HIV-induzierte Nephropathie

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HIV-induzierte Nephropathie
Für den Inhalt der Artikel sind die Autoren
allein verantwortlich.
Ziel dieses Bulletins ist es, Ärzte, Gesundheitsbehörden und Patienten über aktuelle
wissenschaftliche und klinische Themen
aus dem Bereich der Retroviren zu informieren. Viermal im Jahr wird in kurzer Form
der aktuelle Forschungsstand zu verschiedenen Themen wiedergegeben.
Für Verbesserungsvorschläge und Anregungen sind wir sehr dankbar.
Die Redaktion
KLINISCHE BESONDERHEITEN
EINER HIV-INFEKTION
KLINIK UND THERAPIE
• HIV-induzierte Nephropathie
Ansgar Rieke, Koblenz
• HIV-assoziierte Herzerkrankungen
Georg Behrens, Hannover
3
2012
VIROLOGISCHES INSTITUT · KLINISCHE UND MOLEKULARE VIROLOGIE
UNIVERSITÄTSKLINIKUM ERLANGEN
KLINISCHE BESONDERHEITEN EINER HIV-INFEKTION
KLINIK UND THERAPIE
HIV-induzierte Nephropathie
Einführung
Bereits zu Beginn der HIV-Epidemie in den
1980er Jahren konnte bei HIV-Patienten eine
eigene Form einer Niereninsuffizienz mit Proteinurie und schneller Entwicklung hin zu einer terminalen Niereninsuffizienz beobachtet
werden (Rao et al., NEJM 1984). Anfangs wurde wegen der fokal segmentalen Glomerulosklerose in den Nierenbiopsien an eine Heroinassoziierte Nephropathie gedacht, bis sich
diese Veränderungen auch bei Nicht-Drogengebrauchern mit HIV zeigten. Etwa 1984 entstand die eigene Krankheitsbezeichnung HIVassoziierte Nephropathie (HIVAN). Betroffen
sind fast ausschließlich Schwarzafrikaner bzw.
Afroamerikaner, was schon früh eine genetische Prädisposition nahelegte. Durch einen
breiten Einsatz der antiretroviralen Therapie
(ART) hat sich die Problematik einer Nierenin-
suffizienz bei HIV heute in Industrienationen
von einer HIVAN weg zur Begleiterkrankung
bei HIV und Therapie verschoben. Das höhere
Lebensalter ist ein entscheidender Faktor für
die Häufigkeit einer Niereninsuffizienz, so
muss bei fast 20 % der über 60-Jährigen mit
einer Einschränkung der Nierenfunktion gerechnet werden. Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck sowie die
höhere Prävalenz für Nikotinabusus bei HIVPatienten sind als Risikofaktoren für eine
Nierenfunktionsverschlechterung bekannt.
Zudem korreliert das Ausmaß der Proteinurie
direkt mit der Mortalität – dies gilt wahrscheinlich auch für HIV-Infizierte.
Im Folgenden soll auf die besondere Krankheitsentität der HIV-assoziierten Nephropathie (HIVAN) eingegangen werden:
Abb.: Ursachen einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion bei HIV-Patienten
EPIDEMIOLOGIE UND STATISTIK
• HIV – Tests, Studien und die Statistik
Klaus Korn, Erlangen
Verminderung des effektiven Zuflusses
Direkte tubuläre Zellschädigung
Sepsis
Dehydratation
Leberzirrhose
Amyloidose
Diarrhoe
geringes Herzzeitvolumen
Aminoglykoside
Amphotericin B
Kontrastmittel
Pentamidin
Sulfonamide
Heroin/Drogen
NSAR
Adefovir
Tenofovir
KONGRESSHINWEISE 2013
Glomerulonephritis
parainfektiös
Immunkomplexnephritis
autoimmun
Vasculitis
Systemerkrankung
prärenal
Henlesche
Schleife
Sammelgang
renal
postrenal
Glomerulonephritis/tubulär /interstitiell
Obstruktion der
ableitenden Harnwege
Tabelle: Gründe für Nierenerkrankungen bei HIV-Patienten
Nierenerkrankung verursacht durch HIV
• Auslösung einer entzündlichen Reaktion (HIV-assoziierte Nephropathie (HIVAN))
• Thrombotisch mikroangiopathisch (thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
(TTP) / hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS))
Nierenerkrankung aufgrund einer Immunkomplex-Bildung
• Ablagerung von IgA, IgG, IgM, C3, C1q (Lupus-ähnliche Nephropathie)
Nierenerkrankung aufgrund einer Koinfektion
• Hepatitis B, Hepatitis C, Syphilis (membranöse Nephropathie, Minimal-ChangeGlomerulonephritis (MCGN))
Nierenschädigung durch opportunistische Infektionen
• Schädigung der Nieren (z.B. mykobakterielle tubulointerstitielle Nephritis) oder
Verursachen von einem systemischen inflammatorischen Response-Syndrom /
Hypovolämie (akute tubuläre Nekrose)
Nierentoxizität von antiretroviralen und anderen Medikamenten
• Interstitielle Nephritis des Tubulus, Kristallnephropathie
• ART: Tenofovir, Indinavir
• nicht-ART: Pentamidin, Cotrimoxazol, Foscarnet, Amphotericin B, Cidofovir,
Rifampicin, Pyrazinamide, Statine, Aciclovir, Sulfonamide
Nierenschädigung durch weitere Erkrankungen
• Diabetische Nephropathie, Bluthochdruck, metabolisches Syndrom
Alter
Literaturhinweise:
1. Kopp JB. Curr Infect Dis Rep 2002; 4: 449–60.
2. Wenzel UO & Stahl RA. Nephron 1999; 81: 5–16.
3. Wyatt CM & Winston J. Curr Infect Dis Rep 2006; 8: 76–81.
4. Daugas E, et al. Kidney Int 2005; 67: 393–403.
5. de Araujo M & Seguro AC. Antivir Ther 2002; 7: 181–84.
Epidemiologie
Es existieren keine genauen Angaben auf globaler Ebene, deshalb kann anhand vereinzelt
erhobener epidemiologischer Daten die globale Häufigkeit der HIVAN nur vermutet werden:
Bei Afroamerikanern in den USA beträgt
die Prävalenz für eine Niereninsuffizienz bei
HIV-Infizierten zwischen 3,5 und 12 % (Rao et
al., NEJM 1984). Da bei mehr als 33 Millionen
Menschen mit einer HIV-Infektion etwa 22,5
Millionen in der Zone Subsahara Afrika leben,
muss hier der Anteil an HIVAN zumindest ähnlich hoch vermutet werden. Berichte aus Nigeria zeigen, dass 51,8 % der untersuchten
AIDS-Patienten von einer Niereninsuffizienz
betroffen sind. In einer anderen nigerianischen Patientengruppe mit 368 Patienten
hatten 62 % der Patienten eine »ungeklärte
Niereninsuffizienz«, bei der zumindest an eine HIVAN gedacht werden muss. In Zaire wurde bei einer Gruppe von 92 Patienten mit
nephrotischem Syndrom und durchgeführter
Nierenbiopsie bei 41 % eine HIVAN im Sinne
einer fokal segmental sklerosierenden Glomerulonephritis gefunden. Daten aus Südafrika
beziehen sich überwiegend auf Dialyse- und
Transplantationspatienten und sind so nicht
ohne weiteres zur Einschätzung der Prävalenz
einer HIVAN zu nutzen (Agaba et al., Niger J
Med 2003).
Pathophysiologie
Typisch für die HIVAN ist die fokal segmental
sklerosierende Glomerulonephritis (FSGS), die
www.virologie.uni-erlangen.de
an die Heroin-induzierte oder idiopathische
Form einer solchen Glomerulonephritis erinnert. Die HIVAN hat dabei die Tendenz zu einer vollständig kollabierenden Sklerose des
glomerulären Schlingenkonvulutes und weniger zu einem fokalen segmentalen Befall. Es
kann zu einer Podozytenhyperplasie am Glomerulum und zu einem Tubulusschaden mit
Verlust des Tubulusepithels, Dilatation der
Tubuli, Atrophie und mikrozystischer Degeneration der Tubuluszellen kommen. Bei den tubuloretikulären Einschlüssen handelt es sich
um Ribonukleoprotein und Membranstrukturen, deren Synthese durch Alpha-Interferon
gesteuert ist. Möglicherweise ist der Benefit
einer ART auch auf die Reduktion der Plasmainterferonspiegel an der Niere zurückzuführen
(D’Agati V et al., Kidney Int 1989; Stylianou E
et al., Clin Exp Immunol 2000). HIV selbst infiziert sowohl glomeruläre wie auch Tubuluszellen und eine HIV-1-Expression an renalen
Epithelzellen ist für die Entwicklung einer
typischen HIVAN notwendig (Bruggemann LA
et al., J Am Soc Nephrol 2000). Ebenso löst
gp120 die Produktion von TGF-Beta aus, was
zur Pathogenese der Sklerose beitragen kann.
Oft wird durch Begleiterkrankungen (Hepatitis B und C oder andere sexuell übertragbare
Erkrankungen (STI’s)) die Pathologie mit beeinflusst. Studienergebnisse dazu müssen
auch danach bewertet werden, ob Begleiterkrankungen vorlagen oder eine ART bereits
begonnen wurde. Nierenbiopsien in einer USamerikanischen Studie bei HIV-Patienten
zeigten am häufigsten eine membrano-pro-
liferative Glomerulonephritis, gefolgt von einer Immunkomplex-Glomerulonephritis, einer
membranösen und IgA-Nephropathie. In einer
südafrikanischen Studie dagegen findet sich
bei 27 % der HIV-Patienten mit Niereninsuffizienz eine typische HIVAN, gefolgt von einer
Immunkomplex-Nephritis im Sinne einer »Lupus like Nephritis« (Gerntholtz et al., Kidney
Int 2006). Die Prädilektion für HIVAN bei Farbigen hat von Beginn an einen genetischen
Kofaktor für die Entstehung nahegelegt. Im
transgenen Mausmodell mit unterschiedlicher
genetischer Ausstattung konnte der HIVANPhänotyp als Chromosomenstörung 3A 1 – 3,
HIVAN1 gezeigt werden, der hoch signifikant
mit der Entstehung einer Glomerulosklerose
assoziiert war. Dieser Locus findet sich auf
dem humanen Chromosom 3q 25 – 27, der
auch die Häufigkeit entsprechender Nierenerkrankungen bei Farbigen sonst erklärt (Gharavi et al., PNAS 2004).
Klinischer Verlauf
Sowohl im Rahmen eines akuten HIV-Syndroms im Stadium der Serokonversion wie
auch bei fortgeschrittener HIV-Infektion kann
eine Niereninsuffizienz durch HIV entstehen.
Als HIVAN entspricht sie in typischer Weise einer FSGS mit großer Proteinurie. Die Symptomkonstellation entspricht der eines nephrotischen Syndroms (Proteinurie >3g/d) und ist
sehr variabel. Die Nierensonographie zeigt eine vermehrte Echogenität und eine leichte
Vergrößerung des Nierenparenchyms. Bei
deutlich eingeschränkter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR) finden sich auch verkleinerte
Nieren. Eine arterielle Hypertonie muss nicht
auftreten, ist aber (ohnehin) häufiger bei farbigen Menschen zu finden. Ein schlechter Immunstatus (CD4-Zellen <200/µl) und eine
höhere Virämie scheinen den Verlauf der Niereninsuffizienz zu beschleunigen. Ein Nierenversagen innerhalb weniger Monate (ca. 4 Monate) ist typisch, die Gesamtprognose ohne
ART ist schlecht. Es existieren keine typischen
Surrogatmarker einer HIVAN und differentialdiagnostisch untersuchte Werte für ANA,
ds-DNA, ANCA’s, Anti-GBM-Antikörper, Kryoglobuline sowie Antistreptolysin O-Antikörper
sind meist negativ. Damit wird die Diagnose
klinisch gestellt und bioptisch gesichert. Neben der typischen FSGS können auch andere
Formen einer Glomerulonephritis bei HIV auftreten, die oben in der Tabelle zusammengefasst sind.
Wenn es gelingt, vor Ausbruch von AIDS bei
noch genügendem Immunstatus eine ART zu
etablieren, ist dies die wirksamste Prophylaxe
der HIVAN. Unter ART sind auch gute Remissionen einer Niereninsuffizienz beschrieben
und histologische Veränderungen sind z.T.
vollständig reversibel, wenn die Therapie früh
genug begonnen wurde und das Ausmaß der
histologischen Veränderungen noch umkehrbar, also der Grad der Sklerose noch gering ist.
Therapie
Schon früh (1991) konnte eine Verbesserung
der Nierenfunktion bei HIVAN durch Einsatz
2
von Zidovudin (AZT) gezeigt werden. Später
war dies durch Einsatz von Kombinationstherapien unter Einschluss von Proteaseinhibitoren (PI’s) ebenfalls möglich. Wird eine ART
vor Ausbruch von AIDS begonnen, ist dies die
wirksamste Prophylaxe einer HIVAN (Lucas et
al., AIDS 2004). Die zugrunde liegende Ursache einer Niereninsuffizienz sollte unabhängig von dem Vorliegen einer HIVAN
grundsätzlich behandelt werden, dies gilt insbesondere für eine begleitende Hepatitis B,
Hepatitis C, Lues, andere Infektionserkrankungen oder einen Diabetes mellitus. Bei einer
membranösen Glomerulonephritis muss immer auch an das Vorliegen einer noch okkulten Tumorerkrankung gedacht und entsprechend diagnostiziert werden. Insbesondere bei
Proteinurie ist der Einsatz eines ACE-Hemmers
sinnvoll und verbessert das »renale Überleben«. Der Blutdruck sollte auf Werte <130/80
mmHg eingestellt werden und der Patient zum
Nichtrauchen motiviert werden. Der Einsatz
von Kortikosteroiden bleibt umstritten und
zeigt in ausschließlich retrospektiven Analysen mit kleiner Fallzahl z.T. einen Vorteil hinsichtlich einer Verzögerung des Abfalls der
GFR. Im Einzelfall kann bei Fortbestehen einer
Niereninsuffizienz/Proteinurie, trotz begonnener ART, der Einsatz von Kortikosteroiden
(60 mg Prednison/d über 2 bis 11 Wochen mit
anschließendem Ausschleichen) sinnvoll sein.
Die Studien zeigen dabei aber auch eine erhöhte Infektrate unter Kortison.
werden und einer Behandlung zugeführt werden. Der frühzeitige Einsatz einer ART, unabhängig vom CD4-Zellstatus und der Viruslast,
ist die beste Behandlungsform der HIVAN.
Ergänzend sollte bei Proteinurie ein ACEHemmer Einsatz finden und der Blutdruck gut
kontrolliert werden. Regelmäßige Verlaufskontrollen (dreimonatlich, unter TDF im ersten
Behandlungsjahr monatlich) mit Bestimmung
der eGFR und Urin-Stix sind für das Monitoring von HIV-Patienten unabdingbar. Mit steigendem Alter wird die Zahl der Patienten mit
Niereninsuffizienz bei HIV jedoch zunehmen.
Verlaufskontrollen
Agaba EI, Agaba PA, Sirisena ND, et al. Renal
disease in the acquired immunodeficiency syndrome in north central Nigeria. Niger J Med 2003;
12: 120-5.
Bei Erstvorstellung mit HIV und zu Beginn einer ART sollte mit Hilfe einer Formel (nach
Cockcroft-Gault, MDRD oder CKD-Epi) die
Nierenfunktion als eGFR bestimmt werden
und mit Teststreifen oder Spoturin auf eine
Proteinurie hin geprüft werden. Eine Nierensonographie, Elektrolyt- und Phosphatbestimmung gehören dazu. Unter ART sollte dies
(GFR und Urinanalyse) alle 3 Monate und im
ersten Behandlungsjahr mit Tenofovir (TDF)haltigen Medikamenten alle 4 Wochen überprüft werden. Dabei muss unter TDF auch nach
dem Vorliegen eines Franconi-Syndroms mit
Hyperphosphatämie und Glukosurie bei normalem Blutglukosespiegel gefahndet werden.
Im Laufe von Langzeit-Therapien einer ART
können Tubulusschäden mit veränderter
Phosphat-Clearance und sekundären Veränderungen des Knochenstoffwechsels auftreten, die unter Umständen auch zum Umstellen
der Therapie Anlass geben. Alle Nukleosidanaloga werden renal eliminiert und müssen
ab einer Kreatinin-Clearance <60 ml/min/
1,73m 2 dosisadaptiert werden (vgl. Listen in:
www.hivbuch.de).
D'Agati V, Suh JI, Carbone L, et al. Pathology of
HIV-associated nephropathy: a detailed morphologic and comparative study. Kidney Int 1989; 35:
1358-70.
Gerntholtz TE, Goetsch SJ, Katz I. HIV-related
nephropathy: a South African perspective. Kidney
Int 2006; 69: 1885-91.
Gharavi AG, Ahmad T, Wong RD, et al. Mapping
a locus for susceptibility to HIV-1-associated
nephropathy to mouse chromosome 3. Proc Natl
Acad Sci U S A 2004; 101: 2488-93.
Lucas GM, Eustace JA, Sozio S, et al. Highly
active antiretroviral therapy and the incidence of
HIV-1-associated nephropathy: a 12-year cohort
study. AIDS 2004; 18: 541-6.
Rao TK, Filippone EJ, Nicastri AD, et al. Associated focal and segmental glomerulosclerosis in
the acquired immunodeficiency syndrome. N Engl
J Med 1984; 310: 669-73.
Stylianou E, Aukrust P, Bendtzen K, et al. Interferons and interferon (IFN)-inducible protein 10
during highly active anti-retroviral therapy
(HAART)-possible immunosuppressive role of
IFN-alpha in HIV infection. Clin Exp Immunol 2000;
119: 479-85.
Dr. med. Ansgar Rieke
Klinik für Innere Medizin II,
Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen
Klinikum Kemperhof Koblenz
[email protected]
Literaturhinweise
Bruggeman LA, Ross MD, Tanji N, et al. Renal
epithelium is a previously unrecognized site of
HIV-1 infection. J Am Soc Nephrol 2000; 11: 207987.
Ergänzende Literatur
Inrig JK, Szszech LA, Trevor E et al. Renal complications of HIV-Infection. Sande´s HIV/AIDS
Medicine: Medical Management of AIDS 2012 (2nd
edition); 287-95.
Mocroft A, Kirk O, Gatell J, et al. Chronic renal
failure among HIV-1-infected patients. AIDS 2007;
21: 1119-27.
Rieke A. HIV und Niere. Hivbuch 2012; 564-77.
www.hivbuch.de
Szczech LA et al. HIV-Management of renal
Disease. CCO 2011.
http://www.clinicaloptions.com/inPractice/HIV/Ma
nagement%20of%20Specific%20Disease%20Sta
tes/ch41_pt2_Renal.aspx
KONGRESSHINWEIS
6. – 9. März 2013
23. Jahrestreffen der Gesellschaft
für Virologie e.V. (GfV) und
der Deutschen Vereinigung zur
Bekämpfung der Viruskrankheiten
e.V. (DVV)
Christian-Albrechts-Universität, Kiel
http://www.virology-meeting.de
Zusammenfassung
Seit Beginn der HIV-Epidemie ist eine typische
Form einer HIV-assoziierten Nephropathie bekannt, die als HIVAN bezeichnet wird. Diese ist
klassischerweise eine FSGS mit großer Proteinurie und nephrotischem Syndrom. Differentialdiagnostisch müssen insbesondere Begleitinfektionen (Hepatitis B und C, STI’s) bedacht
3
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KLINIK UND THERAPIE
HIV-assoziierte Herzerkrankungen
Nach den Erfolgen der antiretroviralen Therapie in den letzten Jahren treten zunehmend
Probleme der Alterung der Patienten in den
Vordergrund. Diese beinhalten z.B. Erkrankungen des kardiovaskulären Systems, Diabetes,
Osteoporose und Frakturen oder maligne Erkrankungen. Kardiovaskuläre Erkrankungen
spielen nicht nur für HIV-infizierte Menschen
eine große Rolle. Die Weltgesundheitsorganisation erwartet, dass die ischämische Herzerkrankung 2030 die führende Todesursache in
der Allgemeinbevölkerung sein wird.
Ist das Risiko für Myokardinfarkte
bei HIV-infizierten Menschen gegenüber
nicht Infizierten nochmals erhöht?
Die meisten Studien zeigen für HIV-Patienten
ein erhöhtes Risiko, über die Zeit eine koronare Herzerkrankungen zu erleiden. Die Hospitalisierung aufgrund einer koronaren Herzerkrankung war in einer Beobachtungsstudie
in den USA bei HIV-infizierten Menschen im
Vergleich zur Kontrolle mit einer adjustierten
Risikorate von 1,2 (95 % Konfidenzintervall
[CI] 1,1 bis 1,4) signifikant erhöht. Für akute
Myokardinfarkte war das Risiko 1,4 (95 % CI
1,3 bis 1,7). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen
Untersuchungen aus dem Partners Health Care System in Boston, in denen HIV-infizierte
Menschen ein relatives Risiko für einen akuten Myokardinfarkt von 1,75 (95 % CI 1,51 bis
2,02) hatten. Europäische Daten deuten in
dieselbe Richtung. In Dänemark war das Risiko für eine Hospitalisierung aufgrund einer
ischämischen Herzerkrankung für HIV-infizierte Patienten signifikant erhöht (adjustiertes relatives Risiko 2,12 (95 % CI 1,62 bis 2,76)),
die French Hospital Data Base on HIV (FHDH)Kohorte identifizierte ebenfalls eine signifikante Erhöhung für das Risiko koronarer Herzerkrankungen.
Ob spezielle Patientengruppen mit HIVInfektion ein höheres Risiko für diese Erkrankungen aufweisen, ist nicht sicher abzugrenzen. Möglicherweise haben Frauen mit einer
HIV-Infektion eine leicht höhere Mortalität,
wenn sie an einer koronaren Herzerkrankung
leiden – ähnlich wie dies in der Allgemeinbevölkerung beschrieben ist. Vielleicht führt
auch die Hepatitis C-Koinfektion zu einem höheren kardiovaskulären Risiko und mehr kardiovaskulären Erkrankungen.
Welche Faktoren tragen zum kardiovaskulären Risiko von HIV-Patienten bei?
Klassische Risikofaktoren, wie z.B. Rauchen,
Dyslipidämie, Diabetes, Bluthochdruck und
viszerale Adipositas erhöhen das Risiko für
kardiovaskuläre Erkrankungen von HIV-infizierten Menschen. Über die antiretroviralen
Medikamente wissen wir seit einigen Jahren,
www.virologie.uni-erlangen.de
dass der Einsatz von Proteaseinhibitoren über
die Zeit zu einem leichten Anstieg des kardiovaskulären Risikos führt. Die Folgeuntersuchungen der D: A:D (Data Collection on
Adverse events of Anti-HIV Drugs)-Kohorte
konnten dieses Risiko später weiter spezifizieren: Lopinavir + Ritonavir und Indinavir sind
die treibenden Kandidaten für die Risikoerhöhungen.
Die D: A:D-Kohorte identifizierte als erste,
dass Abacavir bei Patienten mit HIV-Infektion
das kardiovaskuläre Risiko leicht erhöht. Einige weitere Kohortenanalysen machten ähnliche Beobachtungen, andere nicht. Meta-Analysen kontrollierter randomisierter Studien
zeigten ebenfalls keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen unter Abacavir. Kritiker werfen ein,
dass die vorwiegend an jungen Patienten
durchgeführten, randomisierten Studien nicht
das Ziel hatten, kardiovaskuläre Erkrankungen
zu identifizieren. Zudem war die Myokardinfarktrate oftmals sehr gering. Beobachtungsstudien leiden darunter, dass für Faktoren, die bei der Therapieentscheidung eine
Rolle gespielt haben, keine entsprechenden
Adjustierungen möglich sind (Behrens, AIDS
2011). Obwohl es für den Einfluss von Abacavir auf z.B. die Aktivierung von Plättchen,
Störungen der Endothelfunktion und andere
inflammatorische Prozesse Hinweise gibt,
konnten klinische Studien keine Zeichen für
eine vermehrte Inflammation bei Patienten
unter Abacavirtherapie identifizieren.
Fazit: In Anbetracht der Gesamtdatenlage
entscheiden sich die meisten Experten heute
für ein individualisiertes Vorgehen und sehen
für HIV-infizierte Patienten mit einem insgesamt niedrigen kardiovaskulären Risiko keine
relevanten Einschränkungen für den Einsatz
von Abacavir.
Die Bestimmung des kardiovaskulären
Risikos
Es gibt weltweit verschiedene mathematische
Funktionen, die uns helfen sollen, das kardiovaskuläre Risiko und damit das Risiko für klinische Komplikationen von Patienten besser
einschätzen zu können. Sehr populär ist der
sogenannte Framingham Risk Score, der durch
multivariate Risikoalgorithmen u.a. eine Vorhersage für das Auftreten von Myokardinfarkten über die Zeit geben kann. Diese Informationen werden dann häufig genutzt, um
spezifische Empfehlungen für eine medikamentöse Therapie oder Änderung der Verhaltensweisen des Patienten herzuleiten. Wie
wertvoll diese für die »Normalbevölkerung«
entwickelten und validierten Prozeduren für
HIV-Patienten sind, ist nicht völlig klar.
Ohne auf die vielfältigen Details der mathematischen Herleitung und besonderen
Berücksichtigung der individuellen Faktoren
eingehen zu wollen, zeigt sich in großen Kohorten von HIV-Patienten, dass der Framingham Risc Score die tatsächlich beobachtete
Rate an Herzinfarkten bei HIV-Patienten
wahrscheinlich etwas unterschätzt. Ähnliche
Vergleiche von verschiedenen kardiovaskulären Risikoscores wie z.B. dem Framingham
Risk Score und dem PROCAM (Prospective
Cardiovascular Münster Heart Study) in Kollektiven von HIV-Patienten deuten an, dass es
eine sehr gute Assoziation zwischen den durch
die Risikoscores vorhergesagten Eventraten
gibt. Aber eine echte Überprüfung mit tatsächlichen Komplikationen und der Vorhersagekraft solcher klinischen Ereignisse, insbesondere auf individueller Ebene, ist bisher
nicht gelungen. Da der D: A:D-Kohorte relativ umfangreiche Patientenzahlen zugrunde
liegen, wurde auf dieser Datenbasis und den
beobachteten Myokardinfarkten in der
D: A:D-Kohorte ein leicht modifizierter Algorithmus entwickelt, der dem Framingham
Risc Score in der Qualität der Vorhersage etwas überlegen war.
Die Entwicklung von HIV-spezifischen Scores ist sicher noch nicht am Ende. Da derzeit
intensiv über die Rolle der chronischen Inflammation bei HIV-Patienten für das Auftreten von Myokardinfarkten diskutiert wird,
sehen einige Wissenschaftler den Bedarf, Surrogatparameter für Inflammation vielleicht
künftig in Vorhersagealgorithmen für Myokardinfarkte bei HIV-Patienten zu implementieren. Ob dies eine Verbesserung zur Folge
hat, ist völlig unklar.
Fazit: Obwohl Vorhersagealgorithmen keine
komplette Evaluation in spezifischen Patientengruppen (z.B. bei HIV-Patienten) und unter Berücksichtigung aller demographischen
Faktoren erfahren haben, sind Hilfsmittel wie
der Framingham Risc Score oder die Modifikationen hiervon im klinischen Alltag praktikable Hilfsmittel, um Patienten mit einem
erhöhten kardiovaskulären Risiko zu identifizieren.
HIV-Infektion, chronische Inflammation
und kardiovaskuläre Erkrankungen
Die Entzündungsreaktion ist eine kritische
Komponente der Atherosklerose. Der Beitrag
von HIV-assoziierter Inflammation zur Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen
konnte u.a. dadurch gezeigt werden, dass spezifische Parameter aus inflammatorischen
Kaskaden das Auftreten von kardiovaskulären
Ereignissen vorhersagen können (Lo und Plutzky, J Infect Dis 2012). In der SMART (Strate-
4
gies for Management of Antiretroviral Therapy)-Studie, die die strukturierten Therapiepausen im Vergleich zu einer kontinuierlichen
Therapie untersuchte, waren erhöhte Werte
von IL-6 und D-Dimeren bei Studienbeginn
sehr gute Prädiktoren für die Gesamtmortalität. Zwar unterscheiden sich die Plasmaspiegel von IL-6 und D-Dimeren bei behandelten Patienten mit HIV-Infektion nur wenig
von denen seronegativer Kontrollen, aber sie
haben eine Vorhersagekraft für die Mortalität
und kardiovaskulären Ereignisse bei HIV-infizierten Menschen. Jenseits der Bestimmung
von Biomarkern lässt sich über die Messung
der HLA-DR- oder CD38-Expression auf TLymphozyten ein Hinweis auf eine systemische Immunaktivierung ermitteln. Auch wenn
Daten aus diesen Untersuchungen enge Assoziationen zwischen dem Grad der Immunaktivierung und der Immunrekonstitution zeigen
konnten, fehlen weiterhin überzeugende Daten, die belegen, dass eine vermehrte T-ZellAktivierung mit kardiovaskulären Komplikationen vergesellschaftet ist.
Da in der SMART-Studie Therapieunterbrechungen mit einer erhöhten Rate von kardiovaskulären Komplikationen verknüpft waren,
glauben einige Experten, dass eine unkontrollierte HIV-Replikation ein relevantes kardiovaskuläres Risiko darstellt. Das würde bedeuten, dass eine antiretrovirale Therapie bei
Patienten mit entsprechender Risikokonstellation das kardiovaskuläre Risiko insgesamt
günstig beeinflussen würde. Dies steht im Gegensatz zu den Diskussionen der letzten Jahre, in denen die medikamenten-assoziierten
Nebenwirkungen und kardiovaskulären Ereignisse im Mittelpunkt standen. Dass die HIVTherapie vor Herzinfarkten schützt, ist dennoch nie gezeigt worden. Deshalb werden
andere Argumente angeführt: Helferzellzahlen zeigen immer wieder Assoziationen zu kardiovaskulären Erkrankungen. Mehrere Studien
geben Hinweise darauf, dass aktuell niedrige
Helferzellzahlen bzw. ein niedrigerer Nadir
von CD4 + T-Lymphozyten mit einem höheren
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert sind (Duarte et al., Antivir Ther 2012).
Ein zusätzliches Argument also, um eine Therapie bei Patienten mit erhöhtem Risiko für
Myokardinfarkte ggf. früher zu beginnen.
Lipidstoffwechselstörungen sind bei HIVPatienten nicht selten zu beobachten (Estrada
und Portilla, AIDS Rev 2011). Als Ursache werden virus-assoziierte Faktoren, Wirtsfaktoren
oder Einflüsse einer antiretroviralen Therapie
diskutiert. In einer Gruppe von behandelten
Patienten lässt sich ein proinflammatorisches
und potentiell für das Herz ungünstiges Lipidprofil immer wieder beobachten. Unterschiede im »Lipidprofil« von verschiedenen
HIV-Therapieregimes werden oftmals herausgestellt, um Therapiekombinationen voneinander abzugrenzen. Der Behandler bleibt aber
häufig über die klinische Relevanz der Beobachtungen im Unklaren.
Generell bleibt die Frage, inwieweit die Inflammation eine besondere Komponente bei
HIV-infizierten Menschen mit Myokardinfark-
5
ten darstellt. Mit Hilfe innovativer Verfahren
durchgeführte Studien fanden tatsächlich bei
HIV-infizierten Patienten eine im Vergleich
zu Kontrollen gesteigerte Inflammation im
Bereich großer Gefäße (Subramanian et al.,
JAMA 2012). Vermehrte Anreicherungen von
Monozyten in Gefäßwänden korrelierten mit
den löslichen Spiegeln von CD163, einem
Oberflächenrezeptor, der nach Aktivierung der
Zellen freigesetzt wird. Konzentrationen von
löslichem CD163 waren in diesen Studien wiederum eng mit der Ausbildung nicht kalzifizierender koronarer Plaques assoziiert (Burdo
et al., J Infect Dis 2011).
In der Zusammenschau dieser und anderer
Studien zeichnet sich mehr und mehr ab, dass
inflammatorische Komponenten bei HIV-infizierten Menschen tatsächlich für die Entstehung der Atherosklerose von besonderer Bedeutung sind. Die klinischen Konsequenzen
sind aber derzeit noch unklar. Eine rein antiinflammatorische Therapie zur Behandlung einer koronaren Herzerkrankung oder eines erhöhten Risikos zeichnet sich für HIV-Patienten
– ähnlich wie für seronegative Menschen –
derzeit nicht ab. Einzig die Empfehlung, bei
Patienten mit erhöhtem Risiko für eine koronare Herzerkrankung, dieses als Kriterium zu
nutzen, auch bei Helferzellen über 350/µl mit
einer antiretroviralen Therapie zu beginnen,
kann als Strategie angesehen werden, die HIVassoziierte Inflammation zu reduzieren, um
damit der ischämischen Herzerkrankung vorzubeugen.
Literaturhinweise
Behrens GM. Abacavir and myocardial infarctions: the benefit of doubt? AIDS 2011; 25: 2043-5.
Burdo TH, Lo J, Abbara S, et al. Soluble CD163,
a novel marker of activated macrophages, is elevated and associated with noncalcified coronary
plaque in HIV-infected patients. J Infect Dis 2011;
204: 1227-36.
Duarte H, Matta JR, Muldoon N, et al. Non-calcified coronary plaque volume inversely related to
CD4(+) T-cell count in HIV infection. Antivir Ther
2012; 17: 763-7.
Estrada V, Portilla J. Dyslipidemia related to
antiretroviral therapy. AIDS Rev 2011; 13: 49-56.
Lo J, Plutzky J. The biology of atherosclerosis:
general paradigms and distinct pathogenic mechanisms among HIV-infected patients. J Infect
Dis 2012; 205 Suppl 3: S368-74.
Subramanian S, Tawakol A, Burdo TH, et al. Arterial inflammation in patients with HIV. JAMA
2012; 308: 379-86.
Links
Europäische Therapieempfehlungen für HIV-Patienten:
http://www.europeanaidsclinicalsociety.org/
D:A:D Risikoscore für kardiovaskuläre Ereignisse:
http://www.chip.dk/TOOLS/DADRiskEquations/tabid/
437/Default.aspx
Framingham Risk Score:
http://www.chip.dk/TOOLS/Framingham/tabid/302/
Default.aspx
Professor Dr. med. Georg M.N. Behrens
Klinik für Immunologie und Rheumatologie,
Medizinische Hochschule Hannover
[email protected]
KONGRESSHINWEIS
12. – 15. Juni 2013
6. Deutsch-Österreichischer
AIDS-Kongress – DÖAK 2013
Innsbruck
http://www.doeak.com
www.virologie.uni-erlangen.de
EPIDEMIOLOGIE UND STATISTIK
HIV – Tests, Studien und die Statistik
»Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst
gefälscht hast « lautet ein Winston Churchill
zugeschriebenes Bonmot, das gerne zitiert
wird, wenn jemand seine Abneigung gegenüber statistischen Analysen zum Ausdruck
bringen oder mit seinem mangelnden Wissen
in diesem Bereich kokettieren will. Dabei geht
dieser Spruch am Kern des Problems vorbei,
denn es bedarf gar keiner Fälschungen oder
Lügen, um den mit den Feinheiten statistischer Analysen nicht vertrauten Leser oder
Zuhörer zu verwirren oder in eine bestimmte
Richtung zu beeinflussen. Dieses Thema greift
auch ein Artikel vom 15. Juli 2012 in Spiegel
Online mit dem Titel »Statistik-Know-how:
warum viele Ärzte ihre Patienten falsch beraten« auf. Als Aufmacher, warum »falsche
Auskünfte ... manchmal dramatische Folgen«
haben können, dient dem Autor eine »Geschichte« zur HIV-Testung aus dem Jahr 1987.
Danach haben sich damals in Florida von 22
Blutspendern, denen ein positives HIV-Testergebnis mitgeteilt wurde, 7 umgebracht, weil
sie nicht wussten, dass auch bei einem positiven Testergebnis die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich mit HIV infiziert zu sein, nur bei 50 %
lag. Als zweites Beispiel für Unzulänglichkeiten in der Beratung zum Thema HIV wird eine Studie zitiert, bei der ein junger Mann in
20 Beratungsstellen für HIV geschickt wurde,
um sich auf HIV testen zu lassen und dabei die
Qualität der Beratung zu überprüfen. Dabei
fragte er insbesondere, ob es auch positive
Testergebnisse geben könne, wenn man gar
nicht infiziert sei, was 16 der 20 Berater
zunächst glatt verneinten. Auch auf Nachfrage, ob sie sich ganz sicher seien, nahmen nur
3 der 16 ihre Aussage zurück. Erschreckende
Ignoranz, ist man also versucht zu sagen. Was
der Autor des Spiegel-Online-Artikels nicht
erwähnt, ist, dass die besagte Untersuchung
zur Beratungsqualität bereits 1998 publiziert
wurde, also schon etwa 15 Jahre alt ist. Selbstverständlich möchte ich nicht behaupten, dass
es solche Beratungsfehler heute nicht mehr
gibt. Aber es erscheint mir doch angebracht,
den tatsächlichen Ablauf einer HIV-Testung
im Jahr 2012 zu erläutern und aus unseren eigenen Untersuchungen ein paar ergänzende
Daten zu liefern.
»Sensitivität« und »Spezifität«
Um die Qualität eines HIV-Tests unabhängig
von der untersuchten Population beurteilen
zu können, werden die Kennzahlen »Sensitivität« und »Spezifität« herangezogen. Dafür
werden Proben herangezogen, die von Personen mit bekanntem HIV-Infektionsstatus
stammen. Für die Zulassung (CE-Kennzeichnung) eines neuen HIV-Suchtests müssen dabei mindestens 4.000 HIV-negative und mindestens 400 HIV-positive Proben untersucht
werden. Die so ermittelten Kennzahlen sind
Sensitivität und Spezifität. Dabei gibt die Sensitivität an, mit welcher Wahrscheinlichkeit
eine HIV-infizierte Person im Test auch als
positiv erkannt wird, und die Spezifität sagt,
mit welcher Wahrscheinlichkeit eine nicht mit
HIV infizierte Person im Tests ein negatives
Ergebnis aufweist. Beide Kennzahlen liegen
für die heute verwendeten Tests im Bereich
von 99,9 % oder mehr. Mit diesen Werten sind
HIV-Tests in Bezug auf ihre Qualität führend
nicht nur im Bereich der Infektionskrankheiten, sondern auch im Vergleich zu Labortests
in anderen medizinischen Bereichen wie der
Krebsfrüherkennung oder der HerzinfarktDiagnostik. Dennoch kommen auch bei so
guten Tests falsch positive ebenso wie falsch
negative Ergebnisse vor. Und wenn in einer
Tabelle 1: Positiver Vorhersagewert eines HIV-Tests mit einer Sensitivität und Spezifität von 99,9 %
in Abhängigkeit von der HIV-Prävalenz bei jeweils 10.000 getesteten Personen
HIV-Prävalenz
richtig positiv
(Anzahl)
falsch positiv
(Anzahl)
Positiver prädiktiver Wert
10 %
999
9
99 %
5%
500
10
98 %
2%
200
10
95 %
1%
100
10
91 %
0,5 %
50
10
83 %
0,2 % *
20
10
67 %
0,1 %
10
10
50 %
0,05 %
5
10
33 %
0,02 %
2
10
17 %
0,01 %
1
10
9%
* Die durchschnittliche HIV-Prävalenz bei Erwachsenen in Deutschland liegt bei etwa 0,2 %.
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untersuchten Gruppe tatsächliche HIV-Infektionen selten sind, kann es durchaus sein, dass
die Mehrzahl der positiven Testergebnisse
falsch positiv sind. Hier kommt der sogenannte »positive Vorhersagewert« ins Spiel. Dieser
geht nicht wie Sensitivität und Spezifität vom
Infektionsstatus der getesteten Personen aus,
sondern vom Testergebnis. Er gibt an, welcher
Anteil der Personen mit einem positiven Testergebnis tatsächlich infiziert ist, und dieser
Wert ändert sich trotz identischer Sensitivität
und Spezifität sehr stark – je nachdem, wie
hoch der Anteil HIV-Infizierter (die HIV-Prävalenz) im getesteten Kollektiv ist (Tabelle 1). Die
absolute Zahl der falsch positiven Testergebnisse bleibt konstant, aber ihr Anteil an allen
positiven Testergebnissen wird immer höher,
je geringer die Zahl der Infizierten und damit
»echten« Positiven ist.
Wie kann man echte von falschen
Positiven unterscheiden?
Um zu klären, was tatsächlich hinter dem positiven (oder besser zunächst nur als »reaktiv«
bezeichneten) Ergebnis eines HIV-Screeningtests steckt, ist die Durchführung weiterer Untersuchungen erforderlich. Im einfachsten Fall
wird ein zweiter Test durchgeführt, der ebenfalls nur »reaktiv« oder »nicht reaktiv« als Ergebnis hat. Ist auch dieser reaktiv, würde man
von einer bestätigten HIV-Infektion ausgehen.
Hat der zweite Test ebenfalls eine Spezifität
von 99,9 %, kommt man rechnerisch auf nur
noch einen falsch Positiven auf 1 Million Getestete. Der positive prädiktive Wert läge dann
auch bei einer Prävalenz der HIV-Infektion
von 0,01 % (1 pro 10.000) bei etwa 99 %, da
unter einer Million Getesteten dem einen
falsch Positiven 100 tatsächlich infizierte TestPositive gegenüberständen. In der Praxis wird
die kombinierte Spezifität zweier Tests sicher
nicht ganz so hoch sein wie theoretisch errechnet, denn Störfaktoren, die zu falsch positiven Testergebnissen führen, werden nicht
bei beiden Tests komplett verschieden sein,
sondern sich zum Teil überlappen. Hinzu
kommt noch, dass es bei dem am häufigsten
als Bestätigungstest verwendeten Immunoblot keine eindeutige Zweiteilung in negative
und positive Ergebnisse anhand von Zahlenwerten gibt, wie das bei Suchtesten meistens
der Fall ist. Abbildung 1 zeigt anhand einer
exemplarischen Testserie von 9 Proben mit reaktivem HIV-Suchtest die Bandbreite möglicher Immunoblot-Ergebnisse recht gut auf.
Sie reicht von einer im Immunoblot komplett
negativen Probe (Streifen 6, hier ist nur die
Kontrollbande zu erkennen, die anzeigt, dass
der Test korrekt durchgeführt wurde) über
Proben mit sehr zweifelhaften Ergebnissen
(Streifen 2, 4, 5, 7), eine Probe, die zwar nach
6
• Anzahl der Proben mit reaktivem
HIV-Screeningtest: 151
• Bestätigt positiv
im Immunoblot:
63 (davon 6 HIV-2)
• Negativ für HIV-Antikörper
im Immunoblot:
64
• Unklare /fragliche Ergebnisse
im Immunoblot:
24
Bei der weiteren Abklärung konnte bei den 64
im Immunoblot Negativen in 2 Fällen (3 %) eine akute HIV-Infektion mit noch negativem
Antikörpertest, aber positivem Virusnachweis
gesichert werden. In den anderen Fällen kann
man mit großer Sicherheit davon ausgehen,
dass keine HIV-Infektion vorliegt, da dem
reaktiven Screeningtest-Ergebnis mindestens
zwei, meist sogar drei negative Ergebnisse in
zur Bestätigung durchgeführten Tests gegenüberstehen. Von den 24 Fällen mit fraglichen
Immunoblot-Ergebnissen hatten 6 (25 %)
eine durch positiven Virusnachweis bestätigte
HIV-Infektion. Bei drei weiteren Proben besteht trotz des negativen Virusnachweises der
Verdacht auf eine HIV-Infektion, da zwei unterschiedliche Screeningtests reaktiv waren.
Bei den verbleibenden 15 Fällen ergibt sich
aus den weiteren Tests kein Hinweis auf eine
eventuell nicht erkannte HIV-Infektion.
7
10
9
8
A
Serum
Control
HIV-2
7
p17
6
p24
5
p31
4
p66
p55
p51
gp41
p39
3
gp160
gp120
2
PROTEIN FINDER
Note: This is intended as an aid for identification of HIV viral
protein bands of MPD HIV BLOT 2.2. The viral protein bands are
usually at a proportional distance similar but not necessarily
identical to that on the diagram.
den meisten, aber nicht nach allen Interpretationsrichtlinien als HIV-Antikörper-positiv
eingestuft würde (Streifen 9), bis zu Proben,
bei denen die Einstufung als HIV-Antikörperpositiv unstrittig ist (Streifen 3, 8, 10). Sensitivität und Spezifität hängen daher stark von
den angelegten Kriterien ab, die für ein positives Immunoblot-Ergebnis gefordert werden.
Legt man sehr strenge Kriterien an, indem man
etwa nur Proben wie 3, 8 und 10 als im Immunoblot bestätigte HIV-Positive anerkennt,
ist die Spezifität sehr hoch. Wenn es sich nicht
um Neugeborene HIV-infizierter Mütter oder
um Patienten unter antiretroviraler Therapie
handelt, wird man in diesen Fällen in etwa
99 % auch eine nachweisbare Viruslast im
Plasma finden und bei den Übrigen zumindest
in den Blutzellen die integrierte provirale HIVDNA nachweisen können.
Wie steht es aber um die Fälle mit einem
reaktiven Screeningtest, die sich im Immunoblot nicht als eindeutig positiv bestätigen lassen? Hier muss berücksichtigt werden, dass es
sich bei den HIV-Screeningtests heute fast immer um Kombinationstests handelt, die sowohl HIV-Antikörper, als auch HIV-Antigen
(also einen Virusbestandteil) nachweisen. Mit
dem Immunoblot kann nur die AntikörperKomponente eines Screeningtests überprüft
werden. Daher ist nicht nur bei allen unklaren
Immunoblot-Ergebnissen, sondern auch bei
einem komplett negativen Immunoblot nach
reaktivem Screeningtest immer ein direkter Virusnachweis, entweder mit einem speziellen
HIV-Antigentest oder mit einem HIV-RNANachweis (»Viruslast-Bestimmung«) zu empfehlen. Am Beispiel der Proben mit reaktivem
HIV-Screeningtest aus unseren Einsendungen
2010 und 2011 werden nachfolgend die Ergebnisse der Bestätigungsdiagnostik dargestellt:
Abb. 1: HIV-Immunoblot von 9 Proben aus der Diagnostik des Virologischen Instituts –
Universitätsklinikum Erlangen
Insgesamt ergibt sich damit in diesem Probenkollektiv für reaktive Ergebnisse in einem
HIV-Screeningtest ein positiver prädiktiver
Wert von 47 % (71 von 151). Mit den Ergebnissen der Bestätigungstests gehen wir davon
aus, dass bei eindeutig positiver Bestätigungsdiagnostik keinem einzigen Patienten ein positives Testergebnis mitgeteilt wurde, der nicht
HIV-infiziert war. Bei drei Patienten (2 % der
ursprünglich reaktiv Getesteten) besteht der
Verdacht auf eine HIV-Infektion, obwohl sie
durch den direkten Virusnachweis nicht erhärtet werden konnte.
Für die Beratung vor einem HIV-Test ist
auch die Teststrategie von Bedeutung. Wenn
sich eine erste Aussage nur auf das Ergebnis
eines Tests stützen kann, wie es bei der Verwendung von HIV-Schnelltests der Fall ist,
muss auch bei sehr guten Leistungsdaten des
Tests mit einem erheblichen Anteil falsch positiver Ergebnisse gerechnet werden. Kann man
vor der Mitteilung an den Probanden aber auf
eine differenzierte Bestätigungsdiagnostik
zurückgreifen, spielen falsch positive Ergebnisse nur eine sehr untergeordnete Rolle.
PrEP und TasP –
Zahlenspiele in klinischen Studien
Ein zweiter Bereich, bei dem sich mit statistischen Kennzahlen jonglieren lässt, sind klinische Studien zur medikamentösen Behandlung. Hier wurden in der letzten Zeit im
Bereich HIV eine Reihe von Studien zu den
Themen PrEP (Präexpositionsprophylaxe) und
TasP (»Treatment as Prevention« = Therapie als
Prophylaxe) veröffentlicht.
Präexpositionsprophylaxe heisst, dass nicht
mit HIV infizierte Personen behandelt werden,
um eine Infektion zu verhindern. Es werden
hier die gleichen Medikamente verwendet, die
auch für die Behandlung der HIV-Infektion
eingesetzt werden. Allerdings wird nicht eine
komplette Kombinationstherapie (HAART) gegeben, sondern nur ein oder zwei Medikamen-
te. In den kürzlich publizierten Studien wurde vor allem die Fixkombination aus dem
Nukleotidanalog Tenofovir und dem Nukleosidanalog Emtricitabin eingesetzt, die unter
dem Namen Truvada® im Handel ist. Daneben
wurde auch Tenofovir als Einzelsubstanz untersucht. Für Tenofovir gibt es neben dem Einsatz in Tablettenform auch eine Studie, in der
der Effekt eines Tenofovir-haltigen Gels zur
vaginalen Anwendung auf die HIV-Infektionsrate bei seronegativen Frauen untersucht
wurde. Im Gegensatz zu früheren Studien mit
vaginalen Mikrobiziden konnte in dieser Studie erstmals eine signifikante Reduktion der
HIV-Infektionsrate gezeigt werden.
Therapie als Prophylaxe bedeutet dagegen,
dass HIV-Infizierte mit dem Ziel behandelt
werden, über die Therapie-bedingte Senkung
der Viruslast die Infektiosität zu reduzieren
und damit die Wahrscheinlichkeit der HIVÜbertragung auf einen seronegativen Partner
zu verringern. Dieses Prinzip ist schon seit der
1994 publizierten ACTG076-Studie als wesentlicher Baustein zur Verhinderung der MutterKind-Übertragung von HIV fest etabliert, wurde jetzt aber auch für die Verminderung der
Häufigkeit der sexuellen Übertragung in einer
großen Studie mit mehr als 1.700 HIV-diskordanten Paaren in 9 Ländern untersucht.
Die Ergebnisse einer solchen Studie kann
man auf unterschiedliche Art und Weise darstellen. Besonders beliebt ist die Angabe der
»relativen Risikoreduktion (RRR)«. Diese gibt
an, um welchen Prozentsatz die Zahl der Ereignisse (in unserem Fall HIV-Übertragungen)
in der Therapiegruppe niedriger liegt als in der
Vergleichsgruppe. Wie Tabelle 2 (Seite 8) zeigt,
liegen diese Werte in den erfolgreichen Studien zu PrEP und TasP zwischen 39 % für die
vaginale Anwendung von Tenofovir-Gel zur
Präexpositionsprophylaxe und 96 % für die
»Treatment as Prevention« -Studie, wenn man
bei Letzterer nur die nachweislich vom behandelten Partner erworbenen Infektionen bewww.virologie.uni-erlangen.de
Tabelle 2: Studien zur Präexpositionsprophylaxe
(PrEP) und Therapie als Prophylaxe (TasP)
Studie
Medikament(e)
RRR
Caprisa
T vaginal 39 %
ARR
NNT
3,5 % 29
iPrEx
T+E oral
44 %
1,7 % 59
Partners
T oral
67 %
1,35 % 74
Partners
T+E oral
75 %
1,5 % 67
TDF2
T+E oral
62 %
1,9 % 53
96 %
1,6 % 63
HPTN052* HAART
ACTG076 Zidovudin 67 % 17,3 %
6
T = Tenofovir allein · T + E = Tenofovir+Emtricitabin · * nur »linked transmissions«
rücksichtigt (»linked transmissions«). Dies wird
dann – vollkommen korrekt – in Aussagen
umgesetzt wie »44 % Schutz vor HIV-Infektion
– AIDS-Medikamente reduzieren HIV-Infektionsrisiko bei HIV-Negativen« oder »HIV-Übertragung um 96 % verringert – frühe Behandlung schützt Partner«. Worüber diese Zahlen
jedoch nichts aussagen, ist die absolute Größe
des Effekts. Wenn sich bei 100 Studienteilnehmern 10 von 20 Infektionen verhindern lassen, entspricht dies ebenso einer relativen Risikoreduktion von 50 %, wie wenn von zwei
Infektionen eine verhindert wird. Daher ist eine weitere wichtige Kennzahl, die jedoch in
den Publikationen der Studien praktisch nie
genannt wird, die »absolute Risikoreduktion
(ARR)«. Diese lässt sich aus den Häufigkeiten
der Ereignisse in den Studien leicht errechnen.
Wenn beispielsweise in der Kontrollgruppe
drei Infektionen auf 100 Beobachtungsjahre
registriert werden, in der Therapiegruppe aber
nur eine Infektion auf 100 Beobachtungsjahre, ergibt sich daraus eine absolute Risikoreduktion von 2 % (bei einer relativen Risikoreduktion von 67 %). Aus der absoluten
Risikoreduktion kann dann auch die »number
needed to treat (NNT)« berechnet werden. Das
ist die Zahl der Personen, die behandelt werden müssen, um ein Ereignis (in unserem Fall
eine HIV-Übertragung) zu verhindern. Im genannten fiktiven Beispiel läge die NNT bei 50,
d.h. 50 Personen müssen ein Jahr lang behandelt werden, um eine Übertragung zu verhindern. Tabelle 2 zeigt, dass die absolute Risikoreduktion in den erfolgreichen Studien zu
PrEP und TasP zwischen 1,35 % und 3,5 %
liegt. Die »number needed to treat« liegt dementsprechend zwischen 29 und 74. Für die
PrEP-Studien heisst das also, dass 30 bis 70
HIV-Negative ein Jahr lang Medikamente einnehmen müssen, um eine HIV-Infektion zu
verhindern bzw. für die »Treatment as Prevention«-Studie HPTN052, dass eine frühe Behandlung von etwa 60 HIV-Infizierten über
ein Jahr notwendig ist, um eine Übertragung
auf den uninfizierten Partner zu verhindern.
Die ACTG076-Studie aus dem Jahr 1994
zur Prävention der Mutter-Kind-Übertragung,
die zum Vergleich ebenfalls in der Tabelle aufgeführt ist, zeigt dagegen bei einer relativen
Risikoreduktion von 67 % eine wesentlich
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höhere absolute Risikoreduktion von 17,3 %.
Damit beträgt die NNT nur 6 – es müssen also 6 Schwangere (und Neugeborene) behandelt werden, um eine HIV-Übertragung auf
das Kind zu verhindern. Dass die absolute
Risikoreduktion in dieser Studie wesentlich
höher ist als in den neuen Studien zu PrEP und
TasP hat nichts mit unterschiedlichen Wirksamkeiten der Medikamente zu tun, sondern
nur damit, dass die Wahrscheinlichkeit der
Übertragung von der Mutter auf das Kind ohne Intervention mit mehr als 20 % viel höher
liegt als die Wahrscheinlichkeit der sexuellen
Übertragung, die in den Kontroll-Armen der
PrEP- und TasP-Studien zwischen 2 % und 5 %
pro Beobachtungsjahr liegt. Liegt die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, niedriger als in diesen Studien (was für die PrEP in
Deutschland fast überall der Fall sein dürfte),
nimmt die absolute Risikoreduktion bei gleicher Effektivität der Therapie noch weiter ab
und die NNT steigt entsprechend an.
Die NNT ist auch eine wichtige Zahl, für die
Ermittlung der Kosteneffektivität einer Interventionsmaßnahme. In den Settings der klinischen Studien zur Präexpositionsprophylaxe
mit oraler Medikamenteneinnahme lag die
NNT bei etwa 50 bis 60. Nach den aktuellen
Preisangaben der Roten Liste kostet Truvada ®
für eine Person pro Jahr etwa 10.000 €. Daher
muss bei aller Euphorie über diese ja durchaus positiven Studienergebnisse die Frage erlaubt sein, ob es nicht viele Möglichkeiten in
der HIV-Prävention gibt, wo das eingesetzte
Geld einen größeren Nutzen bringen kann.
IMPRESSUM
Herausgeber: Virologisches Institut
Klinische und Molekulare Virologie
Universitätsklinikum Erlangen
Schlossgarten 4 · D-91 054 Erlangen
Tel.: 09 131 / 85 - 2 - 40 10
Fax: 09 131 / 85 - 2 - 21 01
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Redaktion: Dr. Angela Nagel (V.i.S.d.P.)
Tel.: 09 131 / 852 57 90
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Manuskriptbearbeitung:
Dr. Angela Nagel / Dr. Klaus Korn
Grafische Gestaltung:
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Druck: Druckhaus Haspel, Erlangen
AKTUELLER HINWEIS
Das Nationale Referenzzentrum
für Retroviren befindet sich seit dem
1. Oktober 2012 am Institut für Medizinische Virologie der J. W. GoetheUniversität Frankfurt am Main unter
der Leitung von Prof. Dr. O. Keppler.
Weitere Informationen stehen Ihnen
unter folgendem Link zur Verfügung:
Dr. med. Klaus Korn
Institut für Klinische und Molekulare
Virologie, Universitätsklinikum Erlangen
http://www.kgu.de/institute/zentrumder-hygiene/medizinische-virologie/
medizinische-virologie/nationalesreferenzzentrum-fuer-retroviren.html
[email protected]
Literaturhinweise
Anglemyer A, Rutherford GW, Baggaley RC at al.
Antiretroviral therapy for prevention of HIV transmission in HIV-discordant couples. Cochrane Database Syst Rev 2011 Aug 10; (8): CD009153. PubMed
PMID: 21833973.
Baeten J, Celum C. Systemic and Topical Drugs
for the Prevention of HIV Infection: Antiretroviral
Pre-exposure Prophylaxis. Annu Rev Med 2012 Sep
27. [Epub ahead of print] PubMed PMID: 23020883.
WIR DANKEN FOLGENDEN FIRMEN
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Links
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/vieleaerzte-verstehen-statistiken-zu-diagnosen-nichta-844210.html
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