VL Experimentalchemie WS 03/04 4 SWS
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VL Experimentalchemie WS 03/04 4 SWS
1 VL Experimentalchemie 1. Die chemischen Elemente 1.1. Entstehung 1.2. Vorkommen und Verbreitung 1.3. Nomenklatur chemischer Elemente 1.4. Der Element- bzw. Atombegriff 2. Das Atom 2.1. Elementarteilchen 2.2. Der Atomkern 2.2.1. Massendefekt 2.2.2. Kernreaktionen 2.3. Die Elektronenhülle WS 03/04 2.3.1. Das Bohrsche Atommodell 2.3.2. Quantenmechanische Beschreibung des Atoms 2.4. Quantenzahlen und Atomorbitale 2.5. Aufbau von Mehrelektronen-Atomen 3. Das Periodensystem der Elemente (PSE) 3.1. Aufbau 3.2. Trends im PSE 4. Die chemische Bindung 4.1. Bindungsarten 4.2. Chemische Bindung in Molekülen 4.2.1. Elektronegativität 4.2.2. Lewis Modell und VSEPR 4.2.3. VB-Modell 4 SWS 2 4.2.4. MO-Modell 4.3. Chemische Bindung in Festkörpern 4.3.1. Die metallische Bindung 4.3.2. Die ionische Bindung 5. Die chemische Reaktion 5.1. allgemeine Reaktionsbegriffe 5.2. Die Gibbs-Helmholtz Gleichung 5.3. Das Chemische Gleichgewicht 5.4. Säure-Base Reaktionen 5.5. Redox-Reaktionen 6. Die Chemie der Elemente 6.1. 1. Hauptgruppe 6.1.1 Wasserstoff 6.1.2. Alkalimetalle 6.2. 2. Hauptgruppe 6.3. 3. Hauptgruppe 6.4. 4. Hauptgruppe 6.5. 5. Hauptgruppe 6.6. 6. Hauptgruppe 6.7. 7. Hauptgruppe 3 1. Die chemischen Elemente Auf der Erde kommen die Elemente 1 (H) bis 92 (U) mit zwei Ausnahmen natürlich vor; Ausnahmen sind: - Technetium (OZ 43); nur radioaktive Isotope, wurde im Weltall (in versch. Sternen) nachgewiesen. - Promethium (OZ 61); ebenfalls nur radioaktive Isotope Dazu kommen rund 20 künstlich hergestellte Elemente mit OZ ≥ 93 (Neptunium, Plutonium etc.) Diese „superschweren Elemente“ werden durch künstliche Kernsynthese erzeugt, z.B. bei der GSI in Darmstadt. 1.1. Die Entstehung der Elemente Die Entstehung der Elemente ist eng verbunden mit der Entstehung des Universums. Gängige Theorie: „heißer Urknall“ Ausgangspunkt: Konzentration der gesamten Materie des Universums auf einen Bereich bzw. „Punkt“ (Dichte ≈ 1096 g⋅cm-3, T ≈ 1032 K); Explosion dieses „Urkerns“ liefert die bekannten Elementarteilchen (e, p, n), die sich innerhalb kürzester Zeit (10 – 500 sec.) zu 1H und 4He zusammenlagern (Bedingungen wie im Fusionsreaktor). Gestützt wird diese Theorie durch die beobachtete Expansion des Universums, ausgehend von einem gemeinsamen Zentrum. Aus der Expansionsgeschwindigkeit berechnet sich das Alter zu 1.8 ⋅ 1010 Jahren. 4 Weiteres Argument für die Urknalltheorie ist die gemessene Temperatur des interstellaren Raums von 2.7 K (Schwarzkörperstrahlung, energetischer Überrest des Urknalls). Die Entstehung der schweren Elemente erfolgt in den Sternen. Die nach den Urknall gebildeten Elemente 1H und 4He bilden aufgrund der Gravitationskräfte Sterne (∼ 20 Jahre), die weitere Kontraktion unter dem Einfluss der Gravitation führt zu kontinuierlichen Freisetzung von Wärmeenergie, bis bei Temperaturen von 107 K erste Kernprozesse einsetzen. In Abhängigkeit von seiner Ausgangsmasse durchläuft ein Stern mehrere Entwicklungsstadien, die durch stetige Kontraktion und Temperaturerhöhung gekennzeichnet sind: 1. Stadium (Sonne): T = 107 K Wasserstofffusion 4 1 1 H 4 2 He + + 2 e (Positron) 5 2. Stadium („Rote Riesen“): T = 2 ⋅ 108 K Heliumfusion 4 2 8 4 Be + 12 6 4 2 He + C + 8 4 He Be 4 2 He 12 6 C + γ 4 2 He 16 8 O + γ (analoger Aufbau von Ne, Mg) Obwohl der Kern bei der Heliumfusion kontrahiert, wird der Stern zum „roten Riesen“ weil der verbleibende Wasserstoff eine große Hülle um den schweren Kern bildet. 3. Stadium („Weiße Zwerge“): T ≈ 109 K α-Prozess; bei sehr hohen Temperaturen kommt es durch energiereiche γ- Strahlung zum Zerfall der bei der Heliumfusion gebildeten schweren Elemente: γ + 20 10 Ne 16 8 O + 4 2 ^ α-Teilchen He = Die so gebildeten α-Teilchen sind so energiereich, dass sie bei Kollision schwere Elemente bis Ti (OZ 22) bilden. 6 Schwerere Elemente als Ti werden in Sternen durch Neutroneneinfang und vor allem bei extremen Sternprozessen (Supernova) gebildet. Bei den in einer Supernova herrschenden Bedingungen (T > 3 ⋅ 109 K) liegt ein statistisches Gleichgewicht zwischen verschiedenen Atomkernen, Protonen und Neutronen vor. Bevorzugt werden dabei die stabilsten Elemente wie z.B. Eisen gebildet. 7 1.2. Vorkommen und Verbreitung der Elemente i) Im Weltall 90% H 9% He (Atomprozent) ii) In der Erdhülle (dem für den Menschen zugänglichen Bereich der Erde) Erdhülle besteht aus: Atmosphäre Hydrosphäre Biosphäre Lithosphäre (≈15 km) N2, O2, CO2 H2O, Salze Organische Mineralien, Gesteine Verbdg ≙ C, H H2O, Edelgase Häufigkeit der Elemente in der Erdhülle (Massenprozent) 10 1 > 10 bis 1 bis 10-1 O (50.5), Si (27.5) Al (7.3), Fe, Ca, Na, K, Mg H (1), Ti, Cl (H nach Atom% an 3. Stelle!) 10-1 bis 10-2 P, C, S, N, F, Ba, Sr 10-2 bis 10-3 Li, Sn, Rb, Pb 10-3 bis 10-4 Cs, Br, Ge, As, Be, Ar 10-4 bis 10-5 Se, Sb, Tl, Bi, In < 10-5 I, Te, Ne, He, Kr, Xe; radioaktive Elemente: Ra, Po, Rn, Fr, At; Edelmetalle: Ag 10-5, Au, Pt 5 ⋅ 10-7 8 iii) ImErdinneren 0 km 40 3 ρ ~ 3 g/cm Kruste ρ ~ 6 g/cm Mantel 2900 flüssig 5000 Kern fest ρ ~ 9 g/cm T = 4000 °C, 6371 3 p = 3 · 10 6 bar schalenförmiger Aufbau mit 4 Bereichen Kruste: O, Si, Al Mantel: Silikate, Al, Fe, Ca, K, Na, Mg Kern: Fe, Ni, O, S 3 9 1.3. Nomenklatur chemischer Elemente Die Namen der Elemente sind ganz verschiedenen Ursprungs; oft leiten sie sich von lateinischen bzw. griechischen Stammwörtern ab. Als Elementsymbol wird der erste und meist ein weiterer Buchstabe des Namens verwendet. Beispiele für die Ableitung von Elementbezeichnungen: i) nach Eigenschaften Brom (Br) von griechisch Chlor (Cl) von Griechisch bromos chloros (Gestank) (gelb-grün) ii) nach der Mythologie Titan (Ti) nach dem Göttergeschlecht der Titanen Thorium (Th) nach dem Donnergott Thor iii) nach Planeten und anderen astronomischen Objekten Helium (He) von griechisch helios (Sonne) (Entdeckung der Spektrallinien von He im Spektrum der Sonne durch Jansen und Lockyer im Spektrum der Sonne) Uran (U) nach dem Planeten Uranus Neptunium (Np) nach dem Planeten Neptun 10 iv) nach Ländern oder Landschaften Gallium (Ga) Germanium (Ge) Rhenium (Rh) nach Rhein bzw. Rheinland v) nach Personen Einsteinium (Es) Albert Einstein Fermium Enrico Fermi (Fm) vi) Nomenklatur für Elemente mit OZ > 100 1977 legte die IUPAC fest, dass der Elementname direkt aus der Ordnungszahl abgeleitet wird und mit drei Buchstaben abgekürzt wird: 101 Un-nil-unium Unu 102 Un-nil-bium Unb etc. Für die Elemente 101, 102 und 103 haben sich jedoch die von ihren „Entdeckern“ vorgesehenen Namen durchgesetzt: Mendelevium (101, Md), Nobelium (102, No) Lawrencium (103, Lr) 11 1.4. Der Element- bzw. Atombegriff Die Begriffe Element bzw. Atom sind eng miteinander verbunden. Ein Element besteht aus Atomen derselben „Sorte“; sowohl das Element als auch ein einzelnes Atom tragen denselben Namen. Das kommt auch in der geschichtlichen Entwicklung des Elementbegriffs zum Ausdruck: – 6. Jahrhundert v. Christus Die griechischen Philosophen Thales, Anaximander, Anaximenes und Heraklit vermuten, dass die Materie aus einfachsten, unveränderlichen Grundbausteinen, den Elementen besteht. – 490 – 430 v. Christus Empedokles benennt die „vier Elemente“ Erde, Wasser, Luft und Feuer – Mittelalter Alchimisten erweitern die vier Elemente um Schwefel, Quecksilber und „Salz“ – 17. Jahrhundert erste wissenschaftliche Versuche; Jangius (1642) und Boyle (1661) definieren Elemente naturwissenschaftlich als „Substanzen, die sich nicht in andere Stoffe zerlegen lassen“. 12 – 1789 Lavoisier veröffentlicht eine Tabelle mit 21 Elementen – 1808 Daltons Atomtheorie: Chemische Elemente bestehen aus kleinsten, nicht weiter zerlegbaren Teilchen, den Atomen. Alle Atome eines Elements sind einander gleich, besitzen also gleiche Masse und gleiche Gestalt. Atome verschiedener Elemente haben unterschiedliche Eigenschaften. Jedes Element besteht also nur aus einer für das Element typischen Atomsorte. – 1813 Berzelius führt die ersten Elementsymbole ein O, H, Fe, C – 1869 Mendelejew stellt das Periodensystem mit den damals 63 bekannten Elementen auf. 13 2. Das Atom 2.1. Elementarteilchen Im Gegensatz zur Annahme Daltons, dass Atome die kleinsten unteilbaren Teilchen seien, wissen wir seit ca. 100 Jahren, dass Atome aus noch kleineren Einheiten, den Elementarteilchen aufgebaut sind. Von den weit über 100 verschiedenen Elementarteilchen sind drei von fundamentaler Bedeutung für den Aufbau von Atomen. Proton, p m = 1.67252 ⋅ 10-27 kg = 1.007277 u u ≙ atomare Masseneinheit, definiert über die Masse eines Atoms 12C ≡ 12 u (1u = 1.660513 ⋅ 10-27 kg) Ladung: q = 1.6021 ⋅ 10-19 C (Coulomb) Das entspricht der kleinsten beobachteten Ladung ≙ Elementarladung Neutron, n m = 1.67482 ⋅ 10-27 kg = 1.008665 u Ladung: Elektron, e keine, elektrisch neutral m = 9.1091 ⋅ 10-31 kg = 0.0005486 u Ladung: q = -1.6021 ⋅ 10-19 C ≙ eine negative Elementarladung Vergleich zeigt: Zwei „schwere“ Teilchen (n und p) und ein leichtes (e); me ∼ 1/2000 mn Zwei entgegengesetzt geladenen Teilchen (e und p) und ein neutrales (n) 14 2.2. Der Atomkern Der Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen. Er macht über 99.99% der Atommasse, aber nur 1/1000 des Atomdurchmessers aus. ⇨ extrem hohe Dichte (Neutronensterne) i) Kernladungszahl ≙ Protonenzahl Z Z wird auch Ordnungszahl genannt – ein chemisches Element wird durch die Anzahl der Protonen im Kern definiert; die zur Zeit rund 110 bekannten Elemente haben die Ordnungszahlen 1-110 (also 1-110 p im Kern) ii) Nukleonenzahl (früher Massenzahl) ≙ ∑ Protonenzahl, Neutronenzahl A A bestimmt die Masse des Atoms Atome einer Elementsorte haben immer die gleiche Z, können aber unterschiedliche Anzahl von n, also unterschiedliche Masse haben → Isotope Beispiel Wasserstoff: „normaler“ Wasserstoff hat ein p und kein n im Kern: Nukleonenzahl 1 1 (1 p, 0 n) H Ordnungs- bzw. Kernladungszahl (1 p) 15 "schwerer" Wasserstoff (Deuterium) 2 1 1 p und 1 n : 3 1H "überschwerer" Wasserstoff (Tritium) 1 p und 2 n : Kohlenstoff: 12 6 C, weg und schreibt 12 13 6 C, C, 13 14 6 C; H oft lässt man die Kernladungszahl C etc. Die meisten Elemente sind Mischelemente ≙ bestehen aus mehreren Isotopen unterschiedlicher natürlicher Häufigkeit Rund 20 Elemente sind Reinelemente z.B. 19F, 31 P, Mn ≙ nur ein natürlich 55 vorkommendes Isotop. Zu den rund 110 Elementen gibt es ca. 350 verschiedene natürliche Isotope, aber über 2000 künstlich hergestellte, z.B. Mn, Reinelement, aber 20 künstliche Isotope. Die Atommasse eines Elements erhält man aus den Atommassen der Isotope unter Berücksichtigung der natürlichen Isotopenhäufigkeit. Beispiel: Bor 10 5 Mittlere Atommasse: B 19.78 % 10.811 u 11 5 B 80.22 % 16 2.2.1. Massendefekt Die Summe der Massen aller Kernbausteine (p, n) ist immer größer als die Masse des entsprechenden Atomkerns ≙ Massendefekt. Bsp.: 4 2He besteht aus 2 p, 2 n; Nach Einsteinscher Formel (1) Masse der Teilchen = 4.0319 u Masse des 42He-Kerns = 4.0015 u Massendefekt = 0.0300 u E = mc2 (c = 2.99793 ⋅ 108 ms-1) entspricht der Massendefekt einer Energie von 28.3 MeV ≙ Energiebetrag, der bei der Bildung des 42He-Kerns aus seinen Bestandteilen frei wird – Maß für die Stabilität eines Kerns; aus (1) ⇒ 1u = 931 MeV. Durchschnittlich beträgt die Kernverbindungsenergie 8 MeV pro Nukleon. Elemente um die Nukleonenzahl 60 (Fe, Co, Ni) haben besonders stabile Kerne. Folie 1 2.2.2 Kernreaktionen Chemische Reaktionen ≙ Veränderungen in der Elektronenhülle; Energieumsatz ∼ 10 eV → keine Massenveränderung; Massenerhaltungsgesetz gilt! Kernreaktionen ≙ Veränderungen im Kern; Energieumsatz ∼ 10 MeV (106 mal größer) → Massenänderungen treten auf. Äquivalenz von Masse und Energie gilt (E = mc2)! 17 i) Radioaktivität Viele Kerne sind instabil und unterliegen dem radioaktiven Zerfall → Abgabe von Elementarteilchen bzw. elektromagnetischer Strahlung. drei wichtige Zerfallsprozesse: – α-Strahlung Abgabe von 42He-Kernen (α-Teilchen) → OZ - 2, 226 88 222 86 Ra Rn + 4 2 A- 4 He der Massendefekt beträgt hier 0.005 u = 4.78 MeV diesen Energiebetrag erhält das α-Teilchen als kinetische Energie – β-Strahlung Abgabe von Elektronen; e stammen nicht aus der Elektronenhülle sondern aus dem Kern nach: n → p + e → 40 19 K 40 20 OZ + 1, A unverändert Ca + e – γ-Strahlung Abgabe von elektromagnetischer Strahlung → keine Veränderung von OZ und A Folie 2 18 ii) Kernfusion Umkehrung des radioaktiven Zerfalls. Läuft in Sternprozessen (Sonne) ab und wird zur künstlichen Erzeugung von Atomen genutzt. Erste künstliche Elementumwandlung, Rutherford 1919 14 7 Ne + 4 2 He 17 8 O + 1 1 12 6 C + n Entdeckung des Neutrons, Chadwick, 1932 9 4 Be + 4 2 He H 19 2.3. Die Elektronenhülle Aufgrund der geringen Masse der Elektronen, trägt die e-Hülle nur einen Bruchteil (< 0.01 %) zur Gesamtmasse des Atoms bei, bestimmen aber die Größe des Atoms: ∅ Kern ∼ 10-14 m ∅ Atom ∼ 2 ⋅ 10-10 m Unterschied mehr als 3 Größenordnungen, d.h. wäre ∅ Kern Chemische 10 cm Reaktionen → verlaufen ∅ Atom 2 km unter Veränderung der e-Hülle; Energieänderung ∼10 eV → bei chemischen Reaktionen bleibt die Gesamtmasse konstant. 20 2.3.1. Das Bohrsche Modell des Wasserstoffatoms Folie 3 Annahme: Das Elektron bewegt sich auf einer Kreisbahn um den Kern; die Bahn ist stabil, wenn sich elektrische Anziehungskraft und Zentrifugalkraft aufheben. Wirkende Kräfte: i) Elektrostatische Anziehung → Coulomb – Gesetz Q1 · Q2 r2 1 4 π ε0 Fel = – ε0 = 8.854 ⋅ 10-12 A2s4 kg-1m-3 ≙ elektrische Feldkonstante (Dielektrizitätskonstante im Vakuum) – Q1, Q2 = q ≙ Elementarladung von Elektron bzw. Proton |q| = 1.6021 ⋅ 10-19 C ⇒ 1 Fel = 4 π ε0 ii) Zentrifugalkraft FZ = – m ≙ Masse des Elektrons – v ≙ Geschwindigkeit des Elektrons mv2 r q2 r2 21 Für stabile Kreisbahn gilt: -Fel = FZ q bzw. 2 = 2 4 π ε0 r q bzw. mv 2 r 2 2 = mv 4 π ε0 r (1) Energie des Elektrons auf Kreisbahn: Eges = Ekin + Epot Ekin = mv2 2 (kinetische oder "Bewegungs"energie Epot = ∞ - q2 r 2 4 π ε0 r dr = - q2 4 π ε0 r (potentielle Energie, d.h. elektrostatische Anziehung) 22 Eges 1 q2 2 = 2 mv - 4 π ε0 r Eges 1 = 2 q2 4 π ε0 r mit (1) ⇒ 2 - q q2 = 8 π ε0 r 4 π ε0 r (2) nach (2) ist die Energie eines Elektrons nur abhängig vom Radius r der Kreisbahn (umgekehrt proportional); für r sind alle Werte zwischen 0 (Eges = ∞) und ∞ (Eges = 0) möglich. Modell ist im Einklang mit den Gesetzen der klassischen Mechanik, nicht aber mit klassischer Elektrodynamik: jede periodisch bewegte Ladung (hier Elektron) gibt Energie in Form von Strahlung (z.B. Licht) ab. Würde das e ständig Energie abstrahlen, würde es so langsam werden, dass es irgendwann in den Kern (Proton) stürzt. Annahme von Bohr: Das Elektron kann auf bestimmten Bahnen „strahlungsfrei“ um den Kern kreisen; für den Bahndrehimpuls (mvr) des Elektrons auf solchen Bahnen gilt: mvr = n h 2π n = 1, 2, 3,... (3) d.h. der Bahndrehimpuls ist ein ganzzahliges Vielfaches des Planck’schen Wirkungsquantums h h = 6.626 ⋅ 10-34 Js aus (3) folgt: v = nh 2πmr (4) 23 aus (4) in (1) folgt: r = 2 h ε0 2 -10 2 · n (5) = n · 0.53 · 10 m "Bohrscher Radius" 2 πmq ⇒ Elektronen dürfen nur auf Bahnen mit den Abständen 0.053 nm, 4 ⋅ 0.053 nm, 9 ⋅ 0.053 nm usw. u m den Kern kreisen. Folie 4 aus (5) in (4) folgt: v = 1 n 2 q · (6) = 2 h ε0 1 n 6 auf der innersten Bahn (n = 1) beträgt die Geschwindigkeit des Elektrons rund 2 ⋅ 106 ms-1 aus (6) in (2) folgt: Eges = m q4 2 8 ε0 h 2 · 1 n2 d.h. Elektronen auf stabilen Kreisbahnen können nur diskrete Energiewerte annehmen. Energiezustände sind gequantelt, n ist eine Quantenzahl. Die Abfolge der veranschaulichen: Energieniveaus lässt sich in einem -1 2.18 · 10 ms Termschema 24 Folie 5 Die Energie für das Elektron ist umso geringer, je kleiner n ist (negative Werte auf der Energieskala). Für n = ∞ (Nullpunkt auf der Energieskala) ist die anziehende Kraft des Kerns = 0 → Elektron verlässt Atom → Ionisierungsgrenze. n=1 ≙ energieärmster Zustand ≙ Grundzustand des H-Atoms n>1 ≙ energiereichere Zustände ≙ angeregte Zustände Das Emissionsspektrum des H-Atoms Beim Erhitzen (zuführen von Energie) geben H-Atome elektromagnetische Strahlung (Licht) ab. Die emittierte Strahlung zeigt kein kontinuierliches Spektrum, sondern Serien von scharfen Linien, die nach ihren Entdeckern Lyman, Balmer, Paschen und Bracket benannt sind. Erklärung über Termschema: Folie 6 Folie 7 25 2.3.2 Quantenmechanische Beschreibung i) de Broglie (1924): Dualismus von Welle und Teilchen ≙ jedes bewegte Elementarteilchen hat Wellen- und Teilchencharakter h p λ = h = λ = Wellenlänge mv p = Impuls ii) Schrödinger (1926): Verknüpfung von Wellenfunktion und Energiewerten des Elektrons 2 δψ δ x2 + 2 δψ δ y2 ψ = Wellenfunktion x, y, z ≙ Ortskoordinaten + 2 δψ 2 δ z2 + 8π m 2 h (E-V) ψ = 0 E ≙ Gesamtenergie V ≙ Potentielle Energie m ≙ Masse des Elektrons Wellenfunktionen ψ die Lösungen der Schrödingergleichungen sind heißen Eigenfunktionen und beschreiben stationäre Schwingungszustände des H-Atoms (entsprechen den „stabilen Kreisbahnen“ des Bohr’schen Modells). Die Energiewerte E, die zu den Eigenfunktionen gehören heißen Eigenwerte. Die wellenmechanische Beschreibung des H-Atoms ist weniger anschaulich als das Bohrsche Atommodell aber physikalisch korrekt und kommt ohne die Bohr’schen Postulate aus. 26 2.4 Quantenzahlen und Atomorbitale Zur quantenmechanisch vollständigen Beschreibung eines Elektrons (im Atom) werden vier Quantenzahlen benötigt: – Hauptquantenzahl n n nimmt ganzzahlige Werte 1, 2, 3, 4…∞ an und bestimmt die möglichen Energieniveaus, sogenannte Schalen (analog Bohr) die mit K, L, M, N ...bezeichnet werden. Die Energie eines Elektrons in einer bestimmten Schale berechnet sich in Übereinstimmung mit Bohr nach: En = - m q4 8 2 ε0 2 h 1 n2 e im H-Atom auf K-Schale ≙ Grundzustand E1 = - 13.6 eV e auf höherer Schale ≙ angeregter Zustand, E > - 13.6 eV Führt man dem e auf K-Schale mehr als 13.6 eV Energie zu, verlässt es das Atom und zurück bleibt ein positiv geladenes Proton ≙ Ionisierung, Ionisierungsenergie. 27 – Nebenquantenzahl l l ≤ n-1 ⇒ l nimmt die Werte 0, 1, 2, 3…n-1 an. Quantenzustände werden mit s (sharp), p (principal), d (diffuse), f (fundamental) bezeichnet. – magnetische Quantenzahl ml nimmt Werte von - l bis + l an und gibt an, wie viele s, p, d, f- Zustände existieren. 28 Die drei Quantenzahlen n, l, ml beschreiben die Atomorbitale ≙ Orbitalquantenzahlen n bestimmt die Größe des Orbitals l bestimmt die Form des Orbitals ml bestimmt die Lage des Orbitals im Raum Folie 8 Folie 9 29 s-Orbitale - kugelförmig p-Orbitale - Doppelhanteln d-Orbitale - Rosetten Die Orbitale beschreiben die Aufenthaltsräume der Elektronen im Atom ≙ Elektronenwolke Aufenthaltswahrscheinlichkeit = ψ2; aufgrund der Unschärferelation kann der genaue Ort eines Elektrons zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht angegeben werden. – Spinquantenzahl ms Elektronen zeigen eine Eigenrotation, die links- oder rechtsdrehend sein kann → es gibt zwei Quantenzustände für den → Eigendrehimpuls zwei Spinquantenzahlen ms = ± 1/2 Aus den erlaubten Kombinationen der vier Quantenzahlen n, l, ml, ms ergeben sich die Quantenzustände des H-Atoms. Jede Kombination von n l, m definiert ein AO. Für jedes AO gibt es zwei Zustände mit der Spinquantenzahl + ½ bzw. - 1/2 Folie 10 30 2.5. Aufbau von Mehrelektronen-Atomen Aufbau ähnlich dem H-Atom, vergleichbare Orbitalformen. Unterschiede in der energetischen Lage: Im H-Atom sind alle AO mit der gleichen Hauptquantenzahl n energiegleich (≙ entartet). In Mehrelektronenatomen wird diese Entartung aufgehoben. Nur AO’s des selben Typs (s, p, d, f) sind energiegleich ≙ Unterschalen. Folie 11 31 Die Verteilung der Elektronen auf die AO (≙ Elektronenkonfiguration) folgt bestimmten Regeln: 1. Im Grundzustand werden AO in der Reihenfolge steigender Energie mit Elektronen gefüllt. Dabei ist zu beachten, dass nicht eine Schale (Hauptquantenzahl n) nach der anderen aufgefüllt wird. Ab der MSchale überlappen die Energieniveaus (Unterschalen, Nebenquantenzahl l) verschiedener Schalen. Energetische Reihenfolge: 1s, 2s, 2p, 3s, 3p, 4s, 3d, 4p, 5s Bsp.: K (OZ 19), 19. e nicht in 3d sondern 4s! 32 Pauli Prinzip: Die Elektronen eines Atoms müssen sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden → jedes Orbital kann nur mit zwei Elektronen entgegengesetzten Spins besetzt werden. Bsp.: aber nicht 1s 1s 2. n, l, ml sind gleich, Elektronen Für 1. und 3. Elektron sind unterscheiden sich durch ms alle 4 Quantenzahlen gleich Hund’sche Regel: Die Orbitale einer Unterschale werden so besetzt, dass die Anzahl der Elektronen mit parallelen Spin maximal wird. Bsp: aber nicht px py pz px py pz Unregelmäßigkeiten: Für die Elemente 24 (Cr) und 29 (Cu) wären die e-Konfigurationen [Ar] 4s2 3d4 bzw. [Ar] 4s2 3d9 zu erwarten. Man findet aber: Cr: [Ar] 4s1 3d5 Cu: [Ar] 4s1 3d10 Hier sind die 3d-Schalen halb (Cr) bzw. voll (Cu) besetzt, da halbbzw. voll besetzte d-Unterschalen energetisch besonders günstig sind. Folie 12 33 3. Das Periodensystem der Elemente (PSE) 3.1. Aufbau Bei der Auffüllung der Orbitale mit Elektronen nach den oben genannten Regeln kommt es zu regelmäßigen (periodischen)Wiederholungen von gleichen Elektronenanordnungen auf der äußersten Schale. (Valenzelektronen) Elemente mit analogen Valenzelektronenkonfigurationen haben ähnliche chemische Eigenschaften und werden zu Gruppen zusammengefasst. Beispiele: i) Alkalimetalle (Gruppe 1) Li [He] 2 s1 Na [Ne] 3 s1 K [Ar] 4 s1 Rb [Kr] 5 s1 Cs [Xe] 6 s1 Alle Alkalimetalle zeigen die Valenzelektronenkonfiguration s1; das einzelne Valenz – e kann leicht unter Ausbildung der entsprechenden Kationen M+ abgegeben werden. Alkalimetalle sind weiche, reaktive Leichtmetalle mit niedrigem Schmelzpunkt. Wasserstoff hat eine analoge Valenz –e Konfiguration 1s1, zeigt aber andere chemische Eigenschaften und zählt nicht zu den Alkalimetallen. (Sonderstellung im PSE) ii) Halogene (Gruppe 17) F [He] 2 s2 2 p5 Cl [Ne] 3 s2 3 p5 Br [Ar] 3 d10 4 s2 4 p5 I [Kr] 4 d10 5 s2 5 p5 34 Alle Halogene haben 7 Valenzelektronen (s2p5); sie sind typische Nichtmetalle, hochreaktiv und bilden mit Metallen Salze wobei unter Aufnahme eines Elektrons die entsprechenden Anionen wie Cl- entstehen. iii) Edelgase (Gruppe 18) He 1s2 Ne [He] 2 s2 2 p6 Ar [Ne] 3 s2 3 p6 Kr [Ar] 3 d10 4 s2 4 p6 Xe [Kr] 4 d10 5 s2 5 p6 Außer He haben alle Edelgase 8 Valenzelektronen (s2p6), d.h. s- und pUnterschalen sind vollbesetzt. Energetisch sehr günstige Elektronenkonfiguration → Edelgase sind sehr reaktionsträge und bilden nur relativ wenige Verbindungen. Folie 13 Unterteilung der Elemente: - Haupt- und Nebengruppen, Lanthanoide, Actinoide - s, p, d, f-Blockelemente Die „alte“ Gruppennummer der HGE entspricht der Anzahl der Valenzelektronen. Chemische Ähnlichkeit der Elemente einer Gruppe beruht auf gleicher Anzahl Valenzelektronen. 35 3.2. Trends im PSE Aufgrund des regelmäßigen Aufbaus des PSE verändern sich die wichtigsten chemischen und physikalischen Eigenschaften der Elemente periodisch (d.h. folgen bestimmten Trends) ⇒ Die Kenntnis des PSE und deren Trends im PSE erlaubt Aussagen über die chemischen Eigenschaften eines Elements ohne dessen Stoffchemie gelernt zu haben. ⇒ PSE lernen !! ⇐ Beispiel: Vorhersage des Elements und seiner wichtigsten Eigenschaften durch Mendelejew. 36 - allgemeine Trends i) der metallische Charakter der Elemente steigt innerhalb einer Hauptgruppe von oben nach unten und innerhalb einer Periode von rechts nach links. ⇒ Metalle links unten, Nichtmetalle rechts oben im PSE. Alle Nebengruppenelemente, Lanthanoide und Actinoide sind Metalle. ii) die Atomgröße (Radius) steigt von oben nach unten und von rechts nach links. - spezielle Trends i) Ionisierungsenergie I I ist ein Maß für die Festigkeit, mit der ein Elektron an das Atom gebunden ist. X + I → X+ + eFolie 14 I nimmt innerhalb einer Periode von links nach rechts zu und innerhalb einer Gruppe von oben nach unten ab. (zunehmende Kernladungszahl // zunehmende Abschirmung durch innere Schalen) Der Trend zeigt Unregelmäßigkeiten, da voll- und halbbesetzte Unterschalen besonders stabil sind. Beispiele: I für Be (2 s2) I für N (2 s2 2 p3) größer als für B (2 s2 2 p1) größer als für O (2 s2 2 p4) 37 ii) Elektronenaffinität Eea Eea ist die Energie, die frei wird (negative Eea-Werte) oder aufgewendet werden muss (positive Eea-Werte), um ein Elektron an ein Atom unter Ausbildung eines Anions anzulagern. X + e- → X- ± Eea Eea ist experimentell schwer zugänglich und nicht für alle Atome bekannt. 38 Die Aufnahme eines Elektrons ist besonders günstig (negative Eea-Werte), wenn damit eine halb- oder vollbesetzte Schale erreicht wird. Beispiele: - Alle Halogene erreichen s2p6 - Konfiguration - Alkalimetalle erreichen s2 - Konfiguration - Erdalkalimetalle und Edelgase überschreiten s2 bzw. s2p6- Konfiguration ⇒ positive Eea-Werte. 39 4. Die chemische Bindung 4.1. Bindungsarten Klassifizierung der Bindungsarten gemäß ihrer Stärke: a) Hauptbindungsarten oder chemische Bindungsarten 1. Ordnung sind stark und umfassen - kovalente oder Atombindung (einschließlich der koordinativen und dativen Bindung) - Ionenbindung - metallische Bindung b) Nebenbindungsarten oder Bindungen 2. Ordnung sind schwach - Van der Waals-Bindung - Wasserstoff(brücken)bindung Vor allem für a) gilt, dass die genannten Typen nur Idealfälle darstellen; in der Realität sind die Übergänge fließend. Die Eigenschaften einer Verbindung werden durch die Art der chemischen Bindung festgelegt: - NaCl ist eine ionische Verbindung mit hohem Schmelzpunkt (ca. 800 °C), die gut in polaren Solventien löslich ist; entsprechende Lösungen sind elektrisch leitfähig. - H2 ist eine kovalente Verbindung mit niedrigem Siedepunkt (-253 °C) und in jedem Aggregat- oder Lösungszustand nichtleitend. 40 - Fe ist ein Metall mit hohem Siedepunkt (2750 °C), typisch metallischem Glanz und ist im festen Zustand ein guter elektrischer Leiter. Beispiele für fließende Übergänge: - BeCl2 ist überwiegend ionisch aber mit deutlich kovalenten Bindungsanteilen → niedrigeren Schmelzpunkt (600 °C) als NaCl und gut löslich in unpolaren Solventien wie Benzol. - HF ist kovalent, bildet aber zusätzlich Wasserstoffbrücken aus → relativ hoher Siedepunkt von 20 °C. Moleküle bestehen aus einer endlichen, wohldefinierter Zahl von Atomen, die durch kovalente Bindungen zusammengehalten werden. Molekulare Verbindungen zeigen allgemein hohe Flüchtigkeit (niedrige Schmelzpunkte bzw. Siedepunkte) und lösen sich in unpolaren Solventien. Festkörper bestehen aus einer beliebigen Anzahl von Atomen, die durch metallische oder ionische Bindungen zusammengehalten werden; → geringe Flüchtigkeit, Metalle sind unlöslich, Salze sind löslich in polaren Solventien. 41 4.2. Chemische Bindung in Molekülen Zur Beschreibung der kovalenten Bindung in Molekülen können verschiedene Modelle bzw. Theorien herangezogen werden. Allen Beschreibungen ist gemein, dass sie in erster Linie die chemische Bindung erklären und illustrieren sollen. Dabei zeigt sich, dass bestimmte Probleme mit einem Modell besser zu erklären sind als mit einem anderen, da alle Modelle spezifische Einschränkungen haben. Man darf daraus jedoch nicht schlussfolgern, dass bestimmte Theorien anderen überlegen sind. Das gilt insbesondere für den Vergleich zwischen VB- und Mo-Theorie, da beide auf den gleichen quantenchemischen Grundlagen beruhen. 4.2.1. Die Elektronegativität Zur Beschreibung der kovalenten Bindung in Molekülen ist der Begriff der Elektronegativität von zentraler Bedeutung. Definition: Elektronegativität beschreibt die Fähigkeit eines Atoms die Elektronen einer Atombindung zu sich zu ziehen. Verschiedene Elektronegativitätsskalen sind gebräuchlich: 42 1) Pauling, 1932 Messung von Dissoziationsenthalpien: A–A → 2 A• DA2 B–B → 2 B• DB2 A–B → A• + B• DAB = DA + DB 2 DAB 2 2 + Δ Die Dissoziationsenthalphie DE ist für ein heterodinukleares Molekül AB im allgemeinen um Δ größer als das arithmetrische Mittel aus den DE der beiden homodinuklearen Moleküle A2 bzw. B2: Δ = k (χA - χB)2 Δ ≙ Maß für die Polarität der Bindung A–B k ≙ Proportionalitätsfaktor; abhängig von der Einheit, in der χ angegeben wird. (eV, k = 1; kJ/mol, k = 96.5) χ = Elektronegativität χ ≙ „chi“ 43 Folie 15 Experimentell zugänglich sind Differenzen von χ; zu Absolutwerten gelangt man durch die Definition von Pauling: χF ≡ 4.0 2) Mulliken, 1934 Messung von Ionisierungsenergien (EI) und Elektroaffinitäten (EA): χ = 0.168 (EI - EA) - 0.207 (Anpassung an Paulingwerte) In einem Molekül AB trägt das elektronegativere Element B umso mehr zum Polaritätsunterschied bei, je bereitwilliger es Elektronen aufnimmt (negative EAWerte) und umso mehr Energie aufgebracht werden muss, um dass äußere Elektron abzuspalten (positive EI-Werte). -EA + B + e- → Bhohe Elektronenaffinität von B → exotherme Reaktion, negative EA-Werte 44 EI + B → B+ + eIonisierung immer endotherm → positive EI-Werte. Zur Bestimmung von χ nach Pauling bzw. Mulliken müssen DAB bzw. EA, EI experimentell zugänglich sein! 3) Allred – Rochow, 1958 Berechnung von χ über Coulomb – Kraft. F = Zeff e2 2 4 π ε0 r F ≙ Coulomb – Kraft (Anziehung Kern-Elektron) Zeff ≙ effektive Kernladung; Zeff = Z - S Z ≙ Kernladung, S ≙ Slater-Konstante (Abschirmung der Kernladung durch Valenzelektronen; aus Quantenchemie zugänglich) r ≙ Atomradius e ≙ Elementarladung ε0 ≙ elektrische Feldkonstante χ ∼ F; χ = 3.59 Zeff r2 + 0.744 Für Hauptgruppenelemente steigt χ innerhalb einer Periode von links nach rechts und innerhalb einer Gruppe von unten nach oben. Folie 15 45 4.2.2. Das Lewis – Modell (G. N. Lewis, 1916) - einfache und anschauliche Darstellung von Molekülen - liefert Zusammenhang zwischen chemischer Bindung und Molekülstruktur - weist viele Einschränkungen auf - liefert keine Erklärung über die Natur der kovalenten Bindung Beschreibung einer kovalenten Bindung nach Lewis: Eine kovalente Bindung wird ausgebildet, wenn zwei benachbarte Atome eines Moleküls ein Elektronenpaar teilen (→ Einfachbindung, analog Doppel- und Dreifachbindung) 2 H• → H–H Elektronenpaare, die nur zu einem Atom gehören, heißen freie Elektronenpaare (engl. „lone pairs“); sie tragen nicht zur kovalenten Bindung bei, beeinflussen aber Geometrie und chemische Eigenschaften des Moleküls. 2 F · → F⎯F Die Oktettregel Die Elektronen werden so auf die Atome verteilt, dass jedem insgesamt 8 Valenzelektronen zukommen → s- und p-Unterschale voll besetzt → stabile Edelgaskonfiguration. Ausnahmen: – H kann nur zwei Elektronen aufnehmen → He-Konfiguration – schwere Elemente ab 3. Periode können Oktett überschreiten 46 Ermittlung der Lewis-Formel einer unbekannten Verbindung nach folgendem Muster: – Summe der Valenzelektronen ermitteln, bei Molekülionen Gesamtladung berücksichtigen. – Elektropositivstes Element als Zentralatom auswählen. (Vorsicht, Abweichungen möglich; H ist nie Zentralatom). – Valenzelektronen solange paarweise auf Bindungen und freie Paare verteilen, bis alle Atome Oktett erreicht haben. Beispiele: 10 e N N 8e 16 e , O C O 8e N , H H O , H H H H elektropositiver als N bzw. O aber nicht Zentralatom! 47 O S O P O O H O O H H S und P dürfen Oktettregel überschreiten O ” N“ O O und nicht O N O H O H N darf Oktettregel nicht überschreiten Zur korrekten Lewisformel von HNO3 gelangt man nur, wenn man formale Ladungen zulässt. Formale Ladung ≙ Differenz zwischen der Anzahl der Valenzelektronen eines Elements im Molekül und im Atom. 48 Elektronenoktett nach heterolytischer Bindungsspaltung O ⊕N ” O Formale Ladung +1 nach homolytischer Bindungsspaltung O H Bei manchen (komplizierten) Molekülen kommt man unter Beachtung der Oktettregel zu verschiedenen Lewis-Formeln: H O O H H H O “ O ” Der Anordnung mit den wenigsten formalen Ladungen ist Vorzug zu geben! Lewisformel von HN3: 8 Elektronenpaare verteilen N N N N H “ N ” N H ein bzw. zwei N-Atome haben kein Oktett ” N “ N H N N “ N ” N H Oktettregel erfüllt, beide Anordnungen haben je 2 formale Ladungen, welches ist die richtige Lewisformel? 49 Nur die Überlagerung beider Lewisformeln beschreibt das Molekül korrekt ≙ Resonanz Die Summe aller korrekten Lewis-Strukturen beschreibt das Molekül vollständig; eine Lewis-Struktur nennt man kanonische Form. Beispiel: Ozon O3 O ” “ O “ O O O ” O 1 2 zwei kanonische Formen 1 und 2 beschreiben die Struktur von O3; ein Doppelpfeil kennzeichnet die Gesamtheit des Resonanzhybrids. 1 und 2 isoliert betrachtet legen eine O–O–Einfachbindung und eine O–O– Doppelbindung im O3-Molekül nahe. Experimentell lässt sich nachweisen, dass beide O–O–Abstände identisch sind und einer „1,5-fach“-Bindung entsprechen: O O O 50 Weiteres Beispiel: Aromatizität von Benzol H H H C C C C H H H C C H H H H C C C C H C C H H ≡ H H C C C C H C C H H 51 4.2.3. Das VSEPR-Modell (N. Sidgwick, H. Powell 1940, R. Nyholm, R. Gillespie) VSEPR = valence shell electron pair repulsion Erweiterung des Lewis-Modells zur Vorhersage der Molekülgeometrie von Molekülen AXnLm Prinzip: alle Substituenten X und freien Elektronenpaare L ordnen sich mit möglichst großem Abstand zueinander um ein gemeinsames Zentralatom A an, um die Coulomb-Abstossung zu minimieren. Vorgehen zur Bestimmung einer Molekülstruktur nach VSEPR: i) Anzahl freier (LP) und bindender (BP) Elektronenpaare am Zentralatom A ermitteln ii) unterschiedlichen Raumbedarf der Elektronenpaare berücksichtigen: - LP sind diffuser als BP und benötigen mehr Platz - BP in Doppelbindungen benötigen mehr Platz als in Einfachbindungen - → Abfolge der Abstoßung (Platzbedarf) zwischen Elektronenpaaren LP–LP > LP–BP > BP–BP und BPDoppelbindung > BPEinfachbindung iii) Pseudostruktur (PS) bestimmen PS berücksichtigt die Anordnung von LP und BP um das Zentralatom iv) Struktur (S) bestimmen S berücksichtigt nur BP und damit die Anordnung der Substituenten um A → Bezeichnung der Koordinationsgeometrie 52 PS muss jedoch zuerst ermittelt werden, da LP einen Einfluss auf die Struktur des Moleküls haben (≙ PS sind in der Regel stereochemisch aktiv). Tabelle 16 Folie 17 53 Beispiele: F AX3: B F AX4: H Sn Cl Cl H AX2L2: N • • Cl F • F F AX2L3: F Xe F In Molekülen mit trigonal bipyramidaler PS besetzen die LP immer äquatoriale Positionen (mehr Raum; Bindungswinkel 120° vs 90°) Ähnliches gilt auch für SOF4: F O S F F F Die Doppelbindung benötigt mehr Raum als die Einfachbindungen und findet sich in äquatorialer Position. • F F F • S AX3L2: H • F O • AX4L: H H H • H • • • • H • AX3L: N⊕ H • • • • • AX2L: F • Cl Be Cl • AX2: 54 H H 107.3° N H H H • • • • C H • H 109.5° 104.5° O • H H Der steigende Platzbedarf der LP führt zu einer Verkleinerung des H–E–H – Winkels in der Reihe CH4 – NH3 – H2O Grenzen und Einschränkungen von VSEPR: - Bei geringen Energieunterschieden zwischen verschiedenen möglichen Geometrien (AX5, AX7) versagt VSEPR oft - Verbindungen schwerer Elemente (BrF6-, SeBr62-, SbCl63-) folgen im allgemeinen nicht den VSEPR-Regeln, da ihre ns LP stereochemisch nicht aktiv sind. - VSEPR gibt keine Auskunft über die Natur der chemischen Bindung - VSEPR ist nicht (gut) auf Verbindungen der Übergangsmetalle anzuwenden. 55 VSEPR-Modelle für größere Moleküle – zweikernige Moleküle H H C C H H H H Ethan C2H6 • • • • N N H H H H H • • • • O O • • • • Hydrozin N2H4 H Wasserstoffperoxid H2O2 56 4.2.3. Die Valence-Bond (VB) Theorie (W. Heitler, F. London 1927; weiterentwickelt durch L. Pauling, J.C. Slater, C.A. Coulsdon) Das VB-Modell war die erste quantenchemische Theorie zur chemischen Bindung in Molekülen (Beschreibung des Lewis-Modells mit Hilfe von Wellenfunktionen) Prinzip: Diskrete Atome mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen bilden eine Bindung durch Überlappung von Atomorbitalen. Dieser Prozess ist begleitet von der Spinpaarung der betroffenen Elektronen. + H↑ H ↑↓ H H↑ 1) Beschreibung des H2-Moleküls mit VB i) Ausgangspunkt • HA (1) • HB (2) Zwei diskrete H-Atome (A und B) mit jeweils einem Elektron (1 und 2) in großem Abstand zueinander zeigen keinerlei Wechselwirkung. ψ = ψA (1) ψB (2) E° = E1 + E2 (1) 57 ii) H-Atome nähern sich und bilden Bindung aus • • HA (1) + HB (2) H2 Eges der Prozess ist exotherm → Eges < E° Annahme: Gl. (1) beschreibt die Gesamtwellenfunktion des H2-Moleküls korrekt. Berechnung der Energie über ψ in Abhängigkeit vom Abstand der H-Atome r (H r H) liefert eine Potentialkurve: Beim annähern der beiden Atome kommt es zu elektrostatischer Anziehung zwischen Elektronen und Kernen → die Energie sinkt, bis ein Abstand von 90 pm erreicht ist. Bei weiterer Annäherung überwiegen Abstoßungskräfte zwischen gleichnamigen Ladungen und die Energie steigt. 58 Aus Berechnung / Potentialdiagramm folgt: - H2-Molekül ist um 24 kJ/mol stabiler als zwei H-Atome - der günstigste Abstand (≙ H–H-Bindungslänge) beträgt 90 pm. Experimentelle Werte: Eges. = -458 kJ/mol dHH = 74 pm iii) Ansatz muss verbessert werden: – Austauschenergie Gl. (1) impliziert, dass die Elektronen (1) und (2) nur in der Nähe „ihrer“ Kerne A und B anzutreffen sind. In Realität können die beiden Elektronen jedoch in der Nähe beider Kerne angetroffen werden, d.h. ihnen steht wesentlich mehr Raum zur Verfügung. Die Energie eines Elektrons ist umgekehrt proportional zu dem Raum, in dem es sich bewegen kann. (Modell Elektron im Kasten). → verbesserter Ansatz für ψ: ψkov = ψA (1) ψB (2) + ψA (2) ψB (1) ψkov beschreibt den kovalenten Bindungsanteil im H2-Molekül. Die verbesserte Wellenfunktion ψkov führt zu einer deutlichen Absenkung der Energie für das H2-Molekül (≙ Austauschenergie) auf ca. -303 kJ/mol 59 – ionische Beiträge Es wird berücksichtigt, dass sich beide Elektronen des H2-Moleküls in der Nähe eines Kerns aufhalten können. Beschreibung nach Lewis: H–H ↔ | H⊖ H⊕ ↔ H⊕ H⊖| Beschreibung mit Wellenfunktion: HA⊖ HB⊕ ≙ ψA (1) ψA (2) HA⊕ HB⊖ ≙ ψB (1) ψB (2) ψion = ψA (1) ψA (2) + ψB (1) ψB (2) ≙ ionische Bindungsanteil ψges = ψkov + λ ψion ; λ=¼ ≙ Koeffizient für Anteil ψion Die verbesserte Wellenfunktion ψges liefert Eges = -388 kJ/mol dH-H = 74.9 pm Folie 18 60 Die Potentialkurve f beschreibt einen instabilen Zustand; sie wird beschrieben durch ψ = ψ A ( 1 ) ψB ( 2 ) - ψA ( 2 ) ψB ( 1 ) bzw. + - H ↑ ↑ H - Wellenfunktionen haben unterschiedliche Vorzeiche → keine positive Überlappung - Elektronenspins sind gepaart → Verstoß gegen Pauli-Prinzip - geringe Elektronendichte zwischen den H-Kernen (Knotenfläche) → Kerne stoßen sich ab ⇒ instabiler, nichtbindender Zustand Folie 19 Bindungen (energetisch günstige Zustände) treten nur bei positiver Überlappung der Orbitale auf. Folie 20 61 2. Einfache dinukleare Moleküle F2: Fluor hat die Elektronenkonfiguration (im Grundzustand!) 1s2, 2s2, 2px2 2py2 2pz1 2p x 2s y z Im F2-Molekül überlappen die beiden pz-Orbitale unter Paarung der 2 Elektronen → Einfachbindung x - + + y ∧ F—F z (Wahl der z-Koordinate wilkürlich) Die Orbitale liegen rotationssymmetrisch zur Verbindungsachse der Kerne → σ-Bindung N2: 1s2, 2s2 2px1 2py1, 2pz1 2s 2p x y Folie 21 z 62 Ausbildung einer σ-Bindung durch Überlappung der px-Orbitale und von zwei π-Bindungen (nicht rotationssymmetrisch) durch Überlappung der py- bzw. pz- Orbitale → Dreifachbindung |N≡N| HF: H 1s1 F 1s 2s 2px 2py 2pz 2 2 2 1 2 2p x 2s + x - F y z y H z Ausbildung einer σ-Bindung durch Überlappung von 1s (H) und 2pz (F) Im Gegensatz zu homodinuklearen Molekülen (H2, F2, N2 etc.) ist die Verteilung der Elektronen in heterodinuklearen Molekülen nicht mehr symmetrisch. Beschreibung durch drei mesomere Grenzformen: H F Ψ1 “ H ” F Ψ2 ” “ H F Ψ3 63 a, b, c ≙ Verteilungskoeffizienten ψges = a ψ1 + b ψ2 + c ψ3; die kovalente Form 1 trägt am meisten bei; wegen der hohen EN von Fluor ist der Beitrag der ionischen Form 2 am zweithöchsten → a > b > c. Wegen b > c zeigt das HF-Molekül Dipolcharakter (höhere Elektronendichte an F) δ+ H F δ- → Auswirkungen auf physikalische und chemische Eigenschaften (hoher Siedepunkt, H-Brücken etc.) 3. Polynukleare Moleküle Befunde: – Be hat 1s2 2s2 (keine ungepaarten Elektronen!) bildet aber BeF2 – B hat 1s2 2s2 2p1 sollte BF bilden (instabil) bildet aber BF3 – C hat 1s2 2s2 2px1 2py1 sollte CH2 bilden bildet aber stabiles CH4 – N hat 1s2 2s2 2px1 2py1 2pz1; drei ungepaarte Elektronen in den zueinander senkrecht stehenden p-Orbitalen → H−N−HBindungswinkel in NH3 sollten 90° sein, sind aber 107° 64 Um die Befunde mit VB-Theorie erklären zu können, müssen zwei Erweiterungen eingeführt werden: – Anregung – Hybridisierung B* B 2p 2s 1 2 2p x 2s y z 1 angeregter Zustand Grundzustand Durch Anregung wird ein Elektron aus dem 2s in ein 2p-Orbital angehoben → B* hat jetzt drei ungepaarte Elektronen in drei Orbitalen und kann drei Bindungen ausbilden. Anregung kostet Energie; Energiebedarf wird geliefert (überkompensiert) durch Freisetzen der Spinpaarungsenergie und durch Ausbildung von drei statt einer Bindung. Analog Beryllium: Be Be* 2p 2s 2 2s 1 1 65 und Kohlenstoff: C 2p 2s C* 2 2p 2 2s 3 1 Für Elemente der 2. Periode kann die Anregung der Elektronen nur in die 2pUnterschale erfolgen. Anregung in höheren Niveaus (z.B. 3s) erfordert zuviel Energie und kann durch Ausbildung von zusätzlichen Bindungen nicht mehr kompensiert werden: F F* 3s 2p 2s 5 2p 2 2s 1 4 1 Hybridisierung beschreibt die Kombination von Atomorbitalen zu so genannten Hybridorbitalen. Mathematisch liegt dem die Linearkombination (Addition bzw. Subtraktion) der entsprechenden Wellenfunktionen zugrunde. – sp-Hybridorbitale Folie 22 66 Aus einem 2s- und einem 2p-Orbital entstehen zwei sp-Hybridorbitale. ψ1 = mit 1 1 2 (ψs + ψp); ψ2 = 1 2 (ψs - ψp) ≙ Normierungskoeffizient. 2 Die Beiträge von ψs und ψp zur Gesamtfunktion des sp-Orbitals sind gleich groß ⇒ ein sp-HO hat 50% s- und 50% p-Charakter. Folie 23 – sp2-HO Ein 2s- und zwei 2p-Orbitale werden zu drei sp2-HO’s kombiniert (Anzahl AO’s und HO´s immer gleich). Folie 24 ψ1 = 1 3 ψs + 2 ψ2 = 1 3 ψs - 1 ψ3 = 1 3 ψs - 1 3 ψpx 6 ψpx + 1 2 ψpy 6 ψpx - 1 2 ψpy Die Normierungskoeffizienten zeigen, dass der Anteil der p-AO’s doppelt so hoch ist wie der der s-AO’s → sp2-HO’s haben 33% s- und 66% p-Charakter Folie 25 67 – sp3-HO Folie 26 ψ1 = 1/2 ψs + 1/2 ψpx + 1/2 ψpy + 1/2 ψpz ψ2 = 1/2 ψs - 1/2 ψpx - 1/2 ψpy + 1/2 ψpz ψ3 = 1/2 ψs + 1/2 ψpx - 1/2 ψpy - 1/2 ψpz ψ4 = 1/2 ψs - 1/2 ψpx + 1/2 ψpy - 1/2 ψpz sp3-HO’s haben 25% s- und 75% p-Charakter Folie 27 Folie 28 68 4.2.4. Die Molekülorbital (MO) Theorie (Mulliken, Hund, 1928) Das VB-Modell betrachtet einzelne Atome und ihre Orbitale. Eine chemische Bindung wird dadurch gebildet, dass die Atome sich in geeigneter Weise annähern, so dass passende AO’s überlappen können. Das MO-Modell verallgemeinert AO’s (die an Atomen lokalisiert sind) zu Molekülorbitalen (MO’s), die sich über das ganze Molekül erstrecken (VB ≙ lokalisierten Ansatz ↔ MO ≙ delokalisierte Beschreibung). Um das Elektronensystem eines Moleküls beschreiben zu können, müssen einige Näherungen eingeführt werden: – Orbital-Näherung: Ein Mehrelektronensystem (Molekül) mit n Elektronen kann als Produkt von n ein-Elektronen Wellenfunktionen beschrieben werden → ψges = ψ (1) ψ(2)... ψ(n) – Ein Elektron in einem Molekül wird von dem Kern am meisten beeinflusst, in dessen Nähe es sich aufhält → seine Wellenfunktion kann durch die eines AO’s angenähert werden → MO in Kernnähe gleicht AO → MO’s können durch Linearkombination von AO’s beschrieben werden (LCAO-Methode) 69 1) MO-Modell von H2 + Energy * σ -MO subtraction * * Ψ = N (Ψ1 - Ψ2) Ψ2 Ψ1 H H HA1s1 HB1s1 0 H H * σ -MO addition HA1s1 HB1s1 b σ -MO b b Ψ = N (Ψ1 + Ψ2) H H - b σ -MO Die AO’s zweier isolierter H-Atome werden durch ein-Elektronen Wellenfunktionen ψ1 bzw. ψ2 dargestellt. Die Bildung des H2-Moleküls wird durch Linearkombination der beiden AO’s zu zwei MO’s beschrieben. Wichtige Punkte: – positive Überlappung (Addition von ψ1, ψ2) führt zu einem MO, das Elektronendichte zwischen den Kernen erlaubt → energetisch günstiger als zwei isolierte H-Atome (bindendes MO) – negative Überlappung lässt keine Elektronendichte zwischen H-Atomen zu (Knotenebene) → energetisch ungüstiger als zwei H-Atome (antibindendes MO) – bindendes und antibindendes MO sind rotationssymmetrisch → σ-Symmetrie 70 – die beiden Elektronen besetzen das energietiefste MO → stabiler Zustand + σ* 1 HB 1s HA 1s σ 1 b - 2.) Entwicklung eines MO-Schemas in 4 Schritten: – AO’s aller beteiligten Atome auf der Energieachse eintragen – Linearkombination von „geeigneten“ AO’s; (geeignet ≙ ähnliche Energie und gleiche Symmetrie (σ oder π)) zu MO’s – Auffüllen der MO’s mit allen verfügbaren Valenzelektronen (Pauli-Prinzip, Hund’sche Regel einhalten) – Bindungsordnung (BO) bestimmen BO = Anzahl e in b MO's - Anzahl e in ab MO's 2 71 3.) Beispiele i) FA + FB → FA – FB F2: * σ 2pz Energy + * * π 2px FA2pz2 FA2px2 π 2py FB2pz2 FA2py1 π2px FB2px2 π2py σ2pz - * σ 2s x z y FA2s2 FB2s2 σ2s wichtige Punkte: – 2s - AO’s kombinieren zu σ2sb und σ2s* wie im H2 – 2pz - AO’s sind σ-symmetrisch und kombinieren zu 2 σpz und 2 σpz* – 2px – AO’s sind π-symmetrisch → π2pxb und π2px* – 2py – AO’s entsprechend → π2pyb und π2py* die so gebildeten π-MO’s unterscheiden sich nur in ihrer Lage im Raum (senkrecht zueinander); sie sind energiegleich (entartet) – ab MO’s haben mehr Knotenebenen als entsprechende b MO’s BO = 8-6 2 = 1 Folie 29 FB2py1 72 ii) O2 σ*2p 2p σ2p σ*2s 2s σ2s O O O2 Nach Hundscher Regel müssen die beiden letzten Elektronen die entarteten πOrbitale einfach (mit parallelem Spin) besetzen → O2 ist ein Diradikal (zwei ungepaarte Elektronen) und paramagnetisch. Dieser Befund (exp. bestätigt) wird weder vom Lewis-Modell noch der VBTheorie erklärt. BO = 8-4 2 = 2 ∧ Doppelbindung O O 73 iii) N2 σ2p* π* σ2p π σ2s* σ2s Wichtige Punkte: - die Reihenfolge für π- und σ2p - MO's ist umgekehrt. Grund ist stärkere Wechselwirkung zwischen 2s- und 2p - AO's für Elemente Li →Ν; 8-2 - BO = = 3 2 74 ENDE Korrektur 2+ AUSDRUCK 75 4.3. Chemische Bindung in Festkörpern Unterhalb ihres Schmelzpunktes erstarren molekulare (kovalente) Verbindungen zu einem Feststoff; die Anordnung der Moleküle kann hochgeordnet (kristallin) oder ungeordnet (amorph) sein. Die Moleküle werden durch schwache chemische Bindungen (Nebenbindungsarten) z.B. van-der-Waals Wechselwirkungen zusammengehalten → niedrige Schmelz- und Siedepunkte von chemischen Verbindungen, die aus Molekülen bestehen. 4.3.1 Die metallische Bindung Rund 4/5 aller chemischen Elemente sind Metalle (bzw. Halbmetalle) Folie 30 Typische Eigenschaften von Metallen: metallischer Glanz leichte Verformbarkeit (Duktilität) gute elektrische und thermische Leitfähigkeit; elektrische Leitfähigkeit nimmt mit der Temperatur ab. höhere Smp. und Sdp. als kovalente Moleküle (Ausnahmen z.B. Hg) Diese Eigenschaften sind auf die Besonderheiten der metallischen Bindung zurückzuführen; Metalle zeigen ihre typischen Eigenschaften auch im geschmolzenen Zustand; verlieren sie aber beim Übergang in die Gasphase → Eigenschaften an größere Atomverbände gebunden. Im festen Zustand weisen Metalle eine hochgeordnete Struktur der Atome auf ≙ kristallin. 76 Drei Kristallstrukturen sind von Bedeutung, in zweien davon lagern sich die Metallatome so dicht wie möglich (dichteste Kugelpackungen); in den Packungen hat jedes Metallatom 12 bzw. 8 direkte Nachbarn. → Valenzelektronen reichen nicht aus, um alle Nachbaratome „kovalent“ zu binden: Valenzelektronen im Metall sind vollständig delokalisiert und können sich frei bewegen (≙ sog. Elektronengas) → gute elektrische Leitfähigkeit Folie 31 Metall besteht aus positiven Metallrümpfen und frei beweglichem Elektronengas. Bei höheren Temperaturen schwingen die Atomrümpfe um ihre Ruhelagen und behindern die Bewegung der Elektronen → Leitfähigkeit sinkt mit steigender Temperatur. Zusammenhalt zwischen Metallatomen wird durch elektrostatische Anziehung zwischen Atomrümpfen und Elektronengas gewährleistet. Beim Verschieben der Gitterebenen gegeneinander bleiben die Anziehungskräfte (anders als bei Ionenkristallen!!) erhalten. Folie 32 Dichteste Kugelpackungen: in einer Ebene 6 nächste Nachbarn in jeder Schicht darüber bzw. darunter 3 nächste Nachbarn → Koordinationszahl 12, Raumfüllung 74 % Schichtenfolge ABAB... ≙ hexagonal dichteste Packung (hdp) Schichtenfolge ABCABC... ≙ kubisch dichteste Packung (kdp) Folie 33 77 Elementarzellen (≙ kleinste Wiederholungseinheit): - hdp • • • • • • • • • 0 ½ 1 Folie 34 - kdp • • • • • • • • • • 0 ½ • • • • 1 Folie 35 Lücken: hdp und kdp weisen zwei Sorten von Lücken auf – oktaedrische (von 6 Atomen umgeben) ≙ OL; es gibt genauso viele OL wie Gitterplätze – tetraedrische (von 4 Atomen umgeben) ≙ TL; es gibt doppelt so viele TL wie Gitterplätze Folie 36 78 Kubisch innen(raum)zentrierte Struktur (krz): Jedes Atom hat nur 8 nächste Nachbarn (Koordinationszahl 8, Raumfüllung 68%) aber 6 „übernächste“ Nachbarn • • • • • • • • • 0 ½ Folie 37 Auf die drei Typen hdp, kdp, krz entfallen über 80% aller Metalle des Periodensystems: Folie 38 Zur Definition einer Elementarzelle benötigt man: - Kantenlängen a, b, c - Winkel α, β, γ Metrik Folie 39 besonders wichtig sind: - kubische Elementarzellen mit a = b = c; α = β = γ = 90° - hexagonale Elementarzelle mit a = b ≠ c; α = β = 90°, γ = 120° 79 4.3.2 Die ionische Bindung Ionenverbindungen entstehen bei der Reaktion von typischen Metallen (links im PSE) mit typischen Nichtmetallen (Halogene Sauerstoff; rechts im PSE) ≙ Salze. Salze zeigen hohe Sdp und Smp, sind löslich in polaren Solventien (Wasser) und ihre wässrigen Lösungen sind elektrisch leitend. Typisches Beispiel NaCl: Na• + •Cl Na : Cl : “ Na + Cl” -e 1 [Ne] 3 s 2 [Ne] 3 s 3 p - “ Na : [Ne] +e 5 - ” Cl : [Ne] 3 s2 3 p6 =^ [Ar] elementares Na gibt ein Elektron ab → Ne-Konfiguration elementares Cl nimmt ein Elektron auf → Ar-Konfiguration Im Salz liegen Na und Cl als Na⊕ bzw. Cl⊖-Ion mit Edelgaskonfiguration vor. Im Gegensatz zu den hochreaktiven Elementen sind die so gebildeten Ionen stabil und unreaktiv. Der Zusammenhalt des ionischen Festkörpers (≙ ionische Bindung) beruht auf elektrostatischer Anziehung zwischen Kationen und Anionen: F = 1 4 πε0 F ≙ Anziehungskraft z ≙ Ladungszahl Kation / Anion r ≙ Abstand zwischen K und A · zKe · zAe 2 r 80 Die Anziehungskraft wirkt in jede Raumrichtung gleich. → Kationen bzw. Anionen umgeben sich mit möglichst vielen Gegenionen → Ausbildung eines dreidimensionalen hochgeordneten Kristallgitters. Die Koordinationszahl (KZ ≙ Anzahl nächster Nachbarn) und die Anordnung dieser „Nachbarn“ um ein gegebenes Ion sind charakteristische Größen für jedes Kristallgitter. Abhängig von: – Zusammensetzung (AK, AK2, A2K, AK3, A3K etc.) – Größe von A bzw. K (Radienquotient rA/rK) Folie 40 Es folgt aus geometrischen Überlegungen: – in einem Salz AnKm verhalten sich die KZ von A und K wie m zu n ≙ KZ A KZ K = m n – die größtmögliche KZ in einem Salz ist 8 (12 kann nicht erreicht werden, da gleich geladene Nachbarn weiter von einem gegebenen Ion entfernt sein müssen als entgegengesetzt geladene) 81 Regeln zur Abschätzung von Ionenradien: – Kationen sind kleiner als Anionen; nur die größten Kationen K+, Rb+, Cs+, Ba2+ sind größer als das kleinste Anion F-. – In den Hauptgruppen nimmt der Ionenradius (wie der Atomradius) mit steigender Ordnungszahl zu: Be2+ < Mg2+ < Ca2+ < Sr2+ < Ba2+ F- < Cl- < Br - < I– Bei Elementen mit mehreren Kationen sinkt der Radius mit steigender Ladung: Pb2+ > Pb4+ Einfache Strukturtypen ionischer Verbindungen i) kubische Elementarzelle, Salze KA: rK/rA KZ Koordinationspolyeder Typ > 0.732 8 Würfel CsCl 0.44 bis 0.732 6 Oktaeder NaCl < 0.44 4 Tetraeder ZnS (Zinkblende) Bei der Form Abweichungen der Koordinationspolyeder auftreten Koordinationszahl nicht. (trigonales Prisma können statt unter Oktaeder), Umständen bei der 82 CsCl NaCl Sphalerit (Zinkblende, ZnS) Folie extra Anionen- und Kationenteilgitter sind identisch a) Cs Cl-Typ Cs+ bilden kubisch primitives Teilgitter Cl- in Würfelmitten KZCl = 8 aber auch: Cl- bilden kubisch primitives Teilgitter Cs+ in Würfelmitten KZCs = 8 Anionen- und Kationengitter sind identisch. ⇒ 0 ½ 1 Die Gesamtheit von A- und K-Teilgittern entspricht der krz-Raumstruktur von Metallen 83 b) Na Cl-Typ: Na bildet kdp-Teilgitter Cl- in allen OL (eine OL pro Gitterplatz → 1:1 Stöchiometrie) KZCl - = 6 aber auch: Cl- kdp-Teilgitter Na+ in allen OL KZNa+ = 6 0 ½ c) Zinkblende-Typ (Sphalerit ZnS) Zn2+ kdp – Teilgitter S2- in ½ TL (zwei TL pro Gitterplatz → 1:1-Stöchiometrie) KZS2- = 4 aber auch: S2- kdp - Teilgitter Zn2+ in ½ TL KZZn2+ = 4 0 ¼ ½ ¾ 84 ii) kubische Elementarzelle, Salze KA2 rK / rA KZ und Koordinationspolyeder Kation Anion 8 Würfel 4 Tetraeder 6 Oktaeder 3 Dreieck 4 Tetraeder 2 Linear > 0,732 0,44 bis 0,732 < 0,44 Strukturtyp CaF2 (Fluorit) TiO2 (Rutil) SiO2 (ß-Christobalit) Ca (kdp) Ti (tetragonal) Si (Diamantgitter) F (kub. prim.) O O Fluorit-Typ Rutil-Typ ß-Christobalit Folie extra a) Fluorit-Typ Ca2+ kdp-Teilgitter F- in allen TL (kub.primitives Teilgitter) KZF- = 4 KZCa2+ = 8 ^ Ca2+ = ^ F= 0 ¼ ½ ¾ 85 b) Rutil-Typ Ti4+ krz-Teilgitter (tetragonal verzerrt!) O2- (tetragonal verzerrt!) kdp-Teilgitter Ti4+ ist oktaedrisch (KZ = 6) von O2- umgeben O2- (KZ = 3) von Ti4+ umgeben ist trigonal planar ^ Ti 4+ = ^ O 2= ½ 0 (manchmal geben Lehrbücher die Packung der O2- als hdp an; die Verzerrung von hdp ist jedoch so groß, dass die Beschreibung als tetragonal dp zutreffender ist) c) β-Christobalit-Typ 0 Si4+ besetzt alle Gitterplätze der Zinkblende-Struktur O2- besetzt Si–Si-Verbindungslinien KZSi4+ = 4, tetraedrisch koordiniert KZO2- 2, linear koordiniert = 1 /8 1 /4 ^ Si 4+ = ^ O 2= 3 /4 7 /8 Si-Gitterplätze ≙ Diamantstruktur 3 /8 1 /2 5 /8 86 iii) kubische Elementarzelle, Salze KA3 (nur ReO3-Typ wichtig) Re6+ kubisch primitives Teilgitter O2- auf allen Re–Re-Kanten Re6+ ist oktaedrisch (KZ = 6) von O2- umgeben O2- 0 ist linear von Re6+ (KZ = 2) umgeben ½ ^ = Re 6+ ^ = O 2- 87 iv) hexagonale Elementarzelle, Salze KA rK/rA KZ Koordinationspolyeder Typ 0.44 bis 0.732 6 Oktaeder/trig. Prisma NiAs < 0.44 4 Tetraeder ZnS (Wurtzit) > 0.732 a) NiAs-Typ As3- hdp-Teilgitter (verzerrt) Ni3+ in allen OL As3- trigonal prismatisch von Ni3+ (KZ = 6) koordiniert ^ = ^ = 0 1 /4 1 /2 3 /4 Ni 3+ As 3- 88 b) Wurtzit-Typ (ZnS) S2- hdp-Teilgitter Zn2+ in ½ TL (KZ = 4) Zn2+ hdp-Teilgitter S2- in ½ TL (KZ = 4) aber auch ^ = ^ = 0 3 /8 1 /2 7 /8 Zn 2+ S 2- 89 v) Weitere wichtige Strukturtypen a) Korund-Typ Al2O3 O2- hdp-Teilgitter Al3+ in 2/3 OL (KZ = 6) O2- ist verzerrt tetraedrisch von Al-koordiniert (KZ = 4) Al / O = 2/3 ⇒ KZ Al / KZ O = 3/2 = 6/4! Folie 40 b) Cd Cl2-Typ Cl- kdp-Teilgitter Cd2+ besetzt alle OL in jeder zweiten Schicht 0 ½ ^ = ^ = Cd ^ = unbesetzte OL Cl 2+ 1 Verwandtschaft zur NaCl-Struktur aber ½ OL bleibt unbesetzt (Stöchiometrie 1:2) → abstoßende Kräfte zwischen Cl - werden nicht überall komprimiert → Schichtengitter mit leichter Spaltbarkeit 90 b) Cd I2-Typ Hexagonales Gegenstück zu CdCl2 → I- hdp-Teilgitter Cd2+ alle OL in jeder zweiten Schicht besetzt 3 0 ^ = I- ^ = Cd 2+ 7 /8 /8 d) Spinell-Typ Mg Al2 O4 O2- kdp Teilgitter Mg2+ in 1/8 TL Al3+ in ½ OL O2- ist tetraedrisch vor einem Mg2+ und drei Al3+ koordiniert wichtiger Strukturtyp für tertiäre (aus 3 Bestandteilen) Oxide KnK’mO4 Die Kationen K,K’ müssen 8 negative Ladungen kompensieren 2,3 -Spinelle K2+ K’23+ O4; Zn Al2 O4, Mg Cr2 O4, 4,2 –Spinelle K4+K’22+ O4; Ge Mg2 O4 usw. 6,1 –Spinelle K6+ K’22+ O4; Mo Na2 O4 usw. ⇒ Fe2+ Fe23+ O4 91 e) Perovskit-Typ CaTiO3 Ti4+ und O2- bilden ein ReO3-Gitter Ca2+ besetzt die Würfelmitte Folie 41 O2+ ist linear von Ti4+ koordiniert Ti2+ ist oktaedrisch von O2- koordiniert Ca2+ ist von 12 O2- kuboktaedrisch koordiniert * * 0 ½ ^ = Re 6+ ^ = O 2- ^ = Ca 2+ 92 Der Born-Haber Kreisprozess Thermodynamische Betrachtung der Bildung eines Salzes aus den Elementen; Bsp.: NaCl 93 Für die Standardbildungsenthalphie ΔHB0 gilt: ΔHB0 = ΔHS0 + ½ ΔHD0 + I + Eea + Ug exotherme Beiträge: – Bildung von NaCl; ΔHB0 = -411 kJ/mol – Anlagerung von e - an Cl¸ Eea = -349 kJ/mol (Elektronenaffinität) endotherme Beiträge: ΔHS0 = 108 kJ/mol – Sublimation Na; – Dissoziation von Cl2 in zwei Cl – Atome ½ ΔHD0 = 121 kJ/mol – Ionisierung von Na(g) zu Na(g)+ ; ⇒ I = 496 kJ/mol - 411 = 108 + 121 + 496 - 349 + Ug Ug = -787 kJ/mol Die Bildung des NaCl-Gitters aus Na(g)+ und Cl(g)- -Ionen ist stark exotherm. Anwendung des Born-Haber Kreisprozesses: – Berechnung von Gitterenergien – Bestimmung von Elektronenaffinitäten – Abschätzung der Stabilität hypothetischer Salze Bsp.: NeCl: ΔHB0 = ΔHS0 + ½ ΔHD0 + ΔHB0 = 0 + I + Eea + Ug 121 + 2084 - 349 + Ug = 1856 + Ug Die äußerst hohe Ionisierungsenergie von Ne verhindert, dass ΔHB0 negative Werte annehmen kann ⇒ NeCl ist nicht stabil 94 Zintl-Phasen und kovalente Festkörper a) Hochgeordnete Festkörperstrukturen, die ausschließlich von kovalenten Bindungen zusammengehalten werden sind vor allem von einigen Elementmodifikationen bekannt: i) Kohlenstoff – Diamantstruktur (Si, Ge, α-Sn) von jedem C gehen 4 kovalente Bindungen ideal tetraedrisch zu den nächsten Nachbarn aus ⇒ Zinkblende-Typ (Zn 2+ - und S 2- Plätze von C besetzt) – Graphit planare Schichten von C6-Ringen („Benzol“) π-Elektronen in den Schichten delokalisiert → elektrische Leitfähigkeit großer Abstand zwischen den Schichten (keine kovalenten Bindungen) Isolator senkrecht zu den Schichten, leichte Spaltbarkeit. Folie 42 → 95 ii) graues As (Pb, Sb, Bi) jedes As bildet 3 kovalente Bindungen zu Nachbaratomen aus und weist außerdem ein freies Elektronenpaar auf (am Atom lokalisiert) ⇒ – Schichten von gewellten σ-Ringen – keine kovalente Bindung zwischen den Schichten – keine Leitfähigkeit in den Schichten Folie 43 b) Kombination von elektropositiven HG-Elementen (1. und 2. HG) mit HGHalbmetallen (Tl, Si, Ge, Se etc.) führt oft zu Zintl-Phasen. Aufbauprinzip: – elektropositives Element gibt seine Valenzelektronen an Halbmetall ab (wird selber zum Kation) – Halbmetall bildet eine anionische, kovalente Festkörperstruktur – Struktur wie isoelektronisches HG-Element – Kationen besetzen Lücken / Freiräume im anionischen Gitter Bsp.: NaTl: – NaTl ≙ Na+ Tl– – Tl– ist isoelektronisch zu Pb (4Valenzelektronen, 4. HG) – Na+ besetzt alle OL und ½ TL im Diamantgitter ⇒ 1:1 Stöchiometrie Folie 44 96 5. Die chemische Reaktion In den Kapiteln 1-4 wurden atomare Bausteine, Atome, Moleküle und Festkörper behandelt (≙ chemische Stoffe). Jetzt werden stoffliche Veränderungen (≙ lösen oder schließen chemischer bzw. physikalischer Bindungen) betrachtet. Wichtig sind dabei: – Richtung und Ausmaß der stofflichen Veränderung (≙ Thermodynamik) – Geschwindigkeit der Veränderung (≙ Kinetik) 5.1. Allgemeine Reaktionsbegriffe – Stoffmenge n, Einheit mol ≙ Anzahl gleichartiger Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen) aus denen ein Stoff besteht Def.: 12 g 12 C enthalten 1 mol Atome 1 mol ≙ 6.02217 ⋅ 1023 Avogadro-Konstante NA Bei chemischen Reaktionen ist die Teilchenanzahl besonders wichtig ⇒ vorzugsweise mit Stoffmengen (n) und nicht mit Masse (m) rechnen. 97 – Molare Masse M, Einheit g/mol ≙ molare Masse eines Stoffes X M(X) = m (X) n (X) Quotient aus Masse (m) und Stoffmenge (n) Bsp.: M (12C) = 12 g/mol M (Na) = 22.99 g/mol; M (Cl) = 35.45 g/mol M (NaCl) = 58.44 g/mol – Stoffmengenkonzentration (kurz Konzentration) c, Einheit mol/l Stoffmenge pro Volumen ^ = c (X) = – Beschreibung einer chemischen Reaktion aA + bB → c C A, B, C ≙ Reaktanden; A, B ≙ Edukte und C Produkt a, b, c, ≙ stöchiometrische Koeffizienten Bsp.: 2 H2 + O2 → 2 H2O n (X) V 98 Aussagen: – H2 reagiert mit O2 zu Wasser – ein Wassermolekül besteht aus 2 H- und einem O-Atom – 2 mol H2 (4.032g) und ein mol O2 (31.999 g) bilden 2 mol Wasser (36.031 g) ⇒ Erhaltung der Masse vergleiche Kernreaktionen! E = mc2 – Energieumsatz einer chemischen Reaktion 2 H2 + O2 → 2 H2O + Energie Reaktion von H2 mit O2 verläuft spontan unter Wärmeentwicklung (Energieabgabe) Energie + 2 H2O → 2 H2 + O2 Die umgekehrte Reaktion (Spaltung von H2O in H2 und O2) erfordert Energie ⇒ Energiegehalt von Edukten (HE) und Produkten HP) ist unterschiedlich es gilt für E → P i) HE > HP, ΔH = HP – HE < 0 ⇒ die Reaktion setzt Energie (in Form von Wärme) frei ≙ exotherm ii) HE < HP, ΔH = HP –HE > 0 ⇒ die Reaktion verbraucht Energie ≙ endotherm 99 Bsp.: (1) 2 H2 + O2 → 2 H2O; ΔH = - 572.04 kJ/mol (2) 2 H2O → 2 H2 + O2; ΔH = 572.04 kJ/mol ΔH ≙ allgemeine Reaktionsenthalpie oder Reaktionswärme für (1): Bildungsenthalphie von H2O aus den Elementen für (2): Spaltungsenthalpie von H2O in die Elemente Folie 45 H ist abhängig vom Druck (p) und Temperatur (T) ⇒ Standardbedingungen definieren um zu vergleichbaren Zahlenwerten zu kommen. – T = 25 °C = 298 K (Raumtemperatur) – p = 1 atm = 1.013 bar (Normaldruck) Definition (willkürlicher Nullpunkt): die stabilste Form eines Elements (Graphit für C, nicht Diamant) hat unter Standardbedingungen die Enthalpie 0. Standardbildungsenthalpie eines Elements (stabilste Modifikation!) ≙ ΔHB0 = 0 Folie 46 ΔHB0(CO2) = -394 kJ/mol Standardbildungsenthalpie einer Verbindung ist die Reaktionsenthalpie, die bei der Bildung von 1 mol der Verbindung aus den Elementen auftritt (alles unter Standardbedingungen). 100 Anwendungen: – Berechnen von Reaktionsenthalpien Fe2O3 (s) + 3 CO (g) → 2 Fe (s) + 3 CO2 (g) ΔH0 = 3 ΔHB0 (CO2) + 2 ΔHB0 (Fe) – (ΔHB0 (Fe2O3) + 3 ΔHB0 (CO)) ∑ΔH0 (Produkte) ΔH0 = – ∑ΔH0 (Edukte) 3 (-393.8) + 2 (0) – (-824,8) - 3 (-110.6) ΔH0 = -24.8 kJ/mol – Berechnung von Dissoziationsenergie (Bindungsenergie) 1 HCl ½ H2 + ½ Cl2 2 H + Cl 3 1 ≙ Umkehrung der Bildung von HCl aus den Elementen H2 und Cl2 ΔH10 = - ΔHB0 (HCl) = - (-92) = + 92 2 ≙ Bildungsenthalpien von H- und Cl-Atomen aus den Elementen H2 und Cl2 ; ΔHB0 (H) = 218 3 = 1 + 2 = 92 + 218 + 122 = 432 kJ/mol = ED (HCl) Dissoziationsenergie von HCl 101 5.2. Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung Eine fundamentale Frage in der Chemie lautet: Können zwei Stoffe miteinander reagieren, d.h. läuft eine Reaktion A+B → C (Bildung von C aus A und B) freiwillig ab, oder ist ihre Umkehr C → A+B (Zerfall von A in B) bevorzugt? ΔG = ΔH – TΔS Gibbs-Helmholtz Gleichung ΔG ≙ freie Enthalpie ΔH ≙ Reaktionsenthalpie ΔS ≙ Entropie („Unordnungsfunktion“) anschauliche Beschreibung: ein Stoff enthält umso mehr Entropie, je mehr Anordnungsmöglichkeiten es für seine Bestandteile gibt. Bsp.: – Kristall bei 0 K; Schwingung alle Teilchen auf festen Gitterplätzen, keine ΔS = 0 – Stoff geht in die Gasphase, ungeordnet bewegen alle Teilchen können sich frei und ΔS = max 102 Veränderung von ΔS lässt sich über Teilchenzahl abschätzen: [Ni(H2O)6]2+ + 6 NH3 → [Ni(NH3)6]2+ + 6 H2O 7 Teilchen 7 Teilchen Verdrängung von 6 H2O-Liganden in einem Ni-Komplex durch 6 NH3Liganden; Teilchenzahl Edukt = Teilchenzahl Produkt ⇒ keine Entropieänderung [Ni(H2O)6]2+ + 3 „en“ → [Ni(en)3]2+ + 6 H2O 4 Teilchen 7 Teilchen Verdrängung von 6 H2O-Liganden durch 3 „en“-Liganden; Teilchenzahl Produkte > Teilchenzahl Edukte ⇒ Entropie nimmt zu (Chelateffekt bei Komplexen) CH2 en = Ethylendiamin H2N CH2 NH2 Reaktionen die Wärme freisetzen, verlaufen exotherm, ΔH < 0 (umgekehrt ΔH > 0 → endotherm) analog: ΔS < 0 exotrop, ΔS > 0 endotrop ΔG < 0 exergonisch, ΔG > 0 endergonisch Reaktionen für die gilt ΔG < 0 laufen freiwillig ab. (≙ haben Triebkraft). 103 Fallbeispiele: ΔG = ΔH - T ΔS eine Reaktion verläuft: – exotherm und endotrop ⇒ ΔG ist immer negativ, Reaktion hat Triebkraft – endotherm / exotrop ⇒ ΔG > 0 ⇒ keine Triebkraft – exotherm / exotrop ⇒ für kleine T (niedrige Temperatur) gilt |ΔH| > |T ΔS| ⇒ ΔG < 0 ⇒ Triebkraft – für hohe Temperaturen wird |T ΔS| > |ΔH| ⇒ ΔG > 0 ⇒ keine Triebkraft – endothern / endotrop ⇒ umgekehrte Temperaturabhängigkeit 5.3. Das Chemische Gleichgewicht Bis jetzt wurde davon ausgegangen, dass chemische Reaktionen A → B irreversibel von links nach rechts verlaufen. Für viele chemische Reaktionen ist aber auch die Rückreaktion möglich A ⇆ B es herrscht also ein Gleichgewicht. 104 9.46 kJ + 2 HI ⇆ H2 + I2 Bsp.: HI HI ist ein bei Raumtemperatur farbloses Gas, das beim Erwärmen auf 180 °C in H2 und I2 (violette Dämpfe zerfällt). Beim Abkühlen des H2/I2 –Gemisches bildet sich HI zurück. – Zerfallsgeschwindigkeit von HI (rZ): rZ = kZ C2HI ⇒ Geschwindigkeit ∼ Konzentration rZ ist proportional der HI-Konzentration (genauer C2HI); kZ ≙ Proportionalitätsfaktor (Geschwindigkeitskonstante) – Bildungsgeschwindigkeit von HI (rB): rB = kB CH2 ⋅ CI2 Im Gleichgewichtszustand gilt: ⇒ r Z = rB ⇒ kZC2HI = kB CH2 CI2 C2HI CH 2 · CI 2 = kB kZ = KC KC ≙ Massenwirkungskonstante KC ist abhängig von der Temperatur; für HI / H2, I2 beobachtet man: 1) T < 180 °C: 100% HI kein statischer Zustand! Im GG ist die Anzahl 2) T = 300 °C: sich bildender und zerfallender HI-Moleküle 81% HI 3) T = 1000 °C 67% HI gleich groß geworden. 105 Kinetische Deutung des MWG: – Hinreaktion schneller als Rückreaktion → großer Wert für KC (>1)→ Gleichgewicht liegt auf Seiten der Produkte (CProdukte >> CEdukte) Anwendung des MWG: – Beim Erhitzen von 2.94 mol I2 und 8.10 mol H2 entstehen in einer Gleichgewichtsreaktion I2 + H2 ⇆ 2 HI 5.64 mol HI; wie groß ist KC ? KC = C2HI CH 2 · CI 2 CHI = 5.64 mol CI2 = 2.94 - ½ ⋅ 5.64 mol GG-Konzentrationen! CH2 = 8.10 - ½ ⋅ 5.64 mol 5.64 K = 2 (8.10 - ½ · 5.64) · (2.94 - ½ · 5.64) = 50.20 106 – Für die Dissoziation von Essigsäure in Protonen und Acetationen CH3CO2H ⇆ CH3CO2- + H+ beträgt KC = 10-5 (bei Raumtemperatur); wie groß ist die Protonenkonzentration, wenn in 1l H2O 0.1 mol Essigsäure gelöst wird? KC = CH + · CCH 3CO2CCH 3CO2H – CH+ = CCH3CO2- ; Essigsäure dissoziiert in gleich viele H+ und CH3CO2- Ionen. – im GG-Zustand ist CCH3CO2H = 0.1 mol - CH + l ⇒ KC = CH +2 0.1 - CH + = 10-5 ⇒ CH + = 10-3 mol/l 107 Das Prinzip von Le Chatelier „Übt man auf ein System, das im Gleichgewicht ist, Zwang aus, so stellt sich ein neues Gleichgewicht ein, bei dem dieser Zwang vermindert ist“ (System weicht Zwang aus – Prinzip des kleinsten Zwangs) Zwang ≙ Änderung von – Konzentration – Druck – Temperatur Beispiele: i) SO2 + ½ O2 ⇆ SO3 SO3 ist von technischer Bedeutung für die H2SO4-Produktion → hohe Ausbeute an SO3 nötig KC = CSO 3 CSO 2 · CO1/22 bzw. 1/2 KCCO 2 = CSO3 CSO 2 O2-Konzentration erhöhen → SO3-Konzentration (Reaktionsumsatz) steigt. Zwang ausüben durch Erhöhung der Edukt-Konzentration. System weicht aus durch erhöhte Bildung von Produkt. 108 ii) technisch wichtige Ammoniak-Synthese 3 H2 + N2 ⇆ 2 NH3 Die Bildung von NH3 aus ΔH0 = –92 kJ/mol den Elementen erfolgt exotherm (Wärmeentwicklung). Wollte man den Umsatz durch Zufuhr von Wärme steigern, würde das System dem Zwang (Wärme) dadurch ausweichen, das es Wärme verbraucht → Spaltung von NH3 in Edukte. Bildung von NH3 verläuft unter Volumenverringerung (4 gasförmige Teilchen → 2 gasförmige Teilchen) → Synthese unter hohem Druck, System weicht Zwang durch Volumenabnahme aus → erhöhte NH3-Bildung. Folie 47 iii) C + CO2 ⇆ 2 CO Boudouard–Gleichgewicht; ΔH0 = +173 kJ/mol große technische Bedeutung für den Hochofenprozess (Eisengewinnung) – CO-Bildung ist endotherm → Zufuhr von Wärme erhöht die CO-Bildung – Reaktion verläuft unter Volumenzunahme → Erhöhung des Drucks fördert den Zerfall von CO in die Edukte Folie 47 109 Die Aktivierungsenergie für die Reaktionen bzw. H2 + ½ O2 ⇆ H2O (1) ½ H2 + ½ Cl2 ⇆ HCl (2) liegen die Gleichgewichte ganz auf der rechten Seite; H2/O2 – bzw. H2/Cl-Gemische reagieren jedoch nicht spontan zu den Produkten → Zufuhr von Aktivierungsenergie (Wärme, Licht, elektrische Entladung etc.) nötig Folie 48 Knallgas (1) bzw. Chlorknallgas (2) sind so genannte metastabile ≙ kinetisch gehemmte Systeme. – Mechanismus der Chlorknallgasreaktion (Kettenreaktion): Cl2 → 2 Cl⋅ Cl⋅ + H2 → HCl + H⋅ H⋅ + Cl2 → HCl + Cl⋅ Startreaktion (benötigt Energie) Kettenfortpflanzung Cl⋅ + H⋅ → HCl Cl⋅ + Cl⋅ → Cl2 H⋅ + H⋅ → H2 Kettenabbruch 110 Die Kettenfortpflanzung verläuft sehr rasch (Bildung von 106 HCl–Molekülen bevor Kette abbricht; freiwerdende Wärme kann nicht schnell genug abgeführt werden → noch mehr Ketten werden gestartet → Explosion Einfluss von Katalysatoren auf die Aktivierungsenergie: Folie 49 111 5.4. Säure-Base-Reaktionen Wasser als Solvens Assoziation über Wasserstoffbrücken aber ungeordneter als im Kristall. Konsequenz der H-Brücken sind relativ hohe Smp. bzw. Sdp. (Verdampfungsenthalpie siehe unten). Beim Schmelzen bricht die kristalline Packung der H2O-Moleküle zusammen und in der flüssigen Phase können sich die Moleküle dichter packen → “Anomalie“ des Wassers (≙ Eis hat geringere Dichte ρ = 0,92 gcm-3 als Wasser ρ = 1 gcm-3, schwimmt oben) Die Stärke einer H-Brückenbindung in Eis/Wasser beträgt 25 kJ/mol (relativ schwach). H O H H H O H O H H H O H Die Moleküle lagern sich rasch um; die Lebensdauer eines gegebenen H2OMoleküls beträgt ca. 10-12 sec. Eigendissoziation: 2 H2O ⇄ [H3O]+ + [OH]Ionenprodukt des Wassers Kw = C(H3O+) · C(OH-) C2(H2O) ~ C(H3O+) · C(OH-) = 1.0 · 10-14 mol2 l-2 Die GG-Konstante ist sehr klein → GG liegt links, Wasser ist nur zu geringem Teil dissoziiert. 112 Freie Protonen kommen in H2O nicht vor sondern sind immer solvatisiert. Auch die Beschreibung als Hydroxoniumion H3O+ ist streng genommen unzureichend, da weiter hydratisierte Spezies wie [H5O2]+, [H7O3]+ und [H9O4]+ vorliegen. (auch OH- hydratisiert, nicht frei). Molarität von Wasser: Dichte ρ = 1 g cm-3 → 1000 cm3 H2O wiegen 1000 g Mw H2O = 18 g mol-1 1000 g -1 = 55.55 mol 18 gmol (H2O-Moleküle in 1 l Wasser) Säure – Base Definitionen (Auswahl) Säure + Alkali → Salz 1648 Glauber Alkali ≙ Hydroxid bzw. Carbonat von Natrium und Kalium 1663 Boyle Säuren haben sauren Geschmack und färben Lackmus. 1777 Lavoisier Sauerstoff ist das “saure Prinzip“ eines Stoffes und notwendiger Bestandteil jeder Säure. 1815 Davey, Dulong Wasserstoff ist der notwendige Bestandteil jeder Säure. Säure + Base → Salz + Wasser 113 1838 Liebig Eine Säure ist eine Verbindung, in der ein Wasserstoffatom durch ein Metall ersetzt werden kann. 1887 Arrhenius Eine Säure ist eine Wasserstoff-haltige Substanz, die in Wasser in Protonen und Anionen dissoziiert. Eine Base ist eine Hydroxyl-haltige Substanz, die in Wasser in Hydroxydionen und Kationen dissoziiert. Zusatz: eine Lösung die überschüssige Protonen enthält ist sauer (überschüssige Hydroxylionen → basisch); eine Lösung mit gleichen Anteilen H+ und OH- ist neutral. → erste quantitative Definition von Säure–Base Verhalten 1923 Brönstedt-Lowry Säuren sind H+ Spender, Basen sind H--Akzeptoren. (Allgemeiner als Arrhenius, Wasser nicht mehr einziges Solvens) 1923 Lewis Säuren sind Elektronenpaar-Akzeptoren, Basen sind Elektronenpaar-Spender. 1939 Usanovich Eine Säure ist eine chemische Spezies, die mit Basen reagiert, Kationen abspaltet oder Anionen bzw. Elektronen aufnimmt. Versuch der Verallgemeinerung. Die Definition beinhaltet nicht nur Brönsted/Lewis Definition sondern auch Redoxchemie. 114 Generelle Definition Acidität ist die positive Eigenschaft einer Spezies, die durch Reaktion mit einer Base vermindert wird. Basizität ist die negative Eigenschaft einer Spezies, die durch Reaktion mit einer Säure vermindert wird. Brönsted Säuren und Basen A1 ⇄ B1 + H+ (1 ) Nach Definition ist A1 eine Säure, die ein Proton unter Bildung von B1 abgibt. Im Fall der Rückreaktion (GG) nimmt B1 das Proton auf und reagiert zu A1 zurück, ist also eine Base. A1/B1 bilden eine konjugiertes Säure-Base Paar; zu jeder Säure gibt es genau eine konjugierte Base und umgekehrt. Bei allen Reaktionen in einem Medium hat Gleichung 1 lediglich fiktiven Charakter, da freie H+ hier nicht existent sind. Es muss einen Reaktionspartner geben, der H+ aufnimmt, d.h. als Base reagiert. H+ + B2 ⇄ A2 (2 ) Durch Aufnahme von H+ reagiert B2 zur konjugierten Säure A2. 115 Kombination von (1) und (2) liefert die vollständige Säure-Basen Reaktion A1 ⇄ B1 + H+ (1 ) H+ + B2 ⇄ A2 (2 ) A1 + B2 ⇄ B1 + A2 (3 ) In der Gesamtgleichung (3) taucht die fiktive H+-Konzentration nicht mehr auf → MWG kann angewendet werden. K= CB1 · CA2 CA1 · CB2 Wasser als Solvens / Medium: A1 ⇄ B1 + H+ H+ + H2O ⇄ H3O+ A1 + H2O ⇄ B1 + H3O+ K= CB1 · C H3O+ CA1 · C H2O (4) Beim Arbeiten in verdünnten wässrigen Lösungen (< l molar) kann CH2O (55.55 mol l-1!!) als konstant angenommen werden. Man schreibt auch CH+ für CH3O+ (keine freien H+!!) und Gleichung (4) vereinfacht sich zu K= CB1 · C H+ CA 1 MWG - Konstante heißt Säurekonstante und ist ein Maß für die Stärke einer gegebenen Säure Wann ist A1 besonders stark? Bei großem KA, d.h. bei kleinem CA1, d.h. bei möglichst vollständiger Dissoziation von A1! 116 Analoges gilt für die Basenkonstante KB: H2O ⇄ OH- + H+ H+ + B1 ⇄ A1 H2O + B1 ⇄ A1 + OH- COH- · CA1 CB K B= 1 Auch hier gilt: je stärker B1 dissoziiert ist, umso größer ist KB. KA und KB eines konjugierten Säure-Base Paares sind voneinander abhängig: KA · KB = CB · C H+ CA COH- · CA CB · -14 2 -2 = C H+ · C OH- = Kw= 10 mol l Ionenprodukt des Wassers Ist KA bekannt, kann man KB der konjugierten Base ausrechnen nach: KA = KW KB Bei den in verdünnten Lösungen auftretenden Konzentrationen ist es sinnvoll pKA- bzw. pKB -Werte einzuführen: pKA = -log KA; pKB = -log KB; pKW = -log KW = 14 pKA = 14-pKB 117 Analoges gilt für pH und pOH: pOH = -log COH- pH = -log CH+ pH + pOH = pKW = 14 H2O ⇄ H+ + OH- Für reines H2O gilt: COH- = CH+ = 10-7 bzw. pH = pOH = 7 und pH + pOH = 14 Dissoziiert Säure in Wasser, steigt die H+-Konzentration d.h. pH wird kleiner als 7. Dissoziiert Base in Wasser, sinkt die H+-Konzentration d.h. pH wird größer als 7. Klassifizierung von Säuren und Basen Kenntnis der pKA bzw. pKB-Werte erlaubt die Einteilung in 5 Klassen. Klasse pKA- stark mittelstark schwach sehr extrem schwach schw. < -1 -1 bis 4 4 bis 10 10 bis 15 > 15 HClO4 -9 HF CH3CO2H H2O2 11.6 NH3 23 3.14 4.75 Bereich Beispiele HCl -6 H3PO4 2.22 H2SO4 -3 HSO41.92 118 Aufgabe: analoge Klassifizierung der konjugierten Basen vornehmen. 1. Schritt: konjugierte Base ermitteln → Halbgleichungen aufstellen HClO4 → H+ + ClO4- etc. → H+ + Cl- HCl H2SO4 → H+ + HSO4- 2. Schritt: pKB-Wert ermitteln pKB (ClO4-) = 14 – (-9) = 23 pKB (Cl-) 3. Schritt: = 20 pKB (HSO4-) = 17 Klassifizierung (analoge Bereiche wie Säuren) extrem schwache Base: pKB > 15 sehr schwach : pKB 10 bis 15 schwach : pKB 4 bis 10 mittelstark : pKB -1 bis 4 stark : pKB < -1 Man erhält folgende Tabelle: Klasse extrem schw. sehr schwach schwach mittelstark stark > 15 15 - 10 10 bis 4 4 bis -1 < -1 pKB-Bereich Beispiele ClO4- 23 Cl- 20 HSO4- 17 F- 10.86 H2PO42- 11.78 SO42- 12.08 CH3CO2- 9.25 HO2- 2.4 NH2- -9 119 Aufgrund der Abhängigkeit von pKA und pKB gilt: je stärker eine Säure, desto schwächer ihre konjugierte Base (und umgekehrt). starke Säure ⎯ extrem schwache Base mittelstarke Säure ⎯ sehr schwache Base schwache Säure ⎯ schwache Base sehr schwache Säure ⎯ mittelstarke Base extrem schwache Säure ⎯ starke Base Gründe für die Stärke von Säuren A ⇄ B + H+ je stärker A dissoziiert ist, umso größer ist die Konzentration von H+ (GG rechts) umso stärker ist A. Wann dissoziiert A besonders gut? 1.) hohe Polarität der E-H Bindung δ– δ+ Je stärker die Bindung im Sinne von E-H polarisiert ist, umso leichter kann H+ übertragen werden. Die Polarität ist abhängig von der Differenz der Elektronegativitäten von E und H. →Je elektronegativer E umso stärker ist die Säure E-H. (Gilt streng nur für den Vergleich von E aus derselben Periode!) NH3 < H2O < HF PH3 < H2S < HCl 120 2.) Radienverhältnis E/H Je unterschiedlicher die Radien von E und H sind, umso schlechter können die Atomorbitale überlappen, umso schwächer wird die E-H Bindung. H ist sehr klein (rkov = 0.34 pm). → Je größer E umso stärker ist die Säure E-H HF < HCl < HBr < HJ H2O < H2S < H2Se < H2Te 3.) Verhältnisse bei Oxosäuren Verbindungen vom Typ E-O-H; für E = Metall ist die E-O-Bindung aufgrund der geringen EN von M stark polar bzw. ionisch → dissoziiert leicht in H2O → M-OH sind Basen. Bsp.: NaOH, KOH, Ba(OH)2 etc. Für E = Nichtmetall mit höherer EN ist die E-O-Bindung kovalent. δ– δ+ Je elektronegativer E ist, umso stärker ist die O-H-Bindung im Sinne von O-H polarisiert → umso stärker ist die Säure E-OH. HOI < HOBr < HOCl 121 Je mehr O-Atome an E gebunden sind, umso höher ist die Gruppen E-N von EOx → umso stärker ist die Säure OxE-OH. HOCl < HOClO < HOClO2 < HOClO3 O O H O H Cl O Cl O H O Cl O H O Cl O O Hypochlorige Chlorige Säure Säure Chlorsäure Perchlorsäure Außerdem gibt es für das Perchlorat-AnionClO4- mehr mesomere Grenzformen als für das Hypochlorit ClO-. Das heißt ClO4- ist stabiler also auch die schwächere konjugierte Base. Amphoterie HSO4- kann sowohl als Säure wie auch als Base reagieren: HSO4- ⇄ SO42- + H+ HSO4- + H+ ⇄ H2SO4 HSO4- ist ein Amphoter; 122 weitere Beispiele: + -H + +H + H3O - H2O OH + -H + +H + NH4 NH3 NH2 + -H + H3PO4 +H - + - H2PO4 2- H2PO4 +H - HPO4 2 HPO4 - H+ 3- PO4 pH-Wert Berechnung in wässriger Lösung A ⇄ B + H+ KA Für den Fall, dass eine Neutralsäure A in Wasser gelöst wird, sind folgende Größen bekannt: nAO : Ausgangsmenge an A V : Volumen der Lösung (im GG !) KA und KW folgende Größen sind unbekannt: CH+, COH-, CA, CB (alles GG-Konzentrationen!) Für vier unbekannte Größen muss ein Gleichungssystem mit vier Beziehungen aufgestellt werden. 123 (1) KA = CH + · CB ; CA (3) CH + = CB + COH - = CH+ · COH - Elektroneutralitätsbedingung; wir starten mit einer neutral im Sinn von elektrisch neutral ! (4) (2) KW nAO = CAO = CA + CB V neutralen Säure in neutralem H2O. Im GG muss die Lösung immer noch neutral sein d.h. die Anzahl von Kationen (CH) ist gleich der Anzahl von Anionen (CB + COH). Stoffbilanzgleichung; Stoffmenge AO pro Volumen liefert die Ausgangskonzentration an Säure CAO Im GG ist noch undissoziierte Säure (CA) vorhanden. Aus jedem Molekül dissoziierte Säure wird ein Molekü konjugierte Base (CB). Aus den Beziehungen (1)-(4) ergibt sich eine Bestimmungsgleichung 3. Grades für CH (und damit pH): 3 2 CH+ + KACH + - (KW + KACAO) · CH + - KAKW = 0 (5) Um die Gleichung bequemer anzuwenden ist es sinnvoll, Näherungen einzuführen: 124 1.) starke Säuren KA >> KW; für verdünnte Lösung ist CH+ < 1 < KA → C3H+ und Glieder mit KW können vernachlässigt werden. CH+ = CAo d.h. die H+ - Konzentration im GG entspricht der Ausgangskonzentration an Säure (vollständige Dissoziation) pH = -logCAo Beispiele: 0.1m HCl in H2O: pH = 1 0.01m HClO4 in H2O pH = 2 2.) mittelstarke Säuren KA >> KW → Glieder mit KW fallen weg. CH+ KA = 2 2 + KACAO + KA 4 (1) Diese Näherungsformel lässt sich auch direkt aus dem MWG ableiten; Bsp. Essigsäure: CH3CO2H ⇆ CH3CO2- + H+ KA = KA CH+ · CB CA 125 von der eingesetzten Säure ist nur ein Teil dissoziiert; für die Konzentration an undissoziierter Essigsäure gilt: CCH 3 CO H 2 = CA = CAO - CB = CAO - CH+ CB = CH+ wegen Elektroneutralität CH+ · CB CA = KA = CH+2 CAO - CH+ 2 CH+ + KACH+ - KACAO = 0 pq-Formel → (1) negative Lösung physikalisch sinnlos 3. Schwache Säuren K KA wird kleiner, Glieder A und 2 CH+ = Bsp.: KACAO KA2 4 bzw. 0.1 m NH4+ -Lsg.; pKA = 9.2 pH = ½ (9.2-1) = 4.1 in (1) können vernachlässigt werden pH = ½ (pKA - logCAO) 126 4.) sehr schwache Säuren In Gl. (5) kann man KAKW, aber nicht mehr KW neben KACAO vernachlässigen; Glieder mit KA2 gegen KA streichen → C H + = K W + K A C A0 5. extrem schwache Säuren C H + = K W bzw. pH = 7 Dissoziation von A ist so schwach, dass die Dissoziation von H2O den pH bestimmt. Mehrprotonige Säuren Sie enthalten mehr als ein dissoziierbares H+ pro Molekül, Bsp.: H2SO4, H3PO4. Die H+ dissoziieren schrittweise, für jeden Schritt ist ein eigener KA-Wert definiert: H3PO4 ⇆ H+ + H2PO4- 1) CH+ · CH PO 2 4 KA1 = = 7.5 · 10-3; pKA1 = 2.22 CH PO 3 4 → mittelstarke Säure 127 2) KA2 H2PO4- ⇆ H+ + HPO42- CH + · CHPO 24 = = 6.2 · 10-8; CH PO 2 pKA2 = 7.2 4 →schwache Säure 3) KA3 HPO42- ⇆ H+ + PO43- CH+ · CPO 34 -12 = = 1 · 10 ; pKA3 = 12.0 CHPO 24 →sehr schwache Säure Allgemein gilt: KA1 > KA2 > KA3 128 Pufferlösungen Die Mischungen von Säuren und ihren konjugierten Basen, sofern diese der Klasse schwach (ggf. noch mittelstark / sehr schwach) angehören, wirken als Puffer, d.h. sie halten den pH-Wert bei Zugabe von Säuren/Basen in einem bestimmten Bereich konstant (physiologische Systeme z.B. Blut). Wirkungsweise Pufferlösung über MWG erklären; Bsp. Essigsäure: CH3CO2H ⇆ CH3CO2- + H+ CH + · CCH CO 23 KA = CCH CO H 3 C H + = KA CCH CO 3 2 2 CCH CO H 3 = 1.8 · 10-5 bzw. pH = pKA + lg 2 CCH CO 3 2 CCH CO H 3 (1) 2 für ein äquimolares Gemisch aus Säure (CH3CO2H) und konjugierter Base (CH3CO2-) wird daraus: pH = pKA = 4.75 für Esssigsäure/Acatatpuffer Bei Zugabe einer begrenzten Menge H+-Ionen, reagieren diese mit Acetat zu Essigsäure. Bis zu einem Verhältnis CH3CO2- zu CH3CO2H von 10 zu 1 ändert sich der pH-Wert nach Gl. (1) jedoch nur um 1. Folie 50 pH = 4.75 + lg 10 = 5.75 129 bzw. bei Zugabe von OH- bis zu einem Verhältnis CH3CO2-: CH3CO2H = 0.1 pH = 4.75 + lg 0.1 = 3.75 Hier werden die zugegebenen OH--Ionen durch Reaktion mit Essigsäure zu Acetat und H2O abgefangen. Die allgemeine Form von Gl. (1) ist die sog. HENDERSON – HASSELBALCH GLEICHUNG pH = pKA + lg CB CA Man erkennt, dass der geforderte Pufferbereich durch das Stoffmengenverhältnis CB/CA eingestellt werden kann. Die größte Pufferkapazität hat jedoch immer ein äquimolares Gemisch. Beispiele für Puffer (nur äquimolare Mischungen): H3PO4 / H2PO4- pH = pKA = 2.22 CH3CO2H / CH3CO2- pH = pKA = 4.75 H2PO4- / HPO42- pH = pKA = 7.2 NH4+ / NH3 pH = pKA = 9.25 HPO42- / PO43- pH = pKA = 12.3 130 Fallbeispiel für Pufferwirkung: 0.1 mol Essigsäure und 0.1 mol Acetat in 1l H2O gelöst: pH = pKA = 4.75 Zugabe von 0.01 mol HCl: CH3CO2- + HCl → CH3CO2H läuft vollständig ab in Lösung sind dann 0.11 mol Essigsäure und 0.09 mol Acetat pH = 4.75 + log ohne Puffer: 0.09 = 4.66 0.11 pH-Wert einer 0.01 m HCl-Lösung in H2O pH = -log CA0 = -log 10-2 = 2 ! Indikatoren Säure-Base Indikatoren sind organische Säure-Base Paare, bei denen die Indikatorsäure eine andere Farbe hat als die konjugierte Indikatorbase. Indikator Säure-Base GG: - Ind H ⇆ Ind + H+ Indikatorsäure Indikatorbase Indikatoren sind generell schwache Säuren/Basen und werden bei Titrationen nur in sehr geringen Mengen zugegeben, um die eigentliche Titration nicht zu verfälschen. Es sind Indikatoren bekannt, die in verschiedene pH-Bereiche umschlagen: Folie 51 131 Indikatoren können gemischt werden und zeigen so mehrere Umschlagbereiche → Universalindikatorpapier Säure – Base Indikatoren Methylorange Na-Salz der p-Dimethylaminoazobenzolsulfonsäure SO3- SO3- N -H N “ N H N + H“ “ N H 3C CH3 N H3 C CH3 gelborange rot Phenolphthalein NaO O -NaOH C CO2Na farblos NaO ONa C +NaOH rot OH CO2Na 132 1. Beispiel: starke Säure / starke Base 100 ml 0.1m HCl mit 1m NaOH titrieren pH 14 • • 7 1 • • 0 5 ml • 10 ml 15 ml 20 ml Verbrauch NaOH in ml 1) Startpunkt; pH = -logCA0 = -log 10-1 = 1 2) 5 ml NaOH; 5 ml 1m NaOH enthalten 5 mmol OH--Ionen → 50% der H+-Ionen sind neutralisiert pH = -log 0.5 · 10-1 = 1.3 (die Volumenvergrößerung auf 105 ml wurde vernachlässigt) 3) 9 ml NaOH 90% der H+-Ionen sind neutralisiert pH = -log 10-2 = 2 4) Äquivalenzpunkt; alle H+-Ionen aus der vorgelegten HCl sind neutralisiert pH = ½ pKW = 7 5) 20 ml NaOH; Neutralpunkt unter Vernachlässigung der Volumenvergrößerung liegt jetzt eine 0.1 m NaOH-Lösung vor. pOH = -logCB0 = -log 10-1 = 1 pH = 14 – pOH = 13 133 2. Beispiel: schwache Säure / starke Base 100 ml 0.1m CH3CO2H mit 1m NaOH pH 14 • 7 • • • 1 0 5 ml 20 ml 15 ml 10 ml Verbrauch NaOH in ml 1 ) Anfangspunkt: pH = ½ (pKA – logCA0) = ½ (4.75 – log10-1) = 2.88 2) 5 ml NaOH: 50% CH3CO2H zu CH3CO2- umgesetzt → äquimolares Puffergemisch, pH = pKA = 4.75 3) 9 ml NaOH: 90% CH3CO2H zu CH3CO2- umgesetzt Puffergemisch mit CCH3CO2H = 1 · 10-2 mol/l CCH3CO2- = 9 · 10-2 mol/l pH = pKA + log 4) 10 ml NaOH: 9 · 10 - 2 1 · 10 -2 = 5.70 Äquivalenzpunkt, 0.1m CH3CO2- -Lösung pOH = ½ (pKB – log CB0) = ½ (9.25 – log 10-1) = 5.13 pH = 14 – pOH = 8.78 ≠ Neutralpunkt ! 134 Lewis Säuren und Basen Lewis Säuren (e-Paarakzeptoren) sind Teilchen (Atome Moleküle, Ionen) mit unbesetzten Orbitalen in der Valenzelektronenschale, die unter Bildung einer kovalenten Bindung ein Elektronenpaar aufnehmen können. 1) Moleküle mit Zentralatomen der Gruppe 13 (B, Al, Ga, In, Tl); diese Elemente haben 1 Valenzorbital mehr als Valenzelektronen. 2) Moleküle mit Zentralatomen, die die Oktettregel verletzen können (3. Periode und höher). 3) Moleküle mit Metallatomen oder Metallkationen als Zentralatom. Lewisbasen sind Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen) die ein freies Elektronenpaar besitzen, das zur Ausbildung einer kovalenten Bindung geeignet ist (e-Paardonatoren) Beispiele für Lewis-Säure-Base Reaktionen: F ” F F + B F - B F F F Me BMe3 + NMe3 F Me B Me Me N Me Me 135 F SiF4 + 2 F- F F Si F 2F F Cu2+ + 4 NH3 → [Cu(NH3)4]2+ Ni + 4 CO → [Ni(CO)4] Pearson-Konzept 1963 Qualitativ-empirisches Konzept zur Klassifizierung von Lewis Säuren/Basen → Unterscheidung zwischen “harten” und “weichen” Säuren/Basen (HSAB ≙ hard/soft acid/base). Dabei nimmt die Härte mit abnehmender Größe, kleinerer Polarisierbarkeit und zunehmender Ladung zu. Addukte aus harten Säuren/harten Basen bzw. weichen Säuren/weichen Basen sind besonders stabil. Beispiele: [Al F6]3- ist stabiler als hart/hart aber [Hg I4]2 ist stabiler als weich/weich [Al I6]3hart/weich [Hg F4]2weich/hart 136 5.5. Redox-Reaktionen Vorbemerkungen und Definitionen Neben dem Säure-Base Begriff kommt den Redox-Reaktionen zentrale Bedeutung in der Chemie zu. Definition: Oxidation: Elektronenabgabe Reduktion: Elektronenaufnahme Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen) die während der Reaktion Elektronen aufnehmen, heißen Oxidationsmittel(Ox); analog heißen Teilchen die Elektronen abgeben Reduktionsmittel (Rd). Ox werden also selber reduziert, und Rd oxidiert. Ox1 + e- ⇆ Rd1 (1) Redoxhalbgleichung Die Halbgleichung (1) ist fiktiv, da freie e- nicht vorkommen. Zur Vervollständigung einer realen chemischen Redox-Gleichung brauchen wir eLieferanten (Rd) Rd2 ⇆ Ox2 + e- (2) Kombination von (1)/(2) liefert: Ox1 + Rd2 → Rd1 + Ox2 (3) In Analogie zum Säure/Base Begriff sind an der realen Redoxreaktion (3) zwei korrespondierende Redox-Paare beteiligt. 137 Oxidationszahlen Um die Frage beantworten zu können, wie viele Elektronen bei einer Redoxreaktion übertragen werden, muss man die Oxidationszahl der beteiligten Teilchen kennen. - einfacher Fall: bei Ionen entspricht die Oxidationszahl der Ionenladung, bei Elementen ist die Oxidationszahl 0. Beispiel: Zn2+ ≙ Zn (+II) Cl- ≙ Cl (-I) Zn0 ⇆ Zn2+ + 2 eCl20 + 2 e ⇆ 2 ClZn + Cl2 ⇆ ZnCl2 - komplizierter: bei kovalenten Molekülen muss man die Oxidationszahlen der beteiligten Atome durch “heterolytische Bindungsspaltung“ bestimmen; dabei werden die bindenden Elektronen dem elektronegativen Partner zugeteilt. Bei Bindungen zwischen gleichen Atomen werden die Elektronen gleichmäßig verteilt. 138 Erstellung von komplizierten Teilgleichungen: Beispiel: MnO4– → Mn2+ Reduktion von Permanganat in saurer Lösung 1. Oxidationszahl ermitteln 2. Anzahl der übertragenen Elektronen bestimmen 3. Ladungs- und Stoffbilanz ausgleichen; - in saurer Lösung durch Zufügen von H+ / H2O - in alkalischer Lösung durch OH– / H2O +7 MnO4– + 5e– + 8 H+ → Mn2+ + 4 H2O +5 –3 NO3– → NH3 Reduktion von Nitrat in alkalischer Lösung +5 -3 NO3– + 8e– + 6 H2O → NH3 + 9 OH– +4 +6 SO32– → SO42– Oxidation von Sulfit in saurer Lösung +4 +6 SO32– + H2O → SO42– + 2e– + 2 H+ 139 Erstellen komplizierter Gesamtgleichung: Bei Kenntnis der Redox-Teilgleichungen muss man nur noch die Elektronenbilanz beachten (zum kleinsten gemeinsamen Vielfachen erweitern). Reduktion von Permanganat mit Sulfit in saurer Lösung: +7 MnO4- + 5e- + 8 H+ → +4 2- SO3 Mn2+ + 4 H2O +6 + H2O → SO42- + 2e- + 2 H+ /x2 /x 5 2 MnO4- + 5 SO32- + 16 H+ + 5 H2O → 2 Mn2+ + 5 SO42- + 8 H2O + 10 H+ gekürzt → 2 MnO4- + 5 SO32- + 6 H+ → 2 Mn2+ + 5 SO42- + 3 H2O Disproportionierung, Komproportionierung Redoxreaktionen bei denen Rd und Ox Verbindungen desselben Elements sind; Disproportionierung vor Br2 bzw. H2O2 0 +5 -1 3 Br2 + 6 OH- → BrO3- + 5 Br- + 3 H2O -1 0 -2 2 H2O2 → O2 + 2 H2O Komproportionierung von Permanganat und Mn2+ in alkalischer Lösung zu Braunstein. +7 +4 2 MnO4- + 3 Mn2+ + 4 OH- → 5 MnO2 + 2 H2O 140 Elektrochemische Behandlung des Redoxbegriffs In Analogie zum pks-Wert in der Säure-Base Chemie kann man in der Elektrochemie die Stärke eines Oxidationsmittels quantitativ durch das sogenannte Standardpotential ausdrücken Messung von Potentialen, das Daniell-Element Cu2+ + Zn → Cu + Zn2+ (1 ) Folie 52 Hier wird experimentell die Redoxgesamtgleichung (1) in ihre zwei Halbreaktionen zerlegt. links: Zn0 → Zn2+ + 2e- rechts: Cu2+ + 2e- → Cu0 Die poröse Tonwand verhindert das Durchmischen der Lösungen (sonst Abscheiden von Cu2+ auf Zn0, Folie 53 erlaubt aber den Durchtritt von SO42--Ionen zum Ladungsausgleich. Wenn die chemische Reaktion in Gl. (1) abläuft: – geht an der Anode (⊝-Pol) Zn0 als Zn2+ in Lösung. (wird oxidiert) – scheidet sich an der Kathode Cu2+ als Cu0 ab. (wird reduziert) – diffundieren SO42--Ionen von rechts nach links. – fließt Strom (Elektronen) von links nach rechts 141 ⇨ Potential der Gesamtreaktion (1) kann mit Voltmeter gemessen werden und ist abhängig von der Konzentration der Cu2+ und Zn2+-Ionen! Die Abhängigkeit zwischen Potential und Konzentration der beteiligten Redoxpartner liefert die Nernst´sche Gleichung: E=E 0 + Cox RT ln Crd nF für Rd Ox + ne - hier bedeuten: R = 8.314 VAs/Kmol allg. Gaskonstante bei Raumtemperatur T = 298 K n ≙ Anzahl der übertragenen Elektronen F = 96.485 As/mol Faradaykonstante Mit der Umrechnung von ln auf lg und Einbeziehung aller Konstanten vereinfacht sich das zu: E=E0 + Cox 0.059 · lg n Crd Rd Ox + ne- 142 Bestimmung der EMK (Spannungsdifferenz) des Daniell-Elements EMK ≙ elektromotorische Kraft Zn Zn 2+ +2e Cu Cu 2+ +2e 0 0.059 2 lg CZn2+ CZn EZn = -0.76 V 0 0.059 2 lg CCu 2+ CCu ECu = +0.34 V - EZn = EZn + - ECu = ECu + 0 0 EMK = ΔE = ECu - EZn = ECu - EZn + 0.059 2 für CCu2+ = CZn2+ ⇒ 0 lg 0 0 CCu2+ CZn2+ 0 ΔE = ECu - EZn = 1.10 V läuft die Reaktion ab, verringert sich die Cu2+-Konzentration, während Zn2+Konzentration steigt → Potential sinkt. 143 Die Spannungsreihe Interessant sind die Standardpotentiale für einen Vorgang Ox + ne– ⇆ Rd um die Oxidationskraft einer gegebenen Spezies quantitativ erfassen zu können. Problem: Halbgleichungen sind fiktiv (keine freien e– möglich); d.h. man kann nur Potentiale für Gesamtvorgänge bestimmen (d.h. Potentialdifferenzen bestimmen!). Um zu vergleichbaren Potentialwerten zu kommen, benötigt man einen Standard, die Normalwasserstoffelektrode (NHE) Folie 54 Hier taucht ein platiniertes Pt-Blech in eine wässrige Lösung die 1mol H+/l enthält; die Elektrode wird von H2-Gas umspült. Der Druck beträgt 1.013 bar. Das Potential der NHE bei RT wird willkürlich gleich 0 gesetzt → Bestimmung von Standardpotentialen anderer Redoxsysteme. (Standard ≜ Konzentration 1mol/l bzw. Druck 1.013 bar und RT) H2 ⇆ 2 H+ + 2e– Redoxreaktion der NHE: Nernst-Gleichung anwenden: 2 EH = 0 EH CH + 0.059 · lg + 2 PH 0 + mit EH = 0 und CH = 1mol/l, pH = 1.013 bar 2 2 £ EH = 0 Standardpotential der NHE Im gezeigten Beispiel beträgt die Konzentration an Zn2+-Ionen in Lösung 1mol/l. Die gemessene Potentialdifferenz beträgt –0.76 V → Standardpotential von Zink für die Redoxreaktion Zn ⇆ Zn2+ + 2e– Auf diese Weise kann man Standardpotentiale beliebiger Redoxsysteme bestimmen und gelangt so zur Spannungsreihe. Folie 55 144 In der Form Rd ⇆ Ox + ne stehen die stärksten Reduktionsmittel in der Spannungsreihe oben und Spannungsreihe erlaubt die stärksten vorherzusagen, Oxidationsmittel welche unten. Redoxreaktionen Die unter Standardbedingungen ablaufen; Beispiel: Cu/Zn; das Standardpotential von Cu ist größer als das von Zn (Cu ist “edler“) → Zn0 wird von Cu2+ zu Zn2+ oxidiert. Allgemein gilt: Die reduzierte Form eines Redoxsystems (Rd) gibt Elektronen nur an die oxidierte Form eines anderen Redoxsystems ab, das in der Spannungsreihe darunter steht. Spezialfall: Welche Metalle lösen sich in Gegenwart von Protonen (saure Lsg.; Achtung: viele Säuren haben Anionen, die oxidierend wirken, z.B. NO3-, SO42-) Metalle die in der Spannungsreihe über H2/H+ stehen (negatives E0) lösen sich in nichtoxidierende Säuren (CH+ = 1mol/l) (HCl, HCO2CH3, H3PO4 etc.) und werden als “unedel“ bezeichnet. Metalle mit positivem E0 werden nicht von H+ aufgelöst → „edle Metalle“ Frage: welche Metalle lösen sich bereits in neutralem Wasser; H2 ⇆ 2 H+ + 2e- ; 2 CH + 0.059 E=0 + · lg 2 PH + mit CH = 10 -7 und pH 2 = konst. £ 2 E=0 + -14 0.059 · lg 10 = -0.41 V 2 Beispiel: Alkali- und Erdalkalimetalle. £ Alle Metalle, die ein kleineres Potential als -0.41 V haben lösen sich bereits in neutralem H2O; 145 In der Praxis beobachtet man oft, dass sich Metalle aufgrund ihres Potentials in Säure bzw. H2O lösen sollten, aber nicht angegriffen werden. → Passivierung und Überspannung Viele Metalle wie z.B. Al lösen sich nicht, weil das Oxidationsprodukt (Metalloxid) das Metall als Schutzschicht überzieht und die Weiterreaktion verhindert. Oft verhindert auch die sogenannte “Überspannung“ die zu erwartende Reaktion, Beispiel Pb; elementares Pb sollte sich in 1m Säure lösen, dabei wird H+ zu H2 reduziert. Die Bildung von H2 ist jedoch gehemmt (Überspannung) und die Redoxreaktion läuft nicht ab. Bleiakkumulator: e - ~~~~~~~~~~~~~ H2SO4 Pb Anode “ Pb0 + SO42- 0 PbO2 2+ PbSO4 + 2 e- E0 = -0.36 V E0 = 1.68 V E1 Kathode ” PbO2 + 4 H+ + SO42- + 2 e- +2 PbSO4 + 2 H2O E2 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Pb + PbO2 + 2 H2SO4 2 PbSO4 + 2 H2O 146 ΔE = E2 - E1 = 1.68 V + ΔE = 1.68 V + 0.36 V + 0.059 2 lg CPbO · CH4 + · CSO 22 4 CPbSO · 4 0.059 2 lg 4 CH + CH2 O 2 - -0.36 V + 0.059 2 lg CPbSO 4 CSO 24 = 2.04 + 0.118 · lg CH + EMK nur abhängig von der H2SO4-Konzentration ⇒ Ladestandprüfung über Dichtemessung Nach Spannungsreihe wäre die Oxidation von Pb nach 0 2+ Pb + H2SO4 → PbSO4 + H2 E0 = 0.302V zu erwarten. Läuft nicht ab wegen Überspannung von H2 an Pb · CPb 0 147 6. Die Chemie der Elemente 6.1. 1. Hauptgruppe Sonderstellung im PSE 6.1.1. Wasserstoff – kleinstes Atom, einfachste elektronische Struktur (1s1) – im Vergleich zu Alkalimetallen: • doppelt so hohe Ionisierungsenergie • wesentlich höhere Elektronegativität • typisches Nichtmetall ⇒ gehört nicht in Gruppe 1! Vorkommen: – häufigstes Element im Universum (66 % Gesamtmasse) – Spuren in der unteren Atmosphäre, ca 16 % aller Atome in der Erdkruste sind H (als H2O, R–OH) Darstellung: – aus Wasser (Labor) 2 Na + 2 H2O → H2 + 2 Na+ + 2 OH– aus Kohlenwasserstoff CH4 + H2O – aus Kohle [Ni] (technisch) 3 H2 + CO ΔH0 = +206 kJ/mol (Koks) C + H2O CO + H2 Wassergas 0 ΔH = +131 kJ/mol 148 Verwendung: – Synthesen von NH3 (50 %), CH3OH, HCl – Fetthärtung (Hydrierung von C C ) – Reduktion von Metallen (hochrein) Physikalische Eigenschaften – leichtes Gas; 1l H2 wiegt 0.09 g – größte Diffusionsgeschwindigkeit – größte Wärmeleitfähigkeit (Gase) Chemische Eigenschaften – H2 (molekularer Wasserstoff) ist reaktionsträge H2 ⇆ 2 H⋅ und reagiert erst bei ΔH0 = +436 kJ/mol höheren Temperaturen (Knallgasreaktion, Chlorknallgas) Ausnahme: PdCl2 + H2 RT Pd + 2 HCl (Nachweis von H2) – atomarer Wasserstoff H⋅ ist hochreaktiv und reagiert bei tiefen Temperaturen Mikrowellen- i) H2 ii) Temperaturen > 3000 °C (Lichtbogen) entladung 2 H• 149 Verbindungen (Oxidationsstufen +1 und -1) – kovalente H-Verbindungen mit Nicht- und Halbmetallen δ+ δ- δ- δ+ δ+ δ- + δ- BeH2 BH3 CH4 NH3 H2O HF Polarität der Bindung ändert sich; geringste Polarität bei C–H -Bindungen (viele Kombinationsmöglichkeiten) – salzartige Verbindungen mit elektropositiven Elementen LiH, NaH, MgH2, CaH2 Ionengitter aus M+ bzw. M2+ Synthese: etc. und H- Ionen; Li + ½ H2 → LiH ΔH0 = -91 kJ/mol – metallische Verbindungen H2 „löst“ sich atomar (H⋅) in vielen Metallgittern (Mn, Cr, Ti, V, Pd etc). → Metallhydride (oft nicht stöchiometrisch aufgebaut ≙ Phasen) Metallgitter wird durch H⋅ aufgeweitet, behält aber in der Regel metallischen Glanz und Leitfähigkeit, wird aber paramagnetisch. 6.1.2. Alkalimetalle Li, Na, K, Rb, Cs, Fr* Vorkommen: Na und K in Salzen und Gesteinen NaCl (Steinsalz), Na2CO3 (Soda), Na2SO4; Meerwasser enthält 3 % NaCl (10 x soviel wie feste Vorkommen) KCl (Sylvin), K[AlSi3O8] (Kalifeldspat) Rb und Cs sind wesentlich seltener; kommen als „Begleiter“ von Na und K vor. – alle Alkalimetalle kommen wegen ihrer hohen Reaktivität nur gebunden vor. 150 Eigenschaften: – hochreaktiv (e-Abgabe), reagieren mit H2O in Luft (unter Öl) – weiche Metalle – starke Reduktionsmittel Verwendung: – Na ist von technischer Bedeutung für Na2O2, NaNH2, NaH Kühlmittel für Kernreaktoren (schnelle Brüter) Darstellung: – aus NaCl; Na+ ist schwer chemisch zu reduzieren → Elektrolyse Downs-Schmelzelektrolyse NaCl (mit CaCl2-Zuschlag zur Smp-Erniedrigung) wird bei 600 °C elektrolysiert. NaCl → Na0 + ½ Cl2 Folie 56 (11 kWh pro Na) 151 Verbindungen (Oxidationsstufe +1) – mit Sauerstoff alle Alkalimetalle (M) bilden: -2 2- M2O : Oxide (enthalten O ) M2O2 : Peroxide (O2 ) Hyperoxide Ozonide (O2 ) (O3 ) -1 -½ MO2 : MO3 (ausser Li): 2- Erhitzen von M an Luft (Verbrennung) → Li2O, Na2O2, K/Rb/CsO2) Na2O2 + Na → 2 Na2O Natriumoxid: M-Peroxide hydrolysieren zu H2O2: M2O2 H 2O 2 MOH + H2O2 – Hydroxide alle Alkalimetalle bilden Hydroxide MOH starke Basen Synthese z.B. Na2CO3 + Ca(OH)2 → 2 NaOH + CaCO3 Soda Kaustifizierung („ätzend machen“) von Soda; alter technischer Prozess. Jetzt Chloralkalielektrolyse 152 a) Diaphragmaverfahren Folie 57 ” Kathode: 2 H2O + 2e- → H2 + 2 OH- (Reduktion von H+) “ Anode: 2 Cl- → Cl2 + 2e- (Oxidation von Cl-) Gesamt: 2 NaCl + 2 H2O → 2 NaOH + H2 + Cl2 b) Amalgamverfahren ” Kathode aus Hg: Na+ + e- → Na-Amalgam “ Anode: Cl- → ½ Cl2 + e- Wegen hoher Überspannung von H2 an Hg wird Na+ statt H+ reduziert. Na-Amalgam (NaHg-Legierung) hydrolysiert: 0 0 + 0 NaHgx + H2O → Na + OH- + ½ H2 + Hg Vorteil: – Cl- - freie NaOH – reines Cl2 Nachteil: – Verwendung von Hg – Halogenide alle Kombinationen MX (X = Hal) bekannt; typische Salze Synthese: NaOH + HCl → NaCl + H2O 153 – technisch wichtige Verbindungen a) Na2CO3 (Soda) Verwendung für Gläser, Waschmittel große natürliche Vorkommen technische Synthese über Solvay-Verfahren: 2 NaCl + 2 H2O + 2 NH3 + 2 CO2 → NaHCO3 + 2 NH4Cl thermische Zersetzung des Na-Hydrogencarbonats: CaCO3 Δ CaO + CO2 für NH3-Rückgewinnung: CaO + 2 NH4Cl → CaCl2 + 2 NH3 + H2O brutto: 2 NaCl + CaCO3 → Na2CO3 + CaCl2 nur CaCl2 als „Abfallprodukt“ b) NaNO3 (Salpeter) Verwendung als Dünger große natürliche Vorkommen (Chile) technisch: Na2CO3 + 2 HNO3 → 2 NaNO3 + H2O + CO2 154 6.2. 2. Hauptgruppe, Erdalkalimetalle Be, Mg, Ca, Sr, Ba, Ra* Vorkommen: Be (selten) in Edel- und Halbedelsteinen wie Beryll Be3Al2[Si6O18], Smaragd (Al3+ teilweise durch Cr3+ ersetzt), Aquamarin (hellblau, Al3+ teilweise durch Fe3+ ersetzt) Mg, Ca, Sr, Ba als MSO4 (Sulfat) und MCO3 (Carbonat) Eigenschaften: – Mg → Ba ähnlich Alkalimetalle (weiche, hochreaktive Metalle) – Be ist in seinen Eigenschaften dem Al ähnlicher als seinen höheren Homologen Mg → Ba (≙ „Schrägbeziehung“) Beispiele: a) BeH2 ist wie AlH3 kovalent und polymer; MgH2 ist ionisch b) BeCl2 und AlCl3 reagieren in H2O stark Sauer, MgCl2 nur schwach sauer c) Be(OH)2 und Al(OH)3 sind amphorer, bilden keine stabilen Carbonate; Mg(OH)2 ist basisch und bildet stabiles Carbonat. Gründe für Schrägbeziehung: – ähnliche Elektronegativität – ähnliche Ionenradien von Be2+ und Al3+ – Darstellung durch Schmelzflusselektrolyse Verwendung von Be und Mg als Legierungsbestandteil 155 Verbindungen (Oxidationsstufe +2) a) Beryllium Be ist kleiner, elektronegativer und schwerer ionisierbar als Mg → Ba ⇒ Tendenz zu kovalenten Verbindungen, ionische Verbindungen nur mit elektronegativsten Elementen BeF2 (Christobalit-Struktur) BeO (Wurzit-Struktur) In kovalenten Molekülen X–Be–X ist Be sp-hybridisiert; Elektronenmangel wird ausgeglichen durch: – Dreizentrenbindung H H Be Be H Eine Be–H–Be-Einheit (3 Be H Zentren) teilen sich ein (Elektronenmangelbindung) – Koordinative Bindung (Lewis-Säure Base) Cl Be Be Cl Cl Cl Be Cl Elektronenpaar 156 b) wichtige Verbindungen von Mg → Ba MgO: Verwendung für feuerfeste Steine (Magnesia) Verbrennung von Mg an Luft: Mg + ½ O2 → MgO ΔH0 = –602 kJ/mol Δ themische Zersetzung von Mg-Carbonat: MgCO3 → MgO + CO2 CaO (gebrannter Kalk): Δ – CaCO3 → CaO + CO2 – CaO + H2O → Ca(OH)2 „Kalkbrennen“ ΔH0 = –65 kJ/mol „Kalk löschen“, stark exothermer Vorgang¸ Verwendung von Ca(OH)2: Ca(OH)2 + CO2 → CaCO3 + H2O (gelöschter Kalk) für Luftmörtel: Sand/ Ca(OH)2; Aushärten durch Rh mit CO2 Ca(OH)2 in H2O → Suspension (Kalkmilch); Verwendung von Ca(OH)2 als billigste technische Base CaCO3 in verschiedenen Modifikationen (Kreide, Marmor, Perlen) Wasserhärte: CaCO3 + H2O + CO2 ⇆ Ca2+ + 2 HCO3– (temporäre Härte) auch CaSO4 (permanente Härte) 157 CaSO4 Gips ≙ CaSO4 ⋅ 2 H2O Anhydrit ≙ CaSO4 Gips 120 °C CaSO4 ⋅ 0.5 H2O (gebrannter Gips) erhärtet mit Wasser unter Rückbildung von CaSO4 ⋅ 2 H2O BaSO4 wichtigste Bariumverbindung; Verwendung als Malerfarbe chemisch beständig und unlöslich in H2O BaSO4 1400 °C BaO + SO2 + ½ O2 lösliche Bariumsalze (BaCl2, BaCO3 etc) sind hochgiftig; Beryllium und seine Verbindungen sind krebserregend. 158 6.3. 3. Hauptgruppe B, Al, Ga, In, Tl Vorkommen: – Bor und Al oxidisch; Borate Na2B4O7 ⋅ 10 H2O (Borax), H3BO3 (Borsäure) – Aluminium ist das dritthäufigste Element der Erdkruste (wichtigstes Leichtmetall) kommt in Alumosilicaten vor, Al2O3 (Korund), Edelsteine Rubin (Al2O3 mit Spuren Cr3+), Saphir (Co3+), Smaragd (Al, Cr)2Be3(Si6O18), Topas Al2(SiO4 / (OH, F)2), Beryll Al2Be3(Si6O18) – Ga, In, Tl kommen als Begleiter von Zn in der Zinkblende vor. Verwendung: – Bor als Legierungsbestandteil, harte Werkstoffe 10 B in der Neutronenein- fangtherapie (BNCT) – Aluminium nach Eisen wichtigstes Gebrauchsmetall (leicht, Korrosionsbeständigkeit wegen Passivierung, guter elektrischer Leiter) 107 t/Jahr Herstellung über Schmelzflusselektrolyse: Folie 58 Al2O3 / Na3AlF6-Gemisch (Sm-Erniedrigung) “ Anode: Al2O3 + 2 AlF63– ⇆ ” Kathode: 6 Na+ + 6 e – ⇆ 6 Na 3 /2 O2 + 4 AlF3 + 6 e– 159 6 Na + 2 AlF3 ⇆ 2 Al + 6 NaF Chemische Eigenschaften a) Bor (Oxidationsstufe +3) Besonderheiten: wegen kleinem Radius und hoher Ionisierungsenergie für B3+ nur kovalente Verbindungen! AlF3 ist Salz (ReO3-Typ), Smp. 1290 °C, BF3 ist kovalentes Molekül, Smp. –128 °C, Sdp. –100°C – Bor ist Halbmetall, Al → Tl sind Metalle ⇒ elementares Bor zeigt komplizierte Struktur Folie 59 – Schrägbeziehung B–Si; mehr Gemeinsamkeiten als mit Al → Tl In seine kovalenten Verbindung ist Bor sp2-hybridisiert → trigonal planar koordiniert; in Verbindungen BX3 hat B nur ein Elektronensextett (Elektronenmangelverbindungen). Elektronenoktett wird erreicht durch: 160 i) Ausbildung von π-Bindungen F F “ B B” F F •••• F F delokalisierte π-Bindung; B–F Bindungslänge (130 pm) liegt zwischen B–F (145 pm) und B=F (125 pm) Zur formalen Ladung in Aminoboranen: R R R B N R “ R B N R R R 2 1 2 ” ist ein polares Molekül, sollte Dipolmoment (auf B gerichtet) haben; experimenteller Beweis für sehr kleines Dipolmoment, das auf N gerichtet ist (≙ N als „negatives Ende“) ii) Ausbildung von Mehrzentrenbindung H H 2 H B H H B H H 0 B H Diboran (6) ΔH = -164 kJ/mol H 161 Die brückenständigen H-Atome sind durch 2 Elektronen an 2 Boratome gebunden (3c2e-Bindung) MO-Beschreibung: Folie 60 B–B–B Dreizentrenbindungen treten auf bei: elementarem Bor höheren Boranen, Carbaboranen Metallboriden iii) Donoraddukte Verbindungen BX3 sind starke Lewis-Säuren und reagieren mit: – neutralen Lewis-Basen (NR3, PR3, OR2, CO etc.) zu Boran-Addukten: BF3 + |NH3 → F3B–NH3 Ammin-Boran – anionischen Lewis-Basen zu „Boraten“: F BF3 + F – B F ” F F Wichtige Borverbindungen: – Übergangsmetallboride mehrere hundert Verbindungen bekannt; Zusammensetzung reicht von metallreich (z.B. Mn4B) bis metallarm (z.B. YB66); komplizierter Aufbau mit 162 fließenden Übergängen zwischen kovalenten, metallischen und ionischen Bindungen. Allgemeine Eigenschaften der ÜM-Boride: große Härte große Temperaturbeständigkeit oft gute Leitfähigkeit ⇒ wichtige Werkstoffe für hohe Beanspruchung – Borane zahlreiche binäre Borane: BnHn+4 n = 2, 5, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18 BnHn+6 n = 4, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 14, 20 BnHn+8 n =8, 10, 14, 15, 30 BnHn+10 n = 8, 26, 40 keine Analogien zu anderen Element-Wasserstoffverbindungen (Ausbildung von B-B und B-H Mehrzentrenbindungen). Alle Borane leiten sich von geschlossenen Polyedern (Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder etc.) ab. Je nach H-Gehalt des betreffenden Borans bleiben mehr oder weniger Ecken des geschlossenen (closo) Polyeders unbesetzt. Beispiel unbesetzte Ecken Bezeichnung BnHn+4 1 nido (Nest) BnHn+6 2 arachno (Spinne) BnHn+8 3 hypho (Netz) 163 In closo-Boranen BnHn+2 sind alle Polyederecken besetzt; Verbindungen nur als Dianionen BnHn2- bekannt Folie 61 „Striche im Clustergerüst beschreiben nur die Topologie (Struktur) des Käfigs, keine Bindungen Elektronendichte (≙ Bindungen) sind auf Flächenmitte bzw. im Clusterinneren lokalisiert Folie 62 – Borhalogenide alle BX3 (X = F → I) bekannt leichtflüchtige kovalente Moleküle; Aufbau X “ • B” X • • X B–F-Bindung ist besonders stabil ⇒ unterschiedliche Reaktivität, z.B. Hydrolyse: BCl3 BF3 H2O RT H2O RT B(OH)3 + 3 HCl F3B–OH2 Δ B(OH)3 + 3 HF BF3 + HF → H[BF4] Tetrafluorborsäure; starke Säure in Wasser: HBF4 + H2O ⇆ H3O+ + BF4– 164 Borsubhalogenide (niedrigere Oxidationsstufe als +3): Cl B +1 Cl Cl +2 B B Cl B Cl B Cl Cl B Cl – Borsäuren H3BO3 ≙ B(OH)3 OMe OH + 3 MeOH – 3 H2O B HO B MeO OH OMe Borsäure im Feststoff (Smp 171 °C) planare Schichten aus B(OH)3-Molekülen; schwache Säure in H2O. B(OH)3 + 2 H2O ⇆ B(OH)4– + H3O+ pks = 9.2 Erhitzen führt unter Kondensation zu Boroxiden: B(OH)3 ortho- > 90 °C -H2O Borsäuren (HBO2)n meta- 500 °C -H2O B2O3 Boroxid 165 ^ α–HBO2 = O HO OH B B O O B OH – Bor-Stickstoffverbindungen B–N ist isoelektronisch (≙ gleiche Anzahl von Valenzelektronen) mit C–C ⇒ viele Gemeinsamkeiten zwischen BN- und Kohlenstoffchemie. i) Bornitrid BN kovalentes Molekülgitter wie Kohlenstoffmodifikationen: hexagonales BN: Schichtenstruktur aus BN-Sechsringen wie Graphit: Folie 63 Unterschiede zu Graphit: Schichtenfolge B über N stärkere Lokalisierung der π-Elektronen wegen Elektronegativitätsunterschied → BN ist weiß und Isolator kubisches BN BNhex 90 kbar 2000 °C BNkub 166 Verwandlung analog Gaphit → Diamant (Hochdruckmodifikation) Struktur (Zinkblende) und Härte wie Diamant besteht aus: ” “ B N dBN = 156 pm =^ Einfachbindung mit sp3 –hybridisierten Bor – Borazin ½ B2H6 + NH3 H3B–NH3 - H2 H2B=NH2 - H2 HBNH 2 1 3 1 : Amminboran isoelektronisch zu H3C–CH3 2 : Aminoboran H2C=CH2 3 : Iminoboran HC≡CH 1, 2, 3 sind nur mit großen Resten beständig, z.B.: (H3C)3C–B≡N–C(CH3)3 HB≡NH trimerisiert sofort zu Borazin: H H H H N H H N H B B B B N N N N B H H H planarer, mesomeriestabilisierter 6-Ring wie Benzol (Borazin ≙ anorganisches Benzol) wegen Polarität der B–N-Bindung aber viel reaktiver. B H H 167 b) Aluminium (Oxidationsstufe +3) – Alane und Alanate –1 3 LiAlH4 + AlCl3 → 3 LiCl + 4 AlH3 nach –1 oder Δ 2 AlH → 3 2 Al + 3 H2 ΔH° = + 300 kJ/mol erhält man Alan; weder monomer noch dimer beständig ⇒ (AlH3)n Alanate (M[AlH4]) sind wichtige Reduktionsmittel; –1 4 LiH + AlX3 → Li[AlH4] + 3 LiX (X = Cl, Br) Li[AlHn] + 4 H2O → 4 H2↑ + Li+ + Al3+ + 4 OH– – Aluminiumhalogenide alle AlX3 sind bekannt ( X = F, Cl, Br, I) AlF3 ist eine ionische Verbindung (ReO3-Struktur, Smp. 1290 °C) AlCl3 zeigt Schichtenstruktur ähnlich CdCl2, d.h. Cl- bildenKdp-Teilgitter, Al3+ besetzt in jeder weiteren Schicht 2/3 der OL (Smp. 193 °C) In der Schmelze liegen AlCl3-Dimere vor: Cl Al Cl Cl Cl Al Cl Δ 2 AlCl3 (g) Cl ionische Al–Cl Bindung geht in kovalente über und KZ Al verringert sich von 6 auf 4 ⇒ Volumenzunahme beim Schmelzen um 85 %! und Verlust der elektrischen Leitfähigkeit. 168 – Aluminiumhydroxide und -oxide Al(OH)3 kommt in mehreren Modifikationennatürlich vor frisch hergestelltes Al(OH)3 ist amphoter Al(OH)3 + 3 H3O+ → [Al(H2O)6]3+ Al(OH)3 + OH– → [Al(OH)4]– und löst sich in Laugen und Säuren. (Alterung; amorph → kristallin, wenig reaktiv) Al(OH)3 400 °C - 3 H2O γ-Al2O3 1000 °C α-Al2O3 zwei Modifikationen: γ-Al2O3 (Tonerde) kristallisiert in Spinell-ähnlicher Struktur, wird als Trägermaterial für Katalysatoren verwendet. α-Al2O3 (Korund); Korund-Struktur: O2– bildet hdp, Al3+ in 2/3 OL; hartes Material → als Schleifmittel verwendet c) Gallium, Indium, Thallium allgemeiner Trend: die Verbindungen der Oxidationsstufe +1 werden mit steigender Ordnungszahl zunehmend stabiler; s-Elektronen werden nicht mehr zur Bindung herangezogen (inert – pair Effekt) 169 6.4. 4. Hauptgruppe C, Si, Ge, Sn, Pb Vorkommen: – Kohlenstoff elementar (Graphit, Diamant) und als Carbonat (CaCO3, Kalkstein, Marmor; CaCO3 ⋅ MgCO3, Dolomit) – Silizium kommt nicht elementar vor; zweithäufigstes Element der Erdkruste, SiO2 (Sand) und Silicate – Germanium ist sehr selten, kommt sulfidisch vor (Germanit Cu 6FeGe2S8) – Zinn kommt nur selten gediegen vor; SnO2 (Zinnstein) – Blei kommt natürlich nur in Oxidationsstufe +2 vor; vor allen PbS (Bleiglanz) Elementmodifikationen – Kohlenstoff als Nichtmetall bildet kovalente Moleküle bzw. Molekülgitter (Graphit, Diamant) außerdem Fullerene: Graphit Verdampfung He-Atmosphäre C60, C70, C90 etc. Folie 64 170 – Silizium, Germanium, Zinn kristallisieren im Diamantgitter, Zinn auch in metallischer Modifikation α-Sn 13 °C β-Sn grau nichtmetallisch ("Zinnpest") weiß metallisch – Blei nur metallisch, Kdp Verwendung: – Silizium hochreines Si für Halbleitertechnik (Wafer) Darstellung aus Rohsilizium: SiO2 + 2 C Si + 3 HCl 1800 °C 300 °C Si + CO HSiCl3 + H2 Trichlorsilan wird destiliert, dann zu Si reduziert: HSiCl3 + H2 1100 °C – Blei für Rohre, Akkumulatorplatten Si + 3 HCl 0 ΔH = +690 kJ/mol 171 Darstellung nach Röstreduktionsverfahren: 3 PbS + /2 O2 PbO + CO PbO + SO2 Hochofen (Röstarbeit) Pb + CO2 (Reduktionsarbeit) Chemische Eigenschaften (bevorzugte Oxidationsstufe (+4) a) Kohlenstoff – Kohlenstoff in niedriger Oxidationsstufe - Carbide i) kovalente Carbide mit B, Si (ähnliche Elektronegativität) z.B. SiO2 + 3 C 2200 °C SiC + 2 CO 0 ΔH = +625 kJ/mol Diamant-ähnliche Struktur; Carbidbildung beeinträchtigt die Verwendung von Koks als Reduktionsmittel ii) salzartige Carbide mit elektropositiven Metallen z.B. CaO + 3 C CaC2 H2O 2200 °C CaC2 + CO Ca(OH)2 + H C C H Folie 65 0 ΔH = + 465 kJ/mol 172 – Kohlenstoffoxide i) CO ” “ |C≡O| |N≡N| isoelektronisch zu Sehr giftig wegen Reaktion mit Fe in Hämoglobin, entsteht bei unvollständiger Verbrennung von Kohlenstoff: C + ½ O2 0 CO ΔH B = –111 kJ/mol Reduktionsmittel, Verwendung z.B. im Hochofenprozess Darstellung im Labor: O HC H2SO4 H2O + CO OH Verwendung im Fischer-Tropsch Verfahren: n CO + (2n+1)H2 180°C CnH2n+2 + n H2O ii) CO2 O C O entsteht bei vollständiger Verbrennung von Kohlenstoff: C + O2 → CO2 ΔH° = –394 kJ/mol und Erhitzen von Carbonaten: CaCO3 1000 °C CaO + CO2 173 und Ansäuern von Carbonaten: CaCO3 + 2 HCl → CaCl2 + H2O + CO2 Photosynthese (Assimilation) an Chlorophyll: 2814 kJ + 6 CO2 + 6 H2O → C6H12O6 + O2 b) Silizium – Wasserstoffverbindungen kettenförmige Silane SinH2n+2 (bis n = 15) wie Alkane zerfallen beim Erhitzen: SiH4 Δ → ΔH° = –34 kJ/mol Si + 2 H2 entzünden sich spontan an Luft: SiH4 + 2 O2 → SiO2 + 2 H2O Darstellung z.B. aus Siliziden: Mg2Si + 4 H+ → SiH4 + 2 Mg2+ Polarität: - δ C δ+ + δ H aber Si - δ H 174 – Sauerstoffverbindungen O O O Si O Si O a) SiO2 ist polymerer harter Festkörper aus O O Einheiten (keine Si-O-Doppelbindungen wie CO2!) verschiedene Modifikationen (z.B. α-Quarz, β-Christobalit etc.) hohe Härte, Temperaturbeständigkeit und chemische Widerstandsfähigkeit → Verwendung für Spezial-(Laborglas) b) Kieselsäure SiO2 + 2 H2O ⇆ H4SiO4 nicht in freier Form und nur in verdünnter wässriger Lösung beständig wegen Autokondensation: OH 2 H4SiO4 HO Si OH O OH Si OH + H2O .... OH c) Silikate Salze der Kieselsäure; Silikate und Hauptbestandteil der Erdkruste (Mineralien, Gesteine); weisen SiO4-Tetraeder als Baustein auf, der über gemeinsame Ecken verknüpft wird; große Strukturvielfalt: Folie 66 wird in Silikaten Si durch Al ersetzt, können sich dreidimensionale Raumnetzgitter ausbilden, z.B. Zeolithe (Zeolith A ≙ Na12[Al12Si12O48] ⋅ 27 H2O) 175 Folie 67 Verwendung von Silikaten für Gläser ≙ erstarrte, nichtkristalline Schmelzen (amorph) besondere Eigenschaften von Glas z.B. Durchsichtigkeit, langsames erweichen beim Erwärmen (kein scharfer Schmelzpunkt) sind auf die Nahordnung (keine Fernordnung wie in Kristallen) zurückzuführen Folie 68 – Siliciumhalogenide a) alle SiX4 bekannt, molekularer Aufbau hydrolyseempfindlich z.B.: SiF4 + 2 H2O → SiO2 + 4 HF Hexafluorokieselsäure 4 HF + 2 SiF4 → 2 H2SiF6 stake Säure in freier Form nicht beständig; viele Salze z.B.: Δ BaSiF6 → BaF2 + SiF4 b) Halogenide des zweiwertigen Siliziums z.B.: SiF4 + Si 1200 °C 2 SiF2 (g) SiF2 nur in der Gasphase beständig, sonst: n SiF2 → (SiF2)n c) Zinn ( Oxidationsstufen +2 und +4) – Oxide SnO2 (Zinnstein, Rutilstruktur) SnO (polymorph) 176 – Halogenide alle SnX4 und SnX2 bekannt; z.B.: Sn + Cl2 → SnCl4 (flüssig bei RT) Sn + 2 HCl → SnCl2 + H2 Cl Cl Feststoff aus Ketten Sn ” Sn ” Cl “ Cl “ d) Blei (Oxcidationsstufe +2 stabiler als +4) z.B. Oxide Δ PbO2 → PbO + ½ O2 starkes Oxidationsmittel Halogenide alle PbX2 bekannt; PbCl2 hat im Gegensatz zu SnCl2 keine reduzierenden Eigenschaften mehr PbCl4 → PbCl2 + Cl2, Oxidationsmittel 177 6.5. 5. Hauptgruppe N, P, As, Sb, Bi Vorkommen: – Stickstoff elementar als N2, Hauptbestandteil der Luft (78,1 Vol%); gebunden in Nitraten z.B. Chilesalpeter NaNO3 – Phosphor nur in Verbindungen, vor allem Phosphate z.B. Apatit Ca5(PO4)3 (OH, F, Cl) – Arsen selten elementar („Scherbencobalt“); Oxidationsstufen) z.B. Arsenkies FeAsS sonst Arsenide (negative und Sulfide (positive Oxidationsstufen) z.B. Realgar As4S4 rot, Auripigment As2S3 gelb. Elementmodifikationen – Stickstoff nur als N2 N2 |N≡N|; sehr stabil wegen Dreifachbindung: ⇆ ΔH0 = +946 kJ/mol 2N Bei Raumtemperatur und ohne Katalysator regiert N2 nur mit Lithium zu Li3N – Phosphor Folie 69 weißer P: P P P P gespanntes, hochreaktives Molekül (sehr giftig!) 178 roter P: P P P P P P P P ∞ violetter (Hittorfscher) P: komplizierte Schichtenstruktur schwarzer P (stabile Modifikation): Schichten aus gewellten P6-Ringen – Arsen, Antimon, Bismut vorwiegend metallische Modifikationen Verwendung – Stickstoff Verwendung als Labor und Industriegas; Gewinnung durch Verflüssigung und fraktionierende Destillation von Luft – Phosphor Gewinnung von P4 durch Reduktion von Phosphatgesteinen; Verwendung zur Herstellung von Phosphorsäure H3PO4 – Arsen, Antimon, Bismut Verwendung als Legierungsbestandteil; As und Sb für III – IV- Halbleiter z.B. GaAs 179 Chemische Eigenschaften a) Stickstoff (Oxidationsstufen –3 und +3; +5 nur mit Sauerstoff – Verbindungen mit Wasserstoff i) Ammoniak NH3 Synthese nach Haber-Bosch: 3 /2 H2 + ½ N2 ⇆ NH3 ΔH0B = –46 kJ/mol exotherme Reaktion, erfordert aber Katalysatoren und 450°C (sonst zu langsam); bei hohen Temperaturen liegt das Gleichgewicht links → Synthese unter hohem Druck (bis 1000 bar). Verwendung von NH3(Ammoniumsalze NH+4) als Düngemittel. Autoprotolyse (wie H2O): 2 NH3 ⇆ NH4+ + NH2– Flüssiges NH3 (Sdp. –33 °C) löst Alkalimetalle: Me + NH3 ⇆ Me+(NH3)x + e–(NH3)x es entstehen solvatisierte Elektronen; Lösungen von Me in NH3 sind blau, paramagnetisch, elektrisch leitfähig und stark reduzierend. 180 ii) weitere N–H-Verbindungen H N N H ” “ N N N H H “ ” N N N H H Stickstoffwasserstoffsäure Hydrazin N N H H Diimin (Diazen) Wegen schwacher N–N-Bindungen sind alle Verbindungen instabil und zersetzen sich leicht (z.T. explosionsartig) z.B.: → 2 HN3 ΔH0 = –538 kJ/mol 3 N2 + 2 H2 – Verbindungen mit Sauerstoff +1 N2O +2 +3 NO N2O3 +4 +5 NO2 N2O5 bis auf N2O5 sind alle Stickstoffoxide endotherm und zerfallen in die Elemente; NO und NO2 sind Radikale, die bei tiefen Temperaturen dimerisieren: 2 •N O N N O farblos “ blau O 2 •N O braun O O ” “ O N N ” O “ farblos O ” 181 N2O5 ist das Anhydrid der Salpetersäure: O O “ N ” O “ N O O H2O “N 2 O ” O O ” H Salpeter ist eine starke oxidierende Säure; Mischungen von konz. HNO3 und konz. HCl heißen Königswasser und lösen sogar Gold und Platin (aktives Chlor); Nb, Ta, W werden von Königswasser nicht gelöst. Salze der Salpetersäure heißen Nitrate; enthalten das resonanzstabilisierte NO3–-Anion: ” O N“ O O” ” O ” N“ “N O ” O O ” O O Technische Synthese von HNO3: N2 H2 HaberBosch NH3 O2 Ostwald NO O2 NO2 O2, H2O HNO3 Ostwaldverfahren ≙ katalytische Ammoniakverbrennung: 4 NH3 + 5 O2 900 °C Pt 4 NO + 6 H2O 0 ΔH = –906 kJ/mol 182 Salpetrige Säure HNO2 nur in verdünnter Lösung haltbar; Zersetzung nach: +3 +5 +2 3 HNO2 → HNO3 + 2 NO + H2O – Salze heißen Nitrite und enthalten das NO2 -Anion: N N O –3 +3 O ” ” O O 0 NH3 + HNO2 → N2 + H2O – Verbindungen mit Halogenen Strukturen wie N–H-Verbindungen, d.h. NX3, N2X4, N2X2, N3X für X = F alle Kombinationen bekannt, Stickstoff in positiver Oxidationsstufe, +3 –1 z.B. NF3 für X = Cl, Br, I nur NX3 und N3X (Halogenazide) bekannt, Stickstoff in –3 +1 negativer Oxidationsstufe, z.B. NCl3 Reaktion mit Wasser: +3 –1 +3 –1 NF3 + 2 H2O → HNO2 + 3 HF aber –3 +1 –3 +1 NCl3 + 3 H2O → NH3 + 3 HOCl bis auf NF3 und N2F4 sind alle anderen endotherm und größtenteils explosiv. 183 b) Phosphor (Oxidationsstufe +3 und +5) – Verbindungen mit Wasserstoff PH3, P2H4 und weitere Phosphane bekannt; weniger stabil als N–H- Verbindungen Polarität: δ– P δ+ (sehr ähnliche Elektronegativitäten) H – Verbindungen mit Sauerstoff +3 ΔH°B = –1641 kJ/mol P4 + 3 O2 → P4O6 P4O6; Folie 70 Einschub von O in jede P–P-Bindung von P4; Anhydrid der Phosphonsäure H2PHO3 P4O6 + 6 H2O → 4 H2PHO3 O P OH H +5 P4O10 zweibasige Säure; P-H dissoziert nicht OH ΔH°B = –2986 kJ/mol P4 + 5 O2 → P4O10 Folie 71 184 Anhydrid der Phosphorsäure ΔH° = –378 kJ/mol P4O10 + 6 H2O → 4 H3PO4 O HO P OH O N“ vgl. HNO3 OH O” HO P4O10 ist stark wasserentziehend (hygroskopisch) und wird als Trockenmittel eingesetzt. Phosphorsäure kondensiert zu Diphosphorsäure O P HO O OH P HO OH O O OH OH HO –H2O P O OH P OH OH weitere Kondensation zu langen Ketten oder großen Ringen möglich – Verbindungen mit Halogenen +3 alle X +5 PX3, P P X X +2 PX5, und P2X4 bekannt X F PF5 liegt in allen Aggregatzuständen als F P F F Molekül vor. F PCl5, PBr5 und Pl5 liegen im Feststoff als Salze [PX4]+X– (X = Br–, I–) bzw. [PCl4]+[PCl6]– vor. Cl P Cl “ Cl Cl Cl Cl Cl P Cl Cl Cl 185 6.6. 6. Hauptgruppe O, S, Se, Te, Po Vorkommen – Sauerstoff ist das häufigste Element in der Erdkruste; zu 2% elementar in der Luft, sonst gebunden im Wasser, in Gesteinen (Silikate, Carbonate, Oxide etc.) – Schwefel elementar (große Lagerstätten) und in Gesteinen, Erzen (Sulfide, Sulfate) – Selen, Tellur in Spuren in Sulfiden Elementmodifikationen – Sauerstoff als O2 und O3 (Ozon) Eigenschaften von Ozon: schwach blaues, stechend riechendes Gas; Entsteht durch UV-Bestrahlung oder elektrische Entladung aus O2: ⇆ 3 /2 O2 ΔH°B = +142.7 kJ/mol O3 Die endotherme Verbindung kann bei höherer Konzentration explosionsartig in O2 zerfallen. In den obersten Schichten der Atmosphäre entsteht O3 aus O2 durch Sonnenlicht (UV); O3 absorbiert UV-Licht stark → Schutz vor starker UVStrahlung Wahrscheinlich wird die Ozonschicht durch FCKW, Stickoxide abgebaut. Ozonide: 0 –2 –1/3 0 –2 5 O3 + 2 KOH → 2 KO3 + 5 O2 + H2O 186 – Schwefel cyclo-S8 Folie 72 stabilste Modifikation, daneben zahlreiche weitere Ringgrößen (6-26) bekannt Folie 73 – Selen rotes Selen: Se8-Ringe graues Selen: Spiralen aus Se-Ketten Verwendung – Sauerstoff Verwendung als großtechnisches Oxidationsmittel (TiO2, Ethylenoxid etc.), Raketentreibstoff; die erste Stufe der Saturn-V Trägerrakete (ApolloProgramm) verbrannte innerhalb von 150 sec 550 t Kerosin mit Hilfe von 1450 t flüssigen Sauerstoff. Gewinnung durch fraktionierende Destillation von Luft nach Linde Folie 74 – Schwefel zur Herstellung von Schwefelsäure, Vulkanisation von Kautschuk Gewinnung aus Lagerstätten nach Frosch-Verfahren (heißer Wasserdampf, Druckluft) Synthese aus H2S (Erdgas) nach Klaus-Prozess: –2 3 3 H2S + /2 O2 +4 –2 SO2 + H2O + 2 H2S 250 °C 0 3 S + 3 H2O unvollständige Verbrennung von H2S liefert H2S/SO2 im Verhältnis 2:1 → Komproportionierung zu 5° 187 Chemische Eigenschaften a) Sauerstoff (Oxidationsstufe –2) nach Fluor zweitelektronegativstes Element; außer in Fluoriden nur negative Oxidationsstufen – Verbindungen mit Wasserstoff i) Wasser H2O Am besten untersuchte chemische Verbindung, bildet in kondensierter Phase H-Brücken aus: O H H H O O H O H weist verschiedene kristalline Modifikationen auf (z.B. Eis II anti-β-Christobalit); Dichtemaximum bei 4 °C (sog. Anomalie des Wassers) → Eis schwimmt auf Wasser ii) Wasserstoffperoxid H2O2 schwache O–O-Einfachbindung → zum Teil explosionsartige Zersetzung: H2O2 → H2O + ½ O2 ΔH° = –98 kJ/mol 188 b) Schwefel (Oxidationsstufen –2, +2, +4, +6) – Verbindungen mit Wasserstoff H2S; Aufbau wie H2O: –2 S H 600 °C H2 + S H2S +1 H ΔH° = –20 kJ/mol H2S ist eine schwache, zweibasige Säure H2S + H2O ⇆ H3O+ + HS– KS = 1.0 ⋅ 10–7 HS– + H2O ⇆ H3O+ + S2– KS = 1.3 ⋅ 10–13 bildet Hydrogensulfide (z.B. NaHS) und Sulfide (z.B. Na2S) – Verbindungen mit Sauerstoff +1 +2 S2O SO +2 S2O2 +4 SO2 +6 SO3 i) Schwefeldioxid SO2 S O aus S + O2 SO2 ΔHB° = – 297 kJ/mol O Anhydrid der schwefligen Säure H2SO3, die in freier Form nicht stabil ist, aber stabile Salze (Hydrogensulfite, z.B. NaHSO3 und Sulfite, z.B. Na2SO3) bildet. 189 ii) Schwefeltrioxid O S aus O SO2 + ½ O2 SO3 ΔH° = –99 kJ/mol O Anhydrid der Schwefelsäure SO3 + H2O → H2SO4 starke oxidierende Säure; bildet Hydrogensulfate (z.B. NaHSO4) und Sulfate (z.B. Na3SO4) reine H2SO4 wirkt stark wasserentziehend und wird als Trocknungsmittel (Exsicatoren) verwendet O SO3 + H2SO4 O HO S O S OH O H2S2O7 O – Verbindungen mit Halogenen +2 +4 SCl2 SCl4 SF2 SF4 +6 SF6 i) SF6 S + 3 F2 → SF6 F F F S F F F ΔH°B = –1220 kJ/mol S wird oktaedrisch von 6 F koordiniert und sterisch abgeschirmt → sehr reaktionsträge, Verwendung als gasförmiger Isolator in Hochspannungsanlagen. 190 Hydrolyse nach SF6 + 4 H2O ⇆ H2SO4 + 6 HF läuft bis 500 °C nicht ab. 6.7. 7. Hauptgruppe F, Cl, Br, I, At Vorkommen: Hochreaktiv, deshalb Vorkommen nur in gebundener Form. Fast ausschließlich als Halogenide (NaCl, NaBr) oder Mischsalze mit anderen Anionen. Ausnahme Ca(IO3)2 Elementmodifikationen: nur in Form zweiatomiger Moleküle |X–X|; F2, Cl2 sind gasförmig, Br2 ist flüssig, I2 fest. Verwendung – Fluor Verwendung zur Herstellung von SF6, UF6; Gewinnung durch Elektrolyse von KF/HF-Gemischen. – Chlor Wird in großen Mengen produziert (1990 3,6 ⋅ 107 t/Jahr); 191 Verwendung zur Chlorierung von organischen Verbindungen (1,2- Dichlorethan, Vinylchlorid), Herstellung anorganischer Chemikalie (z.B. HCl, AlCl3, SiCl4 etc.), Bleichmittel. Gewinnung elektrochemisch (Chlor-Alkali-Elektrolyse) – Brom Verwendung zur Bromierung organischer Verbindungen (1,2-Dibromethan) Gewinnung ausschließlich durch Oxidation von Bromiden (NaBr) mit Chlor: 2 Br– + Cl2 → Br2 + 2 Cl– Chemische Eigenschaften a) Fluor (nur Oxidationsstufe –1) Als elektronegativstes (und reaktivstes) Element reagiert es mit allen anderen Elementen direkt (außer He, Ne, Ar, N2); Andere Elemente erreichen in ihren Fluoriden die höchsten Oxidationsstufen: IF7, SF6, XeF6, AuF5, UF6, OF2 Arbeiten mit F2 erfordern spezielle Reaktoren aus Monel (Cu–NiLegierungen), die durch F2 oberflächlich passiviert werden. Synthese von F2 aus Fluoriden gelingt nur elektrochemisch. – Verbindungen mit Wasserstoff, HF Darstellung nach: CaF2 + H2SO4 → 2 HF + CaSO4 192 in kondensierter Phase H-Brücken: F F H H H H F F wässrige Lösungen → Flußsäure; mittelstarke Säure, ätzt Glas: SiO2 + 4 HF → SiF4 + H2O – Verbindungen mit Sauerstoff +2 i) OF2: 0 –2 – 2 F2 + 2 OH –1 – +2 –1 → 2 F + OF2 + H2O Reaktion in alkalischer Lösung: OF2 + 2 OH– → 2 F– + O2 + H2O ii) O2F2: F O O F O2F2 entsteht bei tiefen Temperaturen aus F2/O2-Gemischen durch elektrische Entladung und zerfällt oberhalb von –95 °C in die Elemente. b) Chlor – Verbindungen mit Wasserstoff, HCl technische Darstellung aus den Elementen: im Labor: H2 + Cl2 → 2 HCl NaCl + H2SO4 → NaHSO4 + HCl wässrige Lösungen → Salzsäure; starke nichtoxidierende Säure 193 – Verbindungen mit Sauerstoff (O elektronegativer als Cl) O Cl O +4 • -2 Cl +1 O Cl O +7 O Cl O O Cl O O O alle Halogenoxide außer I2O5 sind endotherm und instabil; Cl2O7 ist das beständigste Chloroxid; O O +5 +5 I O I O O Cl2O7 als Anhydrid der Perchlorsäure: O +7 – 2 H2O 2 HO Cl O Cl2O7 O weitere Sauerstoffsäuren des Chlors: +1 +3 +5 H O Cl Cl Cl Hypochlorige- HO O HO +1 O Chlor- ChlorigeSäure HOCl durch Disproportionierung von Cl2: 0 O –1 Cl2 + H2O → HOCl + HCl 194 – Interhalogenverbindungen: bekannt sind: XY XY3 XY5 XY7 wobei X das elektropositivere Halogen ist. Folie 75 vom Typ X–Y sind alle Kombinationen bekannt Folie 76 von den anderen außer ICl3 nur Verbindungen mit F als Ligand: Folie 77 – Bsp. für Interhalogenverbindungen Cl I F Cl F F Cl Cl F F Cl F F F F F F F – Pseudohalogenide: ” – ” N3 | CN | | NC–CN| Azid Cyanid Dicyan HO / H2O ” CN + OCN ”