Dr. Thomas Arnold Der herzkranke Patient auf Flugreisen

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Dr. Thomas Arnold Der herzkranke Patient auf Flugreisen
Dr. Thomas Arnold
Der herzkranke Patient auf Flugreisen
„Unvorbereitetes Wegeilen schafft unglückliche
Wiederkehr. “
Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters
Lehrjahre
Einführung:
Weltweit fliegen mehr als 2. Milliarden Passagiere pro Jahr, steigende Anzahl. Dadurch auch viele ältere Reisende, naturgemäß häufiger mit Krankheiten. Die Zahl
der älteren und kranken Passagiere wird sich gleichermaßen wie die Anzahl der
Passagiere weltweit erhöhen.
Ziel:
Die Patienten sollen vor der Flugreise beraten werden. Durch vorbeugende Maßnahmen und Therapieempfehlungen soll das Risiko für die Reise minimiert werden.
Die Ärzte sollen mit den Problemen Kranker auf Flugreisen vertraut gemacht werden, um Risikopatienten besser beraten und behandeln zu können.
Bei den kardialen Risikopatienten handelt es sich um Patienten mit angeborenen
Herzfehlern, Herzschwäche, Angina pectoris, Zustand nach Bypassoperation, Patienten mit künstlichen Herzklappen, Schrittmacherpatienten, implantierbare Defibrillatoren, Bluthochdruck, Rhythmusstörungen etc.
Einfluß des Sauerstoffmangels bei Flugreisen:
Die Flughöhe der Verkehrsmaschinen beträgt zwischen 10.000 und 15.000 Metern. Technisch bedingt wird der Kabineninnendruck mit Druckausgleich auf ca.
1.500 – 2.400 Meter eingestellt.
Folge: Sauerstoffmangel, die O2-Sauerstoffsättigung im Blut liegt normalerweise
bei 99 %, bei der angegebenen Höhe von bis zu 2.400 Metern sinkt die Sättigung
auf 90 %. Dadurch entsteht eine Mehratmung (Hyperventilation), Zunahme der
Herzfrequenz, Abnahme des peripheren Gefäßwiderstandes, Zunahme des Herzzeitvolumens. Insgesamt entsteht ein erhöhter Sauerstoffverbrauch des Herzens.
Der Kohlendioxidgehalt im Blut nimmt durch die Mehratmung ab, der verminderte
CO2-Gehalt führt außerdem zu einer verminderten Sauerstoffabgabe im Gewebe.
Folgen für die Passagiere:
1.
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Ein gesunder Passagier merkt von den oben genannten Veränderungen
praktisch nichts
Der erhöhte Sauerstoffverbrauch kann bei Patienten mit Herzkrankheiten,
ins besondere mit KHK (Einengung der Herzkranzgefäße) zu Angina pectoris,
Rhythmusstörungen und Herzschwäche führen.
Flugangst, Reisestreß, Rauchen und
z. B. Blutarmut können als potenzierende Faktoren dazutreten. Ein Circulus vitiosus kann auftreten, wenn
gleichzeitig noch Lungenkrankheiten
(COPD) vorliegen.
Solche Patienten sind keine Seltenheit, eine Risikoabschätzung kann
jedoch nur individuell im Einzelfall
durch fachärztliche Untersuchung
vorgenommen werden.
Prävention und Reisevorbereitung:
Herzkranke Patienten sollten sich vor der Reise mit ihrem Hausarzt besprechen und
untersuchen lassen. Bei besonderen Problemen sollte ein Facharzt (in diesem Fall
der Kardiologe) hinzugezogen werden.
Sorgfältige Reiseplanung zur Vermeidung von
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Reisestreß
Übermüdung
Überanstrengung
Einzelne Krankheitsbilder:
Stabile koronare Herzkrankheit und Herzschwäche:
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Stabile koronare Herzkrankheit und Herzschwäche. Im Alltag stabile
Patienten, die z. B. 2 Treppenetagen ohne Luftnot oder Schmerzen laufen
können, können in der Regel ohne Probleme reisen.
Medikamente sollten im Handgepäck mitgeführt werden. Im Frachtraum
nutzen sie bei der Reise wenig.
Die letzten Arztberichte sollten mitgeführt werden.
Eine Kopie des letzten EKG`s sollte mitgeführt werden.
Medikamentenliste mit Generikanamen mitführen.
Ggf. Marcumarausweis mitnehmen.
Ggf. Herzklappenausweis mitnehmen.
Nicht-stabile Patienten:
(solche, die unter geringer Belastung oder schon in Ruhe Beschwerden haben):
Unbedingt vorherige ärztliche Abklärung, ebenfalls Reise nur in Begleitung möglich,
ggf. Sauerstofftherapie.
Patienten nach Bypassoperation:
Kein besonderes Risiko, wenn stabil und gut belastbar (2 Treppenetagen).
Falls Beschwerden (Luftnot, Angina pectoris, Rhythmusstörungen): Unbedingt vorher kardiologische Abklärung.
Akutes Koronarsyndrom:
nach akutem Infarkt - instabile Angina pectoris (Brustschmerzen schon in Ruhe)
Möglichst noch im Urlaubsland abklären lassen (Ausnahme: Entwicklungsländer
ohne entsprechende klinische Einrichtungen).
Sicherer Transport meist erst 2-3 Wochen nach dem Akutergebnis möglich.
Nicht fliegen ohne Begleitung bei :
-
Herzinfarkt, innerhalb von 2-3 Wochen
Instabile Angina pectoris
Unkontrollierter Bluthochdruck
Schwere Herzschwäche
Symptomatischer Herzklappenfehler
Unkontrollierte Rhythmusstörungen
Frischer Hirninfarkt
Empfehlung:
Patienten vor Flugreisen (auch vor Heimreise) umfassende kardiologische Abklärung, ggf. Herzkatheteruntersuchung.
Nach PTCA (kathetertechnische Aufdehnung von Herzkranzgefäßen):
In der Regel nach 3-4 Tagen wieder reisefähig, sofern klinisch eindeutig gebessert.
Schrittmacherpatienten:
Meist keine Probleme, Ausweis mitnehmen, aktuelle Überprüfung des Schrittmachers vor der Reise, auf Flughäfen Personenkontrollgeräte meiden, rechtzeitig den
Ausweis vorzeigen (das Risiko, durch ein Personenkontrollgerät eine Schrittmacherfehlfunktion oder gar Ausfall des Schrittmachers zu erleiden, ist minimal, weltweit wurden erst insgesamt 17 (!) Fälle dokumentiert, von denen kein einziger dem
Patienten wirklich geschadet hat).
Herzklappenpatient:
Vorher kardiologische Abklärung, meist kein Problem, wenn stabil. Marcumareinstellung beachten. Bei eigener Gerinnungskontrolle (INR-Wert-Messungen) sind
längere Reisen möglich, deshalb möglichst vorher ein solches Gerät über den Kardiologen anschaffen. Bei Klappenpatienten wird ein Meßgerät zur Blutgerinnung
nach vorheriger Schulung in der Regel von den Krankenkassen übernommen.
Marcumar-Patienten:
Bei Marcumar-Patienten können Aufenthalte in den Tropen durch Durchfallerkrankung zu Gerinnungsproblemen führen. Besser ist hier, Länder mit entsprechendem
Hygienestandard und ärztlichen Einrichtungen zu bereisen, von Abenteuerurlaub in
Länder mit schlechten hygienischen Bedingungen sollte, auch wegen des erhöhten
Blutungsrisikos, abgeraten werden.
Nicht stabile Herzklappenpatienten sollten nicht fliegen.
FAZIT: Bei guter Vorbereitung und ärztlicher, kardiologischer Voruntersuchung,
konnten die meisten stabilen Patienten Flugreisen antreten. Im Zweifel sind vorher
kardiologische Untersuchungen notwendig.