Kampf um Wasser in Kibera: Informelle Wasserversorgung in einem
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Kampf um Wasser in Kibera: Informelle Wasserversorgung in einem
Aktuelle Kollegiaten im peri-urbanen Raum auf. Mittelfristig treffen sie vor allem jene Bevölkerungsschichten, die nicht die finanziellen Mittel für eine individuelle Infrastrukturversorg ung aufbringen können und auf den Staat angewiesen sind. Auf Ebene der Entwicklungszusammenarbeit sind hier Organi sationen wie UNDP, UN-Habitat oder die GIZ gefordert, in ihren Tätigkeiten die Bedeutung städtischer Randzonen expliziter zu reflektieren und ihre Programme stärker den Bedürfnissen der lokalen Verwaltungen und der städtischen Bevölkerung anzupassen. Wie in Nairobi fehlen auch anderen Metropol regionen häufig die Ressourcen, um das Wachstum in hunderten Quadratkilometer großen peri-urbanen Gebieten zu verwalten. Ausgewählte Infrastrukturprojekte wie Zugangsstraßen, öffent liche Marktplätze oder Hauptanschlussstellen für Wasser und Strom an bestimmten Punkten (sogenannte „growth nodes“) haben sich als effektiv erwiesen, um das ansonsten ungeordnete Wachstum strategisch zu lenken. Ortschaften wie W iteithie in Kenia sind hier in einer relativ günstigen Ausgangssituation. Durch die schrittweise Umsetzung der neuen kenianischen V erfassung wurde ein regionales County-System geschaffen, in welchem Nairobis peri-urbaner Norden nun von einer einzigen Verwaltungseinheit in wichtigen Bereichen wie Infrastrukturversorgung und Raum planung ganzheitlich entwickelt werden kann. Trotz dieser ersten positiven Schritte bleibt die Aufgabe, den vielfältigen Herausforderungen rapiden Wachstums am städtischen Rand proaktiv zu begegnen, damit sich die in Innenstädten typischen Probleme im peri-urbanen Raum nicht wiederholen. Renard Teipelke, Jg. 1987, studierte in Berlin, San Diego und Frankfurt am Main. Als Stadt- und Wirtschaftsgeograf beschäftigt er sich im Mercator Kolleg 2013/14 mit Urbanisierungsherausforderungen in peri-urbanen Räumen wachsender Metropolregionen im Globalen Süden. Nach seinen bisherigen lokalen und internationalen Praxiserfahrungen im Bereich Stadtentwicklung, zuletzt in Nairobi, führen ihn nun seine kommenden Arbeitsstationen zur Asiatischen Entwicklungsbank in Manila, UN-Habitat in Kairo und GIZ in Eschborn. ([email protected]) Kampf um Wasser in Kibera: Informelle Wasserversorgung in einem Slum von Nairobi von Charlotte Ndakorerwa In Kibera, Kenias größtem Slum, hapert es unter anderem an der Wasserversorgung. In die Trinkwasserversorgung sind verschiedenste Akteure eingebunden, von NGOs über legale Wasserhändler bis hin zu kriminellen Gruppierungen. Die Bewohner leiden unter der mangelnden Ver- und Entsorgung. Der Großraum Nairobi hat heute eine Bevölkerung von circa 3,9 Millionen Einwohnern. Diese Zahl wird sich in den nächsten 15 Jahren auf Grund der hohen Geburtenrate und der Landflucht verdoppeln. Dies führt zu einer Reihe von Problemen, insbesondere im Bereich Wohnraum, Infrastruktur, Verkehr sowie Versorgung. Einwohner aus ländlichen Gegenden Kenias zieht es auf der Suche nach Arbeit in die Großstadt. Dort benötigen sie bezahlbaren Wohnraum, den sie häufig in einer der zahlreichen informellen Siedlungen (Slums) finden. Mittlerweile wohnt fast jeder dritte Einwohner Nairobis in einer informellen Siedlung mit Slum-Charakter. Kibera ist die größte informelle Siedlung Kenias und eine der größten Afrikas. Laut der letzten Volkszählung leben ca. 200 000 Menschen unterschiedlicher Ethnien in Kibera auf nur vier Quadratkilometern. Neben anderen infrastrukturellen Unzulänglichkeiten ist eines der Hauptprobleme Kiberas die Wasser- und Sanitärversorgung. Der städtische Wasserversorger schätzt, dass nur etwa 22 % der Slumbewohner in Nairobi über eine hauseigene Wasserleitung verfügen und Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Die große Mehrheit kauft ihr Wasser an sogenannten Wasser kiosken. Einige der Kioske werden legal betrieben. Sie sind bei der Stadt registriert, erhalten Wasser aus städtischen Leitungen und verfügen zur Berechnung ihres Verbrauchs über einen Zähler. Die meisten Wasserkioske in Nairobis Slums sind jedoch illegal. Sie zweigen Wasser mit Plastikschläuchen von städtischen Leitungen ab. Die Schläuche sind oft undicht und werden mangelhaft geflickt, wodurch leicht Schmutz ins Wasser gerät. Zudem wird das Wasser überteuert verkauft. Der Preis richtet sich nach der Verfügbarkeit, denn Kibera erhält nur zwei bis drei Mal in der Woche Wasser. Durch die illegalen Abzweigungen und unregel mäßige Zahlung der Wasserrechnungen ist Kibera für den städtischen Versorger ein Verlustgeschäft und bekommt in Folge sprichwörtlich den Hahn zugedreht. p 5 6 Aktuelle Kollegiaten An wasserknappen Tagen verzichten viele Familien in Kibera auf das Wäschewaschen oder Putzen, damit genügend Wasser zum Trinken und Kochen bleibt. Auch die Abwasserentsorgung ist ein ernstes Problem. Die Nutzung von öffentlichen Toiletten kostet 5 Kenianische Schilling (etwa 5 Euro Cent). Wegen des relativ hohen Preises greifen viele auf fliegende Toiletten zurück, wobei eine Plastiktüte als Toilette verwendet und anschließend auf der Straße entsorgt wird. Frauen nutzen diese Methode oft, da es nachts gefährlich ist, zu den meist weit entfernten öffentlichen Toiletten zu gehen. Auch Kinder sind von der schlechten Sanitärversorgung betroffen: Sie spielen im Freien inmitten von Müll und fliegende Toiletten. Die mangelnde Hygiene löst häufig Erkrankungen wie Durchfall, Atemwegsinfektionen und andere übertragbare Krankheiten aus. Die labile Gesundheit der Einwohner Kiberas führt zu einer hohen Kindersterblichkeit, beeinträchtigt den regelmäßigen Schulbesuch und führt zu krankheitsbedingten Arbeitsausfällen bei Berufstätigen. Kriminelle Strukturen im Wassermanagement NGOs versuchen durch den Bau von Wasserkiosken und sanitären Anlagen, die von Frauengruppen und anderen „Community Based Organisations“ (CBOs) verwaltet werden, die Lebens bedingungen zu verbessern. Doch selbst wenn ihnen Fortschritte gelingen, stoßen sie bei ihrer Arbeit auf Herausforderungen. Sie bekommen es mit mafiaähnlichen Gruppen zu tun, die den Zugang zu Wasser und dessen Preis kontrollieren. Die Mungiki zum Beispiel sind eine Jugendgang der ethnischen Gruppe der Kikuyu. Sie stehen einflussreichen Politikern ihrer Volksgruppe nahe, bilden Wasserkartelle und dominieren auch die Sicherheitslage in Kibera. Mehrere Wasserkioske, die teilweise von NGOs und internationalen Geldgebern gefördert werden, sind unter der Kontrolle der Mungiki, die sich vereinzelt auch als CBO tarnen. d Abwassergraben in Kibera mit offenem Abwässer und fl ying toilets a legaler Wasserkiosk in Kibera Eine Frauenorganisation in Kibera, die einen legalen Wasserkiosk betreibt, bekam den Einfluss der Wassermafia hautnah zu spüren. Als sie die Zusage für die finanzielle Förderung des Wasser kiosks von einer nationalen NGO erhielten und mit dem Bau des Kiosks anfingen, verlangten die Mungiki ein Schutzgeld von umgerechnet etwa 500 Euro. Da die Frauen dieses Geld nicht sofort aufbringen konnten, wurden sie belästigt. Sie wandten sich an die Polizei und an lokale Behörden, aber niemand half ihnen. Die Belästigungen hörten erst auf, als sie das Schutzgeld schließ lich zahlten. Der Einfluss und die Vernetzung der Gangs ist groß und es scheint, dass diese Aktivitäten in der Bevölkerung oft gezwungenermaßen akzeptiert werden. Heute helfen ein paar der Mungiki sogar manchmal in dem von der Frauenorganisation geführten Wasserkiosk. Kreative Lösungen Seit langem wird über die Einführung einer öffentlichen Wasserverund Abwasserentsorgung diskutiert. Dies stellt die Verwaltung aber vor große Herausforderungen. Die kenianische Regierung toleriert den Slum, sieht die Einwohner von Kibera jedoch als illegale Siedler. Nicht vorhandene Landtitel machen den Bau von Infrastruktur kompliziert und für private Investoren sind die Slums finanziell wenig attraktiv. Trotz der Schwierigkeiten der informellen Wasserversorgung sind es Wasserkioske, die Menschen in Slums den Zugang zu Wasser oft überhaupt erst ermöglichen. Langfristig können sie das Recht auf Wasser für jeden Slumbewohner aber nicht befriedigend umsetzen. Um eine nachhaltige Lösung zu finden, die ausreichende Hygiene und eine gerechte Verteilung sicherstellt, ist eine öffentliche Versorgung in Slums notwendig – möglichst durch Hausanschlüsse. Der Weg führt sicherlich zunächst über Zwischenlösungen wie legale Wasserkioske, gemeinschaftliche Sanitäranlagen und andere kreative Lösungen wie zum Beispiel biologisch abbaubare EinwegToilettenbehältnisse, die Krankheitserreger abtöten können wie das in Schweden entwickelte „PeePoo“. Neben dem Engagement aller Akteure und innovativer Finanzierungsformen für eine solche Lösung müssen aber noch viele Probleme angegangen werden, unter anderem die Überwindung von mafiösen Strukturen. Charlotte Ndakorerwa, Jg.1988, studierte Jura und Internationale Beziehungen in Straßburg, London, Berlin und Potsdam. Sie sammelte erste Berufs erfahrung u. a. bei UNICEF Sambia, der Association for Civil Rights in Israel und dem Sonderforschungsbereich 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“. Als aktuelle Kollegiatin ( Jg. 2013/14) beschäftigt sie sich mit Lösungsansätzen für eine effektive Wasser- und Sanitärversorgung in den Slums von Sub-Sahara Afrika. Ihre erste Stage verbringt sie beim Water und Sanitation Program der Weltbank in Nairobi, Kenia. ([email protected])