nzz_games_20070718

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B8
Neuö Zürcör Zäitung
MOBIL DIGITAL
Mittwoch, 18. Juli 2007 Nr. 164
DIGITAL IN KÜRZE
Eine rote Fahne im Wind
Einführung der Total-HD verschoben. Angesichts
Digitale Speichermedien werden teurer
der weiter herrschenden Uneinigkeit der Hollywood-Studios beim Format für hochauflösende Videos hat Warner Bros. nun die Einführung einer
doppelseitigen DVD verschoben, die Blu-Ray und
HD-DVD vereinen würde. Bis jetzt wird diese Idee
nämlich nur von zwei Studios unterstützt, neben
Warner selbst ist das noch Paramount. Damit diese
Total-HD genannte Technik Erfolg haben könne,
müssten auch die anderen Studios mitziehen und
mindestens zehn populäre Titel für dieses Format
zur Verfügung stellen, erklärte Steve Nickerson von
Warner. «Das Konzept stimmt. Aber es ist wichtiger,
es richtig umzusetzen, als es schnell umzusetzen», erklärte er zur Begründung für die Verschiebung. Die
Mehrheit der Studios setzt auf Blu-Ray, nur Universal nutzt ausschliesslich HD-DVD.
(ap)
S. B. Aus dem Nebel tauchen seltsam kostümierte
Streit um 100-Dollar-Laptop beigelegt. Intel tritt
der gemeinnützigen Vereinigung One Laptop per
Child (OLPC) bei und sieht von der Lancierung
eines eigenen billigen Laptops für Kinder von Entwicklungsländern ab. Nicolas Negroponte, OLPCGründer und Professor am Massachusetts Institute
of Technology (MIT), hatte den Prozessor-Hersteller heftig kritisiert, sein Vorhaben zu torpedieren.
Nun ist Intel im Vorstand von OLPC vertreten. Der
Billig-Laptop, der im Oktober für unter 200 Dollar
verkauft werden soll, ist mit einem Prozessor des
Intel-Konkurrenten AMD ausgerüstet.
set.
Swisscom rüstet Ogo zum Smartphone auf. Im
November 2005 lancierte Swisscom Mobile ein portables Gerät mit Tastatur und Display namens Ogo,
von dem bisher 40 000 Geräte verkauft worden sind.
Nun bringt die Mobilfunkerin einen gleichnamigen
Nachfolger auf den Markt und hofft mehr Kunden
zu gewinnen. Der neue Ogo ist nicht mehr auf Chatten und Mailen beschränkt. Er ist zugleich ein
Mobiltelefon und kann auch SMS senden. Ausserdem unterstützt das Gerät EDGE-Datenverbindungen, um Webseiten abzurufen. Als Chat-Programm
dient Microsofts MSN-Messenger. Swisscom bietet
zum Gerät zwei Preispläne zu je 25 Franken pro
Monat. Diese erlauben unlimitiertes Chatten sowie
Senden und Empfangen von Mails, allerdings ohne
Anhänge. Im Abo eingeschlossen ist der Abruf von
Web-Seiten bis zu einem Volumen von 10 MByte.
Eines der beiden Abos mit einem günstigeren SMSTarif (15 Rappen) richtet sich ausschliesslich an
Kunden unter 26 Jahren. Der neue Ogo kostet 399
Franken oder 99 Franken mit Abonnement.
set.
PD
Nachspiel
Emotionen mit Harry Potter
Wenn es um Überfiguren wie Harry Potter geht,
sind Emotionen nicht fern. Die wogen in der
Fangemeinde besonders hoch bei medialen Interpretationen ihres bebrillten Helden. Angefangen bei der globalen Vereinheitlichung des
Looks des Zauberlehrlings auf den Buchumschlägen über die Verfilmungen und natürlich
die Videospiele, die es als Einzige ermöglichen,
wie Harry zu agieren. Wiederum hat Electronic
Arts das Rennen gemacht. Jedes Jahr haut der
grösste Computerspielhersteller zum Filmstart
ein dazugehörendes Game auf sämtlichen Plattformen heraus. Das klingt nach Fliessbandarbeit, aber die Macher sind sich ihrer Verantwortung wohl bewusst. So zählte das letzte Spiel
zu den geglückteren Filmadaptionen des vergangenen Jahres. Harvey Elliott, ausführender Produzent des neuen HP-Titels, erzählte mir, dass es
mit zum Schwierigsten gehöre, emotionale Bande zwischen Spieler und Figur zu knüpfen. «In
unserem Fall liegt die Problematik aber anderweit», sagt der junge Brite, «die Leute kennen
die Charaktere. Sie kennen ihren Weg und haben
entsprechende Erwartungen.»
Diese gehen dahin, dass man sich etwas vom
Zauber Harrys in die gute Stube wünscht, doch
als Erstes schmerzlich erfahren muss, wie auch
Superhelden ums Treppensteigen nicht herumkommen. Können sich die Damen und Herren
des Raumschiffs Enterprise praktisch von A nach
B beamen, gilt es für Harry und Co. immer wieder
rotierende Stiegen und verwinkelte Gänge auf
und nieder zu spurten. Das einzige Gefühl, das
sich dann breitmacht, ist Langeweile. Da das Zauberwort der Stunde «Zugänglichkeit» heisst, habe
ich es nach den ersten enttäuschenden Erfahrungen mit der PS2-Version aber auch auf Nintendos
Wii versucht, und siehe da: Das Treppensteigen
ist zwar immer noch nicht atemberaubend, aber
zumindest kann ich nun wie Harry den Zauberstab schwingen und jage mit einem Zwick meiner
rechten Hand die Dementoren zum Teufel. Was
für ein gutes Gefühl.
Marc Bodmer
Die Activity Watch AM200 von Polar zählt Schritt und Tritt samt Höhenmetern.
PD
Das Tagebuch der Fitness
Eine Uhr misst den Kalorienverbrauch beim Wandern und Joggen
set. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
soll ermittelt haben, dass sich rund 60 Prozent der
Menschen weniger als die für die Gesundheit
nötigen 30 Minuten im Tag intensiver bewegen.
Am Bewusstsein, dass man zu wenig tut für seine
Fitness, fehlt es meistens nicht, doch der Ausreden sind viele. Die Firma Polar will mit ihrer
neuen «Aktivitätsuhr» für die Messung der körperlichen Tätigkeiten zu mehr Bewegung motivieren. Das finnische Unternehmen hat sich als
führender Hersteller von Herzfrequenz-Messgeräten für Sportler etabliert und bietet eine Produktpalette vom einfachen Pulsmesser bis zum
ausgeklügelten Computer am Handgelenk an.
Die neue Polar AW200 verfolgt ein anderes Konzept und richtet sich an die Mehrheit der Zeitgenossen, die sich keinem zielorientierten Training zur körperlichen Leistungssteigerung unterziehen, aber doch etwas für die Fitness tun wollen. Polar geht davon aus, dass sich der Mensch
eher zu einer Leistung stimulieren lässt, wenn er
für seinen sportlichen Einsatz Fakten serviert bekommt. Dies macht die Uhr über ihre Anzeige,
deren Kontrast für die Lesbarkeit grösser sein
könnte. Das Messgerät ist einfach zu bedienen
und kommt ohne Brustgurt aus, da es Bewegungen und nicht den Herzschlag misst.
Hierzu ist die AW200 mit einem Bewegungssensor ausgestattet, welcher Schritte misst und
daher für Wanderer, Nordic Walker und Jogger
geeignet ist. Er zeigt schonungslos auf, wenn man
wieder einmal das Sofa gehütet und den Bewegungsapparat geschont hat. Gegenüber einfachen
Schrittzählern – auch erste Handys sind mit einer
solchen Funktion ausgerüstet – zieht die Polar
dank einem integrierten Höhenmesser differenziertere Daten in die Berechnung mit ein. Die
Uhr, die im Stile eines Fitness-Tagebuchs zehn
verschiedene Datensätze speichern kann, erfasst
auch die Zeit und die Höhenmeter in auf- und absteigender Richtung und stellt diese in einem Diagramm dar. Die Daten werden mit Berücksichtigung von Alter, Körpergewicht und Geschlecht
mit einem Algorithmus aufgerechnet und der
Kalorienverbrauch ermittelt. Erstaunt stellt man
fest, dass auch einige wenige Kalorien beim sitzenden Arbeiten vor dem PC verbrannt werden
sollen. Für die Motivation aufschlussreicher ist
das Pixel-Männchen, das auf dem Display je nach
Anstrengung in einer von fünf unterschiedlichen
Aktivitätszonen läuft beziehungsweise beim Pausieren zum Stillstand kommt.
Die Zuverlässigkeit der ermittelten Kalorienwerte variiert um weniger als 10 Prozent vom tatsächlichen Verbrauch, wie Polar mit Hinweis auf
eine Messung der Universität von Paris verspricht. Die sportliche Uhr ist in ein Stahlgehäuse verpackt und eignet sich auch als Zeitmesser für den Alltag. Mit einem Barometer ausgerüstet, zeigt sie den Druckverlauf in Hektopascal an und wagt eine simple Wetterprognose.
Nur beschränkt nützlich ist das integrierte Thermometer, das nur dann richtig misst, wenn die
Uhr nicht am Handgelenk getragen wird. Obschon die im Fachhandel für 299 Franken erhältliche AW200 keine Schwimmzüge misst, kann sie
auch im Wasser, nicht aber zum Tauchen getragen werden.
Gestalten auf: Männer mit hohen Hüten, Pelzmänteln, schweren Stiefeln. Einige tragen Brillen,
die wie Tauchermasken das halbe Gesicht verdecken. Es sind auch Uniformen zu sehen, von
einer längst untergegangenen Armee, Soldaten
mit Federbüschen auf dem Kopf. Der Lärm von
vielen Motoren lässt die Häuser erzittern. Es ist
sehr früh am Morgen, erst nach und nach durchdringen einzelne Sonnenstrahlen den Nebel. Dutzende von sehr alten Autos haben sich entlang der
Londoner Regent Street aufgereiht. Das Gebrüll
der Motoren steigert sich, die Autos setzen sich in
Bewegung. Dieses seltsame Spektakel, das sich
jährlich Anfang November ereignet, ist das «London to Brighton Veteran Car Run». Das Rennen
wurde von begeisterten Automobilisten 1896
erstmals durchgeführt, um die Abschaffung des
«Red Flag Law» zu feiern. Das Gesetz, das auf
Druck der Kutscher und Pferdehalter eingeführt
worden war, sah vor, dass jedem motorisierten
Wagen ein Mann zu Fuss vorangehen musste, um
mit einer roten Flagge Mensch und Tier zu warnen. So wurde die Höchstgeschwindigkeit der
Autos auf Schritttempo «heruntergeregelt».
«Red Flag Laws», untaugliche Versuche, mit
juristischen Mitteln den technischen Fortschritt
aufzuhalten, gibt es nach wie vor. Im Immaterialgüterrecht etwa finden sich Bestimmungen, die
Erinnerungen an längst abgelegte Trachten und
sehr alte Automobile wachrufen. Auf dieser Basis
verfügte vergangene Woche das Bundesgericht,
dass Urheberrechtsgebühren nicht nur beim Kauf
von Leerkassetten und beschreibbaren CD und
DVD bezahlt werden müssen, sondern auch bei
der Anschaffung von gewissen Unterhaltungselektronikprodukten. MP3-Player oder mit Festplatten bestückte Videorecorder werden deshalb
ab September deutlich teurer.
Es gibt heute kaum noch ein elektronisches
Gerät, das nicht über beträchtlichen Speicherplatz
verfügt und das sich nicht auch zum Speichern von
Musik nutzen liesse. Warum aber wird nur auf
MP3-Player und Festplattenrecorder eine Gebühr
erhoben, aber nicht auf Camcorder, Handys,
Waschmaschinen, Bandroboter? Digitale Musik
ist eine Abfolge von Bytes. Warum aber muss für
ein Byte, das auf einem Flash-Speicherchip abgelegt wird, deutlich mehr bezahlt werden als für
eines, das auf einer Festplatte lagert? Im Verlauf
der letzten 10, 20 Jahre hat die Digitalisierung in
der Unterhaltungselektronik dazu geführt, dass
die konservierte Musik der Konserve entflohen
ist, das Fluidum des Elektronischen durchströmt,
bald hier einen Schattenspeicher streift, bald dort
einen Schreib-/Lesekopf erzittern lässt. Im weltumspannenden Netz der Netze ist jeder Speicher
nur ein Zwischenspeicher, jedes Musikstück ist in
beliebig vielen Kopien überall vorhanden, verschwindet wieder spurlos. Keine rote Fahne kann
diese Wolke, die das Internet ist, zerstieben und
jene Zeiten wiederbeleben, als Musikliebhaber
typischerweise vor dem Radio anzutreffen waren,
mit dem Kassettenrecorder die Radiohitparade
aufzeichnend, altmodische Kleider tragend.
Ausweitung der Spielzone – Videospielen für jedermann
Die Electronic Entertainment Expo in Los Angeles zeigt, dass Technik nur noch Mittel zum Zweck ist
mdb. An der Electronic Entertainment Expo
(E3) in Santa Monica positionieren sich die Hersteller für die wichtigste Jahreszeit: Vorweihnachten. Jeder ist der Grösste, der Wichtigste und
natürlich Erfolgreichste. Statistiken werden bis
zur Unkenntlichkeit zurechtgelegt. Allgemein
lässt sich sagen, dass das Durchschnittsalter der
Videospieler bei 33 Jahren liegt, wobei in den
USA fast ein Viertel über 50 Jahre alt sein soll.
Verantwortlich für diese Ausweitung der
Spielzone ist in erster Linie Nintendo, die mit
ihrer Konsole Wii die Hemmschwelle, ein Videospiel in Angriff zu nehmen, erheblich gesenkt hat.
Sich der treibenden Rolle bewusst, reitet sie meisterhaft auf der Welle der Casual Games. So präsentierte «Super Mario»-Erfinder Shigeru Miyamoto nicht etwa «Super Mario Galaxy», sondern
«Wii Fit», ein Fitness-Spiel für die ganze Familie.
«Wir haben die Wii als ‹Haushaltgerät› konzipiert, das für alle etwas bieten soll», sagt ein freudig strahlender Miyamoto-san. «Etwas, das alle
interessiert, ist Gesundheit.» Gefördert wird diese dank einem neuartigen Eingabegerät, das einer
Personenwaage ähnelt. Der Balance Board
nimmt jede Gewichtsverschiebung wahr. Durch
bewusste Verlagerung lässt sich das Spiel steuern.
In der Tradition der weltweit 15 Millionen Mal
verkauften «Gehirn Training»-Titel wird der
Konditionsfortschritt aufgezeichnet, was unweigerlich den Ehrgeiz anstacheln und vermutlich
den Body-Mass-Index verbessern wird.
Doch auch Microsoft Xbox, Sony Playstation
und Electronic Arts, die eigens eine CasualGames-Abteilung ins Leben gerufen haben, wollen den Wachstumsmarkt der Nicht-Spieler erschliessen. Jedes zweite Wort an den Präsentationen war «accessible», denn für viele potenzielle
Spieler ist der Zugriff auf den Grossteil der verlockenden Spielszenarien schlicht zu kompliziert.
Während Xbox bereits auf eine stolze Zahl von 7
Millionen Online-Abonnenten blicken kann und
Millionen von Downloads aus der Xbox-ArcadePlattform, die Game-Klassiker hochleben lässt,
Spieldesigner Shigeru Miyamoto (links) präsentiert an der E3 in Santa Monica den neuen «Wii Balance
Board», mit dem durch Gewichtsverlagerung das Fitness-Spiel «Wii Fit» gesteuert wird. STEFANO PALTERA / AP
nutzt Playstation mit der «Home»-Applikation,
einer Art «Second Life» für Playstation-3-Besitzer, den Gedanken einer virtuellen Gemeinschaft
aus. Persönliche Avatars bauen das Wohnzimmer
in den Cyberspace aus und ermöglichen eine
Vielzahl von Interaktionen bis hin zum Datenaustausch mit Mobiltelefonen.
Der Trend hin zum Gelegenheitsspieler bringt
es auch mit sich, dass weniger die berüchtigten Gewaltorgien im Fokus sind als Party- und Gesellschaftsspiele, an denen auch Eltern und Ältere mittun können. Überall wird gerätselt, getanzt, gesungen. Ganze Quartette können sich in «Rock Band»
– auch online – zu Jam-Sessions finden. Friede,
Freude, Eierkuchen also? Nicht wirklich. Shooter
wie Xbox' «Halo 3», Sonys «Killzone 2» und Activisions «Call of Duty 4» präsentieren atemberaubende Grafik und werden ein Spannung liebendes
Publikum finden. Die Überraser-Serie «Burnout»
bringt Chaos ins tropische Paradies, und Hongkong-Actionregisseur John Woo setzt seinen Kinohit «Hard Boiled» im Videospiel «Stranglehold»
samt Hauptdarsteller Chow Yun-Fat und ballistischem Ballett fort. Wie sang schon Freddie Mercury? – «I want it all. I want it now.» Der Song
dürfte zur Hymne der Game-Industrie werden.