Jugendschutz - Landeskriminalamt Niedersachsen

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Jugendschutz - Landeskriminalamt Niedersachsen
Landeskriminalamt
Niedersachsen
32.4- 51602
Stand: 01.04.2006
Jugendschutz
-Zuständigkeiten der Polizei und Jugendämter1. Rechtslage
Gemäß § 1 (3) des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) ist jungen Menschen und ihren
Familien eine positive Lebensbedingung sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt
zu erhalten oder zu schaffen.
Dazu sollen gemäß § 14 (1) KJHG den Kindern und Erziehungsberechtigen Angebote des
erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes gemacht werden. Dies ist primär als originäre
Aufgabe von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit zu verstehen.
2. Zuständigkeiten
Nach § 15 KJHG i.V.m. § 1 Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes
(AG KJHG)1 werden Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe durch das Jugendamt der
jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte erfüllt
Gemäß § 16 (1) AG KJHG sind die Städte und Gemeinden, die ein Jugendamt errichtet
haben, verantwortlich für die Überwachung der Einhaltung der Gesetze zum Jugendschutz
(Anlage 2). Hier ist allerdings nicht ausdrücklich festgeschrieben, dass diese Aufgabe
zwingend durch das jeweilige Jugendamt erfüllt werden muss; es bietet sich aber an, wie
unter Ziff. 3.3 noch erläutert wird.
Nach § 1 (1) Nds.SOG haben Verwaltungs- und Polizeibehörden gemeinsam die Aufgabe
der Gefahrenabwehr, wobei die Polizei gemäß § 1 (2) Nds.SOG nur tätig wird, wenn die
Gefahrenabwehr durch die Verwaltungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich
erscheint.
„Nicht möglich“ ist der Verwaltungsbehörde die Wahrnehmung von Aufgaben, wenn ihr die
hierzu erforderlichen Befugnisse, die nötigen Vollzugskräfte oder Mittel oder die besonderen
Sachkenntnisse fehlen.
„Nicht rechtzeitig möglich“ ist ein Tätigwerden der Verwaltungsbehörde, wenn diese trotz
sofortiger Unterrichtung durch die Polizei erst zu spät, d.h. nach Schadenseintritt,
Maßnahmen treffen könnte.
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Das AG KJHG werden überarbeitet; die dort genannten Gesetze (GjS; JöSchG) haben keine Gültigkeit mehr.
Jugendschutz – Zuständigkeiten der Polizei und Jugendämter
Bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendschutzes handelt es sich überwiegend
nicht um „Sofortlagen“ bzw. Gefahrenlagen, die unaufschiebbare Maßnahmen erfordern.
Somit ist festzustellen, dass in diesem Handlungsfeld keine originäre Zuständigkeit der
Polizei gegeben ist.
Die Polizei hat die ihr bekannten Informationen über mögliche Gefahrenlagen unmittelbar der
Verwaltungsbehörde mitzuteilen und leistet ihr bei deren Beseitigung die über die im
§ 16 AG KJHG hinaus notwendig werdende Vollzugshilfe.
Das bedeutet für die Umsetzung im Land Niedersachsen – wie bisher auch -, dass die
Initiierung von sog. „Jugendschutzkontrollen“ z.B. in Diskotheken, Videotheken, Internetcafes
Aufgabe der Verwaltungsbehörde ist, nicht die der Polizei.
Gem. § 1 (2) VollzBeaVO können die Verwaltungsbehörden der Gefahrenabwehr im
Rahmen ihrer Zuständigkeit Verwaltungsvollzugsbeamte für den Jugendschutz bestellen.
Eine polizeiliche Schwerpunktsetzung im Bereich des Jugendschutzes kommt daher nicht in
Betracht.
Polizei und Verwaltungsbehörden unterrichten sich gegenseitig, soweit dies zu Gefahrenabwehr erforderlich ist.
Gemäß § 3 (1) Nds.SOG gehen besondere gesetzliche Vorschriften als Spezialvorschriften
den Regelungen des Nds.SOG vor. Beim Jugendschutz handelt es sich um eine solche
Vorschrift der spezialisierten Gefahrenabwehr, woraus sich zwingend die Anwendung des
Subsidiaritätsprinzips
ergibt;
d.h.
hier
greifen
die
Spezialvorschriften
des
Jugendschutzgesetzes (JuSchG) und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV)
i.V.m. § 16 AG KJHG.
3. Polizeilicher Handlungsrahmen
§ 14 KJHG stellt primär den präventiven und erzieherischen Jugendschutz in den
Vordergrund. In Konsequenz des übergreifenden Gestaltungsanspruches von Jugendhilfe
sollten jedoch auch weitere Handlungsansätze im kontrollierenden und strukturellen
Jugendschutz mit einbezogen werden.
Die Wahrnehmung des Jugendschutzes wird durch einen ursachenorientierten Ansatz
geprägt und entscheidend bestimmt. Dabei steht nicht das problematische Verhalten von
Jugendlichen, sondern die Ursachen, welche dieses Verhalten ausgelöst haben im
Vordergrund. Ziel ist es, mit erzieherischer Arbeit eine Änderung und/oder Beseitigung des
Verhaltens herbeizuführen.
Die unterschiedlichen Handlungszusammenhänge und Problemfelder lassen sich anhand
des Orientierungsschemas nach Nikles (in KJS in der Jugendhilfeplanung, BAJ, Luchterhand 1996)
verdeutlichen:
Herausgeber:
Landeskriminalamt Niedersachsen
Am Waterlooplatz 11
30169 Hannover
Ansprechpartner im LKA NI, Dez. 32.4FeSoNe(Pol) 07-20-3244, Telekom 0511/26262-3244
E-Mail: [email protected]
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Jugendschutz – Zuständigkeiten der Polizei und Jugendämter
Handlungskontexte
Missbrauch
Kulte
Handlungsmittel
Sucht
Erziehung
Information
Arbeit
Handlungsformen
Politik
Erzieherischer
Kinder- und
Jugendschutz
Medien
Recht
Delinquenz
Kinder- und
Jugendschutz
Struktureller
Kinder- und
Jugendschutz
Kontrollierend-eingreifender
Kinder- und Jugendschutz
Wertorientierung
Freizeitkonsum
Organisation
Planung
Sexualität
Fachwissen
Gesundheit
Umwelt
3.1 Erzieherischer Jugendschutz
Junge Menschen sollen durch Einwirkung auf die Entwicklungsprozesse befähigt werden,
sich selbst vor gefährdenden Einflüssen zu schützen, um möglichen
Gefährdungseinflüssen nicht zu erliegen. Dabei gilt es nicht nur warnend zu agieren,
sondern die trag- und entwicklungsfähige Kompetenz positiv zu verstärken.
Hier liegt die Aufgabe der Polizei darin, Kenntnisse über Gefahrenpotentiale zu sammeln,
auszuwerten und an zuständige Institutionen weiterzuleiten, u.U. auch sofort tätig zu
werden. Hier ist zu differenzieren, ob das Zuwarten des Tätigwerdens der
Verwaltungsbehörde nicht eher der primär pädagogischen Intention des JuSchG
entspricht.
3.2 Struktureller Jugendschutz
Es sollen positive Lebensbedingungen geschaffen werden und durch strukturelle
Maßnahmen gegen Gefahrenpotentiale und schädliche Umwelteinflüsse angegangen
werden.
Die Aufgabe der Polizei besteht u.a. darin, bei Bauleitplanungen mitzuwirken, mit dem
Ziel, kindgerechte Lebensräume zu schaffen, auf Verkehrsberuhigung und
Wohnumfeldverbesserungen Einfluss zu nehmen, die Zunahme passiver Erlebnisstätten
(Spielhallen) zu vermindern und als Alternativen Angebote einer Freizeitgestaltung mit zu
entwickeln.
3.3 Kontrollierender Jugendschutz
Der kontrollierende Jugendschutz hat durch kontrollierende Maßnahmen die Einhaltung
der speziellen Jugendschutzgesetze sicherzustellen. Kinder und Jugendliche dürfen nur
in möglichst geringem Umfang den ihr Wohl gefährdenden Lebensumständen ausgesetzt
werden.
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Jugendschutz – Zuständigkeiten der Polizei und Jugendämter
Wegen den räumlich nur noch schwer eingrenzbaren und zeitlich sowie inhaltlich kaum
noch steuerbaren Zugangsmöglichkeiten, nimmt der kontrollierende Jugendschutz
vielfach nur eine begleitende Funktion wahr.
Eine zumindest gleichrangige Funktion ist allerdings unverzichtbar, um vor allem extreme
Gefährdungen pädagogisch, rechtlich und jugendpolitisch bewerten und ggf.
sanktionieren zu können.
Die Aufgaben des kontrollierenden Jugendschutzes sind in erster Linie von den
zuständigen Verwaltungsbehörden wahrzunehmen. Darunter fällt u.a. auch die Initiierung
von sog. „Jugendschutzkontrollen“ in Diskotheken, Videotheken, Internetcafes und die
sich daraus ergebende Beurteilung eines jugendgefährdenden Ortes bzw. der
Verbreitung jugendgefährdender Schriften. In diesem Kontext ist hinsichtlich möglicher
Indizierungsanträge die fachliche Kompetenz der Jugendpflege unabdingbar. Die Polizei
ist hier nicht originär zuständig.
4. Bezugsrahmen für die Wahrnehmung des Jugendschutzes
Der Jugendschutz kann nur zum Teil als eigenständiges Aufgabenfeld gesehen werden.
Daher ist er als Querschnittsaufgabe zu verstehen, was im nachfolgenden Schema
„Regulative Denkfigur“ nach Nikles (in KJS in der Jugendhilfeplanung, BAJ, Luchterhand 1996)
verdeutlicht wird:
Regulative Denkfigur
Schutz junger Menschen vor Gefährdung und Beeinträchtigung ihrer Entwicklung
Aufgabenfelder der Kinder- und Jugendhilfe
Jugendarbeit
Kinder- und
Jugendschutz
Erzieherische
Hilfen
...
Andere
Institutionen
FachFachaufgabe
aufgabe
Querschnittsaufgabe
Um eine effektive Aufgabenwahrnehmung im Jugendschutz sicherzustellen, ist eine
stabile Kooperation (Netzwerk) mit den zuständigen Behörden und Einrichtungen (KiTa,
JGH, Justiz, Polizei, Soziale Dienste, Selbsthilfeeinrichtungen) anzustreben, zu sichern
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Jugendschutz – Zuständigkeiten der Polizei und Jugendämter
und konzeptionell die erzieherische Dimension durch die kontrollierende und strukturelle
Dimension angemessen zu flankieren.
Jugendschutz stellt sich als eine gemeinsame Aufgabe aller an der Erziehung und
Bildung Beteiligten und somit als ein Teil des gemeinsamen erzieherischen Bemühens
dar. Das trifft zwar auch auf die Polizei zu, ist aber nicht ihre originäre Aufgabe.
Die sich aus § 16 AG KJHG ergebende originäre Zuständigkeit liegt eindeutig bei den
Jugendämtern.
Die Polizei sollte im Hinblick auf zukünftige Schwerpunktsetzungen keine weiteren
Aktivitäten in diesem Aufgabenbereich entwickeln und sich auf ihre originären Aufgaben
beschränken.
5. Verstöße im Bereich Medienschutz
Zeitgleich zum neuen Jugendschutzgesetz ist am 01.04.2003 der JugendmedienschutzStaatsvertrag (JMStV) in Kraft getreten.
Bei festgestellten Verstößen im Bereich Internet oder sonstigen Online-Medien
(Rundfunk und Fernsehen) ist zusätzlich zu den polizeilichen Ermittlungen auch die
Landesmedienanstalt
Seelhorststraße 18
30175 Hannover
Tel. 0511/28477-0
zu informieren.
Von dort aus wird das weitere Anbieten dieser Internetseiten, Filme oder
Hörfunkdarbietungen untersagt. Bei Nichtbefolgen werden entsprechende Bußgelder
festgesetzt.
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