Anpasserfahrungen mit Contact Life
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Anpasserfahrungen mit Contact Life
AKTUELL ■ Brauchen wir noch mehr Linsenvarianten im Austauschbereich? Die Präsentationen auf den Webseiten der Versandhändler und das Image auf Grund mancher Endverbraucherwerbung führen bei vielen Kunden zu der Fehlvorstellung, Kontaktlinsentragen sei so leicht und simpel, dass man sich alles billigst selbst erproben und beschaffen könne. Wenn es nicht gut funktioniert, sei man eben nicht dafür geeignet und greift wieder zur Brille Wir stellen immer wieder fest, dass wir durch unsere Anpassarbeit längerfristigen Kontaktlinserfolg auch bei Personen sicherstellen können, bei denen das erste Probetragen von marktbestimmenden Standardlinsen nicht erfolgreich war. Dazu brauchen wir aber nicht noch mehr baugleiche, lediglich anders verpackte Produkte mit anders klingenden Namen, sondern Linsen mit wirklich unterschiedlichen Gebrauchseigenschaften und möglichst vielen Parametern. Kontaktlinsen müssen auch weiterhin an verschiedene Augen und Anforderungen „angepasst“ und nicht nur „vertrieben“ werden. Anpasserfahrungen mit Contact Life Zur Fachmesse Opti München 2004 stellte die Firma Wöhlk Contactlinsen ihre neue, in den eigenen Labors entwickelte und in den eigenen Fertigungsstätten hergestellte EinmonatsAustauschlinse Contact Life offiziell vor. Die Linse besteht aus dem neuen bionischen Material Vitafilcon A und ist für den selektiven Vertriebsweg durch den Kontaktlinsenanpasser vorgesehen, nicht für den Versandhandel. Die Contact Life ist inzwischen bei Wöhlk zu einem bedeutenden Wachstumsfaktor geworden. Ihre Eigenschaften werden auch von Augenärzten sehr gelobt. Der Verfasser berichtet über seine Erfahrungen mit dieser Linse seit der ersten Anwenderstudie, die im Kontaktlinsenzentrum Maxam in Rostock und im Kontaktlinseninstitut Rehm in Kiel durchgeführt wurde. Das Ergebnis lautet: Die Linse ist zwar kein Dk-Wert Wunder, aber sie bleibt unter ungünstigen Tränenbedingungen länger sauber und beweglich auf dem Auge als andere vergleichbare Linsen. Im Unterschied zu anderen führenden biokompatiblen Linsen, die sich meist durch einen höheren Spontankomfort auszeichnen, bleibt die Contact Life am Abend länger frisch. 80 oder meldet sich zur Laser-OP an, ohne andere kontaktoptische Lösungsmöglichkeiten angeboten bekommen zu haben. Wir haben in der Kontaktlinsenbranche, wie auf vielen anderen Gebieten der Wirtschaft ebenfalls, einen Überfluss an Herstellern und Produkten zu verzeichnen. Vollends unübersichtlich wird die Situation durch die Eigenlabel, unter der viele Anbieter baugleiche Produkte vertreiben. Oft entsteht dadurch beim Kontaktlinsenverkäufer, und leider auch beim Kunden der Eindruck, es gäbe mit Ausnahme des Preises gar keine Unterschiede zwischen diesen Linsen. Schaut man sich jedoch im Rahmen einer Anwenderstudie einmal die Eigenschaften bestimmter ausgewählter Produkte etwas näher an, so bemerkt man bei den nicht baugleichen Linsen speziellere Eigenschaften, die eine Differenzierung nahe legen. „Anpassung“ bedeutet richtige Auswahl des Materials, des Tragemodus, der Formparameter, der Stärkenparameter und des Hygienesystems. „Service“ bedeutet laufende Optimierung der Anpasskriterien, des Hygienesystems sowie die Kontrolle der Verträglichkeit und Reizungsfreiheit. Eine einmal getroffene Anpassentscheidung ist nicht von unbegrenzter Gültigkeit. ■ Anforderungs- und Problemanalyse Die Kontaktlinsenberatung sollte nicht abschreckend problematisieren. Aber auf bestimmte Anforderungen und Risiken muss man unbedingt hineisen, damit ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Linsen gewährleistet, Handhabungs- und Hygienehinweise nicht missachtet und ein Wertbewusstsein für Augengesundheit und Augenfürsorge entwickelt werden. Im Mittelpunkt der Anforderungs- und Problemanalyse stehen Sehschärfe sowie Comfort und Tragezeit. Problemlösungen werden möglich durch das Beherrschen des gesamten Spektrums der: - Austauschsysteme von 1-Tages bis 6-Monatsrhythmus, - weichen Jahreslinsen – selektiv angepasst oder individuell angefertigt, - formstabilen Linsen – selektiv ausgewählt oder individuell angefertigt - und Ortho-Keratologie. Die vielfältigen Differenzierungsmöglichkeiten verdeutlichen Beratungskompetenz und machen Anpassung erlebbar. DOZ 12-2004 KONTAKTLINSE AKTUELL Bei der Problemanalyse stellen sich Austrocknungserscheinungen als Hauptprobleme dar. Dazu gehören: - Austrocknungssymptome an Cornea (Stippen) und Conjunctiva (Falten) - Benetzungsstörungen an Cornea (niedrige BUT, schlechtes Fließverhalten des Tränenfilms) - Benetzungsstörungen an den Linsen (Unschärfe, Schleiersehen) - Subjektives Austrocknungsgefühl, Augenjucken und Augenbrennen - Ankleben der Linsen und Festsaugen der Linsen mit Abschnürungen des limbalen Randschlingennetzes und Ödembildungen in der Cornea. Von diesen Symptomen sind vor allem Träger weit verbreiteter dünner Monatslinsen aus herkömmlichem Hydrogel Material von 55 bis 60 % Wassergehalt betroffen und besonders dann, wenn die steilere der beiden möglichen Basiskurven gewählt wurde. ■ Abhilfe bei partiell oder marginal trockenen Augen Bei Austrocknungssymptomen hilft es sehr oft, die Anpassung zu ändern und die Hygiene zu optimieren und geeignete Nachbenetzungsmittel anzuwenden.. Bei Austrocknungsproblemen mit herkömmlichen Weichlinsen hat man die Möglichkeit einer flacheren Anpassung, des Materialwechsels auf GMMA oder ein anderes biokompatibles Material. Oder man stellt auf formstabile Linsen um. Austrocknungsprobleme bei Austauschlinsen kann man nur bedingt durch einen beweglicheren Linsensitz lösen. Denn man hat zum einen zu wenige Formparameter zur Verfügung. Zum anderen nützt eine anfangs richtige Passform wenig, wenn die Linse sich aufgrund ihrer geringen Randdicke und ihrer hohen Materialflexibilität völlig an die Augenoberfläche anschmiegt und dort anklebt. Hier ist vor allem die niedrige Austrocknungsrate biokompatibler Linsenmaterialien gefragt. Die Anforderungen an ein Material bei marginal trockenen Augen lauten also: - Möglichst hohe Elastizität zur Erhaltung einer weitgehenden Formbeständigkeit - optimale Hydrierung - langsame Dehydrierung - Parameterbeständigkeit bei Dehydrierung - gute Benetzbarkeit - abweisend gegen Ablagerungen DOZ 12-2004 KONTAKTLINSE - hohe Sauerstoffdurchlässigkeit. Die herkömmlichen Hydrogelmaterialien mit ihren Komponenten wie: 2-Hydroxyethylmethacrylat (HEMA), N-Vinylpyrrolidon (N-VP), Methacrylsäure (MAA), N-Dimethylacrylamid (DMAA) und Polyvinylakohol (PVA) erfüllen die Materialanforderungen bei trockenen Augen nur unzureichend. Sulfobetain, das dem Hydrogel Eigenschaften verleiht, die dem natürlichen Kollagen nahe kommen. Das neue Material der Contact Life heißt Vitafilcon A. Es ist ein Betain-AminosäurePolymer, ionisch nach FDA-Klasse 4 und ist 54 % Wasser haltig. Das Vitafilcon A zeigt eine deutlich geringere Dehydratation gegenüber anderen herkömmlichen Linsen. ■ Bionische Materialien ■ Lieferbereich der Contact Life Der Schlüssel zur Erfüllung der zuvor der genannten und teils konträren Materialanforderungen liegt bei den „bionischen“ Materialien. „Bionisch“ heißt so viel wie „biocompatibel“ oder „biomimetisch“, also der Natur nachempfunden. Die Materialforscher stellen sich immer wieder die Frage: Warum bleibt die gesunde Cornea ständig klar und gut benetzbar? Die Antwort ist in der Proteinsynthese im Epithel zu finden. Die zur Proteinsynthese notwendigen Aminosäuren werden im Stroma konzentriert. Wenn es gelingt, dem Kontaktlinsenmaterial ähnliche Eigenschaften zu geben, dann müssten die Linsen wesentlich besser verträglich sein. Ein wichtiger Schritt im Hinblick auf die Synthese von Kollagen (Proteoglykosaminoglykan) war den Materialforschern mit dem Glycerylmethacrylat (GMA) gelungen, z.B. Benz GMMA. Eine andere bionische Materialkomponente, das Phosphorylcholin, das in der Cornea und anderen Gefäßstrukturen enthalten ist, verhalf der Linse „Proclear“ zu ihrem guten Ruf als biocompatible Linse und zum Erfolg. Das Neue an der bionischen Materialstruktur der Contact Life von Wöhlk ist das Herstellungsverfahren: Cast-Mold-Verfahren. Auch Kleinserien sind damit möglich, so dass bei entsprechender Nachfrage Parametererweiterungen jederzeit vorgenommen werden können. Eine Erweiterung auf torische Wirkungen ist vorgesehen. Vorerst wird die Contact Life hergestellt in: - Basiskurven 8,6 und 8,9 mm - sphärische Rückfläche - Mittendicke 0,09 mm im Minusbereich - Durchmesser der Optikzone von 8,5 mm - Gesamtdurchmesser von 14,2 mm. ■ Anpassempfehlungen und Pflege Um die Materialeigenschaften voll zur Geltung zu bringen und die Linse als Problemlöser bei Trockenheitssymptomen wirken zu lassen, sollte die Anpassung so flach wie möglich durchgeführt werden. Wir wählen in fast 75 % der Fälle die flachere Basiskurve, damit nach mehreren Stunden und am Ende des Tragetages immer noch ca. 1 mm Eigenbewegung der Linse beim Lidschlag vorhanden sind. Durch die sphärische Rückfläche zeigt die Contact Life eine Abb. 1: Strukturformel des Sulfobetain-Hydrogels „Vitafilcon A“ der Contact Life von Wöhlk 81 AKTUELL Abb. 2: Dehydratationskurven im Vergleich gute Zentrierung. Unter Hinweis darauf, dass die erhöhte Beweglichkeit für den verbesserten Tränenaustausch und die Langzeitverträglichkeit nötig und anfangs auch spürbar sei, akzeptieren die Kunden den geringfügig reduzierten Spontankomfort. Schon nach dem ersten kurzen Probetragen ist das Randempfinden verschwunden. Manchmal wünscht man sich eine noch bessere Beweglichkeit durch Bereitstellung weiterer Parameter, eventuell eine geringere Scheiteltiefe bei kleineren Durchmesser. Die Contact Life wird für tägliches Tragen von 12 bis 14 h empfohlen, gelegentlich auch für verlängertes Tagestragen. Bei unregelmäßigem Tragen wird eine Kombilösung mit integrierter Proteinentfernung empfohlen. Bei regelmäßigem Tragen und empfindlichen Augen kommt eher eine Peroxidpflege in Betracht. ■ Vergleich mit anderen Linsen In einer Anwenderstudie wurden an 67 Probanden über 2 Monate im Überkreuzvergleich getestet: Contact Four (Occufilcon D) Contact Life (Vitafilcon A) Proclear (Omafilcon A) Zum Vergleich wurden nur augengesunde Probanden zugelassen. Jedoch waren partielle Trockenheitssymptome ohne Krankheitswert, so wie sie sich in der normalen 82 Kontaktlinsenpraxis täglich darstellen, keine Ausschlusskriterien. Keine Linsen wurden abgegeben, wenn die Passform nicht zufrieden stellend war. Das war bei einigen Proclear-Linsen der Fall, wenn sie wegen der einzig zur Verfügung stehenden Basiskurve von 8,6 mm von vorn herein zu unbeweglich waren. Bei der Anpassung wurden Sitz, Beweglichkeit, Zentrierverhalten, Spontankomfort, Handhabung und Tragekomfort nach einem Benotungsschlüssel dokumentiert. Bei den vierzehntägigen Kontrollen wurden Sitz, Linsen- und Augenzustand, Tragekomfort, Tragezeit, Handhabung und Gesamteindruck dokumentiert. Gesamturteil der Linsenträger bei Testlinse Contact Life gegenüber Kontrolllinse Contact Four: • 68 % der Träger fanden keinen Unterschied zwischen Test- und Kontrolllinsen. • 22 % der Träger fanden die Testlinsen besser als die Kontrolllinsen. • 9,8 % der Träger fanden die Testlinsen schlechter als die Kontrolllinsen. Auffällig ist der geringe Unterschied zwischen Test- und Kontrolllinsen. Das spricht für eine gute subjektive Akzeptanz auch der Kontrolllinsen durch den Probanden. Gesamturteil der Anpasser bei Testlinse Contact Life gegenüber Kontrolllinse Contact Four: • In 55,3 % der Fälle fanden die Anpasser keinen Unterschied zwischen Test- und Kontrolllinsen. • In 30,3 % der Fälle wurden die Testlinsen besser als die Kontrolllinsen bewertet. • In 14,4 % der Fälle wurden die Testlinsen schlechter bewertet als die Kontrolllinsen. Die relativ schlechte Bewertung von 14,4% ergab sich vor allem aus dem etwas geringeren Spontankonfort der Testlinsen. Gesamturteil der Linsenträger bei Testlinse Contact Life gegenüber Kontrolllinse Proclear • 51,7 % der Träger fanden keinen Unterschied zwischen Test- und Kontrolllinsen. • 30,8 % der Träger fanden die Testlinsen besser als die Kontrolllinsen. • 17,5 % der Träger fanden die Testlinsen schlechter als die Kontrolllinsen. Gesamturteil der Anpasser bei Testlinse Contact Life gegenüber Kontrolllinse Proclear • In 34,2 % der Fälle fanden die Anpasser keinen Unterschied zwischen Test- und Anpasslinse • In 49,2 % der Fälle war die Testlinse besser als die Kontrolllinse (vor allem bessere Benetzbarkeit und sauberere Oberfläche) • In 16,7 % der Fälle war die Testlinse schlechter als die Kontrolllinse. Abschließende Betrachtung Die Contact Life als Neuentwicklung konnte sich ohne weiteres neben der Proclear als bisher anerkannter Marktführer unter den biocompatiblen Linsen behaupten. Im Spontankomfort zeigte sich die Proclear überlegen. Die Contact Life zeigte über die gesamte Tragezeit hinweg allerdings eine meist bessere Beweglichkeit und Benetzung. Diese Unterschiede rechtfertigen eine sorgfältige Auswahl (selektive Anpassung). Die Contact Life zeigt eine erfreuliche Parameterhaltigkeit über den gesamten Tragetag hinweg bei äußerst niedriger Neigung zu Verunreinigungen und Ablagerungen. Im Testzeitraum und auch danach konnten mit der Contact Life keine Augenkomplikationen beobachtet werden. Wenn außer den zwei Basiskurven evtl. auch noch andere Durchmesser und torische Wirkungen zur Verfügung gestellt würden, gäbe es keinen Grund, die Contact Life nicht anzupassen. Vor allem auch, weil sie eine Anti-Internet-Linse ist. Ulrich Maxam DOZ 12-2004 KONTAKTLINSE