2 = z0 } .
Das Vorzeichen von α und β ist bestimmt durch das Vorzeichen der Eigenwerte κ1 , κ2 von
hij (0).
1. Fall: K(p) > 0
In diesem Fall ist die Matrix (hij (0)) positiv oder negativ definit. Die Fläche S ist
näherungsweise ein Paraboloid.
2. Fall: K(p) < 0
In diesem Fall ist (hij (0)) indefinit aber nicht ausgeartet. Die Fläche S ist näherungsweise
eine Sattelfläche.
3. Fall: K(p) = 0
In diesem Fall ist p entweder ein parabolischer Punkt, z.B. κ1 = 0, κ2 6= 0. Die Fläche S
ist näherungsweise eine Zylinderfläche über einer Parabel.
Oder p ist ein Flachpunkt, d.h. κ1 = κ2 = 0. Dann stimmt die Fläche S zu dritter Ordnung
mit der Tangentialebene in p überein.
2. KRÜMMUNG VON FLÄCHEN
75
Satz 2.23. Sei S ⊂ R3 eine kompakte reguläre Fläche. Dann existiert ein Punkt p ∈ S
mit K(p) > 0. Insbesondere kann eine reguläre Fläche mit K ≤ 0 nicht kompakt sein.
Beweis. Die Fläche S ⊂ R3 ist kompakt und daher beschränkt. Es existiert also ein
R > 0 mit
S ⊂ B̄(0, R) := {x ∈ R3 |kxk ≤ R} .
Sei R0 := inf{R|S ⊂ B̄(0, R)} und es bezeichne S 2 (R0 ) die Sphäre vom Radius R0 , d.h.
S 2 (R0 ) = ∂ B̄(0, R) = {x ∈ R3 |kxk = R0 } .
Dann gilt S ∩ S 2 (R0 ) 6= ∅. Denn sonst wäre
ε := dist(S, S 2 (R0 )) := min{kx − yk|x ∈ S, y ∈ S 2 (R0 )} > 0 ,
da sowohl S als auch S 2 (R0 ) sind kompakt sind. Es folgt also S ⊂ B̄(0, R0 − ε), was ein
Widerspruch zur Definition von R0 ist.
Tp S
p
S 2 (R0 )
S
S 2 (R0 )
S 2 (R0 − ε)
S
Weiter gilt Tp S = Tp S 2 (R0 ) für ein p ∈ S ∩ S 2 (R0 ). Denn sonst wäre Tp S 6= p⊥ . Dann
existiert ein X ∈ Tp S mit hX, pi =
6 0. O.B.d.A. kann man hX, pi > 0 voraussetzen. Anderenfalls tauscht man X gegen −X. Sei nun c : (−ε, ε) → S eine Kurve in S mit c(0) = p und
ċ(0) = X. Dann gilt c(t) = p + Xt + O(t2 ). Daraus folgt kc(t)k2 = kpk2 + 2hp, Xit + O(t2 )
und damit für hinreichend kleine t
1
(kc(t)k2 − R02 ) = 2 hp, Xi + O(t) > 0 .
t
Das ist aber ein Widerspruch, da die Kurve c innerhalb der Kugel vom Radius R0 verläuft,
also kc(t)k2 ≤ R02 .
Im Punkt p gilt nun κnor,X ≥ R10 für jede Richtung X ∈ Tp S. Denn aus Tp S = Tp S 2 (R0 )
p
folgt N (p) = kpk
= Rp0 . Sei nun E die Ebene E = span{N (p), X} für irgendeinen Tangentialvektor X ∈ Tp S. Dann liegt S ∩ E in S 2 (R0 ) ∩ E, also in einem Kreis vom Radius vom Radius
R0 . Sei nun c eine Kurve im Normalenschnitt S ∩ E durch p = c(0). Also ist die Krümmung
von c genau die Normalenkrümmung: |κ(0)| = |κnor | und daher κnor,X ≥ R10 . Insbesondere
folgt, dass in p keine Normalenkrümmung verschwindet d.h. in p gilt II(X, X) 6= 0 für alle
X ∈ Tp S. Also ist die zweite Fundamentalform definit und damit K(p) > 0.
76
2. FLÄCHENTHEORIE
3. Flächeninhalt und Integration über Flächen
Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche und (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung. Sei f : S → R
eine glatte Funktion mit f |S\V ≡ 0. Die lokalen Koordinaten werden mit u = (u1 , u2 ) ∈ U ⊂ R
bezeichnet.
Definition 3.1. Eine Funktion f : S → R mit f |S\V ≡ 0 heißt integrierbar, falls die
Funktion
q
u = (u1 , u2 ) 7→ f (F (u1 , u2 )) · det(gij (u))
integrierbar ist. Dabei ist (gij ) die Matrix der 1. Fundamentalform bzgl. der lokalen Parametrisierung (U, F, V ). Der Wert des Integrals ist dann
Z
Z
q
f dA =
f (F (u1 , u2 )) det(gij (u)) du1 du2
S
U
Bemerkung 3.2.
(1) Die Matrix der 1. Fundamentalform schreibt sich als (gij (u)) = (Du F )T · Du F . Man
bezeichnet det((Du F )T · Du F ) auch als Gramsche Determinante. Sie ist ungleich
Null genau dann, wenn die Spalten von Du F linear unabhängig sind, dh. die Jacobi
Matrix Du F Rang 2 hat.
(2) Das Integral einer beliebigen Funktion auf S definiert man mit Hilfe einer Zerlegung
der Eins.
(3) Der Flächeninhalt einer regulären Fläche S berechnet sich, falls die Funktion f ≡ 1
integrierbar ist, als
Z
A[S] :=
dA .
S
Lemma 3.3. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche und seien (U, F, V ) und (Ũ , F̃ , Ṽ ) zwei lokale
3
Parametrisierungen von S. Sei f : S →
p S von
p R eine Funktion, die auf dem Komplement in
V ∩ Ṽ verschwindet. Dann ist f ◦ F det gij genau dann integrierbar, wenn f ◦ F̃ det g̃ij
integrierbar ist. In diesem Fall gilt
Z
Z
p
p
f ◦ F det gij du1 du2 =
f ◦ F̃ det g̃ij dũ1 dũ2
u
u
Beweis. Sei ϕ = F̃ −1 ◦ F die Parametertransformation. Dann gilt
(gij ) = (Du F )T Du F = (Du F̃ ◦ ϕ)T Du F̃ ◦ ϕ) = (Dϕ)T (DF̃ )T Du F̃ Du ϕ = (Dϕ)T (g̃ij )Du ϕ
Damit erhält man
q
q
q
T
det(gij ) =
det((Dϕ) (g̃ij )Du ϕ) =
det((g̃ij ◦ ϕ)) · | det Dϕ | .
4. MINIMALFLÄCHEN
77
Für das Integral folgt dann mit Hilfe der Transformationsformel die Gleichung
p
p
R
R
f ◦ F det gij du1 du2 = U f ◦ F̃ ◦ ϕ det((g̃ij ◦ ϕ)) · | det Dϕ | du1 du2
U
p
R
= Ũ f ◦ F det(g̃ij ) dũ1 dũ2
4. Minimalflächen
Minimalflächen werden dadurch motiviert, dass man versucht zu einer gegebenen Randkurve eine eingespannte Fläche mit minimaler Oberfläche zu finden. Man versucht geometrische Beziehungen abzuleiten, die solch eine Fläche erfüllen muss.
4.1. Variation des Flächeninhaltes.
Satz 4.1. Sei S eine reguläre Fläche mit endlichem Flächeninhalt. Sei H das mittlere
Krümmungsfeld und sei Φ : S → R3 ein glattes Normalenfeld auf S mit kompaktem Träger.
Dann ist für t, mit |t| hinreichend klein, die Menge St := {p + tΦ(p) | p ∈ S} eine reguläre
Fläche mit endlichem Flächeninhalt und es gilt
Z
d A[St ] = − 2 hΦ, Hi dt .
dt t=0
S
Beweis. Für den vollständigen Beweis siehe [2]. Man setzt zunächst voraus, dass der
Träger von Φ in S ∩ V liegt, wobei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung ist. Den allgemeinen
Fall zeigt man dann mit Hilfe einer Zerlegung der Eins.
Aus der Definition der Menge St erhält man unmittelbar eine Parametrisierung von St :
Ft (u1 , u2 ) = F (u1 , u2 ) + t Φ(F (u1 , u2 )) .
Man schreibt Φ als Φ = f · N , wobei N das Einheitsnormalenfeld auf S ∩ V und f : S → R
eine glatte Funktion mit supp(f ) ⊂ S ∩ N ist. Es ist also Ft = F + t (f ◦ F ) · (N ◦ F ). Das
Ableiten dieser Gleichung liefert
∂Ft
∂F
∂f ◦ F
∂N ◦ F
=
+ t·
· (N ◦ F ) + t · (f ◦ F ) ·
∂ui
∂ui
∂ui
∂ui
Diese Gleichung setzt man nun die Definition der 1. Fundamentalform bzgl. Ft ein und faßt
Terme in t2 als O(t2 ) zusammen. Dann erhält man
gt,ij =
=
t ∂Ft
h ∂F
,
i
∂ui ∂uj
gij + t ·
∂f ◦F
∂uj
∂F
∂F ∂N ◦F
h ∂u
, N ◦ F i + t (f ◦ F ) h ∂u
, ∂uj i
i
i
∂F
◦F ∂F
+ t ∂f∂u◦Fi hN ◦ F, ∂u
i + t (f ◦ F ) h ∂N
, ∂uj i + O(t2 )
∂ui
j
=
gij − 2 t (f ◦ F ) hij + O(t2 )
78
2. FLÄCHENTHEORIE
Diese Gleichung soll nun als Matrizengleichung geschrieben werden. Mit Hilfe der Beziehung
h = w · g, wobei g bzw. h die Matrix der 1. bzw. 2. Fundamentalform und w die Matrix
der Weingartenabbildung bzgl der Basis Du F (ei ), i = 1, 2 bezeichnet, schreibt sich die obige
Gleichung als
gt = (gt,ij ) = (E − 2 t (f ◦ F ) w + O(t2 )) · g
wobei E die
√ Einheitsmatrix bezeichnet. Zur Berechnung der Oberfläche von St muss man
den Term det gt berechnen. Da man nur an der Ableitung nach t interessiert ist, genügt es,
die Determinante und die Wurzel durch Näherungen zu ersetzen. Die Taylor-Entwicklung der
Determinanten Funktion liefert die Näherung
det(E + X) = 1 + tr(X) + O(kXk2 )
Hiermit und mit dem Determinanten-Multiplikationssatz findet man dann
det(gt ) = det g · det(E − 2t(f ◦ F )w + O(t2 ))
= det g · (1 + tr(−2t(f ◦ F )w + O(t2 )) + O(t2 ))
= det g · (1 − 4t(f ◦ F )H ◦ F + O(t2 ))
Die Taylor-Enwicklung liefert für die Wurzel-Funktion dann noch die Näherung
√
x
1+x = 1 +
+ O(x2 ) .
2
Damit folgt dann schliesslich die Näherung
p
p
det gt =
det g · (1 − 2t(f ◦ F )(H ◦ F ) + O(t2 ))
Eingesetzt in die Flächeninhaltsformel bedeutet das
Z
Z
2
A[St ] =
(1 − 2tf H + O(t )) dA = A[S] − 2t hΦ, Hi dA + O(t2 ) .
S
S
In der letzten Gleichung kann man die Ableitung nach t in t = 0 bilden und erhält dann die
behauptete Variationsformel.
Folgerung 4.2. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche mit kompaktem Abschluß S̄. Die Fläche
S habe minimalen Flächeninhalt unter allen regulären Flächen S̃ mit ∂S = ∂ S̃. Dann gilt für
das mittlere Krümmungsfeld
H = 0.
Beweis. Annahme H(p) 6= 0. Sei N ein Einheitsnormalenfeld in einer Umgebung von p
mit hH(p), N (p)i > 0. Aus Stetigkeitsgründen folgt dann hH, N i > 0 auf einer Umgebung V
von p.
Dann existiert eine glatte Funktion f : S → R mit kompaktem Träger supp(f ) ⊂ V, f ≥ 0
und f (p) > 0. Man definiert nun ein glattes Normalenfeld mit kompakten Träger durch
(
f (q) N (q)
q ∈S∩V
Φ(q) =
(0, 0, 0)
q ∈S\V
4. MINIMALFLÄCHEN
79
R
Offensichtlich ist ∂S = ∂St und S hH, ΦidA > 0. Da
S minimalen Flächeninhalt unter allen
d
Rregulären Flächen mit gleichem Rand hat, folgt dt t=0 A[St ] = 0 und somit der Widerspruch
hH, ΦidA = 0.
S
Definition 4.3. Eine reguläre Fläche S ⊂ R3 heißt Minimalfläche, falls für das mittlere
Krümmungsfeld H = (0, 0, 0) gilt. Ist (U, F, V ) eine reguläre Parametrisierung. Dann ist das
Flächenstück F (U ) eine Minimalfläche, falls für die mittlere Krümmung H = 0 gilt.
Bemerkung 4.4.
(1) Minimalflächen müssen nicht unbedingt den Flächeninhalt minimieren. Die Bedingung H = 0 ist nur notwendig. Man kann aber zeigen, dass Minimalflächen immer
lokal flächenminimierend sind.
(2) Eine orientierte Fläche ist Minimalfläche, falls für die mittlere Krümmung H ≡ 0
gilt.
(3) Das einfachste Beispiel für eine Minimalfläche in R3 ist eine Ebene.
Beispiel 4.5.
(1) Die Kettenfläche (oder Katenoid) ist gegeben durch die Parametrisierung:
F (u1 , u2 ) = (cosh(u1 ) cos(u2 ), cosh(u1 ) sin(u2 ), u1 )
Die Kettenfläche ist die einzige Minimalfläche, die auch eine Drehfläche ist. Sie ergibt
sich aus der Drehung Kettenlinie. Eine Kettenfläche erhält man, wenn man zwei
Drahtringe in Seifenlauge taucht und langsam von einander entfernt. Beispiele von
Kettenflächen sieht man bei den Kühltürmen von Kernkraftwerken.
(2) Die Wendelfläche (oder Helikoid) ist gegeben durch die Parametrisierung
F (u1 , u2 ) = (u1 sin(u2 ), −u1 cos(u2 ), u2 ) .
Die Wendelfläche ist eine Regelfläche.
Satz 4.6. Für jede reguläre Fläche gilt K ≤ H 2 .
Beweis. Seien κ1 , κ2 die beiden Hauptkrümmungen. Dann gilt nach Definition der
Krümmungen H = 21 (κ1 + κ2 ) und K = κ1 · κ2 . Die Ungleichung folgt damit aus
4 (H 2 − K) = (κ1 + κ2 )2 − 4 κ1 · κ2 = (κ1 − κ2 )2 ≥ 0 .
Folgerung 4.7. Für die Gauß-Krümmung von Minimalflächen gilt K ≤ 0. Insbesondere
kann es keine kompakten Minimalflächen geben.
80
2. FLÄCHENTHEORIE
Beweis. Da Minimalflächen durch H = 0 definiert sind folgt K ≤ 0. Andererseits wurde
schon gezeigt, dass auf kompakten Flächen immer ein Punkt existiert, in dem die GaußKrümmung positiv ist. Solche Punkte kann es auf Minimalflächen nicht geben.
Definition 4.8. Eine Parametrisierung F : U → R3 heißt konform (auch winkeltreu oder
isotherm), falls für die erste Fundamentalform g die Gleichung
g = λE
erfüllt ist, wobei E die Einheitsmatrix und λ : U → R eine beliebige überall positive Funktion
bezeichnet.
Bemerkung 4.9. Man kann zeigen, dass auf Minimalflächen lokal immer konforme Parametrisierungen existieren.
Lemma 4.10. Sei F : U → R3 eine konforme Parametrisierung. Dann gilt
(1)
H =
(2)
∂2F
∂u21
+
1
2λ
(h11 + h22 )
∂2F
∂u22
= 2λH N = 2λH
Beweis. Zum Beweis der ersten Gleichung benutzt man die Beziehung
1 X
1
(14)
H = tr W =
(h11 + h22 ) .
hij · g ij =
2 ij
2λ
Da F eine konforme Parametrisierung ist, gilt für die Inverse der Matrix der ersten Fundamentalform: g −1 = (g ij ) = λ1 E.
Zum Beweis der zweiten Gleichung schreibt man die Bedingungen g11 = g22 und g12 = 0,
die für eine konforme Parametrisierung erfüllt sind, ausführlich auf. Man erhält
∂F ∂F
∂F ∂F
∂F ∂F
,
=
,
und
,
= 0.
∂u1 ∂u1
∂u2 ∂u2
∂u1 ∂u2
Leitet man die linke Gleichung noch mal nach u1 ab und nutzt die rechte Gleichung, so folgt
2
2
∂ F ∂F
∂ F
∂F
∂F ∂ 2 F
,
=
,
= −
,
∂u21 ∂u1
∂u2 ∂u1 ∂u2
∂u1 ∂u22
Somit hat man gezeigt, dass
2
2
∂ F
∂ 2 F ∂F
∂ F
∂ 2 F ∂F
+
,
= 0
und analog folgt
+
,
= 0.
∂u21
∂u22 ∂u1
∂u21
∂u22 ∂u2
Somit steht die Summe der zweiten Ableitungen von F senkrecht auf den beiden Vektoren, die
den Tangentialraum aufspannen und muss daher in die Richtung des Einheitsnormalenfeldes
N zeigen. Es existiert also eine Funktion f mit:
∂ 2F
∂ 2F
+
= f ·N .
∂u21
∂u22
4. MINIMALFLÄCHEN
81
Aus der Berechnung der zweiten Fundamentalform mit Hilfe einer lokalen Parametrisierung
(siehe den Beweis des Satzes von Meusnier) und unter Berücksichtigung von Gleichung (14)
folgt
2
∂ F
∂ 2F
f = hf · N, N i =
+
, N = h11 + h22 = 2 λ H ,
∂u21
∂u22
womit dann auch die zweite Gleichung bewiesen ist.
Folgerung 4.11. Eine konforme Parametrisierung F = (F1 , F2 , F3 ) : U → R3 definiert genau dann eine Minimalfläche, wenn die drei Komponentenfunktionen Fi , i = 1, 2, 3
harmonisch sind, d.h. wenn folgende partielle Differentialgleichung für i = 1, 2, 3 erfüllt ist
∆Fi =
∂ 2F
∂ 2F
+
= 0.
∂u21
∂u22
Definition 4.12. Eine komplexe Funktion ϕ : U ⊂ C ∼
= R2 → C, ϕ(u + iv) = x(u, v) +
iy(u, v) mit u, v ∈ R und x, y reelle Funktionen auf U , heißt holomorph, wenn sie die CauchyRiemann-Differentialgleichungen erfüllt, d.h. wenn
∂x
∂y
∂x
∂y
=
und
= −
.
∂u
∂v
∂v
∂u
Satz 4.13. Sei F = (F1 , F2 , F3 ) : U → R3 ein Flächenstück in R3 . Eine glatte Abbildung
ϕ = (ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 ) : U → C3 sei definiert durch
(15)
ϕk (u + iv) =
∂Fk
(u, v)
∂u
k
− i ∂F
(u, v)
∂v
k = 1, 2, 3 .
Dann gilt:
(1) F ist genau dann konform, wenn ϕ21 + ϕ22 + ϕ23 = 0 gilt.
(2) Sei F eine konforme Parametrisierung dann gilt: F parametrisiert genau dann eine
Minimalfläche, wenn die Funktionen ϕk , k = 1, 2, 3 holomorph sind.
(3) Sind die Funktionen ϕk , k = 1, 2, 3 holomorph mit ϕ21 + ϕ22 + ϕ23 = 0 . Dann ist
F eine reguläre Parametrisierung, also RangDu F = 2, genau dann, wenn
kϕ(u)k2 := ϕ1 (u) ϕ̄1 (u) + ϕ2 (u) ϕ̄2 (u) + ϕ3 (u) ϕ̄3 (u) 6= 0 ,
d.h. die Nullstellen von ϕ sind genau die Singularitäten von F .
Beweis. Zum Beweis der ersten Aussage berechnet man
i
P h ∂Fk 2
∂Fk 2
∂Fk ∂Fk
ϕ21 + ϕ22 + ϕ23 =
−
−
2
i
·
k
∂u
∂v
∂u
∂v
∂F ∂F ∂F ∂F ∂F ∂F =
,
− ∂v , ∂v − 2 i ∂u , ∂v
∂u ∂u
=
g11 − g22 − 2 i g12
Damit gilt ϕ21 + ϕ22 + ϕ23 = 0 genau dann, wenn g11 = g22 und g12 = 0.
82
2. FLÄCHENTHEORIE
Zum Beweis der zweiten Aussage bemerkt man zunächst, dass nach Definition von ϕ die
folgenden beiden Gleichungen gelten
∂Fk
∂Fk
= Re ϕk
und
= − Im ϕk
∂u
∂v
Leitet man die linke Gleichung nach v und rechte Gleichung nach u ab, so folgt
(16)
∂ 2 Fk
∂ Re ϕk
∂ Im ϕk
=
= −
∂u ∂v
∂v
∂u
Damit ist also durch den gemachten Ansatz, also durch die Definition von ϕk , k = 1, 2, 3 die
zweite Cauchy-Riemann-Gleichung automatisch erfüllt.
Leitet man nun in (16) die linke Gleichung nach u und die rechte nach v ab, so ergibt sich
∂ 2 Fk
∂ Re ϕk
=
∂u2
∂u
und
∂ 2 Fk
∂ Im ϕk
=
−
.
∂v 2
∂v
und es folgt
∂ 2 Fk
∂ 2 Fk
∂ Re ϕk
∂ Im ϕk
+
= 0
genau dann, wenn
=
,
2
2
∂u
∂v
∂u
∂v
d.h. F parametrisiert genau dann ein Minimalfläche, wenn ϕk , k = 1, 2, 3 auch die zweite
Cauchy-Riemann-Gleichung erfüllt und somit holomorph ist.
Um schließlich die dritte Aussage zu beweisen, berechnet man zuerst die Norm von ϕ:
(17)
X
Xh
2 ∂F 2
i
∂Fk 2
∂Fk 2
+ .
, ∂F + ∂F
, ∂F = ∂F
kϕk2 =
ϕk ·ϕ̄k =
+
= ∂F
∂u
∂v
∂u ∂u
∂u ∂u
∂u
∂v
k
k
Es folgt also, dass ϕ genau dann eine Nullstelle in p hat, wenn dort ∂F
(p) = ∂F
(p) = 0 gilt.
∂u
∂v
2
2
2
Aus der Voraussetzung ϕ1 + ϕ2 + ϕ3 = 0 folgt, dass F eine konforme Parametrisierung
ist, d.h. es gilt g11 = g22 und g12 = 0. Die Matrix g = (gij ) der ersten Fundamentalform ist
also eine Diagonalmatrix. Der Rang der Jacobi-Matrix Du F ist nun genau dann maximal,
wenn die entsprechende Gramsche-Determinante nicht verschwindet, d.h. man hat
Rang Du F = 2 ⇔
⇔
det (Du F )T Du F 6= 0
⇔
det (gij (u)) = g11 · g22 =
6 0
∂F ∂F ∂F ∂F ,
· ∂v , ∂v 6= 0
∂u ∂u
⇔
kϕk =
6 0,
wobei die letzte Äquivalenz aus Gleichung (17) folgt. Damit ist der Rang von F genau dann
maximal in u, falls ϕ in u keine Nullstelle hat.
Folgerung 4.14. Sei U ⊂ C einfach-zusammenhängend, ϕk : U → C, k = 1, 2, 3 seien
holomorph mit ϕ21 + ϕ22 + ϕ23 = 0 und kϕk =
6 0. Dann ist für jedes feste z0 ∈ U die Abbildung
4. MINIMALFLÄCHEN
83
F = (F1 , F2 , F3 ) : U → R3 mit
Z
z
ϕk (ξ) dξ
Fk (z) := Re
k = 1, 2, 3
z0
ein reguläres Minimalflächenstück.
Rz
Beweis. Die Funktion Ψk := z0 ϕk (ξ) dξ ist die Stammfunktion zu ϕk , d.h. die komplexe
Ableitung von Ψk ergibt genau die Funktion ϕk . Die Funktion Ψk ist wohldefiniert, da U
einfach-zusammenhängend ist. Für die komplexe Ableitung von Ψk gilt
ϕk = Ψ0k =
1
2
k
k
( ∂Ψ
− i ∂Ψ
) =
∂u
∂v
∂Re Ψk
∂u
− i ∂Re∂vΨk =
∂Fk
∂u
k
− i ∂F
.
∂v
k
k
und Im ϕk = ∂F
, d.h. die in der
(siehe Wirtinger Kalkül). Es folgt also Re ϕk = ∂F
∂u
∂v
Folgerung definierten Funktionen Fk erfüllen die Differentialgleichungen (15) aus Satz 4.13.
4.2. Weierstraß-Darstellung von Minimalflächen. Seien A, B : U → C holomorphe
Funktionen auf U . Dann definiert man drei Funktionen
A
iA
ϕ1 :=
(1 − B 2 ),
ϕ2 :=
(1 + B 2 ),
ϕ3 := A B
2
2
Offensichtlich sind die Funktionen ϕk , für k = 1, 2, 3 holomorph und erfüllen die Bedingung
ϕ21 + ϕ22 + ϕ23 = 0.
Bemerkung 4.15. Direktes Nachrechnen liefert kϕk2 = |A|2 +2|AB|2 , d.h. die Nullstellen
von ϕ sind genau die Punkte, in denen A und AB verschwindet.
Satz 4.16. Seien A und B holomorph, so dass A und AB keine gemeinsamen Nullstellen
hat. Dann ist F = (F1 , F2 , F3 ) eine Minimalfläche, für
Z z
Fk := Re
ϕk (ξ) dξ .
z0
Bemerkung 4.17. Die Voraussetzungen des Satzes kann man etwas abschwächen und
auch meromorphe Funktionen B : U → C ∪ {∞} zulassen, für die man dann noch Zusatzbedingungen fordern muss.
Beispiel 4.18.
(1) Kettenfläche:
A(z) = −e−z ,
(2) Wendelfläche:
A(z) = − i e−z ,
(3) Enneper-Fläche:
B(z) = −ez
B(z) = − i ez
A(z) = 2, B(z) = z mit der Parametrisierung:
1
1
F (u, v) = (u − u3 + uv 2 , −v + v 3 − vu2 , u2 − v 2 ) .
3
3
84
2. FLÄCHENTHEORIE
5. Innere Geometrie und lokale Isometrien
Definition 5.1. Seien S1 , S2 ⊂ R3 reguläre Flächen. Eine glatte Abbildung f : S1 → S2
heißt lokale Isometrie, falls
hdp f (X), dp f (Y )i = hX, Y i
für alle p ∈ S1 und X, Y ∈ Tp S1 erfüllt ist.
Bemerkung 5.2.
(1) Lokale Isometrien erhalten die erste Fundamentalform, d.h. die Metrik und damit
auch Längen, Winkel und Abstände. Zum Beispiel
Z
Z
Z
˙
L[c] =
kċ(t)kdt =
kdc(t) f (ċ(t))kdt =
kf (c(t))kdt
= L[f ◦ c] .
(2) Eine lokale Isometrie ist ein lokaler Diffeomorphismus, da dp f eine umkehrbare lineare
Abbildung ist. Isometrien sind bijektive lokale Isometrien.
(3) Verküpfungen und Inverse von Isometrien sind wieder Isometrien. Die Menge der
Isometrien einer Fläche bildet eine Gruppe, die Isometriegruppe.
(4) Eine Abbildung f : S1 → S2 heißt lokal konform, falls eine Funktion λ existiert
mit hdp f (X), dp f (Y )i = λ(p)2 hX, Y i . Man kann zeigen (Existenz von isothermen
Koordinaten), dass je zwei reguläre Flächen lokal konform sind.
Definition 5.3. Größen der inneren Geometrie sind alle geometrischen Größen, die sich
unter lokalen Isometrien nicht ändern, d.h. alles, was nur von der ersten Fundamentalform
abhängt.
Ziel dieses Abschnittes ist es zu zeigen, dass die Gauß-Krümmung eine Größe der inneren
Geometrie ist, dh. es gilt für eine Isometrie f : S1 → S2 die Gleichung
KS1 (p) = KS2 (f (p))
für alle p ∈ S1 .
Beispiel 5.4. Zylinder und Ebene sind lokal isometrisch. Sei S1 = R2 ×{0} die x, y-Ebene
und S2 = S 1 × R der Zylinder. Dann ist f : S1 → S2 mit f (x, y, 0) = (cos x, sin x, y) eine
lokale Isometrie. Das sieht man so: Sei p = (x, y, 0) ∈ S1 , dann sind bilden die Standardvektoren e1 , e2 ∈ R3 eine Orthonormalbasis des Tangentialraumes Tp S1 . Die Berechnung des
Differentials dp f : Tp S1 → Tf (p) S2 ergibt
d ∂f
∂f
dp f (e1 ) =
f (p + te1 ) =
= (− sin x, cos x, 0),
dp f (e2 ) =
= (0, 0, 1) .
dt
∂x
∂y
t=0
Damit überführt dp f die Orthonormalbasis e1 , e2 von Tp S1 in die Orthonormalbasis
(− sin x, cos x, 0), (0, 0, 1) von Tf (p) S2 und ist somit eine Isometrie, d.h. f ist tatsächlich eine
lokale Isometrie.
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
85
Der Zylinder hat Gauß-Krümmung K = 0 und mittlere Krümmung H = 21 . Die Ebene
hat K = 0 und H = 0. Für die Sphäre gilt K = 1 und H = −1. Die Sphäre ist nicht lokal
isometrisch zur Ebene bzw. dem Zylinder. Außdem sieht man, dass die mittlere Krümmung
keine Größe der inneren Geometrie ist.
Im Folgenden definiert man sukzessive Größen, die nur von der ersten Fundamentalform
abhängen, bis man daraus die Gauß-Krümmung erhält.
5.1. Vektorfelder und kovariante Ableitungen.
Definition 5.5. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche. Ein Vektorfeld auf S ist eine Abbildung
v : S → R3 mit v(p) ∈ Tp S für alle p ∈ S.
Beispiel 5.6. Jede glatte Funktion f : S → R definiert ein Gradienten-Vektorfeld v =
grad(f ). Es ist bestimmt durch die Gleichung
dp f (X) = hgrad(f ), Xi
für alle Tangentialvektoren X ∈ Tp S.
Sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung um p ∈ S. Dann erhält man für jedes Vektorfeld
v auf S eine lokale Darstellung:
v(p) =
2
X
i=1
vi (p)
∂F
(u) .
∂ui
Man sagt, dass das Vektorfeld v , glatt ist, falls alle lokal definierten Koeffizientenfunktionen
vi : S ∩ V → R, i = 1, 2 glatt sind. Dabei ist vi glatt, wenn vi ◦ F : U → R glatt ist. Die
durch die Parametrisierung F definierten Tangentialvektoren schreibt man auch als
∂
∂F
:=
= Du F (ei ) ,
∂ui
∂ui
bzw. noch mit Angabe des Fußpunktes.
Definition 5.7. Sei S ⊂ R3 regulär, p ∈ S, Xp ∈ Tp S, f : S → R glatt. Die Richtungsableitung von f nach Xp ist definiert durch:
d Xp (f ) := dp f (Xp ) = hgrad(f ), Xp ) =
f (c(t)) ,
dt t=0
wobei c eine glatte Kurve ist, mit c(0) = p und ċ(0) = Xp .
Das Differential dp f ist eine 1-Form, d.h. ein Vektor im Dualraum Tp S ∗ . Das Gradientenvektorfeld grad(f )(p) und dp f sind dann bzgl. der 1.Fundamentalform zueinander dual.
86
2. FLÄCHENTHEORIE
Beispiel 5.8. Sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung um p ∈ S und sei c die Kurve
c(t) = F (u + tei ), d.h. c(0) = p und
∂F
d =
F (u + tei ) = ċ(0) ,
∂ui
dt t=0
∂F
und damit ist die Richtungsableitung nach den Tangentialvektoren ∂u
gegeben als
i
∂F
d ∂ f˜
(f ) =
(u) ,
f
(F
(u
+
te
))
=
i
∂ui
dt t=0
∂ui
mit f˜ := f ◦ F : U → R. Daraus folgt für das Gradienten-Vektorfeld
∂F
∂ f˜
∂F
=
(f ) =
.
grad(f ),
∂ui
∂ui
∂ui
P ∂F
vj ∂uj . Bildet man das
Das Gradienten-Vektorfeld von f schreibt sich lokal als grad(f ) =
∂F
Skalarprodukt mit ∂ui , so erhält man
X
vj gji (u) =
j
∂ f˜
(u)
∂ui
und nach Multiplikation mit der inversen Matrix g −1 = (g ij )
vj (p) = vj (F (u)) =
X ∂ f˜
(u) · g ij (u) ,
∂u
i
i
d.h. grad(f ) ist ein glattes Vektorfeld genau dann, wenn die Funktion f : S → R glatt ist.
Lemma 5.9. Ein Vektorfeld ist bestimmt durch seine Richtungsableitungen.
Beweis. Seien uj : S ∩ V → R, j = 1, 2 die lokalen Koordinatenfunktionen, d.h.
uj (p) = (F −1 (p))j , also die jte-Komponente von u = F −1 (p) in R2 . Dann gilt für die Richtungsableitung:
∂F
∂uj ◦ F
∂uj
(uj ) =
(f ) =
= δij .
∂ui
∂ui
∂ui
P ∂F
Schreibt man ein Vektorfeld v lokal als v =
vi ∂ui , dann bestimmen sich die Koeffizientenfunktionen vi also als vi = v(ui ).
Definition 5.10. Die Lie-Klammer (oder auch der Kommutator) zweier Vektorfelder
X, Y auf S, ist das Vektorfeld [X, Y ] definiert durch die Richtungsableitungen
[X, Y ](f ) = X(Y (f )) − Y (X(f ))
auf beliebigen Funktionen f : S → R.
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
87
P ∂F
P ∂F
, dann gilt
Lemma 5.11. Seien X und Y lokal gegeben als X =
xi ∂ui und Y = yi ∂u
i
X
∂ x̃j ∂F
∂ ỹj
[X, Y ] =
− yi
.
xi
∂ui
∂ui ∂uj
i,j
Man schreibt den Kommutator zunächst als Linearkombination [X, Y ] =
P Beweis.
∂F
vj ∂u
.
Die
Komponentenfunktionen vj bestimmen sich dann durch
j
vj =
=
=
=
[X, Y ](uj ) = X(Y (uj )) − Y (X(uj ))
X(yj ) − Y (xj )
P
P
∂F
i xi ∂ui (yj ) −
i yi
P
∂ x̃j
∂ ỹj
i (xi ∂ui − yi ∂ui )
∂F
(xj )
∂ui
wobei für eine Funktion z : S∩V → R die Funktion z̃ : U → R definiert ist durch z̃ = z◦F . Satz 5.12. Seien X, Y zwei in einer Umgebung von p ∈ S definierte, linear unabhängige
Vektorfelder. Dann gilt [X, Y ] = 0 genau dann, wenn eine lokale Parametrisierung (U, F, V )
existiert mit
∂F
∂F
X =
und
Y =
auf
V ∩S .
∂u1
∂u2
Beweis. (siehe Spivak, Teil I) Die eine Richtung des Beweises ist klar. Denn existiert eine
lokale Parametrisierung, so dass X, Y Koordinantenvektorfelder sind, dann verschwindet der
Kommutator von X und Y nach dem Lemma von Schwarz. Denn
∂F ∂F
( (f ))
∂ui ∂uj
=
∂F ∂ f˜
( )
∂ui ∂uj
=
∂ 2 f˜
∂uj ∂ui
.
Bemerkung 5.13. Die Menge aller Vektorfelder auf einer Fläche S bildet einen C ∞ (S)Vektorraum, d.h. man kann Vektorfelder addieren und mit C ∞ (S)-Funktionen multiplizieren:
(f · X)(p) := f (p) · X(p). Die Lie-Klammer definiert auf diesem Vektorraum die Struktur
einer Lie-Algebra. Denn für den Kommutator gilt
(1) Bilinearität :
[X + Y, Z] = [X, Z] + [Y, Z],
[f X, Y ] = f [X, Y ]
(2) Schiefsymmetrie:
[X, Y ] = −[Y, X]
(3) Jacobi-Identität:
[X, [Y, Z]] + [Y, [Z, X]] + [Z, [X, Y ]] = 0.
Die Bilinearität ist hier nicht trivial, da der Kommutator die Verknüpfen von Ableitungen
zweiter Ordnung ist. Ein anderes Beispiel einer Lie-Algebra ist der Vektorraum aller quadratischen Matrizen, mit der Lie-Klammer [A, B] = A · B − B · A.
88
2. FLÄCHENTHEORIE
5.2. Richtungsableitungen. Es soll nun die kovariante Ableitung, eine Art Richtungsableitung von Vektorfeldern eingeführt werden. Zunächst im Spezialfall von Vektorfeldern auf
offenen Mengen im R3 .
Sei Y ein Vektorfeld auf einer offenen Menge V ⊂ R3 , d.h. Y : V → R3 und sei Xp ein
fester Vektor in Tp R3 ∼
= R3 , p ∈ V . Dann definiert man die Richtungsableitung von Y in
Richtung Xp durch


X
(Y
)
p
1
d (18)
(DXp )Y (p) := Dp Y (Xp ) =
Y (c(t)) =  Xp (Y2 )  ,
dt t=0
Xp (Y3 )
wobei c eine glatte Kurve auf S ist mit c(0) = p, ċ(0) = Xp . Wie üblich bezeichnet Dp Y die
Jacobi-Matrix der Abbildung Y . Die Richtungsableitung DXp Y ist also die komponentenweise
Richtungsableitung nach Xp .
Bemerkung 5.14. Die Richtungsableitung (DXp )Y (p) ist eindeutig bestimmt durch die
Werte von Y entlang einer beliebigen Kurve c mit c(0) = p und ċ(0) = Xp .
Sei Y : S → R3 ein Vektorfeld auf S und sei Xp ∈ Tp S. Aufgrund der letzten Bemerkung
ist dann auch die Richtungsableitung von Y nach Xp wohldefiniert:
DXp Y = dtd t=0 Y (c(t)) = dtd t=0 (Y ◦ F ) (F −1 (c(t)))
,
= Du (Y ◦ F ) ((Du F )−1 Xp )
wobei c eine Kurve auf S ist mit c(0) = p und ċ(0) = Xp .
Beispiel 5.15. Sei (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung, Y das lokal definierte Vektorfeld
∂F
∂F
Y (q) := ∂u
(F −1 (q)) mit q ∈ S ∩ V und Xp der Tangentialvektor Xp := ∂u
(F −1 (p)). Mit
j
j
u = F −1 (p), ist Xp der Tangentialvektor an die Kurve c(t) = F (u + tei ). Es gilt
Y ◦ F (u) =
∂F
(u)
∂uj
1
= ( ∂F
,
∂uj
∂F2 ∂F3
,
)
∂uj ∂uj
.
Daher gilt
(19)
D ∂F
∂ui
∂F
∂uj
=
∂F
d
(u
dt t=0 ∂uj
+ tei ) =
∂2F
∂uj ∂ui
.
Definition 5.16. Seien X, Y Vektorfelder auf S und N ein Einheitsnormalenfeld. Dann
ist die kovariante Ableitung von Y nach X ein neues Vektorfeld auf S, definiert durch
∇X Y (p) = (DXp Y )(p) − hDXp Y, N (p)i N (p) = (DXp Y )tang .
Lemma 5.17. Seien X, Y Vektorfelder auf S und N ein Einheitsnormalenfeld. Dann gilt
DX Y = ∇X Y + II(X, Y ) N .
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
89
Beweis. Offensichtlich gelten folgende Formeln:
− W (X) = dp N (X) = dtd t=0 N (c(t)) = DXp N ,
0 =
Xp hY, N i = hDXp Y, N i + hY, DXp N i .
Damit kann man den Normalenanteil der Richtungsableitung DXp Y berechnen. Es gilt
hDXp Y, N i = − hY, DXp N i = − hY, dp N (X)i = hY, Wp (X)i = II(X, Y ) .
5.3. Rechenregeln für die kovariante Ableitung.
(1) ∇X Y ist linear in X und Y , d.h. es gilt
∇A+B Y = ∇A Y + ∇B Y,
∇X (A + B) = ∇X A + ∇X B
(2) ∇X Y ist C ∞ (S)-linear in X, d.h. für f : S → R glatt gilt
∇f ·X Y = f · ∇X Y .
(3) Es gilt die Leibniz- bzw. Produktregel in Y , d.h.
∇X (f · Y ) = X(f ) · Y + f · ∇X Y .
(4) ∇ ist metrisch, d.h.
X(hY, Zi) = h∇X Y, Zi + hY, ∇X Zi .
(5) ∇ ist torsionsfrei, d.h.
∇X Y − ∇Y X − [X, Y ] = 0 .
Bemerkung 5.18.
(1) Sei M eine Fläche, oder allgemeiner eine Mannigfaltigkeit, und bezeichne χ(M ) den
C ∞ (M )-Vektorraum aller Vektorfelder auf M . Dann nennt man eine Abbidlung
∇ : χ(M ) × χ(M ) → χ(M ),
(X, Y ) 7→ ∇X Y ,
mit den Eigenschaften (1), (2) und (3) kovariante Ableitung (auch Zusammenhang).
Ein weiteres Beispiel ist die Richtungsableitung D auf χ(R3 ).
(2) Eine Metrik auf M ist eine glatte Abbildung p 7→ gp , für die gp in jedem p ∈ M ein
euklidisches Skalarprodukt auf Tp M definiert.
90
2. FLÄCHENTHEORIE
(3) Auf M sei eine Metrik g fixiert. Eine kovariante Ableitung ∇ mit den zusätzlichen
Eigenschaften (4) und (5) ist durch die Metrik eindeutig bestimmt. Man nennt sie
den Levi-Civita Zusammenhang von g.
(4) Die Richtungsableitung D für Vektorfelder auf offenen Mengen in Rn (definiert in
Gleichung (20)) ist der Levi-Civita-Zusammenhang der euklidischen Metrik auf R3 .
Die Eindeutigkeit des Levi-Civita-Zusammenhangs wird bewiesen durch die sogenannte
Koszul -Formel
Lemma 5.19. Sei ∇ eine metrische und torsionsfreie kovariante Ableitung. Dann gilt für
beliebige Vektorfelder X, Y, Z:
2 g(∇X Y, Z) =
X(g(Y, Z)) + Y (g(Z, X)) − Z(g(X, Y ))
−
g(X, [Y, Z]) + g(Y, [Z, X]) + g(Z, [X, Y ]) .
Beweis. Für eine metrischen kovariante ∇ gilt:
X(g(Y, Z)) =
g(∇X Y, Z) + g(Y, ∇X Z)
Y (g(Z, X)) =
g(∇Y Z, X) + g(Z, ∇Y X)
Z(g(X, Y )) =
g(∇Z X, Y ) + g(X, ∇Z Y ).
Ist ∇ weiterhin torsionsfrei, so ergibt sich
X(g(Y, Z))
+
Y (g(Z, X)) − Z(g(X, Y ))
= g(∇Y Z − ∇Z Y, X) + g(∇X Z − ∇Z X, Y ) + g(∇X Y + ∇Y X, Z)
= g([Y, Z], X) + g([X, Z], Y ) + g([Y, X] + 2 ∇X Y, Z)
Es verbleibt zu zeigen, dass durch die rechte Seite der Gleichung in Lemma 5.19 tatsächlich
eine metrische, torsionsfreie kovariante Ableitung bestimmt wird.
Die Koszul-Formel zeigt, dass die kovariante Ableitung, die in Definition 5.16 eingeführt
wurde, also der Levi-Civita der Fläche S bzgl. der vom euklidischen Skalarprodukt auf R3
induzierten Metrik, nur von der Metrik, also der ersten Fundamentalform abhängt. Diese
kovariante Ableitung ist damit eine Größe der inneren Geometrie.
Diese Behauptung läßt sich auch explizit durch Rechnungen in lokalen Koordinaten beweisen. Die kovariante Ableitung ist lokal durch die Christoffel-Symbole bestimmt.
Definition 5.20. Die Christoffel-Symbole Γkij : U → R sind definiert durch die Gleichung
X
∂F
∂F
∇ ∂F ∂u
=
Γkij ∂u
.
j
k
∂ui
k
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
Bemerkung 5.21. Aus Lemma 5.17 für X =
∂2F
∂ui ∂uj
= Γ1ij
∂F
∂u1
∂F
,
∂ui
+ Γ2ij
Y =
∂F
∂u2
∂F
∂uj
91
und Gleichung (19) folgt
+ hij N .
Bemerkung 5.22. Wie man leicht sieht, ist die Torsionsfreiheit von ∇ äquivalent zur
Symmetrie der Christoffel-Sybole Γkij in i, j, d.h. zu Γkij = Γkji .
Eine lokale Rechnung zeigt, dass die Christoffel-Symbole eindeutig durch die erste Fundamentalform bestimmt sind, also Größen der inneren Geometrie sind. Sie lassen sich durch
eine explizite Formel aus der Metrik g = (gij ) und ihrer Inversen g −1 = (g ij ) bestimmen.
Lemma 5.23.
Γkij
1 X ∂gjm
=
+
∂ui
2 m
∂gij
∂um
∂gim
∂uj
−
2
∂F
i
∂um
g mk
Beweis.
∂gjm
∂ui
=
∂
∂ui
=
P
P
∂F
∂F
∂F
h k Γkij ∂u
i + h ∂u
, k Γkij
, ∂u
m
j
k
P k
k
k (Γij gkm + Γim gkj )
=
∂F
h ∂u
,
j
∂F
i
∂um
F
,
= h ∂u∂i ∂u
j
∂F
,
+ h ∂u
j
∂2F
i
∂ui ∂um
∂F
i
∂uk
Analog führt man diese Rechnung für gim und gij aus. Summation und Auflösen der erhaltenen
Gleichung nach Γkij liefert dann die gewünschte Formel.
Folgerung 5.24. Die kovariante Ableitung ∇ hängt nur von der ersten Fundamentalform
ab. Ist also eine Größe der inneren Geometrie.
Beweis. Man zeigt, dass ∇ vollständig durch
P die∂FChristoffel-Symbole
P ∂F bestimmt ist. Seien
zwei Vektorfelder X, Y lokal gegeben als X = xi ∂ui und Y =
yi ∂ui . Dann folgt aus den
Eigenschaften (1) - (5)
P
∂F
∇X Y =
i,j xi ∇ ∂F (yj ∂uj )
∂ui
P
∂ ỹj ∂F
∂F
=
i,j (xi ∂ui ∂uj + xi yj ∇ ∂F ∂uj )
∂ui
P
P
∂ ỹk
∂F
k
=
j yj Γij ) ∂uk
i,k xi ( ∂ui +
Definition 5.25. Der Riemannsche Krümmungstensor ist definiert durch
R(X, Y ) Z = ∇X ∇Y Z − ∇Y ∇X Z − ∇[X,Y ] Z
für beliebige Vektorfelder X, Y, Z ∈ χ(S).
92
2. FLÄCHENTHEORIE
Bemerkung 5.26. Der Krümmungstensor R ist ein sogenannter (3,1)-Tensor, d.h. R ist
C ∞ (S)-linear in allen Einträgen:
R(f1 X, f2 Y ) f3 Z = f1 f2 f3 R(X, Y ) Z
für beliebige glatte Funktionen f1 , f2 , f3 : S → R. Diese Eigenschaft folgt durch direktes
Nachrechnen unmittelbar aus der Definition. Man kann zeigen, dass daraus auch folgt, dass
R(X, Y )Z im Punkt p nur von den Werten der Vektorfelder X, Y, Z im Punkt p abhängt und
nicht von deren Verhalten auf einer Umgebung von p. Daraus folgt, dass der Riemannsche
Krümmungstensor eine multi-lineare Abbildung R : Tp S × Tp S × Tp S → Tp S definiert.
5.4. Die Gleichungen von Gaußund Codazzi-Mainardi.
Satz 5.27. Sei S ⊂ R3 eine orientierte reguläre Fläche. Dann gilt für beliebige Vektorfelder X, Y, Z auf S:
(1) Gauß-Gleichung:
R(X, Y )Z = II(Y, Z) W (X) − II(X, Z) W (Y ) .
(2) Codazzi-Mainardi-Gleichung
∇X (W (Y )) − ∇Y (W (X)) − W ([X, Y ]) = 0 .
Beweis. Als erstes zeigt man, dass die Krümmung der in Gleichung (20) definierte Richtungsableitung (X, Y ) 7→ DX Y für Vektorfelder auf R3 verschwindet, d.h. es gilt
RD (X, Y )Z := DX DY Z − DY DX Z − D[X,Y ] Z = 0 .
(20)
Man sagt, dass D ein flacher Zusammenhang ist. Da RD (X, Y )Z in allen drei Einträgen
∂F
C ∞ (S)-linear ist, genügt es die Gleichung für die Koordinatenvektorfelder ∂u
zu zeigen. Wie
i
schon gezeigt, verschwindet der Kommutator dieser Vektorfelder und es gilt
D ∂F D ∂F
∂ui
∂uj
∂F
∂uk
− D ∂F D ∂F
∂uj
∂ui
∂F
∂uk
=
∂3F
∂ui ∂uj ∂uk
−
∂3F
∂uj ∂ui ∂uk
= 0.
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
93
Nach Definition der kovarianten Ableitung ∇ ersetzt man in (20) nun zuerst DY Z durch
∇Y Z + hW (Y ), ZiN und benutzt weiter die Beziehung DX N = −W (X). Dann folgt aus (20)
0 =
DX (∇Y Z + hW (Y ), ZiN ) − DY (∇X Z + hW (X), ZiN )
− ∇[X,Y ] Z − hW ([X, Y ]), Zi
=
∇X ∇Y Z + hW (X), ∇Y ZiN + DX (hW (Y ), ZiN )
− ∇Y ∇X Z − hW (Y ), ∇X ZiN − DY (hW (X), ZiN )
− ∇[X,Y ] Z − hW ([X, Y ]), Zi
=
RXY Z + hW (X), ∇Y ZiN + X(hW (Y ), Zi)N − hW (Y ), ZiW (X)
− hW (Y ), ∇X ZiN − Y (hW (Y ), Zi)N + hW (X), ZiW (Y ) − hW ([X, Y ]), ZiN
=
RXY Z − hW (Y ), ZiW (X) + hW (X), ZiW (Y )
+ (h∇X (W (Y )), Zi − h∇Y (W (X)), Zi − hW ([X, Y ]), Zi) N
Der tangentiale Teil dieser Gleichung beweist die Gauß-Gleichung. Der normale Teil ist genau
die Codazzi-Mainarde Gleichung.
Alternativ kann man die Gauß-Gleichung auch so beweisen: Man ersetzt in der definierenden Gleichung ∇X Y = DX Y − II(X, Y )N das Vektorfeld Y durch ∇Y Z und nutzt die
Beziehung W (X) = −dN (X) = −DX N , so folgt
∇X ∇Y Z =
DX (∇Y Z) − II(X, ∇Y Z) N
=
DX DY Z − DX (II(Y, Z)N ) − II(X, DY Z) N
=
DX DY Z − g(DX (W (Y )), Z) N − g(W (Y ), DX Z) N − II(Y, Z) DX N
− II(X, DY Z) N
=
DX DY Z + g(DX DY N, Z) − g(W (Y ), DX Z) N − g(W (X), DY Z) N
+ II(Y, Z) W (X)
∇Y ∇X Z =
DY DX Z + g(DY DX N, Z) − g(W (X), DY Z) N − g(W (Y ), DX Z) N
+ II(X, Z) W (Y )
∇[X,Y ] Z =
=
0 =
D[X,Y ] Z − g(W ([X, Y ]), Z) N
D[X,Y ] Z + g(D[X,Y ] N, Z) N
DX DY N − DY DX N − D[X,Y ] N
Addiert man diese drei Gleichungen, so erhält man die behauptete Gleichung für R(X, Y )Z.
94
2. FLÄCHENTHEORIE
5.5. Theorema Egregium.
Satz 5.28. Sei S ⊂ R3 eine orientierte reguläre Fläche, p ∈ S und X, Y eine Orthonormalbasis in Tp S. Dann gilt für die Gauß-Krümmung in p:
K(p) = g(R(X, Y ) Y, X) .
Insbesondere ist die Gauß-Krümmung eine Größe der inneren Geometrie.
Beweis. Mit Hilfe der Gauß-Gleichung berechnet man:
g(R(X, Y ) Y, X) =
g(II(Y, Y ) W (X) − II(X, Y ) W (Y ), X)
=
II(Y, Y ) II(X, X) − II(X, Y ) II(Y, X)
=
det(W )
=
K,
wobei in der vorletzten Gleichung benutzt wurde, dass X, Y eine Orthonormalbasis ist. Die
det(h )
II
allgemeine Formel ist K = det
= det(gijij ) .
det I
Beispiel p
5.29. Sei S1 = {(x, y, 0)|x2 + y 2 < 1} die Kreisscheibe und S2 = {(x, y, z)|x2 +
y 2 < 1, z = 1 − x2 − y 2 } die Halbsphäre. Dann sind S1 und S2 diffeomorph, z.B. durch
(x, y, z) 7→ (x, y, 0), aber nicht lokal isometrisch, da KS1 = 0 und KS2 = 1. Das bedeutet z.B,
dass Landkarten von Teilen der Erde gewisse Längen verzerren müssen. Winkeltreue Karten
dagegen sind möglich, z.B durch die stereographische Projektion.
Bemerkung 5.30. Die Größen II und W sind nicht invariant (= bleiben erhalten) unter
lokalen Isometrien, wohl aber die spezielle Linearkombination K.
5.6. Parallelverschiebung und Geodätische.
Definition 5.31. Sei S ⊂ R3 eine reguläre Fläche und c : I → S eine Kurve auf S. Eine
Abbildung Y : I → R3 heißt Vektorfeld entlang c falls
Y (t) ∈ Tc(t) S
für alle t ∈ I gilt.
Beispiel 5.32. Das wichtigste Beispiel eines Vektorfeldes entlang c ist das Geschwindigkeitsvektorfeld Y (t) = ċ(t).
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
95
Definition 5.33. Sei c eine Kurve auf S und N ein Einheitsnormalenfeld auf S. Die
kovariante Ableitung von Y ist dann definiert durch
tang
dY (t)
∇ċ Y (t) :=
= Ẏ (t) − hẎ , N i N (t) = Ẏ (t) − II(Y, ċ) N (t) ,
dt
dabei ist Ẏ (t) =
dY (t)
dt
und N (t) := N (c(t)).
Bemerkung 5.34.
(1) Es gilt wieder hẎ , N i = −hY, Dċ N i = hY, W (ċ)i = II(Y, ċ).
(2) Sei χ(c) der C ∞ (I)-Vektorraum der Vektorfelder entlang der Kurve c : I → S. Dann
ist die kovariante Ableitung eine Abbildung ∇ċ : χ(c) → χ(c).
(3) Wie schon bemerkt, genügt es für die Definition der Richtungsableitung von Y nach
dem Vektor ċ(t), den Wert von Y entlang von c zu kennen. D.h. die Richtungsableitung von Vektorfeldern entlang von Kurven ist wohldefiniert. Hierbei ist
Dċ Y =
dY (t)
.
dt
(4) Eine andere Schreibweise für die kovariante Ableitung ist:
∇ċ Y =
∇Y
.
dt
(5) Sei S ⊂ R3 eine Ebene. Dann gilt II ≡ 0 und damit stimmt die kovariante Ableitung
mit der Richtungsableitung überein, d.h.
∇ċ Y = Dċ Y =
dY (t)
.
dt
Die kovariante Ableitung von Vektorfeldern entlang hat Eigenschaften analog zu der kovarianten Ableitung von gewöhnlichen Vektorfeldern.
Lemma 5.35. Seien X, Y, Z Vektorfelder entlang c und sei f ∈ C ∞ (I). Dann gilt
(1) ∇ċ (aY + bZ) = a∇ċ Y + b∇ċ Z,
(2) ∇ċ (f Y ) =
df
dt
für a, b ∈ R
Y + f ∇ċ Y
(3) Sei Y die Einschränkung eines Vektorfeldes Ỹ ∈ χ(S), also Y (t) = Ỹc(t) , dann gilt
(∇ċ Y )(t) = (∇c(t) Ỹ )c(t) .
(4) ċ(hX, Y i) =
d
hX, Y
dt
i = h∇ċ X, Y i + hX, ∇ċ Y i
Die kovariante Ableitung ∇ċ ist durch die Eigenschaften (1), (2) und (3) eindeutig bestimmt.
96
2. FLÄCHENTHEORIE
Beweis. Eigenschaft (1) folgt aus der Linearität der Ableitung nach t und der Bilinearität
der zweiten Fundamentalform II. Die zweite Eigenschaft folgt aus der Produktregel für die
Ableitung nach t. Zum Beweis der dritten Eigenschaft bemerkt man
d
Ẏ (t) =
Ỹ (c(t)) = ċ(Ỹ )c(t) = (Dċ Ỹ )c(t)
dt
Die Behauptung folgt dann aus der Definition der kovarianten Ableitung für gewöhnlilche
Vektorfelder. Um schließlich zu sehen, dass die kovariante Ableitung ∇ċ eindeutig durch die
ersten drei Eigenschaften bestimmt ist, schreibt man ein Vektorfeld Y ∈ χ(c) in lokalen
P
∂F Koordinaten als Y (t) =
Yi (t) ∂u
. Daraus folgt dann unter Anwendung der ersten drei
i
c(t)
Eigenschaften
∇ċ Y
=
P
k
∂F
∇ċ (Yi (t) ∂u
)
i
∂F
∂F
+ Yi (t)∇ċ ∂u
Ẏi (t) ∂u
i
i
P
P
∂F
∂F
+
= k Ẏk (t) ∂u
∂F
i,j Yi (t)ċj (t)∇ ∂u
∂ui
k
j
i
P
P h
∂F
= k Yk (t) + i,j Yi (t)ċj (t)Γki,j (t) ∂u
,
k
=
dabei ist ċ(t) =
P
ċj (t)
∂F ∂uj P
i
in lokalen Koordinaten. Genauer: sei (U, F, V ) eine lokale Parac(t)
metrisierung um c(t). Dann definiert man lokale Funktionen cj (t) := uj (c(t)) = (F −1 (c(t)))j .
∂F
Die Koeffizienten von ∂u
in der lokalen Darstellung von ċ(t) berechnen sich dann als
j
d
ċ(uj ) = dt uj (c(t)) = ċj (t). Für die Christoffel-Symbole entlang c führt man noch die Bezeichnung Γki,j (t) = Γki,j (F −1 (c(t))) ein. Somit ist die kovariante Ableitung ∇ċ eindeutig durch
die Christoffel-Symbole, also die kovariante Ableitung auf Vektorfeldern bestimmt.
Bemerkung 5.36. Umgekehrt definiert eine kovariante Ableitung auf dem Raum der
Vektorfelder entlang von Kurven in S eine kovariante Ableitung auf Vektorfeldern auf S.
Man definiert
∇Xp Y := (∇ċ Y (c))(0) ,
wobei c eine Kurve durch p ∈ S ist, mit ċ(0) = Xp und Y (c) wird betrachtet als Vektorfeld
entlang von c, definiert durch t 7→ Y (c(t)).
Beispiel 5.37.
(1) Sei c eine Kurve auf S dann gilt:
∇ċ ċ = (c̈)tang
(2) Sei S = S 2 und c : R → S 2 der Äquator, d.h. c(t) = (cos(t), sin(t), 0). Dann gilt
c̈(t) = −c(t), d.h. c̈(t) ⊥ Tc(t) S 2 . Der Vektor c̈(t) liegt also ganz in normaler Richtung
und daher folgt
∇ċ ċ = (c̈)tang = 0 .
Für die anderen Breitenkreise kann man zeigen, dass diese Gleichung nicht erfüllt
ist.
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
97
Definition 5.38. Sei Y ein Vektorfeld entlang einer Kurve c : I → S. Dann heißt Y
parallel, falls
∇ċ Y = 0 .
Beispiel 5.39. Sei S eine Ebene in R3 . Dann sind die parallelen Vektorfelder genau die
konstanten Vektorfelder.
Bemerkung 5.40. Ein Vektorfeld Y auf ganz S heißt parallel, falls ∇X Y = 0 für alle
Vektorfelder X auf S erfüllt ist.
Satz 5.41. Sei p ∈ S, Y0 ∈ Tp S und sein c : (−ε, ε) → S eine Kurve mit c(0) = p.
Dann existiert ein eindeutig bestimmtes paralleles Vektorfeld Y entlang c mit Y (0) = Y0 und
∇ċ Y (t) = 0.
Beweis. Ein Vektorfeld
von c ist gegeben durch lokale Funktionen Yi :
P Y entlang
∂F
I(−ε, ε) → R mit Y (t) =
Yj (t) ∂u
.
Wie
oben gesehen schreibt sich die kovariante Ableij
tung ∇ċ Y in lokalen Koordinaten als
X
X
∂F
[Yk (t) +
Yi (t)ċj (t)Γki,j (t)] ∂u
∇ċ Y (t) =
k
k
i,j
Damit ist das Vektorfeld Y parallel entlang c genau dann, wenn folgendes System von
gewöhnlichen Differentialgleichungen erfüllt ist
X
Ẏk (t) +
Yi (t) ċj (t) Γkij (t) = 0
für
k = 1, 2 .
i,j
Aus der Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen folgt, dass ein paralleles Vektorfeld Y
entlang c existiert und durch die Anfangsbedingung Y (t) = Y0 eindeutig bestimmt ist.
Folgerung 5.42. Ein paralleles Vektorfeld hat konstante Länge. Der Raum der parallelen
Vektorfelder ist endlich-dimensional.
Beweis. Sei Y ein paralleles Vektorfeld entlang einer Kurve c. Dann gilt
d
ċhY, Y i =
hY, Y i = 2 h∇ċ Y, Y i = 0 .
dt
Damit ist die Länge von Y konstant entlang von c.
Parallele Vektorfelder sind bestimmt durch den Wert in einem Punkt. Der Raum der
parallelen Vektorfelder ist also isomorph zum Tangentialraum in einem festen Punkt und, im
Fall von Flächen, also 2-dimensional.
Bemerkung 5.43.
(1) Die Folgerung gilt für parallele Vektorfelder auf S und für parallele Vektorfelder
entlang von Kurven in S.
98
2. FLÄCHENTHEORIE
(2) Mit Hilfe von parallelen Vektorfeldern läßt sich der Begriff der Parallelverschiebung
verallgemeinern. Die Parallelverschiebung entlang einer Kurve c ist die lineare Abbildung
τc : Tc(0) S → Tc(t) S, Y0 7→ Y (t) ,
dabei ist Y (t) das eindeutig bestimmte parallele Vektorfeld entlang c mit Y (0) = Y0 .
Die Parallelverschiebung ist eine Isometrie.
Definition 5.44. Eine nicht-konstante Kurve c heißt Geodätische, falls ċ parallel entlang
c ist, d.h. wenn
∇ċ ċ = 0 .
Folgerung 5.45. Geodätische sind proportional zur Bogenlänge parametrisiert.
Lemma 5.46. Eine Kurve c ist genau dann eine Geodätische nach Umparametrisierung,
wenn ċ und ∇ċ ċ zu einander proportional sind.
Beweis. Sei c̃(t) = c(ϕ(t)) eine Umparmetrisierung von c, die eine Geodätische ist. Dann
gilt c̃˙ = ϕ̇ · ċ und damit:
0 = ∇c̃˙ c̃˙ = ϕ̇∇ċ (ϕ̇ · ċ) = ϕ̇ · ċ(ϕ̇) ċ + ϕ̇2 ∇ċ ċ ,
d.h. ċ und ∇ċ ċ sind in jedem Punkt zueinander proportional.
Umgekehrt folgt aus der Existenz von Funktionen µ und λ mit µċ + λ∇ċ ċ = 0 die Existenz
der Umparametrisierung von c zu einer Geodätischen.
Satz 5.47. Eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve c : I → S ist genau dann eine
Geodätische, wenn die geodätische Krümmung von c verschwindet.
Beweis. Aus der Definition der kovarianten Ableitung von Vektorfeldern entlang c folgt,
dass
∇ċ ċ = 0
genau dann, wenn
Dċ ċ = c̈ = II(ċ, ċ) N ,
d.h. der Beschleunigungsvektor c̈ der Kurve c liegt ganz in der Normalenrichtung. Damit
verschwindet der tangentiale Anteil, also die geodätische Krümmung.
Bemerkung 5.48.
(1) Geodätische in Ebenen entsprechen beschleunigungsfreien Bewegungen: c̈(t) = 0.
(2) Auf Flächen verschwindet der tangentiale Anteil der Beschleunigung, d.h. Beschleunigung erfolgt nicht seitwärts, also nur in Kurvenrichtung.
(3) H. Hertz postulierte, dass kräftefreie Bewegungen in einer Fläche notwendigerweise
mit konstanter Geschwindigkeit und minimaler Krümmung erfolgen. Somit muß die
geodätische Krümmung verschwinden, da die Normalenkrümmung festgelegt ist. Dh.
die Bewegung muß auf Geodätischen erfolgen.
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
99
(4) Geodätische sind Größen der inneren Geometrie. Insbesondere überführen Isometrien
Geodätische in Geodätische.
Satz 5.49. Zu jedem p ∈ S, Y0 ∈ Tp S mit kY0 k = 1 existiert ein ε > 0 und genau eine
nach Bogenlänge parametrisierte Geodätische c : (−ε, ε) → S mit c(0) = p und ċ(0) = Y0 .
Beweis. Die Geodätengleichung ∇ċ ċ = 0 schreibt sich in lokalen Koordinaten als
X
c̈k (t) +
ċi (t) ċj (t) Γkij (F −1 (c(t))) = 0
für
k = 1, 2 .
i,j
D.h. die Geodätische c ist bestimmt durch ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen
zweiter Ordnung mit den Anfangsbedingungen c(0) = p und ċ(0) = Y0 . Hieraus folgt die
lokale Existenz und Eindeutigkeit. Im Unterschied zu den parallelen Vektorfelder entlang
einer Kurve, hat man hier ein System von Gleichungen zweiter Ordnung. Man erhält daher
nur die lokale Existenz.
Beispiel 5.50.
(1) Geodätische in Ebenen sind Geraden. Hier gilt
∇ċ ċ = Dċ ċ = c̈ = 0 .
Also ist c genau dann eine Geodätische in der Ebene, wenn c(t) = at + b, a, b ∈ R3 .
(2) Geodätische in Sphären sind genau die Großkreise. Also Schnitte von Ebenen E
durch 0 mit der Sphäre S 2 .
Zunächst sind, wie schon gezeigt, Großkreise Geodätische. Denn da Isometrien Geodätische in Geodätische überfürgen kann man o.B.d.A. annehmen, dass der
Großkreis der Äquator ist.
Sei nun c : I → S 2 eine Geodätische. Man definiert E := span{c(0), ċ(0)} und
σ(t) = cos t c(0) + sin t ċ(0). Dann ist σ eine Geodätische, denn σ ist ein Großkreis:
σ = S 2 ∩ E. Außerdem gilt σ(0) = c(0) und σ̇(0) = ċ(0). Aus der Eindeutigkeit der
Geodätischen zu gegebenen Anfangswerten folgt dann σ = c.
(3) Sei S eine Rotationsfläche parametrisiert durch
(t, ϕ) 7→ (r(t) cos ϕ, r(t) sin ϕ, t) .
Dann sind die Meridiane (d.h. die Kurven ϕ = const. ) Geodätische. Die Breitenkreise
(also die Kurven t0 = const.) sind genau dann Geodätische, wenn ṙ(t0 ) = 0 (Satz
von Clairaut).
Satz 5.51. Seien p, q ∈ S und sei c eine glatte Kurve, die p und q verbindet und die
unter allen glatten Verbindungskurven minimale Länge hat. Dann ist c bis auf eventuelle
Umparametrisierung eine Geodätische.
100
2. FLÄCHENTHEORIE
Beweis. Der Beweis beruht auf einem Variationsprinzip, ähnlich zu dem für Minimalflächen bewiesenem. Man betrachtet eine Familie von glatten Kurven cs (t) = C(t, s), die die
Punkte p und q verbindet, d.h.
c0 (t) = c(t),
cs (0) = c(0),
cs (L) = c(L) .
dabei sei die Ausgangskurve c nach Bogenlänge parametrisiert und habe die Länge L. Für
die Länge der Kurve cs gilt
Z L
kċs (t)k dt .
L[cs ] =
0
Die Variationsformel gibt nun die Ableitung nach s an. Man berechnet
q dc dc
RL d R
d
kċs (t)k dt = L d L[c
]
=
h dts , dts i dt
s
ds s=0
0 ds s=0
0 ds s=0
RL 1
∂ 2 C ∂C
=
· h ∂t
, i dt
∂s ∂t
0 kċ(t)k 12
R L ∂ 2 C ∂C
RL
=
h
, i dt = 0 h∇ċ ∂C
, ċi dt
∂s
0 ∂t ∂s ∂t
R L d ∂C
∂C
h
,
ċi
−
h
,
∇
ċi
dt
=
ċ
dt ∂s
∂s
0
L
R
− L h ∂C , ∇ċ ċi dt
= h ∂C
,
ċi
∂s
0 ∂s
0
R L ∂C
=
− 0 h ∂s , ∇ċ ċi dt .
Hat nun die Kurve c minimale Länge unter allen glatten Verbindungskurven, dann gilt
d L[cs ] = 0 .
ds s=0
Daraus folgt, wie bei den Minimalflächen, ∇ċ ċ = 0. Denn wäre ∇ċ ċ 6= 0, dann könnte man
die Kurvenfamilie C so abändern, dass das Integral auf der rechten Seite auch ungleich Null
sein muß, womit man dann einen Widerspruch erhählt.
Die Energie einer Kurve c ist definiert durch
Z
1 b
E[c] :=
kċ(t)k2 dt
2 a
Im Unterschied zur Länge einer Kurve ist die Energie nicht invariant unter Parametertransformationen.
Lemma 5.52.
L[c2 ] ≤ 2 (b − a) E[c]
Gleichheit gilt genau dann, wenn c proportional zur Bogenlänge parametrisiert ist.
5. INNERE GEOMETRIE UND LOKALE ISOMETRIEN
101
Beweis. Sei f (t) := kċ(t)k, dann folgt aus der Cauchy-Schwarz Ungleichung
Z b
2
Z b
Z b
2
2
1 dt = 2 E[c] (b − a) .
f (t) dt ·
L[c] =
f (t) · 1 dt
≤
a
a
a
Die Gleichheit gilt genau dann, wenn f und 1 linear abhängig sind, d.h. wenn c konstante
Länge hat, also proportional zur Bogenlänge parametrisiert ist.
Folgerung 5.53. Die Kurve c hat minimale Energie genau dann, wenn c minimale Länge
hat und proportional zur Bogenlänge parametrisiert ist. In diesem Fall ist c eine Geodätische.
102
2. FLÄCHENTHEORIE
6. Der Satz von Gauß-Bonnet
Ziel dieses Abschnittes ist es zu zeigen (oder wenigstens zu motivieren), dass das Integral
über die Gauß-Krümmung eine topologische Invariante ist. Die Darstellung folgt dem Buch
von W. Kühnel (siehe [6]), in dem man auch die Details nachlesen kann.
Definition 6.1. 1-Formen auf Rn sind glatte Abbildungen
p 7→ ωp ∈ (Tp Rn )∗ ∼
= Rn .
Ist X ein Vektorfeld dann ist ω(X) eine Funktion: ω(X)(p) := ω(p)(X(p)).
Beispiel 6.2.
(1) Seien X1 , X2 , X3 Vektorfelder, die in jedem Punkt p ∈ R3 eine ONB in Tp R3 ∼
= R3
3
bilden. Später seien X1 , X2 tangential an eine Fläche S ⊂ R und X3 normal an
S (wenn eingeschränkt auf S). Die drei Vektorfelder definieren drei duale 1-Formen
durch
ω i (Xj ) = δji ,
d.h. (ωi (p)) ist in p ∈ S die duale Basis zu (Xi (p)).
(2) Allgemeiner definiert jedes Vektorfeld X eine duale 1-Form ω durch
ω(X) := hX, Y i
für alle Vektorfelder Y .
(3) Das Differential einer Funktion f ist die 1-Form dual zum Gradientenvektorfeld,
definiert durch
df (X) = X(f ) = hgrad(f ), Xi .
(4) Seien jetzt X1 , X2 tangential und X3 = N normal zu S ⊂ R3 . Dann sind die Zusammenhangs 1-Formen ωji definiert durch
DY Xj =
3
X
ωji (Y ) Xi .
i=1
(Y tangential an S), d.h. also
ωji (Y ) =
ω i (DY Xj ) = ω i (∇Y Xj )
ωj3 (Y ) =
hDY Xj , X3 i = −hXj , DY X3 i = II(Xj , Y ) = hW (Y ), Xj i
für
i = 1, 2 ,
Die 1-Formen ωji sind genau genommen 1-Formen auf S. Solche Zusammenhangs
1-Formen lassen sich für beliebige Hyperflächen in Rn definieren.
Da die Richtungsableitung D ein metrischer Zusammenhang ist, gilt die Gleichung
0 = Y (hXi , Xj i) = hDY Xi , Xj i+hXi , DY Xj i und somit folgt für die Zusammenhangs
1-Formen:
ωji = − ωij
und insbesondere
ωii = 0 .
6. DER SATZ VON GAUSS-BONNET
103
In der vorliegenden Situation (d.h. im Fall von Flächen in R3 ) hat man also nur die
1-Formen
ω21 = − ω12 ,
ω13 = −ω31 ,
und
ω23 = −ω32 .
Wie die Christoffel-Symbole legen auch die Zusammenhangs-1-Formen eindeutig den Zusammenhang bzw. die kovariante Ableitung fest.
Definition 6.3. Das Kurvenintegral einer 1-Form ω über einer Kurve c : [a, b] → R3 ist
definiert als
Z
Z b
ω(ċ(t)) dt
ω :=
c
a
Definition 6.4. 2-Formen auf Rn sind glatte Abbildungen
p 7→ αp ∈ Λ2 (Tp Rn )∗
d.h. αp ist eine schiefsymmetrische Bilinearform auf Tp Rn .
Bemerkung 6.5. Allgemeiner definiert man k-Formen auf Rn als glatte Abbildungen
p 7→ αp ∈ Λk (Tp Rk )∗ .
Dabei ist Λk (Tp Rk )∗ der Vektorraum der k-fach multilinearen alternierenden
Abbildungen
n
n
n
Tp R × . . . × Tp R → R. Dieser Vektorraum hat die Dimension k .
Auf einer beliebigen Mannigfaltigkeit M , z.B. M = Rn , können k-Formen definiert werden
als C ∞ (M )-multilineare, alternierende Abbildungen χ(M ) × . . . × χ(M ) → C ∞ (M ), d.h. k
Vektorfeldern wird eine glatte Funktion zugeordnet.
Im Folgenden sollen zwei Konstruktionen beschrieben werden, die aus 1-Formen 2-Formen
erzeugen
(1) Das Dach-Produkt zweier 1-Formen α, β ist die 2-Form
(α ∧ β)(X, Y ) := α(X) β(Y ) − α(Y ) β(X) ,
definiert für beliebige Vektorfelder X, Y . Insbesondere definiert man
R die Volumen1
2
form bzw. das Flächenelement auf S als dA := ω ∧ ω . Es gilt S dA = vol(A) .
(2) Das Differential einer 1-Form α ist die 2-Form
dα(X, Y ) := X(α(Y )) − Y (α(X)) − α([X, Y ]) ,
definiert für beliebige Vektorfelder X, Y . Das Differential hat folgende Eigenschaften:
• dα(X, Y ) = −dα(Y, X), d.h. dα ist eine 2-Form
• dα ist C ∞ -linear
• dα(X, Y )p hängt nur von Xp und Yp ab.
104
2. FLÄCHENTHEORIE
• d2 f = 0, denn nach Definition des Kommutators [X, Y ] gilt:
d2 f (X, Y ) = X(df (Y )) − Y (df (X)) − df ([X, Y ]) = X(Y (f )) − Y (X(f )) − [X, Y ](f ) = 0
Für die Zusammenhangs 1-Formen ωji gilt folgende Strukturgleichung, die hier nur im Fall
von Flächen im R3 benötigt wird, aber eigentlich viel allgemeiner gilt.
Satz 6.6 (Maurer-Cartan-Strukturgleichung).
X
dωji = −
ωki ∧ ωjk
k
Insbesondere gilt im Fall von Flächen
dω21 =
− ω31 ∧ ω23
dω31 =
− ω21 ∧ ω32 ,
dω32 = − ω12 ∧ ω31
Beweis. Die Rechnung verläuft ganz analog zum Beweis der Gleichungen von Gauß und
Codazzi-Mainardi.
Definition 6.7. Sei X1 (p), X2 (p) eine ONB in Tp S für p ∈ S ⊂ R3 . Dann sind die
Krümmungs-2-Formen Ωij definiert durch
Ωij (X, Y ) = hRX,Y Xj , Xi i .
Bemerkung 6.8.
(1) Ωij ist eine 2-Form in Λ2 (Tp S)∗
(2) Im Fall von Flächen hat man nur Ω12 = −Ω21 . Da dimTp S = 2 ist hier der Raum der
2-Formen 1-dimensional. D.h. alle 2-Formen sind ein Vielfaches der Volumenform
dA := ω 1 ∧ ω 2 .
(3)
Ω12 (X1 , X2 ) = hRX1 ,X2 X2 , X1 i = K
Insbesondere gilt also
Ω12 = K ω 1 ∧ ω 2 = K dA .
Denn Kω 1 ∧ ω 2 (X1 , X2 ) = Kω(X1 )ω(X2 ) = K = Ω12 (X1 , X2 )
Auch folgende Gleichung gilt wesentlich allgemeiner, wird aber nur im Fall von Flächen
im R3 benötigt.
Satz 6.9. Für die Krümmungs-2-Formen Ωij und Zusammenhangs-1-Formen ωji gilt die
Beziehung
2
X
i
i
Ωj = dωj +
ωki ∧ ωjk .
k=1
Im Fall von Flächen entspricht das der einen Gleichung:
Ω12 = dω21
6. DER SATZ VON GAUSS-BONNET
105
Beweis. Aus der Gauß-Gleichung folgt
Ωij (X, Y ) =
hRXY Xj , Xi i
=
hW (Y ), Xj i hW (X), Xi i − hW (X), Xj i hW (Y ), Xi i
=
ωj3 (Y ) ωi3 (X) − ωj3 (X) ωi3 j(Y )
=
ωi3 ∧ ωj3 (X, Y ) = − ω3i ∧ ωj3 (X, Y )
P2
P3
i
k
i
k
k=1 ωk ∧ ωj (X, Y ) −
k=1 ωk ∧j (X, Y )
i
P2
i
k
dωj +
k=1 ωk ∧ ωj (X, Y )
=
=
Satz 6.10 (Satz von Stokes). Sei B ⊂ Rk ein Kompaktum mit glattem Rand ∂B, sei ω
eine (k − 1)-Form definiert auf einer offenen Umgebung U von B. Dann gilt
Z
Z
ω.
dω =
B
∂B
Für die erste Version des Satzes von Gauß- Bonnet betrachtet man die folgende Situation:
Sei U ⊂ R2 eine offene Menge, sei B ⊂ U diffeomorph zu einer abgeschlossenen Kreisscheibe,
sei weiter
F : U → S = F (U ) ⊂ R3
eine lokale Parametrisierung des Flächenstückes S = F (U ). Der Rand ∂B sei parametrisiert
durch γ : I = [a, b] → U . Die Kurve c := F ◦ γ : I → S sei nach Bogenlänge parametrisiert.
Entlang der Kurve c betrachtet man die ONB e1 (t), e2 (t) definiert durch
ċ(t)
ċ(t) × N (c(t))
e1 (t) :=
,
e2 (t) :=
.
kċ(t)k
ċ(t) × N (c(t))
Der Vektor e2 (t) ist dabei der Normalenvektor der Kurve c, tangential an die Fläche S, d.h.
insbesondere
Tc(t) S = span(e1 (t), e2 (t)) .
Insbesondere gilt jetzt in diesen Bezeichnungen:
κnor =
hė1 , N i = II(e1 , e1 )
κgeo =
hė1 , e2 i = h∇e1 e1 , e2 i
(Normalenkrümmung)
(geodätische Krümmung)
Bemerkung 6.11.
(1) κgeo = 0 genau dann, wenn c eine Geodätische ist.
(2) ∇e1 e1 = κgeo e2 , ∇e1 e2 = −κgeo e1 . Das kann man mit den Frenet-Gleichungen für
ebene Kurven vergleichen: ė1 = κe2 , ė2 = −κe1
106
2. FLÄCHENTHEORIE
Satz 6.12 (Satz von Gauß-Bonnet (lokale Version)). Unter den oben gemachten Voraussetzungen gilt
Z
Z
K dA +
κgeo dt = 2 π .
F (B)
c
Bemerkung 6.13. Die Integrale sind dabei definiert durch
Z
Z
Z
Z b
p
K dA =
K ◦ F det g du ∧ dv
und
κgeo dt =
κgeo (t)dt .
F (B)
B
c
a
Beispiel 6.14.
(1) RDie Kreisscheibe
vom Radius r. Hier gilt K = 0 und κgeo = 1r . Also gilt wirklich
R
KdA + κgeo dt = 2π.
(2) Die obere Halbkugel S = {(x, y, z) ∈ R3 |x2 + y 2 + z 2 = 1, z ≤ 0}. Hier gilt K = 1
und κgeo = 0, da die
R Randkurve
R der Äquator und damit eine Geodätische ist. Wieder
ist die Gleichung KdA + κgeo dt = 2π erfüllt.
Beweis. (des Satzes von Gauß-Bonnet) Sei (e1 , e2 ) die oben definierte ONB entlang c,
∂F
tangential an S. Sei weiter (X1 , X2 ) eine ONB von Vektorfeldern auf S, mit X1 = ∂u
, d.h.
1
(X1 (p), X2 (p)) ist eine ONB in Tp S. Die Basen (e1 , e2 ) und (X1 , X2 ) seien gleichorientiert
entlang c : I = [a, b] → S. Dann existiert eine stetige Funktion ϕ : I → R mit
e1 = cos ϕ X1 + sin ϕ X2 ,
und
e2 = − sin ϕ X1 + cos ϕ X2 ,
Man kann zeigen, dass der Umlaufsatz von Hopf auch auf die Kurve c anwendbar ist. Es
folgt ϕ(b) − ϕ(a) = 2π. Es gilt he1 , X1 i = cos ϕ und Ableiten liefert:
d
dϕ
he1 , X1 i = −
sin ϕ .
dt
dt
Aus dem Umlaufsatz von Hopf folgt damit
R b dϕ
Rb
dt = − a sin1 ϕ · dtd he1 , X1 i dt
2π =
a dt
Rb
= − a sin1 ϕ (h∇e1 e1 , X1 i + he1 , ∇e1 X1 i) dt
Rb
= − a sin1 ϕ (cos ϕh∇e1 e1 , e1 i − sin ϕh∇e1 e1 , e2 i + cos ϕhX1 , ∇e1 X1 i + sin ϕhX2 , ∇e1 X1 i) dt
Rb
=
(κgeo + ω21 (e1 )) dt
a
Rb
R
=
κ dt + ∂F (B) ω21
nach der Definition des Kurvenintegrals
a geo
Rb
R
=
κ dt + F (B) Ω12
da Ω12 = dω21
a geo
R
R
=
κ dt + F (B) K dA
c geo
6. DER SATZ VON GAUSS-BONNET
107
Mit Hilfe der Version des Umlaufsatzes von Hopf für stückweise glatte, einfach geschlossene
Kurven kann man eine allgemeinere lokale Variante des Satzes von Gauß-Bonnet beweisen.
Satz 6.15. Sei U ⊂ R2 offen, B ⊂ U sei homöomorph zur Kreisscheibe mit stückweise
glattem, zusammenhängendem Rand. Der Rand des Flächenstück F (B) sei nicht glatt in den
Ecken P1 , . . . , Pn und αi sei der orientierte Außenwinkel in Pi . Dann gilt
Z
Z
X
K dA +
κgeo dt +
αi = 2 π .
F (B)
∂F (B)
i
Folgerung 6.16. Der Rand von F (B) bestehe aus Geodätischen (man nennt dann F (B)
ein geodätisches n-Eck). Dann gilt
Z
X
K dA = 2 π −
αi .
F (B)
i
Beweis. Die Randkurven sind genau dann Geodätische, wenn κgeo = 0, daher verschwindet der zweite Summand.
Beispiel 6.17. Spezialfall n = 3, das geodätische Dreieck. Sei βi := π −αi der Innenwinkel
in Pi , mit 0 < βi < 2π. Dann gilt nach dem Satz von Gauß-Bonnet:
Z
K dA = 2 π − α1 − α2 − α3 = β1 + β2 + β3 − π .
F (B)
Folgerung 6.18. Für die Innenwinkelsumme in einem geodätischen Dreieck gilt


β1 + β2 + β3 < π 
K <0 
K =0
β1 + β2 + β3 = π
⇒


β1 + β2 + β3 > π
K >0
Bemerkung 6.19.
(1) Sphärische Geometrie. Hier ist K ≡ 1, dann ist die Fläche diffeomorph zur Sphäre
S 2 vom Radius 1. Für die Innenwinkelsumme eines geodätischen Dreiecks D auf S 2
gilt dann
β1 + β2 + β3 = A[D] + π .
Für den Flächeninhalt der Sphäre gilt A[S 2 ] = 4π, also liegt die Innenwinkelsumme
zwischen π und 5π. Sie wächst mit zunehmender Größe des Dreiecks.
(2) Euklidische Geometrie. Hier ist K ≡ 0 und die Fläche ist diffeomorph zu einer
Ebene. In diesem Fall ist die Innenwinkelsumme π, unabhängig von der Größe des
geodätischen Dreiecks. Geodäten sind hier Geraden in der Ebene und man bekommt
den bekannten Satz über die Innenwinkelsumme in Dreiecken.
108
2. FLÄCHENTHEORIE
(3) Hyperbolische Geometrie. Hier ist K ≡ −1. Für die Innenwinkelsumme eines
geodätischen Dreiecks D gilt
β1 + β2 + β3 = −A[D] + π .
Die Innenwinkelsumme ist immer nicht-negativ, sie liegt hier also zwischen 0 und 2π
und wird kleiner bei zunehmender Größe des Dreiecks.
(4) Gilt K ≤ 0, dann gibt es keine geodätischen 2-Ecke. In diesem Fall ist dann ein
Innenwinkel gleich π und es folgt 0 ≤ β1 + β2 ≤ 0, also β1 = β2 = 0. Anders
ausgedrückt können sich Geodätische nur einmal schneiden.
Satz 6.20 (Satz von Gauß-Bonnet, globale Version). Sei M 2 ⊂ R3 eine kompakte, orientierte Fläche ohne Rand. Dann gilt
Z
K dA = 2 π χ(M ) ,
M
wobei χ(M ) die Euler-Charakteristik von M ist.
Beweis. (Für weitere Details siehe z.B. [6]). Man kann zeigen, dass sich die Fläche M
darstellen läßt als M = ∪m
i=1 Mi , wobei Mi ein Kompaktum mit stückweise glattem Rand ist,
dass die Voraussetzungen von Satz 6.15 erfüllt. Es seien αij die Außenwinkel in den Ecken von
Mi . Weiter bestehe der Durchschnitt Mi ∩ Mj , i 6= j nur aus Randpunkten. Es sind entweder
Ecken oder Kanten. Aus Satz 6.15 folgt dann
Z
Z
X
K dA +
κgeo dt = 2 π −
αij .
Mi
∂Mi
j
Man addiert nun diese Gleichung über alle Flächenstücke Mi , dabei heben sich die Integrale
der geodätischen Krümmung auf, da jedes Integral über die Kanten im Rand von Mi zweimal
auftritt, mit unterschiedlichem Vorzeichen, da unterschiedlicher Orientierung. Man erhält
R
P
K dA = 2 π m −
i,j αij
M
P
= 2πm −
i,j (π − βij )
= 2 π ( # Flächen − # Kanten − # Ecken )
= 2 π χ(M ) .
Zur Begründung dieser Rechnung bemerkt man noch: nach Definition der Zerlegung von M ist
m die Anzahl der Flächen. Jedes Flächenstück Mi hat genau so viel Kanten wie Ecken und jede
Kante liegt in genau zwei der Mi ’s. Daher ist die Anzahl der auftretenden Paare (i, j) genau
2#Kanten, denn jede Kante wird zweimal gezählt. Die Innenwinkel βij werden bestimmt
als Winkel zwischen den Tangenten in einer Ecke an die entsprechenden Randkurven. Die
Summe aller Innenwinkel in jeder Ecke ist also 2π. In der Summe über alle βi ’s kommt
jeder Innenwinkel genau einmal vor. Die Summe ist damit gleich 2π#Ecken. Die EulerCharakteristik χ(M ) kann über die letzte Gleichung definiert werden.
6. DER SATZ VON GAUSS-BONNET
109
Bemerkung 6.21.
(1) Falls die Flächenstücke Mi diffeomorph zu Dreiecken sind, nennt man die Zerlegung
M = ∪Mi eine Triangulierung (siehe [2]). Die Existenz einer solchen Triangulierung
für kompakte Flächen kann elementar gezeigt werden (siehe [1]). Der Beweis zeigt,
dass die Euler-Charakteristik unabhängig von der Zerlegung ist.
(2) Die Sphäre S 2 hat eine Triangulierung als ”abgerundetes” Tetraeder mit 4 Ecken, 6
Kanten und 4 Flächen. Die Euler-Charakteristik ist also χ(S 2 ) = 4 − 6 + 4 = 2. Der
Satz
von Gauß-Bonnet für die Sphäre ist dann die offensichtlich richtige Gleichung
R
dA
= A[S 2 ] = 4π.
S2
(3) Der Eulersche Polyedersatz: #Flächen−#Kanten−#Ecken = 2 folgt aus χ(S 2 ) = 2.
(4) Die Euler-Charakteristik ändert sich nicht unter Homöomorphismen. Sie ist eine
so-genannte topologische Invariante. Insbesondere ist sie unabhängig von der Einbettung S ⊂ R3 und der Metrik.
6.1. Klassifikation von Flächen. Zur Information werden hier ein paar Bemerkungen
zur Klassifikationstheorie von Flächen aufgelistet. Mehr Informationen findet man z.B. in den
Büchern von Ch. Bär [2] oder M. Armstrong [1].
Satz 6.22. Seien S1 , S2 zwei zusammenhängende, kompakte orientierte, reguläre Flächen.
Dann gilt S1 und S2 sind diffeomorph genau dann, wenn sie homöomorph sind und genau
dann, wenn sie die gleich Euler-Charakteristik haben. Als mögliche Euler-Charakteristiken
erhält man die Zahlen, 2, 0, −2, −4, . . ..
Beispiel 6.23. Die Sphäre S 2 hat Euler-Charakteristik 2, der Torus 0 und die BrezelFläche -2.
Definition 6.24. Das Geschlecht g = g(S) einer Fläche S ist definiert durch die Gleichung
χ(S) = 2 − 2g(S).
Bemerkung 6.25.
(1) Das Geschlecht gibt also die Anzahl der ”Löcher” einer Fläche. Eine Fläche vom
Geschlecht g erhählt man, in dem man an die Sphäre g Henkel klebt.
(2) Die ungeraden Zahlen 1, −1, −3, . . . erhält man als Euler-Charakteristik von kompakten, nicht orientierbaren Flächen.
(3) Nach Resultaten von Thurston, und letztlich von Perelman, hat man auch eine Klassifikation von kompakten 3-dimensionalen Mannigfaltigkeiten. Man kann zeigen, dass
sich 4-dimensionale Mannigfaltigkeiten nicht klassifizieren lassen. Das hängt mit der
Nichtentscheidbarkeit des Wortproblems zusammen.
110
2. FLÄCHENTHEORIE
(4) In höheren Dimensionen, z.B. Dimension 7, hat man Beispiele von Mannigfaltigkeiten, die homöomorph aber nicht diffeomorph sind. Diese nennt man exotisch,
6.2. DeRham Kohomologie. In diesem letzten Abschnitt soll noch kurz eine andere
Möglichkeit, die Euler-Charakteristik zu definieren, erwähnt werden. Dabei wird auf Details,
z.B. analytischer Art, nicht eingegangen. Diese Definition kann man sinngemäß auf beliebige
Mannigfaltigkeiten übertragen.
Es bezeichne Ωk (M ), k = 0, 1, 2 den Raum der k-Formen auf einer orientierten, geschlossenen (kompakt und ohne Rand) Fläche M . Dann definiert das Differential d eine Abbildung
d : Ωk (M ) → Ωk+1 (M )
mit der adjungierten Abbildung
d∗ : Ωk+1 (M ) → Ωk (M ) .
Die Abbildung d∗ ist das so-genannte Kodifferential. Man kann auch eine explizite Definition
angeben. Sie ist adjungiert bzg. des L2 -Skalarproduktes auf dem Raum der Formen.
Die deRham-Kohomologie von M ist definiert als der Quotientenvektorraum
k
HdR
(M ) :=
ker(d : Ωk → Ωk+1 )
.
im(d : Ωk−1 → Ωk )
Dieser Vektorraum ist wohldefiniert, da aus d2 = 0 die Inklusion imd ⊂ ker d folgt. Dabei
0
ist HdR
(M ) genau der Raum der 0-Form bzw. Funktionen f mit df = 0. Für M zusam0
2
menhängend gilt also HdR
(M ) ∼
(M ) ∼
= R. Im Fall von orientierten Flächen gilt auch HdR
= R.
Der Satz von Hodge besagt:
H k (M ) ∼
= ker (d + d∗ )2 k = ker (d + d∗ )| k .
dR
∗ 2
Ω
∗
Ω
∗
Den Operator ∆ := (d+d ) = dd +d d nennt man Laplace-Operator. Für Funktionen stimmt
er (bis auf das Vorzeichen ) mit dem gewöhnlichen Laplace-Operator überein. Formen im Kern
von ∆ nennt man harmonisch. Der Laplace-Operator ist ein elliptischer Differential-Operator
und damit sind die deRham-Kohomologien insbesondere endlich-dimensionale Vektorräume.
Die Euler-Charakteristik kann nun auch als Wechselsumme der Dimensionen der deRhamKohomologien, den sogenannten Betti-Zahlen, definiert werden.
P2
k
k
χ(M ) =
k=0 (−1) dimHdR (M )
=
0
1
2
dimHdR
(M ) − dimHdR
(M ) + dimHdR
(M )
=
index(d + d∗ ) := dim ker (d + d∗ )|Ω0 +Ω2 − dim ker (d + d∗ )|Ω1
Der Satz von Gauß- Bonnet läßt sich damit dann auch in folgender Form schreiben
Z
1
∗
χ(M ) = index (d + d ) =
K dA .
2π M
So geschrieben ist der Satz von Gauß- Bonnet ein Spezialfall des Atiyah-Singer-Index-Satzes.
Diese Index Sätze bilden eine Familie von Sätzen, die eine Vielzahl von bemerkenswerten Anwendungen in Geometrie und Topologie, aber auch in den verschiedensten anderen Gebieten,
6. DER SATZ VON GAUSS-BONNET
111
haben. In ihnen wird der Index eines Differential-Operators, eines sogenannten verallgemeinerten Dirac-Operators (hier d + d∗ ), zum einen als topologische Invariante (hier die EulerCharakteristik) und zum anderen als Integral über einen Krümmungsterm (hier die GaußKrümmung K) realisiert.
Literaturverzeichnis
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
M. Armstrong, Basis topology
Ch. Bär, Elementare Differentialgeometrie
M. do Carmo, Differential Geometry of curves and surfaces
M. Spivak, Comprehensive introduction to differential geometry, vol. II
K. Königsberger, Analysis I
W. Kühnel, Differentialgeometrie
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