VL Experimentalchemie WS 03/04 4 SWS

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VL Experimentalchemie WS 03/04 4 SWS
1
VL
Experimentalchemie
1.
Die chemischen Elemente
1.1.
Entstehung
1.2.
Vorkommen und Verbreitung
1.3.
Nomenklatur chemischer Elemente
1.4.
Der Element- bzw. Atombegriff
2.
Das Atom
2.1.
Elementarteilchen
2.2.
Der Atomkern
2.2.1.
Massendefekt
2.2.2.
Kernreaktionen
2.3.
Die Elektronenhülle
WS 03/04
2.3.1. Das Bohrsche Atommodell
2.3.2.
Quantenmechanische Beschreibung des Atoms
2.4.
Quantenzahlen und Atomorbitale
2.5.
Aufbau von Mehrelektronen-Atomen
3.
Das Periodensystem der Elemente (PSE)
3.1.
Aufbau
3.2.
Trends im PSE
4.
Die chemische Bindung
4.1.
Bindungsarten
4.2.
Chemische Bindung in Molekülen
4.2.1.
Elektronegativität
4.2.2. Lewis Modell und VSEPR
4.2.3.
VB-Modell
4 SWS
2
4.2.4.
MO-Modell
4.3.
Chemische Bindung in Festkörpern
4.3.1.
Die metallische Bindung
4.3.2.
Die ionische Bindung
5.
Die chemische Reaktion
5.1.
allgemeine Reaktionsbegriffe
5.2.
Die Gibbs-Helmholtz Gleichung
5.3.
Das Chemische Gleichgewicht
5.4.
Säure-Base Reaktionen
5.5.
Redox-Reaktionen
6.
Die Chemie der Elemente
6.1.
1. Hauptgruppe
6.1.1
Wasserstoff
6.1.2.
Alkalimetalle
6.2.
2. Hauptgruppe
6.3.
3. Hauptgruppe
6.4.
4. Hauptgruppe
6.5.
5. Hauptgruppe
6.6.
6. Hauptgruppe
6.7.
7. Hauptgruppe
3
1. Die chemischen Elemente
Auf der Erde kommen die Elemente 1 (H) bis 92 (U) mit zwei Ausnahmen
natürlich vor; Ausnahmen sind:
- Technetium (OZ 43); nur radioaktive Isotope, wurde im
Weltall (in versch. Sternen) nachgewiesen.
- Promethium (OZ 61); ebenfalls nur radioaktive Isotope
Dazu kommen rund 20 künstlich hergestellte Elemente mit OZ ≥ 93
(Neptunium, Plutonium etc.) Diese „superschweren Elemente“ werden durch
künstliche Kernsynthese erzeugt, z.B. bei der GSI in Darmstadt.
1.1. Die Entstehung der Elemente
Die Entstehung der Elemente ist eng verbunden mit der Entstehung des
Universums.
Gängige Theorie: „heißer Urknall“
Ausgangspunkt:
Konzentration der gesamten Materie des Universums auf
einen Bereich bzw. „Punkt“ (Dichte ≈ 1096 g⋅cm-3, T ≈ 1032 K);
Explosion dieses „Urkerns“ liefert die bekannten Elementarteilchen (e, p, n), die
sich innerhalb kürzester Zeit (10 – 500 sec.) zu 1H und 4He zusammenlagern
(Bedingungen wie im Fusionsreaktor).
Gestützt wird diese Theorie durch die beobachtete Expansion des Universums,
ausgehend von einem gemeinsamen Zentrum. Aus der Expansionsgeschwindigkeit berechnet sich das Alter zu 1.8 ⋅ 1010 Jahren.
4
Weiteres Argument für die Urknalltheorie ist die gemessene Temperatur des
interstellaren Raums von 2.7 K (Schwarzkörperstrahlung, energetischer Überrest
des Urknalls).
Die Entstehung der schweren Elemente erfolgt in den Sternen. Die nach den
Urknall gebildeten Elemente 1H und 4He bilden aufgrund der Gravitationskräfte
Sterne (∼ 20 Jahre), die weitere Kontraktion unter dem Einfluss der Gravitation
führt zu kontinuierlichen Freisetzung von Wärmeenergie, bis bei Temperaturen
von 107 K erste Kernprozesse einsetzen.
In Abhängigkeit von seiner Ausgangsmasse durchläuft ein Stern mehrere
Entwicklungsstadien, die durch stetige Kontraktion und Temperaturerhöhung
gekennzeichnet sind:
1. Stadium (Sonne):
T = 107 K
Wasserstofffusion
4
1
1
H
4
2 He
+
+ 2 e (Positron)
5
2. Stadium („Rote Riesen“):
T = 2 ⋅ 108 K
Heliumfusion
4
2
8
4
Be +
12
6
4
2
He +
C +
8
4
He
Be
4
2
He
12
6
C + γ
4
2
He
16
8
O + γ
(analoger Aufbau von Ne, Mg)
Obwohl der Kern bei der Heliumfusion kontrahiert, wird der Stern zum „roten
Riesen“ weil der verbleibende Wasserstoff eine große Hülle um den schweren
Kern bildet.
3. Stadium („Weiße Zwerge“):
T ≈ 109 K
α-Prozess; bei sehr hohen Temperaturen kommt es durch energiereiche γ-
Strahlung zum Zerfall der bei der Heliumfusion gebildeten schweren Elemente:
γ +
20
10
Ne
16
8
O +
4
2
^ α-Teilchen
He =
Die so gebildeten α-Teilchen sind so energiereich, dass sie bei Kollision
schwere Elemente bis Ti (OZ 22) bilden.
6
Schwerere Elemente als Ti werden in Sternen durch Neutroneneinfang und vor
allem bei extremen Sternprozessen (Supernova) gebildet.
Bei den in einer Supernova herrschenden Bedingungen (T > 3 ⋅ 109 K) liegt ein
statistisches Gleichgewicht zwischen verschiedenen Atomkernen, Protonen und
Neutronen vor. Bevorzugt werden dabei die stabilsten Elemente wie z.B. Eisen
gebildet.
7
1.2. Vorkommen und Verbreitung der Elemente
i) Im Weltall
90% H
9% He
(Atomprozent)
ii) In der Erdhülle
(dem für den Menschen zugänglichen Bereich der
Erde)
Erdhülle besteht aus:
Atmosphäre
Hydrosphäre
Biosphäre
Lithosphäre (≈15 km)
N2, O2, CO2
H2O, Salze
Organische
Mineralien, Gesteine
Verbdg ≙ C, H
H2O, Edelgase
Häufigkeit der Elemente in der Erdhülle (Massenprozent)
10
1
>
10
bis
1
bis 10-1
O (50.5), Si (27.5)
Al (7.3), Fe, Ca, Na, K, Mg
H (1), Ti, Cl (H nach Atom% an 3. Stelle!)
10-1 bis 10-2
P, C, S, N, F, Ba, Sr
10-2 bis 10-3
Li, Sn, Rb, Pb
10-3 bis 10-4
Cs, Br, Ge, As, Be, Ar
10-4 bis 10-5
Se, Sb, Tl, Bi, In
<
10-5
I, Te, Ne, He, Kr, Xe;
radioaktive Elemente: Ra, Po, Rn, Fr, At;
Edelmetalle: Ag 10-5, Au, Pt 5 ⋅ 10-7
8
iii) ImErdinneren
0 km
40
3
ρ ~ 3 g/cm
Kruste
ρ ~ 6 g/cm
Mantel
2900
flüssig
5000
Kern
fest
ρ ~ 9 g/cm
T = 4000 °C,
6371
3
p = 3 · 10 6 bar
schalenförmiger Aufbau mit 4 Bereichen
Kruste: O, Si, Al
Mantel: Silikate, Al, Fe, Ca, K, Na, Mg
Kern:
Fe, Ni, O, S
3
9
1.3. Nomenklatur chemischer Elemente
Die Namen der Elemente sind ganz verschiedenen Ursprungs; oft leiten sie sich
von lateinischen bzw. griechischen Stammwörtern ab. Als Elementsymbol wird
der erste und meist ein weiterer Buchstabe des Namens verwendet. Beispiele für
die Ableitung von Elementbezeichnungen:
i) nach Eigenschaften
Brom
(Br) von griechisch
Chlor
(Cl) von Griechisch
bromos
chloros
(Gestank)
(gelb-grün)
ii) nach der Mythologie
Titan
(Ti) nach dem Göttergeschlecht der Titanen
Thorium
(Th) nach dem Donnergott Thor
iii) nach Planeten und anderen astronomischen Objekten
Helium
(He) von griechisch
helios
(Sonne)
(Entdeckung der Spektrallinien von He im Spektrum der Sonne
durch Jansen und Lockyer im Spektrum der Sonne)
Uran
(U)
nach dem Planeten Uranus
Neptunium (Np) nach dem Planeten Neptun
10
iv) nach Ländern oder Landschaften
Gallium
(Ga)
Germanium (Ge)
Rhenium
(Rh)
nach Rhein bzw. Rheinland
v) nach Personen
Einsteinium (Es)
Albert Einstein
Fermium
Enrico Fermi
(Fm)
vi) Nomenklatur für Elemente mit OZ > 100
1977 legte die IUPAC fest, dass der Elementname direkt aus der Ordnungszahl
abgeleitet wird und mit drei Buchstaben abgekürzt wird:
101
Un-nil-unium
Unu
102
Un-nil-bium
Unb
etc.
Für die Elemente 101, 102 und 103 haben sich jedoch die von ihren
„Entdeckern“ vorgesehenen Namen durchgesetzt:
Mendelevium
(101, Md),
Nobelium
(102, No)
Lawrencium
(103, Lr)
11
1.4. Der Element- bzw. Atombegriff
Die Begriffe Element bzw. Atom sind eng miteinander verbunden. Ein Element
besteht aus Atomen derselben „Sorte“; sowohl das Element als auch ein
einzelnes Atom tragen denselben Namen. Das kommt auch in der
geschichtlichen Entwicklung des Elementbegriffs zum Ausdruck:
– 6. Jahrhundert v. Christus
Die griechischen Philosophen Thales, Anaximander, Anaximenes und Heraklit
vermuten, dass die Materie aus einfachsten, unveränderlichen Grundbausteinen,
den Elementen besteht.
– 490 – 430 v. Christus
Empedokles benennt die „vier Elemente“ Erde, Wasser, Luft und Feuer
– Mittelalter
Alchimisten erweitern die vier Elemente um Schwefel, Quecksilber und „Salz“
– 17. Jahrhundert
erste wissenschaftliche Versuche; Jangius (1642) und Boyle (1661) definieren
Elemente naturwissenschaftlich als „Substanzen, die sich nicht in andere Stoffe
zerlegen lassen“.
12
– 1789
Lavoisier veröffentlicht eine Tabelle mit 21 Elementen
– 1808
Daltons Atomtheorie:
Chemische Elemente bestehen aus kleinsten, nicht weiter zerlegbaren Teilchen,
den Atomen. Alle Atome eines Elements sind einander gleich, besitzen also
gleiche Masse und gleiche Gestalt. Atome verschiedener Elemente haben
unterschiedliche Eigenschaften. Jedes Element besteht also nur aus einer für das
Element typischen Atomsorte.
– 1813
Berzelius führt die ersten Elementsymbole ein O, H, Fe, C
– 1869
Mendelejew stellt das Periodensystem mit den damals 63 bekannten Elementen
auf.
13
2. Das Atom
2.1. Elementarteilchen
Im Gegensatz zur Annahme Daltons, dass Atome die kleinsten unteilbaren
Teilchen seien, wissen wir seit ca. 100 Jahren, dass Atome aus noch kleineren
Einheiten, den Elementarteilchen aufgebaut sind. Von den weit über 100
verschiedenen Elementarteilchen sind drei von fundamentaler Bedeutung für
den Aufbau von Atomen.
Proton, p
m = 1.67252 ⋅ 10-27 kg = 1.007277 u
u ≙ atomare Masseneinheit, definiert über die Masse eines
Atoms 12C ≡ 12 u (1u = 1.660513 ⋅ 10-27 kg)
Ladung:
q = 1.6021 ⋅ 10-19 C (Coulomb)
Das entspricht der kleinsten beobachteten Ladung ≙
Elementarladung
Neutron, n
m = 1.67482 ⋅ 10-27 kg = 1.008665 u
Ladung:
Elektron, e
keine, elektrisch neutral
m = 9.1091 ⋅ 10-31 kg = 0.0005486 u
Ladung:
q = -1.6021 ⋅ 10-19 C
≙ eine negative Elementarladung
Vergleich zeigt:
Zwei „schwere“ Teilchen (n und p) und ein leichtes (e); me ∼ 1/2000 mn
Zwei entgegengesetzt geladenen Teilchen (e und p) und ein neutrales (n)
14
2.2. Der Atomkern
Der Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen. Er macht über 99.99% der
Atommasse, aber nur 1/1000 des Atomdurchmessers aus. ⇨ extrem hohe Dichte
(Neutronensterne)
i) Kernladungszahl ≙ Protonenzahl Z
Z wird auch Ordnungszahl genannt – ein chemisches Element wird durch die
Anzahl der Protonen im Kern definiert; die zur Zeit rund 110 bekannten
Elemente haben die Ordnungszahlen 1-110 (also 1-110 p im Kern)
ii) Nukleonenzahl (früher Massenzahl) ≙ ∑ Protonenzahl, Neutronenzahl A
A bestimmt die Masse des Atoms
Atome einer Elementsorte haben immer die gleiche Z, können aber
unterschiedliche Anzahl von n, also unterschiedliche Masse haben → Isotope
Beispiel Wasserstoff:
„normaler“ Wasserstoff hat ein p und kein n im Kern:
Nukleonenzahl
1
1
(1 p, 0 n)
H
Ordnungs- bzw. Kernladungszahl
(1 p)
15
"schwerer" Wasserstoff (Deuterium)
2
1
1 p und 1 n :
3
1H
"überschwerer" Wasserstoff (Tritium) 1 p und 2 n :
Kohlenstoff:
12
6
C,
weg und schreibt
12
13
6
C,
C,
13
14
6 C;
H
oft lässt man die Kernladungszahl
C etc.
Die meisten Elemente sind Mischelemente ≙ bestehen aus mehreren Isotopen
unterschiedlicher natürlicher Häufigkeit
Rund 20 Elemente sind Reinelemente z.B. 19F,
31
P,
Mn ≙ nur ein natürlich
55
vorkommendes Isotop.
Zu den rund 110 Elementen gibt es ca. 350 verschiedene natürliche Isotope, aber
über 2000 künstlich hergestellte, z.B. Mn, Reinelement, aber 20 künstliche
Isotope.
Die Atommasse eines Elements erhält man aus den Atommassen der Isotope
unter Berücksichtigung der natürlichen Isotopenhäufigkeit.
Beispiel:
Bor
10
5
Mittlere Atommasse:
B
19.78 %
10.811 u
11
5
B
80.22 %
16
2.2.1. Massendefekt
Die Summe der Massen aller Kernbausteine (p, n) ist immer größer als die
Masse des entsprechenden Atomkerns ≙ Massendefekt.
Bsp.:
4
2He
besteht aus 2 p, 2 n;
Nach Einsteinscher Formel (1)
Masse der Teilchen
= 4.0319 u
Masse des 42He-Kerns
= 4.0015 u
Massendefekt
= 0.0300 u
E = mc2
(c = 2.99793 ⋅ 108 ms-1)
entspricht der Massendefekt einer Energie von 28.3 MeV ≙ Energiebetrag, der
bei der Bildung des 42He-Kerns aus seinen Bestandteilen frei wird – Maß für die
Stabilität eines Kerns;
aus (1) ⇒ 1u = 931 MeV.
Durchschnittlich beträgt die Kernverbindungsenergie 8 MeV pro Nukleon.
Elemente um die Nukleonenzahl 60 (Fe, Co, Ni) haben besonders stabile
Kerne.
Folie 1
2.2.2 Kernreaktionen
Chemische Reaktionen ≙ Veränderungen in der Elektronenhülle;
Energieumsatz ∼ 10 eV → keine Massenveränderung; Massenerhaltungsgesetz
gilt!
Kernreaktionen ≙ Veränderungen im Kern;
Energieumsatz ∼ 10 MeV (106 mal größer) → Massenänderungen treten auf.
Äquivalenz von Masse und Energie gilt (E = mc2)!
17
i) Radioaktivität
Viele Kerne sind instabil und unterliegen dem radioaktiven Zerfall → Abgabe
von Elementarteilchen bzw. elektromagnetischer Strahlung.
drei wichtige Zerfallsprozesse:
– α-Strahlung
Abgabe von 42He-Kernen (α-Teilchen) → OZ - 2,
226
88
222
86
Ra
Rn +
4
2
A- 4
He
der Massendefekt beträgt hier 0.005 u = 4.78 MeV
diesen Energiebetrag erhält das α-Teilchen als kinetische Energie
– β-Strahlung
Abgabe von Elektronen; e stammen nicht aus der Elektronenhülle
sondern aus dem Kern nach:
n → p + e →
40
19
K
40
20
OZ + 1,
A unverändert
Ca + e
– γ-Strahlung
Abgabe von elektromagnetischer Strahlung →
keine Veränderung von OZ und A
Folie 2
18
ii) Kernfusion
Umkehrung des radioaktiven Zerfalls.
Läuft in Sternprozessen (Sonne) ab und wird zur künstlichen Erzeugung von
Atomen genutzt.
Erste künstliche Elementumwandlung, Rutherford 1919
14
7
Ne +
4
2
He
17
8
O +
1
1
12
6
C + n
Entdeckung des Neutrons, Chadwick, 1932
9
4
Be +
4
2
He
H
19
2.3. Die Elektronenhülle
Aufgrund der geringen Masse der Elektronen, trägt die e-Hülle nur einen
Bruchteil (< 0.01 %) zur Gesamtmasse des Atoms bei, bestimmen aber die
Größe des Atoms:
∅ Kern ∼ 10-14 m
∅ Atom ∼ 2 ⋅ 10-10 m
Unterschied mehr als 3 Größenordnungen, d.h. wäre
∅ Kern
Chemische
10 cm
Reaktionen
→
verlaufen
∅ Atom 2 km
unter
Veränderung
der
e-Hülle;
Energieänderung ∼10 eV → bei chemischen Reaktionen bleibt die Gesamtmasse
konstant.
20
2.3.1. Das Bohrsche Modell des Wasserstoffatoms
Folie 3
Annahme: Das Elektron bewegt sich auf einer Kreisbahn um den Kern; die Bahn
ist stabil, wenn sich elektrische Anziehungskraft und Zentrifugalkraft aufheben.
Wirkende Kräfte:
i) Elektrostatische Anziehung → Coulomb – Gesetz
Q1 · Q2
r2
1
4 π ε0
Fel =
– ε0 = 8.854 ⋅ 10-12 A2s4 kg-1m-3 ≙ elektrische Feldkonstante
(Dielektrizitätskonstante im Vakuum)
– Q1, Q2 = q ≙ Elementarladung von Elektron bzw. Proton
|q| = 1.6021 ⋅ 10-19 C
⇒
1
Fel = 4 π ε0
ii) Zentrifugalkraft
FZ =
– m ≙ Masse des Elektrons
– v ≙ Geschwindigkeit des Elektrons
mv2
r
q2
r2
21
Für stabile Kreisbahn gilt:
-Fel = FZ
q
bzw.
2
=
2
4 π ε0 r
q
bzw.
mv
2
r
2
2
= mv
4 π ε0 r
(1)
Energie des Elektrons auf Kreisbahn:
Eges = Ekin + Epot
Ekin =
mv2
2
(kinetische oder "Bewegungs"energie
Epot =
∞
-
q2
r
2
4 π ε0 r
dr = -
q2
4 π ε0 r
(potentielle Energie, d.h. elektrostatische Anziehung)
22
Eges
1
q2
2
=
2 mv - 4 π ε0 r
Eges
1
=
2
q2
4 π ε0 r
mit (1) ⇒
2
-
q
q2
= 8 π ε0 r
4 π ε0 r
(2)
nach (2) ist die Energie eines Elektrons nur abhängig vom Radius r der
Kreisbahn (umgekehrt proportional); für r sind alle Werte zwischen 0 (Eges = ∞)
und ∞ (Eges = 0) möglich.
Modell ist im Einklang mit den Gesetzen der klassischen Mechanik, nicht aber
mit klassischer Elektrodynamik: jede periodisch bewegte Ladung (hier Elektron)
gibt Energie in Form von Strahlung (z.B. Licht) ab. Würde das e ständig Energie
abstrahlen, würde es so langsam werden, dass es irgendwann in den Kern
(Proton) stürzt.
Annahme von Bohr:
Das Elektron kann auf bestimmten Bahnen „strahlungsfrei“ um den Kern
kreisen; für den Bahndrehimpuls (mvr) des Elektrons auf solchen Bahnen gilt:
mvr = n
h
2π
n = 1, 2, 3,...
(3)
d.h. der Bahndrehimpuls ist ein ganzzahliges Vielfaches des Planck’schen
Wirkungsquantums h
h = 6.626 ⋅ 10-34 Js
aus (3) folgt:
v =
nh
2πmr
(4)
23
aus (4) in (1) folgt:
r =
2
h ε0
2
-10
2
· n (5) = n · 0.53 · 10 m
"Bohrscher Radius"
2
πmq
⇒ Elektronen dürfen nur auf Bahnen mit den Abständen 0.053 nm,
4 ⋅ 0.053 nm,
9 ⋅ 0.053 nm usw. u m den Kern kreisen.
Folie 4
aus (5) in (4) folgt:
v =
1
n
2
q
·
(6) =
2 h ε0
1
n
6
auf der innersten Bahn (n = 1) beträgt die Geschwindigkeit des Elektrons rund
2 ⋅ 106 ms-1
aus (6) in (2) folgt:
Eges =
m q4
2
8 ε0 h
2
·
1
n2
d.h. Elektronen auf stabilen Kreisbahnen können nur diskrete Energiewerte
annehmen.
Energiezustände sind gequantelt, n ist eine Quantenzahl.
Die
Abfolge
der
veranschaulichen:
Energieniveaus
lässt
sich
in
einem
-1
2.18 · 10 ms
Termschema
24
Folie 5
Die Energie für das Elektron ist umso geringer, je kleiner n ist (negative Werte
auf der Energieskala).
Für n = ∞ (Nullpunkt auf der Energieskala) ist die anziehende Kraft des Kerns
= 0 → Elektron verlässt Atom → Ionisierungsgrenze.
n=1
≙ energieärmster Zustand ≙ Grundzustand des H-Atoms
n>1
≙ energiereichere Zustände ≙ angeregte Zustände
Das Emissionsspektrum des H-Atoms
Beim Erhitzen (zuführen von Energie) geben H-Atome elektromagnetische
Strahlung (Licht) ab. Die emittierte Strahlung zeigt kein kontinuierliches
Spektrum, sondern Serien von scharfen Linien, die nach ihren Entdeckern
Lyman, Balmer, Paschen und Bracket benannt sind.
Erklärung über Termschema:
Folie 6
Folie 7
25
2.3.2 Quantenmechanische Beschreibung
i) de Broglie (1924): Dualismus von Welle und Teilchen ≙ jedes bewegte
Elementarteilchen hat Wellen- und Teilchencharakter
h
p
λ =
h
=
λ = Wellenlänge
mv
p = Impuls
ii) Schrödinger (1926): Verknüpfung von Wellenfunktion und Energiewerten
des Elektrons
2
δψ
δ x2
+
2
δψ
δ y2
ψ = Wellenfunktion
x, y, z ≙ Ortskoordinaten
+
2
δψ
2
δ z2
+
8π m
2
h
(E-V) ψ = 0
E ≙ Gesamtenergie
V ≙ Potentielle Energie
m ≙ Masse des Elektrons
Wellenfunktionen ψ die Lösungen der Schrödingergleichungen sind heißen
Eigenfunktionen und beschreiben stationäre Schwingungszustände des H-Atoms
(entsprechen den „stabilen Kreisbahnen“ des Bohr’schen Modells).
Die Energiewerte E, die zu den Eigenfunktionen gehören heißen Eigenwerte.
Die wellenmechanische Beschreibung des H-Atoms ist weniger anschaulich als
das Bohrsche Atommodell aber physikalisch korrekt und kommt ohne die
Bohr’schen Postulate aus.
26
2.4 Quantenzahlen und Atomorbitale
Zur quantenmechanisch vollständigen Beschreibung eines Elektrons (im Atom)
werden vier Quantenzahlen benötigt:
– Hauptquantenzahl n
n nimmt ganzzahlige Werte 1, 2, 3, 4…∞ an und
bestimmt die möglichen Energieniveaus, sogenannte
Schalen (analog Bohr) die mit K, L, M, N ...bezeichnet
werden.
Die Energie eines Elektrons in einer bestimmten
Schale berechnet sich in Übereinstimmung mit Bohr
nach:
En = -
m q4
8
2
ε0
2
h
1
n2
e im H-Atom auf K-Schale ≙ Grundzustand
E1 = - 13.6 eV
e auf höherer Schale ≙ angeregter Zustand, E > - 13.6 eV
Führt man dem e auf K-Schale mehr als 13.6 eV Energie zu, verlässt es das
Atom und zurück bleibt ein positiv geladenes Proton ≙ Ionisierung,
Ionisierungsenergie.
27
– Nebenquantenzahl l
l ≤ n-1
⇒
l nimmt die Werte 0, 1, 2, 3…n-1 an.
Quantenzustände werden mit s (sharp), p (principal), d
(diffuse), f (fundamental) bezeichnet.
– magnetische Quantenzahl ml nimmt Werte von - l bis + l an und gibt an, wie
viele s, p, d, f- Zustände existieren.
28
Die drei Quantenzahlen n, l, ml beschreiben die Atomorbitale ≙
Orbitalquantenzahlen
n
bestimmt die Größe des Orbitals
l
bestimmt die Form des Orbitals
ml
bestimmt die Lage des Orbitals im Raum
Folie 8
Folie 9
29
s-Orbitale
-
kugelförmig
p-Orbitale -
Doppelhanteln
d-Orbitale -
Rosetten
Die Orbitale beschreiben die Aufenthaltsräume der Elektronen im Atom ≙
Elektronenwolke
Aufenthaltswahrscheinlichkeit = ψ2; aufgrund der Unschärferelation kann der
genaue Ort eines Elektrons zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht angegeben
werden.
– Spinquantenzahl ms
Elektronen zeigen eine Eigenrotation, die links- oder rechtsdrehend sein kann →
es
gibt
zwei
Quantenzustände
für
den
→
Eigendrehimpuls
zwei
Spinquantenzahlen ms = ± 1/2
Aus den erlaubten Kombinationen der vier Quantenzahlen n,
l,
ml,
ms
ergeben sich die Quantenzustände des H-Atoms.
Jede Kombination von n l, m definiert ein AO. Für jedes AO gibt es zwei
Zustände mit der Spinquantenzahl + ½ bzw. - 1/2
Folie 10
30
2.5. Aufbau von Mehrelektronen-Atomen
Aufbau ähnlich dem H-Atom, vergleichbare Orbitalformen.
Unterschiede in der energetischen Lage:
Im H-Atom sind alle AO mit der gleichen Hauptquantenzahl n energiegleich (≙
entartet).
In Mehrelektronenatomen wird diese Entartung aufgehoben. Nur AO’s des
selben Typs (s, p, d, f) sind energiegleich ≙ Unterschalen.
Folie 11
31
Die Verteilung der Elektronen auf die AO (≙ Elektronenkonfiguration) folgt
bestimmten Regeln:
1.
Im Grundzustand werden AO in der Reihenfolge steigender Energie
mit Elektronen gefüllt. Dabei ist zu beachten, dass nicht eine Schale
(Hauptquantenzahl n) nach der anderen aufgefüllt wird. Ab der MSchale
überlappen
die
Energieniveaus
(Unterschalen,
Nebenquantenzahl l) verschiedener Schalen.
Energetische Reihenfolge: 1s, 2s, 2p, 3s, 3p, 4s, 3d, 4p, 5s
Bsp.: K (OZ 19),
19. e nicht in 3d sondern 4s!
32
Pauli Prinzip: Die Elektronen eines Atoms müssen sich in mindestens einer
Quantenzahl unterscheiden → jedes Orbital kann nur mit zwei Elektronen
entgegengesetzten Spins besetzt werden.
Bsp.:
aber nicht
1s
1s
2.
n, l, ml sind gleich, Elektronen
Für 1. und 3. Elektron sind
unterscheiden sich durch ms
alle 4 Quantenzahlen gleich
Hund’sche Regel: Die Orbitale einer Unterschale werden so besetzt,
dass die Anzahl der Elektronen mit parallelen Spin maximal wird.
Bsp:
aber nicht
px
py
pz
px
py
pz
Unregelmäßigkeiten:
Für die Elemente 24 (Cr) und 29 (Cu) wären die e-Konfigurationen
[Ar] 4s2 3d4 bzw. [Ar] 4s2 3d9 zu erwarten. Man findet aber:
Cr:
[Ar] 4s1 3d5
Cu: [Ar] 4s1 3d10
Hier sind die 3d-Schalen halb (Cr) bzw. voll (Cu) besetzt, da halbbzw. voll besetzte d-Unterschalen energetisch besonders günstig sind.
Folie 12
33
3. Das Periodensystem der Elemente (PSE)
3.1. Aufbau
Bei der Auffüllung der Orbitale mit Elektronen nach den oben genannten Regeln
kommt es zu regelmäßigen (periodischen)Wiederholungen von gleichen
Elektronenanordnungen auf der äußersten Schale. (Valenzelektronen)
Elemente mit analogen Valenzelektronenkonfigurationen haben ähnliche
chemische Eigenschaften und werden zu Gruppen zusammengefasst.
Beispiele:
i) Alkalimetalle (Gruppe 1)
Li
[He] 2 s1
Na
[Ne] 3 s1
K
[Ar] 4 s1
Rb
[Kr] 5 s1
Cs
[Xe] 6 s1
Alle Alkalimetalle zeigen die Valenzelektronenkonfiguration s1; das einzelne
Valenz – e kann leicht unter Ausbildung der entsprechenden Kationen M+
abgegeben werden. Alkalimetalle sind weiche, reaktive Leichtmetalle mit
niedrigem Schmelzpunkt. Wasserstoff hat eine analoge Valenz –e Konfiguration
1s1, zeigt aber andere chemische Eigenschaften und zählt nicht zu den
Alkalimetallen. (Sonderstellung im PSE)
ii) Halogene (Gruppe 17)
F
[He] 2 s2
2 p5
Cl
[Ne] 3 s2
3 p5
Br
[Ar] 3 d10 4 s2
4 p5
I
[Kr] 4 d10 5 s2
5 p5
34
Alle Halogene haben 7 Valenzelektronen (s2p5); sie sind typische Nichtmetalle,
hochreaktiv und bilden mit Metallen Salze wobei unter Aufnahme eines
Elektrons die entsprechenden Anionen wie Cl- entstehen.
iii) Edelgase (Gruppe 18)
He
1s2
Ne
[He] 2 s2
2 p6
Ar
[Ne] 3 s2
3 p6
Kr
[Ar] 3 d10 4 s2
4 p6
Xe
[Kr] 4 d10 5 s2
5 p6
Außer He haben alle Edelgase 8 Valenzelektronen (s2p6), d.h. s- und pUnterschalen
sind
vollbesetzt.
Energetisch
sehr
günstige
Elektronenkonfiguration → Edelgase sind sehr reaktionsträge und bilden nur
relativ wenige Verbindungen.
Folie 13
Unterteilung der Elemente:
- Haupt- und Nebengruppen, Lanthanoide, Actinoide
- s, p, d, f-Blockelemente
Die
„alte“
Gruppennummer
der
HGE
entspricht
der
Anzahl
der
Valenzelektronen. Chemische Ähnlichkeit der Elemente einer Gruppe beruht auf
gleicher Anzahl Valenzelektronen.
35
3.2. Trends im PSE
Aufgrund des regelmäßigen Aufbaus des PSE verändern sich die wichtigsten
chemischen und physikalischen Eigenschaften der Elemente periodisch (d.h.
folgen bestimmten Trends) ⇒
Die Kenntnis des PSE und deren Trends im PSE erlaubt Aussagen über die
chemischen Eigenschaften eines Elements ohne dessen Stoffchemie gelernt zu
haben.
⇒
PSE
lernen !!
⇐
Beispiel:
Vorhersage des Elements und seiner wichtigsten Eigenschaften durch
Mendelejew.
36
- allgemeine Trends
i) der metallische Charakter der Elemente steigt innerhalb einer Hauptgruppe
von oben nach unten und innerhalb einer Periode von rechts nach links.
⇒ Metalle links unten, Nichtmetalle rechts oben im PSE.
Alle Nebengruppenelemente, Lanthanoide und Actinoide sind Metalle.
ii) die Atomgröße (Radius) steigt von oben nach unten und von rechts nach
links.
- spezielle Trends
i) Ionisierungsenergie I
I ist ein Maß für die Festigkeit, mit der ein Elektron an das Atom gebunden ist.
X + I → X+ + eFolie 14
I nimmt innerhalb einer Periode von links nach rechts zu und innerhalb einer
Gruppe von oben nach unten ab. (zunehmende Kernladungszahl // zunehmende
Abschirmung durch innere Schalen)
Der Trend zeigt Unregelmäßigkeiten, da voll- und halbbesetzte Unterschalen
besonders stabil sind.
Beispiele:
I für Be (2 s2)
I für N
(2 s2 2 p3)
größer als für
B (2 s2 2 p1)
größer als für
O (2 s2 2 p4)
37
ii) Elektronenaffinität Eea
Eea ist die Energie, die frei wird (negative Eea-Werte) oder aufgewendet werden
muss (positive Eea-Werte), um ein Elektron an ein Atom unter Ausbildung eines
Anions anzulagern.
X + e- → X- ± Eea
Eea ist experimentell schwer zugänglich und nicht für alle Atome bekannt.
38
Die Aufnahme eines Elektrons ist besonders günstig (negative Eea-Werte), wenn
damit eine halb- oder vollbesetzte Schale erreicht wird.
Beispiele:
- Alle Halogene erreichen
s2p6 - Konfiguration
- Alkalimetalle erreichen
s2 - Konfiguration
- Erdalkalimetalle und Edelgase überschreiten s2 bzw. s2p6- Konfiguration
⇒ positive Eea-Werte.
39
4. Die chemische Bindung
4.1. Bindungsarten
Klassifizierung der Bindungsarten gemäß ihrer Stärke:
a)
Hauptbindungsarten oder chemische Bindungsarten 1. Ordnung sind stark
und umfassen
- kovalente oder Atombindung (einschließlich der koordinativen und
dativen Bindung)
- Ionenbindung
- metallische Bindung
b) Nebenbindungsarten oder Bindungen 2. Ordnung sind schwach
- Van der Waals-Bindung
- Wasserstoff(brücken)bindung
Vor allem für a) gilt, dass die genannten Typen nur Idealfälle darstellen; in der
Realität sind die Übergänge fließend.
Die Eigenschaften einer Verbindung werden durch die Art der chemischen
Bindung festgelegt:
- NaCl ist eine ionische Verbindung mit hohem Schmelzpunkt (ca. 800
°C), die gut in polaren Solventien löslich ist; entsprechende Lösungen
sind elektrisch leitfähig.
- H2 ist eine kovalente Verbindung mit niedrigem Siedepunkt (-253 °C)
und in jedem Aggregat- oder Lösungszustand nichtleitend.
40
- Fe ist ein Metall mit hohem Siedepunkt (2750 °C), typisch metallischem
Glanz und ist im festen Zustand ein guter elektrischer Leiter.
Beispiele für fließende Übergänge:
- BeCl2
ist
überwiegend
ionisch
aber
mit
deutlich
kovalenten
Bindungsanteilen → niedrigeren Schmelzpunkt (600 °C) als NaCl und gut
löslich in unpolaren Solventien wie Benzol.
- HF ist kovalent, bildet aber zusätzlich Wasserstoffbrücken aus → relativ
hoher Siedepunkt von 20 °C.
Moleküle bestehen aus einer endlichen, wohldefinierter Zahl von Atomen, die
durch kovalente Bindungen zusammengehalten werden.
Molekulare Verbindungen zeigen allgemein hohe Flüchtigkeit (niedrige
Schmelzpunkte bzw. Siedepunkte) und lösen sich in unpolaren Solventien.
Festkörper bestehen aus einer beliebigen Anzahl von Atomen, die durch
metallische oder ionische Bindungen zusammengehalten werden; → geringe
Flüchtigkeit, Metalle sind unlöslich, Salze sind löslich in polaren Solventien.
41
4.2. Chemische Bindung in Molekülen
Zur Beschreibung der kovalenten Bindung in Molekülen können verschiedene
Modelle bzw. Theorien herangezogen werden.
Allen Beschreibungen ist gemein, dass sie in erster Linie die chemische Bindung
erklären und illustrieren sollen. Dabei zeigt sich, dass bestimmte Probleme mit
einem Modell besser zu erklären sind als mit einem anderen, da alle Modelle
spezifische
Einschränkungen
haben.
Man
darf
daraus
jedoch
nicht
schlussfolgern, dass bestimmte Theorien anderen überlegen sind. Das gilt
insbesondere für den Vergleich zwischen VB- und Mo-Theorie, da beide auf den
gleichen quantenchemischen Grundlagen beruhen.
4.2.1. Die Elektronegativität
Zur Beschreibung der kovalenten Bindung in Molekülen ist der Begriff der
Elektronegativität von zentraler Bedeutung.
Definition: Elektronegativität beschreibt die Fähigkeit eines Atoms die
Elektronen einer Atombindung zu sich zu ziehen.
Verschiedene Elektronegativitätsskalen sind gebräuchlich:
42
1) Pauling, 1932
Messung von Dissoziationsenthalpien:
A–A → 2 A•
DA2
B–B → 2 B•
DB2
A–B → A• + B•
DAB =
DA + DB
2
DAB
2
2
+ Δ
Die Dissoziationsenthalphie DE ist für ein heterodinukleares Molekül AB im
allgemeinen um Δ größer als das arithmetrische Mittel aus den DE der beiden
homodinuklearen Moleküle A2 bzw. B2:
Δ = k (χA - χB)2
Δ ≙ Maß für die Polarität der Bindung A–B
k ≙ Proportionalitätsfaktor; abhängig von der Einheit, in der χ angegeben
wird. (eV, k = 1; kJ/mol, k = 96.5)
χ = Elektronegativität
χ ≙ „chi“
43
Folie 15
Experimentell zugänglich sind Differenzen von χ; zu Absolutwerten gelangt
man durch die Definition von Pauling:
χF ≡ 4.0
2) Mulliken, 1934
Messung von Ionisierungsenergien (EI) und Elektroaffinitäten (EA):
χ = 0.168 (EI - EA) - 0.207 (Anpassung an Paulingwerte)
In einem Molekül AB trägt das elektronegativere Element B umso mehr zum
Polaritätsunterschied bei, je bereitwilliger es Elektronen aufnimmt (negative EAWerte) und umso mehr Energie aufgebracht werden muss, um dass äußere
Elektron abzuspalten (positive EI-Werte).
-EA + B + e- → Bhohe Elektronenaffinität von B → exotherme Reaktion, negative EA-Werte
44
EI + B → B+ + eIonisierung immer endotherm → positive EI-Werte.
Zur Bestimmung von χ nach Pauling bzw. Mulliken müssen DAB bzw. EA, EI
experimentell zugänglich sein!
3) Allred – Rochow, 1958
Berechnung von χ über Coulomb – Kraft.
F =
Zeff e2
2
4 π ε0 r
F ≙ Coulomb – Kraft (Anziehung Kern-Elektron)
Zeff ≙ effektive Kernladung; Zeff = Z - S
Z ≙ Kernladung,
S ≙ Slater-Konstante (Abschirmung der Kernladung durch Valenzelektronen;
aus Quantenchemie zugänglich)
r ≙ Atomradius
e ≙ Elementarladung
ε0 ≙ elektrische Feldkonstante
χ ∼ F;
χ = 3.59
Zeff
r2
+ 0.744
Für Hauptgruppenelemente steigt χ innerhalb einer Periode von links nach
rechts und innerhalb einer Gruppe von unten nach oben.
Folie 15
45
4.2.2. Das Lewis – Modell
(G. N. Lewis, 1916)
- einfache und anschauliche Darstellung von Molekülen
- liefert Zusammenhang zwischen chemischer Bindung und
Molekülstruktur
- weist viele Einschränkungen auf
- liefert keine Erklärung über die Natur der kovalenten Bindung
Beschreibung einer kovalenten Bindung nach Lewis:
Eine kovalente Bindung wird ausgebildet, wenn zwei benachbarte Atome eines
Moleküls ein Elektronenpaar teilen (→ Einfachbindung, analog Doppel- und
Dreifachbindung)
2 H• → H–H
Elektronenpaare, die nur zu einem Atom gehören, heißen freie Elektronenpaare
(engl. „lone pairs“); sie tragen nicht zur kovalenten Bindung bei, beeinflussen
aber Geometrie und chemische Eigenschaften des Moleküls.
2 F · → F⎯F
Die Oktettregel
Die Elektronen werden so auf die Atome verteilt, dass jedem insgesamt 8
Valenzelektronen zukommen → s- und p-Unterschale voll besetzt →
stabile Edelgaskonfiguration.
Ausnahmen: – H kann nur zwei Elektronen aufnehmen → He-Konfiguration
– schwere Elemente ab 3. Periode können Oktett überschreiten
46
Ermittlung der Lewis-Formel einer unbekannten Verbindung nach
folgendem Muster:
– Summe
der
Valenzelektronen
ermitteln,
bei
Molekülionen
Gesamtladung berücksichtigen.
– Elektropositivstes Element als Zentralatom auswählen. (Vorsicht,
Abweichungen möglich; H ist nie Zentralatom).
– Valenzelektronen solange paarweise auf Bindungen und freie Paare
verteilen, bis alle Atome Oktett erreicht haben.
Beispiele:
10 e
N
N
8e
16 e
,
O
C
O
8e
N
,
H
H
O
,
H
H
H
H elektropositiver als N bzw. O
aber nicht Zentralatom!
47
O
S
O
P
O
O
H
O
O
H
H
S und P dürfen Oktettregel überschreiten
O
”
N“
O
O
und nicht
O
N
O
H
O
H
N darf Oktettregel nicht überschreiten
Zur korrekten Lewisformel von HNO3 gelangt man nur, wenn man formale
Ladungen zulässt.
Formale Ladung ≙ Differenz zwischen der Anzahl der Valenzelektronen eines
Elements im Molekül und im Atom.
48
Elektronenoktett nach heterolytischer Bindungsspaltung
O
⊕N
”
O
Formale Ladung +1 nach homolytischer Bindungsspaltung
O
H
Bei manchen (komplizierten) Molekülen kommt man unter Beachtung der
Oktettregel zu verschiedenen Lewis-Formeln:
H
O
O
H
H
H
O
“
O
”
Der Anordnung mit den wenigsten formalen Ladungen ist Vorzug zu geben!
Lewisformel von HN3:
8 Elektronenpaare verteilen
N
N
N
N
H
“
N
”
N
H
ein bzw. zwei N-Atome haben kein Oktett
”
N
“
N
H
N
N
“
N
”
N
H
Oktettregel erfüllt, beide Anordnungen haben je 2 formale Ladungen, welches
ist die richtige Lewisformel?
49
Nur die Überlagerung beider Lewisformeln beschreibt das Molekül korrekt ≙
Resonanz
Die Summe aller korrekten Lewis-Strukturen beschreibt das Molekül
vollständig; eine Lewis-Struktur nennt man kanonische Form.
Beispiel:
Ozon O3
O
”
“
O “
O
O
O ”
O
1
2
zwei kanonische Formen 1 und 2 beschreiben die Struktur von O3; ein
Doppelpfeil kennzeichnet die Gesamtheit des Resonanzhybrids.
1 und 2 isoliert betrachtet legen eine O–O–Einfachbindung und eine O–O–
Doppelbindung im O3-Molekül nahe. Experimentell lässt sich nachweisen,
dass beide O–O–Abstände identisch sind und einer „1,5-fach“-Bindung
entsprechen:
O
O
O
50
Weiteres Beispiel:
Aromatizität von Benzol
H
H
H
C
C
C
C
H
H
H
C
C
H
H
H
H
C
C
C
C
H
C
C
H
H
≡
H
H
C
C
C
C
H
C
C
H
H
51
4.2.3. Das VSEPR-Modell
(N. Sidgwick, H. Powell 1940, R. Nyholm, R. Gillespie)
VSEPR = valence shell electron pair repulsion
Erweiterung des Lewis-Modells zur Vorhersage der Molekülgeometrie von
Molekülen AXnLm
Prinzip: alle Substituenten X und freien Elektronenpaare L ordnen sich mit
möglichst großem Abstand zueinander um ein gemeinsames Zentralatom A an,
um die Coulomb-Abstossung zu minimieren.
Vorgehen zur Bestimmung einer Molekülstruktur nach VSEPR:
i) Anzahl freier (LP) und bindender (BP) Elektronenpaare am Zentralatom A
ermitteln
ii) unterschiedlichen Raumbedarf der Elektronenpaare berücksichtigen:
- LP sind diffuser als BP und benötigen mehr Platz
- BP in Doppelbindungen benötigen mehr Platz als in Einfachbindungen
- → Abfolge der Abstoßung (Platzbedarf) zwischen Elektronenpaaren
LP–LP > LP–BP > BP–BP
und
BPDoppelbindung > BPEinfachbindung
iii) Pseudostruktur (PS) bestimmen
PS berücksichtigt die Anordnung von LP und BP um das Zentralatom
iv) Struktur (S) bestimmen
S berücksichtigt nur BP und damit die Anordnung der Substituenten um A
→ Bezeichnung der Koordinationsgeometrie
52
PS muss jedoch zuerst ermittelt werden, da LP einen Einfluss auf die
Struktur des Moleküls haben (≙ PS sind in der Regel stereochemisch
aktiv).
Tabelle 16
Folie 17
53
Beispiele:
F
AX3:
B
F
AX4:
H
Sn
Cl
Cl
H
AX2L2:
N
• •
Cl
F
•
F
F
AX2L3:
F
Xe
F
In Molekülen mit trigonal bipyramidaler PS besetzen die LP immer äquatoriale
Positionen (mehr Raum; Bindungswinkel 120° vs 90°)
Ähnliches gilt auch für SOF4:
F
O
S
F
F
F
Die Doppelbindung benötigt mehr Raum als die Einfachbindungen und findet
sich in äquatorialer Position.
•
F
F
F
•
S
AX3L2:
H
•
F
O
•
AX4L:
H
H
H
•
H
•
•
• •
H
•
AX3L:
N⊕
H
• •
• •
•
AX2L:
F
•
Cl Be Cl
•
AX2:
54
H
H
107.3°
N
H
H
H
• •
• •
C
H
•
H
109.5°
104.5°
O
•
H
H
Der steigende Platzbedarf der LP führt zu einer Verkleinerung des H–E–H –
Winkels in der Reihe CH4 – NH3 – H2O
Grenzen und Einschränkungen von VSEPR:
- Bei geringen Energieunterschieden zwischen verschiedenen möglichen
Geometrien (AX5, AX7) versagt VSEPR oft
- Verbindungen schwerer Elemente (BrF6-, SeBr62-, SbCl63-) folgen im
allgemeinen nicht den VSEPR-Regeln, da ihre ns LP stereochemisch
nicht aktiv sind.
- VSEPR gibt keine Auskunft über die Natur der chemischen Bindung
- VSEPR ist nicht (gut) auf Verbindungen der Übergangsmetalle
anzuwenden.
55
VSEPR-Modelle für größere Moleküle
– zweikernige Moleküle
H
H
C C
H
H
H
H
Ethan C2H6
• • • •
N N
H
H
H
H
H
• •
• •
O
O
• •
• •
Hydrozin N2H4
H
Wasserstoffperoxid H2O2
56
4.2.3. Die Valence-Bond (VB) Theorie
(W. Heitler, F. London 1927; weiterentwickelt durch L. Pauling, J.C. Slater,
C.A. Coulsdon)
Das VB-Modell war die erste quantenchemische Theorie zur chemischen
Bindung in Molekülen (Beschreibung des Lewis-Modells mit Hilfe von
Wellenfunktionen)
Prinzip: Diskrete Atome mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen
bilden eine Bindung durch Überlappung von Atomorbitalen. Dieser Prozess ist
begleitet von der Spinpaarung der betroffenen Elektronen.
+
H↑
H ↑↓ H
H↑
1) Beschreibung des H2-Moleküls mit VB
i) Ausgangspunkt
•
HA
(1)
•
HB
(2)
Zwei diskrete H-Atome (A und B) mit jeweils einem Elektron (1 und 2) in
großem Abstand zueinander zeigen keinerlei Wechselwirkung.
ψ = ψA (1) ψB (2)
E° = E1 + E2
(1)
57
ii) H-Atome nähern sich und bilden Bindung aus
•
•
HA (1) + HB (2)
H2
Eges
der Prozess ist exotherm → Eges < E°
Annahme: Gl. (1)
beschreibt die Gesamtwellenfunktion des H2-Moleküls
korrekt.
Berechnung der Energie über ψ in Abhängigkeit vom Abstand der H-Atome r
(H r H) liefert eine Potentialkurve:
Beim annähern der beiden Atome kommt es zu elektrostatischer Anziehung
zwischen Elektronen und Kernen → die Energie sinkt, bis ein Abstand von
90 pm erreicht ist. Bei weiterer Annäherung überwiegen Abstoßungskräfte
zwischen gleichnamigen Ladungen und die Energie steigt.
58
Aus Berechnung / Potentialdiagramm folgt:
- H2-Molekül ist um 24 kJ/mol stabiler als zwei H-Atome
- der günstigste Abstand (≙ H–H-Bindungslänge) beträgt 90 pm.
Experimentelle Werte:
Eges. = -458 kJ/mol
dHH = 74 pm
iii) Ansatz muss verbessert werden:
– Austauschenergie
Gl. (1) impliziert, dass die Elektronen (1) und (2) nur in der Nähe „ihrer“
Kerne A und B anzutreffen sind.
In Realität können die beiden Elektronen jedoch in der Nähe beider Kerne
angetroffen werden, d.h. ihnen steht wesentlich mehr Raum zur
Verfügung.
Die Energie eines Elektrons ist umgekehrt proportional zu dem Raum, in
dem es sich bewegen kann. (Modell Elektron im Kasten).
→ verbesserter Ansatz für ψ:
ψkov = ψA (1) ψB (2) + ψA (2) ψB (1)
ψkov beschreibt den kovalenten Bindungsanteil im H2-Molekül.
Die verbesserte Wellenfunktion ψkov führt zu einer deutlichen Absenkung
der Energie für das H2-Molekül (≙ Austauschenergie) auf ca. -303 kJ/mol
59
– ionische Beiträge
Es wird berücksichtigt, dass sich beide Elektronen des H2-Moleküls in der
Nähe eines Kerns aufhalten können.
Beschreibung nach Lewis:
H–H ↔ | H⊖ H⊕ ↔ H⊕ H⊖|
Beschreibung mit Wellenfunktion:
HA⊖ HB⊕ ≙ ψA (1) ψA (2)
HA⊕ HB⊖ ≙ ψB (1) ψB (2)
ψion = ψA (1) ψA (2) + ψB (1) ψB (2) ≙ ionische Bindungsanteil
ψges = ψkov + λ ψion ;
λ=¼
≙ Koeffizient für Anteil ψion
Die verbesserte Wellenfunktion ψges liefert Eges = -388 kJ/mol dH-H = 74.9 pm
Folie 18
60
Die Potentialkurve f beschreibt einen instabilen Zustand; sie wird beschrieben
durch
ψ = ψ A ( 1 ) ψB ( 2 ) - ψA ( 2 ) ψB ( 1 )
bzw.
+
-
H ↑
↑ H
- Wellenfunktionen haben unterschiedliche Vorzeiche
→ keine positive Überlappung
- Elektronenspins sind gepaart
→ Verstoß gegen Pauli-Prinzip
- geringe Elektronendichte zwischen den H-Kernen
(Knotenfläche)
→ Kerne stoßen sich ab
⇒ instabiler, nichtbindender Zustand
Folie 19
Bindungen (energetisch günstige Zustände) treten nur bei positiver Überlappung
der Orbitale auf.
Folie 20
61
2. Einfache dinukleare Moleküle
F2: Fluor hat die Elektronenkonfiguration (im Grundzustand!) 1s2, 2s2, 2px2
2py2 2pz1
2p x
2s
y
z
Im F2-Molekül überlappen die beiden pz-Orbitale unter Paarung der 2
Elektronen → Einfachbindung
x
-
+
+
y
∧
F—F
z
(Wahl der z-Koordinate wilkürlich)
Die Orbitale liegen rotationssymmetrisch zur Verbindungsachse der Kerne →
σ-Bindung
N2: 1s2, 2s2 2px1 2py1, 2pz1
2s
2p x
y
Folie 21
z
62
Ausbildung einer σ-Bindung durch Überlappung der px-Orbitale und von zwei
π-Bindungen (nicht rotationssymmetrisch) durch Überlappung der py- bzw. pz-
Orbitale → Dreifachbindung |N≡N|
HF:
H
1s1
F
1s 2s 2px 2py 2pz
2
2
2
1
2
2p x
2s
+
x
-
F
y
z
y
H
z
Ausbildung einer σ-Bindung durch Überlappung von 1s (H) und 2pz (F)
Im Gegensatz zu homodinuklearen Molekülen (H2,
F2,
N2
etc.) ist die
Verteilung der Elektronen in heterodinuklearen Molekülen nicht mehr
symmetrisch. Beschreibung durch drei mesomere Grenzformen:
H
F
Ψ1
“
H
”
F
Ψ2
” “
H F
Ψ3
63
a, b, c ≙ Verteilungskoeffizienten
ψges = a ψ1 + b ψ2 + c ψ3;
die kovalente Form 1 trägt am meisten bei; wegen der hohen EN von Fluor ist
der Beitrag der ionischen Form 2 am zweithöchsten → a > b > c. Wegen b
> c zeigt das HF-Molekül Dipolcharakter (höhere Elektronendichte an F)
δ+
H
F
δ-
→ Auswirkungen auf physikalische und chemische Eigenschaften (hoher
Siedepunkt, H-Brücken etc.)
3. Polynukleare Moleküle
Befunde:
– Be hat 1s2 2s2 (keine ungepaarten Elektronen!) bildet aber BeF2
– B hat 1s2 2s2 2p1 sollte BF bilden (instabil)
bildet aber BF3
– C hat 1s2 2s2 2px1 2py1 sollte CH2 bilden
bildet aber stabiles CH4
– N hat 1s2 2s2 2px1 2py1 2pz1; drei ungepaarte Elektronen in den
zueinander senkrecht stehenden p-Orbitalen → H−N−HBindungswinkel in NH3 sollten 90° sein, sind aber 107°
64
Um die Befunde mit VB-Theorie erklären zu können, müssen zwei
Erweiterungen eingeführt werden:
– Anregung
– Hybridisierung
B*
B
2p
2s
1
2
2p x
2s
y
z
1
angeregter Zustand
Grundzustand
Durch Anregung wird ein Elektron aus dem 2s in ein 2p-Orbital angehoben →
B* hat jetzt drei ungepaarte Elektronen in drei Orbitalen und kann drei
Bindungen ausbilden. Anregung kostet Energie; Energiebedarf wird geliefert
(überkompensiert) durch Freisetzen der Spinpaarungsenergie und durch
Ausbildung von drei statt einer Bindung.
Analog Beryllium:
Be
Be*
2p
2s
2
2s
1
1
65
und Kohlenstoff:
C
2p
2s
C*
2
2p
2
2s
3
1
Für Elemente der 2. Periode kann die Anregung der Elektronen nur in die 2pUnterschale erfolgen. Anregung in höheren Niveaus (z.B. 3s) erfordert zuviel
Energie und kann durch Ausbildung von zusätzlichen Bindungen nicht mehr
kompensiert werden:
F
F*
3s
2p
2s
5
2p
2
2s
1
4
1
Hybridisierung beschreibt die Kombination von Atomorbitalen zu so genannten
Hybridorbitalen.
Mathematisch liegt dem die Linearkombination (Addition
bzw. Subtraktion) der entsprechenden Wellenfunktionen zugrunde.
– sp-Hybridorbitale
Folie 22
66
Aus einem 2s- und einem 2p-Orbital entstehen zwei sp-Hybridorbitale.
ψ1 =
mit
1
1
2
(ψs + ψp);
ψ2 =
1
2
(ψs - ψp)
≙ Normierungskoeffizient.
2
Die Beiträge von ψs und ψp zur Gesamtfunktion des sp-Orbitals sind gleich groß
⇒ ein sp-HO hat 50% s- und 50% p-Charakter.
Folie 23
– sp2-HO
Ein 2s- und zwei 2p-Orbitale werden zu drei sp2-HO’s kombiniert (Anzahl AO’s
und HO´s immer gleich).
Folie 24
ψ1 =
1
3
ψs +
2
ψ2 =
1
3
ψs -
1
ψ3 =
1
3
ψs -
1
3
ψpx
6
ψpx +
1
2
ψpy
6
ψpx -
1
2
ψpy
Die Normierungskoeffizienten zeigen, dass der Anteil der p-AO’s doppelt so
hoch ist wie der der s-AO’s → sp2-HO’s haben 33% s- und 66% p-Charakter
Folie 25
67
– sp3-HO
Folie 26
ψ1 = 1/2 ψs + 1/2 ψpx + 1/2 ψpy + 1/2 ψpz
ψ2 = 1/2 ψs - 1/2 ψpx - 1/2 ψpy + 1/2 ψpz
ψ3 = 1/2 ψs + 1/2 ψpx - 1/2 ψpy - 1/2 ψpz
ψ4 = 1/2 ψs - 1/2 ψpx + 1/2 ψpy - 1/2 ψpz
sp3-HO’s haben 25% s- und 75% p-Charakter
Folie 27
Folie 28
68
4.2.4. Die Molekülorbital (MO) Theorie
(Mulliken, Hund, 1928)
Das VB-Modell betrachtet einzelne Atome und ihre Orbitale. Eine chemische
Bindung wird dadurch gebildet, dass die Atome sich in geeigneter Weise
annähern, so dass passende AO’s überlappen können.
Das MO-Modell verallgemeinert AO’s (die an Atomen lokalisiert sind) zu
Molekülorbitalen (MO’s), die sich über das ganze Molekül erstrecken (VB ≙
lokalisierten Ansatz ↔ MO ≙ delokalisierte Beschreibung).
Um das Elektronensystem eines Moleküls beschreiben zu können, müssen
einige Näherungen eingeführt werden:
– Orbital-Näherung: Ein Mehrelektronensystem (Molekül) mit n Elektronen
kann als Produkt von n ein-Elektronen Wellenfunktionen beschrieben
werden → ψges = ψ (1) ψ(2)... ψ(n)
– Ein Elektron in einem Molekül wird von dem Kern am meisten beeinflusst,
in dessen Nähe es sich aufhält
→ seine Wellenfunktion kann durch die eines AO’s angenähert werden →
MO in Kernnähe gleicht AO
→ MO’s können durch Linearkombination von AO’s beschrieben werden
(LCAO-Methode)
69
1) MO-Modell von H2
+
Energy
*
σ -MO
subtraction
*
*
Ψ = N (Ψ1 - Ψ2)
Ψ2
Ψ1
H
H
HA1s1 HB1s1
0
H
H
*
σ -MO
addition
HA1s1
HB1s1
b
σ -MO
b
b
Ψ = N (Ψ1 + Ψ2)
H
H
-
b
σ -MO
Die
AO’s
zweier
isolierter
H-Atome
werden
durch
ein-Elektronen
Wellenfunktionen ψ1 bzw. ψ2 dargestellt.
Die Bildung des H2-Moleküls wird durch Linearkombination der beiden AO’s
zu zwei MO’s beschrieben.
Wichtige Punkte:
– positive Überlappung (Addition von ψ1, ψ2) führt zu einem MO, das
Elektronendichte zwischen den Kernen erlaubt → energetisch günstiger als
zwei isolierte H-Atome (bindendes MO)
– negative Überlappung lässt keine Elektronendichte zwischen H-Atomen zu
(Knotenebene) → energetisch ungüstiger als zwei H-Atome (antibindendes
MO)
– bindendes und antibindendes MO sind rotationssymmetrisch → σ-Symmetrie
70
– die beiden Elektronen besetzen das energietiefste MO → stabiler Zustand
+
σ*
1
HB 1s
HA 1s
σ
1
b
-
2.) Entwicklung eines MO-Schemas in 4 Schritten:
– AO’s aller beteiligten Atome auf der Energieachse eintragen
– Linearkombination von „geeigneten“ AO’s; (geeignet ≙ ähnliche Energie
und gleiche Symmetrie (σ oder π)) zu MO’s
– Auffüllen der MO’s mit allen verfügbaren Valenzelektronen (Pauli-Prinzip,
Hund’sche Regel einhalten)
– Bindungsordnung (BO) bestimmen
BO =
Anzahl e in b MO's - Anzahl e in ab MO's
2
71
3.) Beispiele
i)
FA + FB → FA – FB
F2:
*
σ 2pz
Energy
+
*
*
π 2px
FA2pz2
FA2px2
π 2py
FB2pz2
FA2py1
π2px
FB2px2
π2py
σ2pz
-
*
σ 2s
x
z
y
FA2s2
FB2s2
σ2s
wichtige Punkte:
– 2s - AO’s
kombinieren zu σ2sb und σ2s* wie im H2
– 2pz - AO’s
sind σ-symmetrisch und kombinieren zu 2 σpz und 2 σpz*
– 2px – AO’s
sind π-symmetrisch → π2pxb und π2px*
– 2py – AO’s
entsprechend → π2pyb und π2py*
die so gebildeten π-MO’s unterscheiden sich nur in ihrer Lage im Raum
(senkrecht zueinander); sie sind energiegleich (entartet)
– ab MO’s haben mehr Knotenebenen als entsprechende b MO’s
BO =
8-6
2
= 1
Folie 29
FB2py1
72
ii)
O2
σ*2p
2p
σ2p
σ*2s
2s
σ2s
O
O
O2
Nach Hundscher Regel müssen die beiden letzten Elektronen die entarteten πOrbitale einfach (mit parallelem Spin) besetzen → O2 ist ein Diradikal (zwei
ungepaarte Elektronen) und paramagnetisch.
Dieser Befund (exp. bestätigt) wird weder vom Lewis-Modell noch der VBTheorie erklärt.
BO =
8-4
2
= 2
∧
Doppelbindung
O
O
73
iii)
N2
σ2p*
π*
σ2p
π
σ2s*
σ2s
Wichtige Punkte:
- die Reihenfolge für π- und σ2p - MO's ist
umgekehrt. Grund ist stärkere Wechselwirkung
zwischen 2s- und 2p - AO's für Elemente Li →Ν;
8-2
- BO =
= 3
2
74
ENDE Korrektur 2+ AUSDRUCK
75
4.3. Chemische Bindung in Festkörpern
Unterhalb ihres Schmelzpunktes erstarren molekulare (kovalente) Verbindungen
zu einem Feststoff; die Anordnung der Moleküle kann hochgeordnet (kristallin)
oder ungeordnet (amorph) sein. Die Moleküle werden durch schwache
chemische
Bindungen
(Nebenbindungsarten)
z.B.
van-der-Waals
Wechselwirkungen zusammengehalten → niedrige Schmelz- und Siedepunkte
von chemischen Verbindungen, die aus Molekülen bestehen.
4.3.1 Die metallische Bindung
Rund 4/5 aller chemischen Elemente sind Metalle (bzw. Halbmetalle)
Folie 30
Typische Eigenschaften von Metallen:
ƒ metallischer Glanz
ƒ leichte Verformbarkeit (Duktilität)
ƒ gute elektrische und thermische Leitfähigkeit; elektrische
Leitfähigkeit nimmt mit der Temperatur ab.
ƒ höhere Smp. und Sdp. als kovalente Moleküle (Ausnahmen z.B.
Hg)
Diese Eigenschaften sind auf die Besonderheiten der metallischen Bindung
zurückzuführen; Metalle zeigen ihre typischen Eigenschaften auch im
geschmolzenen Zustand; verlieren sie aber beim Übergang in die Gasphase →
Eigenschaften an größere Atomverbände gebunden. Im festen Zustand weisen
Metalle eine hochgeordnete Struktur der Atome auf ≙ kristallin.
76
Drei Kristallstrukturen sind von Bedeutung, in zweien davon lagern sich die
Metallatome so dicht wie möglich (dichteste Kugelpackungen); in den
Packungen hat jedes Metallatom 12 bzw. 8 direkte Nachbarn. →
Valenzelektronen reichen nicht aus, um alle Nachbaratome „kovalent“ zu
binden:
Valenzelektronen im Metall sind vollständig delokalisiert und können sich frei
bewegen (≙ sog. Elektronengas) → gute elektrische Leitfähigkeit
Folie 31
Metall
besteht
aus
positiven
Metallrümpfen
und
frei
beweglichem
Elektronengas. Bei höheren Temperaturen schwingen die Atomrümpfe um ihre
Ruhelagen und behindern die Bewegung der Elektronen → Leitfähigkeit sinkt
mit steigender Temperatur. Zusammenhalt zwischen Metallatomen wird durch
elektrostatische
Anziehung
zwischen
Atomrümpfen
und
Elektronengas
gewährleistet. Beim Verschieben der Gitterebenen gegeneinander bleiben die
Anziehungskräfte (anders als bei Ionenkristallen!!) erhalten.
Folie 32
Dichteste Kugelpackungen:
ƒ in einer Ebene 6 nächste Nachbarn
ƒ
in jeder Schicht darüber bzw. darunter 3 nächste Nachbarn →
Koordinationszahl 12, Raumfüllung 74 %
Schichtenfolge ABAB...
≙ hexagonal dichteste Packung (hdp)
Schichtenfolge ABCABC... ≙ kubisch dichteste Packung (kdp)
Folie 33
77
Elementarzellen (≙ kleinste Wiederholungseinheit):
- hdp
•
•
•
•
•
•
•
•
•
0
½
1
Folie 34
- kdp
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
0
½
•
•
•
•
1
Folie 35
Lücken: hdp und kdp weisen zwei Sorten von Lücken auf
– oktaedrische (von 6 Atomen umgeben) ≙ OL; es gibt genauso viele OL wie
Gitterplätze
– tetraedrische (von 4 Atomen umgeben) ≙ TL; es gibt doppelt so viele TL
wie Gitterplätze
Folie 36
78
Kubisch innen(raum)zentrierte Struktur (krz):
Jedes Atom hat nur 8 nächste Nachbarn (Koordinationszahl 8, Raumfüllung
68%) aber 6 „übernächste“ Nachbarn
•
•
•
•
•
•
•
•
•
0
½
Folie 37
Auf die drei Typen hdp, kdp, krz entfallen über 80% aller Metalle des
Periodensystems:
Folie 38
Zur Definition einer Elementarzelle benötigt man:
- Kantenlängen
a, b, c
- Winkel
α, β, γ
Metrik
Folie 39
besonders wichtig sind:
- kubische Elementarzellen mit
a = b = c;
α = β = γ = 90°
- hexagonale Elementarzelle mit
a = b ≠ c;
α = β = 90°, γ = 120°
79
4.3.2 Die ionische Bindung
Ionenverbindungen entstehen bei der Reaktion von typischen Metallen (links im
PSE) mit typischen Nichtmetallen (Halogene Sauerstoff; rechts im PSE) ≙
Salze.
Salze zeigen hohe Sdp und Smp, sind löslich in polaren Solventien (Wasser)
und ihre wässrigen Lösungen sind elektrisch leitend.
Typisches Beispiel NaCl:
Na• + •Cl
Na :
Cl :
“
Na + Cl”
-e
1
[Ne] 3 s
2
[Ne] 3 s 3 p
-
“
Na : [Ne]
+e
5
-
”
Cl : [Ne] 3 s2 3 p6 =^ [Ar]
elementares Na gibt ein Elektron ab → Ne-Konfiguration
elementares Cl nimmt ein Elektron auf → Ar-Konfiguration
Im Salz liegen Na und Cl als Na⊕ bzw. Cl⊖-Ion mit Edelgaskonfiguration vor.
Im Gegensatz zu den hochreaktiven Elementen sind die so gebildeten Ionen
stabil und unreaktiv.
Der Zusammenhalt des ionischen Festkörpers (≙ ionische Bindung) beruht auf
elektrostatischer Anziehung zwischen Kationen und Anionen:
F =
1
4 πε0
F ≙ Anziehungskraft
z ≙ Ladungszahl Kation / Anion
r ≙ Abstand zwischen K und A
·
zKe · zAe
2
r
80
Die Anziehungskraft wirkt in jede Raumrichtung gleich. → Kationen bzw.
Anionen umgeben sich mit möglichst vielen Gegenionen → Ausbildung eines
dreidimensionalen hochgeordneten Kristallgitters.
Die Koordinationszahl (KZ ≙ Anzahl nächster Nachbarn) und die Anordnung
dieser „Nachbarn“ um ein gegebenes Ion sind charakteristische Größen für jedes
Kristallgitter.
Abhängig von:
– Zusammensetzung (AK, AK2, A2K, AK3, A3K etc.)
– Größe von A bzw. K (Radienquotient rA/rK)
Folie 40
Es folgt aus geometrischen Überlegungen:
– in einem Salz AnKm verhalten sich die KZ von A und K wie m zu n ≙
KZ A
KZ K
=
m
n
– die größtmögliche KZ in einem Salz ist 8
(12 kann nicht erreicht werden, da gleich geladene Nachbarn weiter von
einem gegebenen Ion entfernt sein müssen als entgegengesetzt geladene)
81
Regeln zur Abschätzung von Ionenradien:
– Kationen sind kleiner als Anionen; nur die größten Kationen K+, Rb+, Cs+,
Ba2+ sind größer als das kleinste Anion F-.
– In den Hauptgruppen nimmt der Ionenradius (wie der Atomradius) mit
steigender Ordnungszahl zu:
Be2+ < Mg2+ < Ca2+ < Sr2+ < Ba2+
F- < Cl- < Br - < I– Bei Elementen mit mehreren Kationen sinkt der Radius mit steigender
Ladung:
Pb2+ > Pb4+
Einfache Strukturtypen ionischer Verbindungen
i) kubische Elementarzelle, Salze KA:
rK/rA
KZ
Koordinationspolyeder
Typ
> 0.732
8
Würfel
CsCl
0.44 bis 0.732
6
Oktaeder
NaCl
< 0.44
4
Tetraeder
ZnS (Zinkblende)
Bei
der
Form
Abweichungen
der
Koordinationspolyeder
auftreten
Koordinationszahl nicht.
(trigonales
Prisma
können
statt
unter
Oktaeder),
Umständen
bei
der
82
CsCl
NaCl
Sphalerit (Zinkblende, ZnS)
Folie extra
Anionen- und Kationenteilgitter sind identisch
a) Cs Cl-Typ
Cs+
bilden kubisch primitives Teilgitter
Cl-
in Würfelmitten
KZCl = 8
aber auch:
Cl-
bilden kubisch primitives Teilgitter
Cs+
in Würfelmitten
KZCs = 8
Anionen- und Kationengitter sind identisch.
⇒
0
½
1
Die Gesamtheit von A- und K-Teilgittern entspricht der krz-Raumstruktur von
Metallen
83
b) Na Cl-Typ:
Na
bildet kdp-Teilgitter
Cl-
in allen OL (eine OL pro Gitterplatz → 1:1 Stöchiometrie)
KZCl - = 6
aber auch:
Cl-
kdp-Teilgitter
Na+
in allen OL
KZNa+ = 6
0
½
c) Zinkblende-Typ (Sphalerit ZnS)
Zn2+ kdp – Teilgitter
S2-
in ½ TL (zwei TL pro Gitterplatz → 1:1-Stöchiometrie)
KZS2- = 4
aber auch:
S2-
kdp - Teilgitter
Zn2+ in ½ TL
KZZn2+ = 4
0
¼
½
¾
84
ii) kubische Elementarzelle, Salze KA2
rK / rA
KZ und Koordinationspolyeder
Kation
Anion
8
Würfel
4 Tetraeder
6 Oktaeder
3 Dreieck
4 Tetraeder
2 Linear
> 0,732
0,44 bis 0,732
< 0,44
Strukturtyp
CaF2 (Fluorit)
TiO2 (Rutil)
SiO2 (ß-Christobalit)
Ca
(kdp)
Ti (tetragonal)
Si (Diamantgitter)
F
(kub. prim.)
O
O
Fluorit-Typ
Rutil-Typ
ß-Christobalit
Folie extra
a) Fluorit-Typ
Ca2+ kdp-Teilgitter
F-
in allen TL (kub.primitives Teilgitter)
KZF- = 4
KZCa2+ = 8
^ Ca2+
=
^ F=
0
¼
½
¾
85
b) Rutil-Typ
Ti4+ krz-Teilgitter
(tetragonal verzerrt!)
O2-
(tetragonal verzerrt!)
kdp-Teilgitter
Ti4+ ist oktaedrisch
(KZ = 6) von O2- umgeben
O2-
(KZ = 3) von Ti4+ umgeben
ist trigonal planar
^ Ti 4+
=
^ O 2=
½
0
(manchmal geben Lehrbücher die Packung der O2- als hdp an; die Verzerrung
von hdp ist jedoch so groß, dass die Beschreibung als tetragonal dp zutreffender
ist)
c) β-Christobalit-Typ
0
Si4+
besetzt alle Gitterplätze der Zinkblende-Struktur
O2-
besetzt Si–Si-Verbindungslinien
KZSi4+ =
4, tetraedrisch koordiniert
KZO2-
2, linear koordiniert
=
1
/8
1
/4
^ Si 4+
=
^ O 2=
3
/4
7
/8
Si-Gitterplätze ≙ Diamantstruktur
3
/8
1
/2
5
/8
86
iii) kubische Elementarzelle, Salze KA3 (nur ReO3-Typ wichtig)
Re6+ kubisch primitives Teilgitter
O2-
auf allen Re–Re-Kanten
Re6+ ist oktaedrisch (KZ = 6) von O2- umgeben
O2-
0
ist linear von Re6+ (KZ = 2) umgeben
½
^
=
Re 6+
^
=
O 2-
87
iv) hexagonale Elementarzelle, Salze KA
rK/rA
KZ
Koordinationspolyeder
Typ
0.44 bis 0.732
6
Oktaeder/trig. Prisma
NiAs
< 0.44
4
Tetraeder
ZnS (Wurtzit)
> 0.732
a) NiAs-Typ
As3- hdp-Teilgitter (verzerrt)
Ni3+ in allen OL
As3- trigonal prismatisch von Ni3+ (KZ = 6) koordiniert
^
=
^
=
0
1
/4
1
/2
3
/4
Ni 3+
As 3-
88
b) Wurtzit-Typ (ZnS)
S2-
hdp-Teilgitter
Zn2+
in ½ TL (KZ = 4)
Zn2+
hdp-Teilgitter
S2-
in ½ TL (KZ = 4)
aber auch
^
=
^
=
0
3
/8
1
/2
7
/8
Zn 2+
S 2-
89
v) Weitere wichtige Strukturtypen
a) Korund-Typ Al2O3
O2-
hdp-Teilgitter
Al3+ in 2/3 OL (KZ = 6)
O2- ist verzerrt tetraedrisch von Al-koordiniert (KZ = 4)
Al / O = 2/3
⇒
KZ Al / KZ O = 3/2 = 6/4!
Folie 40
b) Cd Cl2-Typ
Cl-
kdp-Teilgitter
Cd2+ besetzt alle OL in jeder zweiten Schicht
0
½
^
=
^
=
Cd
^
=
unbesetzte OL
Cl
2+
1
Verwandtschaft zur NaCl-Struktur aber ½ OL bleibt unbesetzt (Stöchiometrie
1:2) → abstoßende Kräfte zwischen Cl - werden nicht überall komprimiert →
Schichtengitter mit leichter Spaltbarkeit
90
b) Cd I2-Typ
Hexagonales Gegenstück zu CdCl2 →
I-
hdp-Teilgitter
Cd2+ alle OL in jeder zweiten Schicht besetzt
3
0
^
=
I-
^
=
Cd 2+
7
/8
/8
d) Spinell-Typ Mg Al2 O4
O2-
kdp Teilgitter
Mg2+ in 1/8 TL
Al3+ in ½ OL
O2-
ist tetraedrisch vor einem Mg2+ und drei Al3+ koordiniert
wichtiger Strukturtyp für tertiäre (aus 3 Bestandteilen) Oxide
KnK’mO4
Die Kationen K,K’ müssen 8 negative Ladungen kompensieren
2,3 -Spinelle
K2+ K’23+ O4;
Zn Al2 O4,
Mg Cr2 O4,
4,2 –Spinelle
K4+K’22+ O4;
Ge Mg2 O4
usw.
6,1 –Spinelle
K6+ K’22+ O4;
Mo Na2 O4
usw.
⇒
Fe2+ Fe23+ O4
91
e) Perovskit-Typ CaTiO3
Ti4+ und O2- bilden ein ReO3-Gitter
Ca2+ besetzt die Würfelmitte
Folie 41
O2+
ist linear von Ti4+ koordiniert
Ti2+ ist oktaedrisch von O2- koordiniert
Ca2+ ist von 12 O2- kuboktaedrisch koordiniert
*
*
0
½
^
=
Re 6+
^
=
O 2-
^
=
Ca 2+
92
Der Born-Haber Kreisprozess
Thermodynamische Betrachtung der Bildung eines Salzes aus den Elementen;
Bsp.: NaCl
93
Für die Standardbildungsenthalphie ΔHB0 gilt:
ΔHB0 = ΔHS0 + ½ ΔHD0 + I + Eea + Ug
exotherme Beiträge:
– Bildung von NaCl;
ΔHB0 = -411 kJ/mol
– Anlagerung von e - an Cl¸
Eea = -349 kJ/mol (Elektronenaffinität)
endotherme Beiträge:
ΔHS0 = 108 kJ/mol
– Sublimation Na;
– Dissoziation von Cl2 in zwei Cl – Atome
½ ΔHD0 = 121 kJ/mol
– Ionisierung von Na(g) zu Na(g)+ ;
⇒
I = 496 kJ/mol
- 411 = 108 + 121 + 496 - 349 + Ug
Ug = -787 kJ/mol
Die Bildung des NaCl-Gitters aus Na(g)+ und Cl(g)- -Ionen ist stark exotherm.
Anwendung des Born-Haber Kreisprozesses:
– Berechnung von Gitterenergien
– Bestimmung von Elektronenaffinitäten
– Abschätzung der Stabilität hypothetischer Salze
Bsp.: NeCl:
ΔHB0 = ΔHS0 + ½ ΔHD0 +
ΔHB0 =
0
+
I
+ Eea
+ Ug
121 + 2084 - 349 + Ug = 1856 + Ug
Die äußerst hohe Ionisierungsenergie von Ne verhindert, dass ΔHB0 negative
Werte annehmen kann ⇒ NeCl ist nicht stabil
94
Zintl-Phasen und kovalente Festkörper
a) Hochgeordnete Festkörperstrukturen, die ausschließlich von kovalenten
Bindungen zusammengehalten werden sind vor allem von einigen
Elementmodifikationen bekannt:
i) Kohlenstoff
– Diamantstruktur (Si, Ge, α-Sn)
von jedem C gehen 4 kovalente Bindungen ideal tetraedrisch zu den
nächsten Nachbarn aus
⇒
Zinkblende-Typ (Zn
2+
- und
S
2-
Plätze
von C besetzt)
– Graphit
planare Schichten von C6-Ringen („Benzol“)
π-Elektronen in den Schichten delokalisiert → elektrische Leitfähigkeit
großer Abstand zwischen den Schichten (keine kovalenten Bindungen)
Isolator senkrecht zu den Schichten, leichte Spaltbarkeit.
Folie 42
→
95
ii) graues As (Pb, Sb, Bi)
jedes As bildet 3 kovalente Bindungen zu Nachbaratomen aus und weist
außerdem ein freies Elektronenpaar auf (am Atom lokalisiert) ⇒
– Schichten von gewellten σ-Ringen
– keine kovalente Bindung zwischen den Schichten
– keine Leitfähigkeit in den Schichten
Folie 43
b) Kombination von elektropositiven HG-Elementen (1. und 2. HG) mit HGHalbmetallen (Tl, Si, Ge, Se etc.) führt oft zu Zintl-Phasen.
Aufbauprinzip:
– elektropositives Element gibt seine Valenzelektronen an Halbmetall ab (wird
selber zum Kation)
– Halbmetall bildet eine anionische, kovalente Festkörperstruktur
– Struktur wie isoelektronisches HG-Element
– Kationen besetzen Lücken / Freiräume im anionischen Gitter
Bsp.: NaTl:
– NaTl ≙ Na+ Tl–
– Tl– ist isoelektronisch zu Pb (4Valenzelektronen, 4. HG)
– Na+ besetzt alle OL und ½ TL im Diamantgitter ⇒
1:1 Stöchiometrie
Folie 44
96
5. Die chemische Reaktion
In den Kapiteln 1-4 wurden atomare Bausteine, Atome, Moleküle und
Festkörper behandelt (≙ chemische Stoffe).
Jetzt werden stoffliche Veränderungen (≙ lösen oder schließen chemischer bzw.
physikalischer Bindungen) betrachtet.
Wichtig sind dabei:
– Richtung und Ausmaß der stofflichen Veränderung (≙ Thermodynamik)
– Geschwindigkeit der Veränderung (≙ Kinetik)
5.1. Allgemeine Reaktionsbegriffe
– Stoffmenge n, Einheit mol ≙ Anzahl gleichartiger Teilchen (Atome,
Moleküle, Ionen) aus denen ein Stoff besteht
Def.: 12 g
12
C enthalten 1 mol Atome
1 mol ≙ 6.02217 ⋅ 1023
Avogadro-Konstante NA
Bei chemischen Reaktionen ist die Teilchenanzahl besonders wichtig ⇒
vorzugsweise mit Stoffmengen (n) und nicht mit Masse (m) rechnen.
97
– Molare Masse M, Einheit g/mol ≙ molare Masse eines Stoffes X
M(X) =
m (X)
n (X)
Quotient aus Masse (m) und Stoffmenge (n)
Bsp.:
M (12C) = 12 g/mol
M (Na)
= 22.99 g/mol; M (Cl) = 35.45 g/mol
M (NaCl) = 58.44 g/mol
– Stoffmengenkonzentration (kurz Konzentration) c, Einheit mol/l
Stoffmenge pro Volumen ^ = c (X) =
– Beschreibung einer chemischen Reaktion
aA + bB → c C
A, B, C ≙ Reaktanden; A, B ≙ Edukte und C Produkt
a, b, c, ≙ stöchiometrische Koeffizienten
Bsp.:
2 H2 + O2 → 2 H2O
n (X)
V
98
Aussagen:
– H2 reagiert mit O2 zu Wasser
– ein Wassermolekül besteht aus 2 H- und einem O-Atom
– 2 mol H2 (4.032g) und ein mol O2 (31.999 g) bilden 2 mol Wasser
(36.031 g) ⇒ Erhaltung der Masse
vergleiche Kernreaktionen!
E = mc2
– Energieumsatz einer chemischen Reaktion
2 H2 + O2 → 2 H2O + Energie
Reaktion von H2 mit O2 verläuft spontan
unter Wärmeentwicklung (Energieabgabe)
Energie + 2 H2O → 2 H2 + O2
Die umgekehrte Reaktion (Spaltung von
H2O in H2 und O2) erfordert Energie
⇒
Energiegehalt von Edukten (HE) und
Produkten HP) ist unterschiedlich
es gilt für E → P
i) HE > HP, ΔH = HP – HE < 0
⇒
die Reaktion setzt Energie (in Form von
Wärme) frei ≙ exotherm
ii) HE < HP, ΔH = HP –HE > 0
⇒
die Reaktion verbraucht Energie ≙
endotherm
99
Bsp.:
(1)
2 H2 + O2 → 2 H2O;
ΔH = - 572.04 kJ/mol
(2)
2 H2O → 2 H2 + O2;
ΔH = 572.04 kJ/mol
ΔH ≙ allgemeine Reaktionsenthalpie oder Reaktionswärme
für (1):
Bildungsenthalphie von H2O aus den Elementen
für (2):
Spaltungsenthalpie von H2O in die Elemente
Folie 45
H ist abhängig vom Druck (p) und Temperatur (T) ⇒ Standardbedingungen
definieren um zu vergleichbaren Zahlenwerten zu kommen.
– T = 25 °C = 298 K
(Raumtemperatur)
– p = 1 atm = 1.013 bar
(Normaldruck)
Definition (willkürlicher Nullpunkt): die stabilste Form eines Elements
(Graphit für C, nicht Diamant) hat unter Standardbedingungen die Enthalpie 0.
Standardbildungsenthalpie eines Elements (stabilste Modifikation!) ≙ ΔHB0 = 0
Folie 46
ΔHB0(CO2) = -394 kJ/mol
Standardbildungsenthalpie einer Verbindung ist die Reaktionsenthalpie, die bei
der Bildung von 1 mol der Verbindung aus den Elementen auftritt (alles unter
Standardbedingungen).
100
Anwendungen:
– Berechnen von Reaktionsenthalpien
Fe2O3 (s) + 3 CO (g) → 2 Fe (s) + 3 CO2 (g)
ΔH0 = 3 ΔHB0 (CO2) + 2 ΔHB0 (Fe) – (ΔHB0 (Fe2O3) + 3 ΔHB0 (CO))
∑ΔH0 (Produkte)
ΔH0 =
–
∑ΔH0 (Edukte)
3 (-393.8) + 2 (0) – (-824,8) - 3 (-110.6)
ΔH0 = -24.8 kJ/mol
– Berechnung von Dissoziationsenergie (Bindungsenergie)
1
HCl
½ H2 + ½ Cl2
2
H + Cl
3
1
≙ Umkehrung der Bildung von HCl aus den Elementen H2 und Cl2
ΔH10 = - ΔHB0 (HCl) = - (-92) = + 92
2
≙ Bildungsenthalpien von H- und Cl-Atomen aus den Elementen H2 und
Cl2 ;
ΔHB0 (H) = 218
3
=
1
+
2
= 92 + 218 + 122 = 432 kJ/mol = ED (HCl)
Dissoziationsenergie von HCl
101
5.2. Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung
Eine fundamentale Frage in der Chemie lautet:
Können zwei Stoffe miteinander reagieren, d.h. läuft eine Reaktion
A+B → C
(Bildung von C aus A und B) freiwillig ab,
oder ist ihre Umkehr
C → A+B
(Zerfall von A in B) bevorzugt?
ΔG = ΔH – TΔS
Gibbs-Helmholtz Gleichung
ΔG ≙ freie Enthalpie
ΔH ≙ Reaktionsenthalpie
ΔS ≙ Entropie („Unordnungsfunktion“)
anschauliche Beschreibung: ein Stoff enthält umso mehr Entropie, je mehr
Anordnungsmöglichkeiten es für seine Bestandteile gibt.
Bsp.:
– Kristall bei 0 K;
Schwingung
alle Teilchen auf festen Gitterplätzen, keine
ΔS = 0
– Stoff geht in die Gasphase,
ungeordnet bewegen
alle Teilchen können sich frei und
ΔS = max
102
Veränderung von ΔS lässt sich über Teilchenzahl abschätzen:
[Ni(H2O)6]2+ + 6 NH3 → [Ni(NH3)6]2+ + 6 H2O
7 Teilchen
7 Teilchen
Verdrängung von 6 H2O-Liganden in einem Ni-Komplex durch 6 NH3Liganden;
Teilchenzahl Edukt = Teilchenzahl Produkt ⇒ keine Entropieänderung
[Ni(H2O)6]2+ + 3 „en“ → [Ni(en)3]2+ + 6 H2O
4 Teilchen
7 Teilchen
Verdrängung von 6 H2O-Liganden durch 3 „en“-Liganden;
Teilchenzahl Produkte > Teilchenzahl Edukte ⇒ Entropie nimmt zu
(Chelateffekt bei Komplexen)
CH2
en = Ethylendiamin
H2N
CH2
NH2
Reaktionen die Wärme freisetzen, verlaufen exotherm, ΔH < 0
(umgekehrt ΔH > 0 → endotherm)
analog:
ΔS < 0
exotrop,
ΔS > 0
endotrop
ΔG < 0
exergonisch,
ΔG > 0
endergonisch
Reaktionen für die gilt ΔG < 0 laufen freiwillig ab. (≙ haben Triebkraft).
103
Fallbeispiele:
ΔG = ΔH - T ΔS
eine Reaktion verläuft:
– exotherm und endotrop ⇒ ΔG ist immer negativ, Reaktion hat Triebkraft
– endotherm / exotrop
⇒ ΔG > 0 ⇒ keine Triebkraft
– exotherm / exotrop
⇒ für kleine T (niedrige Temperatur) gilt
|ΔH| > |T ΔS| ⇒ ΔG < 0 ⇒ Triebkraft
– für hohe Temperaturen wird |T ΔS| > |ΔH| ⇒ ΔG > 0 ⇒ keine Triebkraft
– endothern / endotrop
⇒ umgekehrte Temperaturabhängigkeit
5.3. Das Chemische Gleichgewicht
Bis jetzt wurde davon ausgegangen, dass chemische Reaktionen
A → B
irreversibel von links nach rechts verlaufen. Für viele chemische Reaktionen ist
aber auch die Rückreaktion möglich
A ⇆ B
es herrscht also ein Gleichgewicht.
104
9.46 kJ + 2 HI ⇆ H2 + I2
Bsp.: HI
HI ist ein bei Raumtemperatur farbloses Gas, das beim Erwärmen auf 180 °C in
H2 und I2 (violette Dämpfe zerfällt).
Beim Abkühlen des H2/I2 –Gemisches bildet sich HI zurück.
– Zerfallsgeschwindigkeit von HI (rZ):
rZ = kZ C2HI
⇒ Geschwindigkeit ∼ Konzentration
rZ ist proportional der HI-Konzentration (genauer C2HI);
kZ ≙ Proportionalitätsfaktor (Geschwindigkeitskonstante)
– Bildungsgeschwindigkeit von HI (rB):
rB = kB CH2 ⋅ CI2
Im Gleichgewichtszustand gilt:
⇒
r Z = rB
⇒
kZC2HI = kB CH2 CI2
C2HI
CH 2 · CI 2
=
kB
kZ
=
KC
KC ≙ Massenwirkungskonstante
KC ist abhängig von der Temperatur; für HI / H2, I2 beobachtet man:
1) T < 180 °C: 100% HI
kein statischer Zustand! Im GG ist die Anzahl
2) T = 300 °C:
sich bildender und zerfallender HI-Moleküle
81% HI
3) T = 1000 °C 67% HI
gleich groß geworden.
105
Kinetische Deutung des MWG:
– Hinreaktion schneller als Rückreaktion → großer Wert für KC (>1)→
Gleichgewicht liegt auf Seiten der Produkte (CProdukte >> CEdukte)
Anwendung des MWG:
– Beim Erhitzen von
2.94 mol
I2
und 8.10 mol H2 entstehen in einer
Gleichgewichtsreaktion
I2 + H2 ⇆ 2 HI
5.64 mol HI; wie groß ist KC ?
KC
=
C2HI
CH 2 · CI 2
CHI = 5.64 mol
CI2 = 2.94 - ½ ⋅ 5.64 mol
GG-Konzentrationen!
CH2 = 8.10 - ½ ⋅ 5.64 mol
5.64
K =
2
(8.10 - ½ · 5.64) · (2.94 - ½ · 5.64)
= 50.20
106
– Für die Dissoziation von Essigsäure in Protonen und Acetationen
CH3CO2H ⇆ CH3CO2- + H+
beträgt KC = 10-5 (bei Raumtemperatur);
wie groß ist die Protonenkonzentration, wenn in 1l H2O 0.1 mol Essigsäure
gelöst wird?
KC =
CH + · CCH 3CO2CCH 3CO2H
– CH+ = CCH3CO2- ; Essigsäure dissoziiert in gleich viele H+ und CH3CO2- Ionen.
–
im GG-Zustand ist CCH3CO2H = 0.1 mol - CH +
l
⇒
KC =
CH +2
0.1 - CH +
= 10-5
⇒
CH +
= 10-3 mol/l
107
Das Prinzip von Le Chatelier
„Übt man auf ein System, das im Gleichgewicht ist, Zwang aus, so stellt sich ein
neues Gleichgewicht ein, bei dem dieser Zwang vermindert ist“
(System weicht Zwang aus – Prinzip des kleinsten Zwangs)
Zwang ≙ Änderung von
– Konzentration
– Druck
– Temperatur
Beispiele:
i)
SO2 + ½ O2
⇆
SO3
SO3 ist von technischer Bedeutung für die H2SO4-Produktion
→
hohe
Ausbeute an SO3 nötig
KC =
CSO 3
CSO 2 · CO1/22
bzw.
1/2
KCCO 2
=
CSO3
CSO 2
O2-Konzentration erhöhen → SO3-Konzentration (Reaktionsumsatz) steigt.
Zwang ausüben durch Erhöhung der Edukt-Konzentration.
System weicht aus durch erhöhte Bildung von Produkt.
108
ii) technisch wichtige Ammoniak-Synthese
3 H2 + N2 ⇆ 2 NH3
Die
Bildung
von
NH3
aus
ΔH0 = –92 kJ/mol
den
Elementen
erfolgt
exotherm
(Wärmeentwicklung). Wollte man den Umsatz durch Zufuhr von Wärme
steigern, würde das System dem Zwang (Wärme) dadurch ausweichen, das es
Wärme verbraucht → Spaltung von NH3 in Edukte.
Bildung von NH3 verläuft unter Volumenverringerung (4 gasförmige Teilchen
→ 2 gasförmige Teilchen) → Synthese unter hohem Druck, System weicht
Zwang durch Volumenabnahme aus → erhöhte NH3-Bildung.
Folie 47
iii)
C + CO2 ⇆ 2 CO
Boudouard–Gleichgewicht;
ΔH0 = +173 kJ/mol
große
technische
Bedeutung
für
den
Hochofenprozess (Eisengewinnung)
– CO-Bildung ist endotherm → Zufuhr von Wärme erhöht die CO-Bildung
– Reaktion verläuft unter Volumenzunahme → Erhöhung des Drucks fördert
den Zerfall von CO in die Edukte
Folie 47
109
Die Aktivierungsenergie
für die Reaktionen
bzw.
H2 + ½ O2 ⇆ H2O
(1)
½ H2 + ½ Cl2 ⇆ HCl
(2)
liegen die Gleichgewichte ganz auf der rechten Seite;
H2/O2 – bzw. H2/Cl-Gemische reagieren jedoch nicht spontan zu den Produkten
→ Zufuhr von Aktivierungsenergie (Wärme, Licht, elektrische Entladung etc.)
nötig
Folie 48
Knallgas (1) bzw. Chlorknallgas (2) sind so genannte metastabile ≙ kinetisch
gehemmte Systeme.
– Mechanismus der Chlorknallgasreaktion (Kettenreaktion):
Cl2 → 2 Cl⋅
Cl⋅ + H2 → HCl + H⋅
H⋅ + Cl2 → HCl + Cl⋅
Startreaktion (benötigt Energie)
Kettenfortpflanzung
Cl⋅ + H⋅ → HCl
Cl⋅ + Cl⋅ → Cl2
H⋅ + H⋅
→ H2
Kettenabbruch
110
Die Kettenfortpflanzung verläuft sehr rasch (Bildung von 106 HCl–Molekülen
bevor Kette abbricht; freiwerdende Wärme kann nicht schnell genug abgeführt
werden → noch mehr Ketten werden gestartet → Explosion
Einfluss von Katalysatoren auf die Aktivierungsenergie:
Folie 49
111
5.4. Säure-Base-Reaktionen
Wasser als Solvens
Assoziation über Wasserstoffbrücken aber ungeordneter als im Kristall.
Konsequenz
der
H-Brücken
sind
relativ
hohe
Smp.
bzw.
Sdp.
(Verdampfungsenthalpie siehe unten). Beim Schmelzen bricht die kristalline
Packung der H2O-Moleküle zusammen und in der flüssigen Phase können sich
die Moleküle dichter packen → “Anomalie“ des Wassers (≙ Eis hat geringere
Dichte ρ = 0,92 gcm-3 als Wasser ρ = 1 gcm-3, schwimmt oben)
Die Stärke einer H-Brückenbindung in Eis/Wasser beträgt 25 kJ/mol (relativ
schwach).
H
O
H
H
H
O
H
O
H
H
H
O
H
Die Moleküle lagern sich rasch um; die Lebensdauer eines gegebenen H2OMoleküls beträgt ca. 10-12 sec.
Eigendissoziation:
2 H2O ⇄ [H3O]+ + [OH]Ionenprodukt des Wassers
Kw =
C(H3O+) · C(OH-)
C2(H2O)
~
C(H3O+) · C(OH-) = 1.0 · 10-14 mol2 l-2
Die GG-Konstante ist sehr klein → GG liegt links, Wasser ist nur zu geringem
Teil dissoziiert.
112
Freie Protonen kommen in H2O nicht vor sondern sind immer solvatisiert. Auch
die Beschreibung als Hydroxoniumion H3O+ ist streng genommen unzureichend,
da weiter hydratisierte Spezies wie [H5O2]+, [H7O3]+ und [H9O4]+ vorliegen.
(auch OH- hydratisiert, nicht frei).
Molarität von Wasser:
Dichte ρ = 1 g cm-3
→ 1000 cm3 H2O wiegen 1000 g
Mw H2O = 18 g mol-1
1000 g
-1 = 55.55 mol
18 gmol
(H2O-Moleküle in 1 l Wasser)
Säure – Base Definitionen (Auswahl)
Säure + Alkali → Salz
1648 Glauber
Alkali ≙ Hydroxid bzw. Carbonat von Natrium und
Kalium
1663 Boyle
Säuren haben sauren Geschmack und färben Lackmus.
1777 Lavoisier
Sauerstoff ist das “saure Prinzip“ eines Stoffes und
notwendiger Bestandteil jeder Säure.
1815 Davey, Dulong
Wasserstoff ist der notwendige Bestandteil jeder Säure.
Säure + Base → Salz + Wasser
113
1838 Liebig
Eine Säure ist eine Verbindung, in der ein
Wasserstoffatom durch ein Metall ersetzt werden kann.
1887 Arrhenius
Eine Säure ist eine Wasserstoff-haltige Substanz, die in
Wasser in Protonen und Anionen dissoziiert.
Eine Base ist eine Hydroxyl-haltige Substanz, die in
Wasser in Hydroxydionen und Kationen dissoziiert.
Zusatz:
eine Lösung die überschüssige Protonen enthält ist
sauer (überschüssige Hydroxylionen → basisch); eine
Lösung mit gleichen Anteilen H+ und OH- ist neutral.
→
erste quantitative Definition von Säure–Base Verhalten
1923 Brönstedt-Lowry Säuren sind H+ Spender,
Basen sind H--Akzeptoren.
(Allgemeiner als Arrhenius, Wasser nicht mehr einziges Solvens)
1923 Lewis
Säuren sind Elektronenpaar-Akzeptoren,
Basen sind Elektronenpaar-Spender.
1939 Usanovich
Eine Säure ist eine chemische Spezies, die mit Basen
reagiert, Kationen abspaltet oder Anionen bzw.
Elektronen aufnimmt.
Versuch der Verallgemeinerung. Die Definition beinhaltet nicht nur
Brönsted/Lewis Definition sondern auch Redoxchemie.
114
Generelle Definition
Acidität ist die positive Eigenschaft einer Spezies, die durch Reaktion mit einer
Base vermindert wird.
Basizität ist die negative Eigenschaft einer Spezies, die durch Reaktion mit
einer Säure vermindert wird.
Brönsted Säuren und Basen
A1 ⇄ B1 + H+
(1 )
Nach Definition ist A1 eine Säure, die ein Proton unter Bildung von B1 abgibt.
Im Fall der Rückreaktion (GG) nimmt B1 das Proton auf und reagiert zu A1
zurück, ist also eine Base.
A1/B1 bilden eine konjugiertes Säure-Base Paar; zu jeder Säure gibt es genau
eine konjugierte Base und umgekehrt.
Bei allen Reaktionen in einem Medium hat Gleichung 1 lediglich fiktiven
Charakter, da freie H+ hier nicht existent sind. Es muss einen Reaktionspartner
geben, der H+ aufnimmt, d.h. als Base reagiert.
H+ + B2 ⇄ A2
(2 )
Durch Aufnahme von H+ reagiert B2 zur konjugierten Säure A2.
115
Kombination von (1) und (2) liefert die vollständige Säure-Basen Reaktion
A1 ⇄ B1 + H+
(1 )
H+ + B2 ⇄ A2
(2 )
A1 + B2 ⇄ B1 + A2
(3 )
In der Gesamtgleichung (3) taucht die fiktive H+-Konzentration nicht mehr auf
→ MWG kann angewendet werden.
K=
CB1 · CA2
CA1 · CB2
Wasser als Solvens / Medium:
A1 ⇄ B1 + H+
H+ + H2O ⇄ H3O+
A1 + H2O ⇄ B1 + H3O+
K=
CB1 · C H3O+
CA1 · C H2O
(4)
Beim Arbeiten in verdünnten wässrigen Lösungen (< l molar) kann CH2O (55.55
mol l-1!!) als konstant angenommen werden. Man schreibt auch CH+ für CH3O+
(keine freien H+!!) und Gleichung (4) vereinfacht sich zu
K=
CB1 · C H+
CA
1
MWG - Konstante heißt Säurekonstante und ist ein Maß
für die Stärke einer gegebenen Säure
Wann ist A1 besonders stark? Bei großem KA, d.h. bei kleinem CA1, d.h. bei
möglichst vollständiger Dissoziation von A1!
116
Analoges gilt für die Basenkonstante KB:
H2O ⇄ OH- + H+
H+ + B1 ⇄ A1
H2O + B1 ⇄ A1 + OH-
COH- · CA1
CB
K B=
1
Auch hier gilt:
je stärker B1 dissoziiert ist, umso größer ist KB.
KA und KB eines konjugierten Säure-Base Paares sind voneinander abhängig:
KA
·
KB =
CB
·
C H+
CA
COH- · CA
CB
·
-14
2 -2
= C H+ · C OH- = Kw= 10 mol l
Ionenprodukt des Wassers
Ist KA bekannt, kann man KB der konjugierten Base ausrechnen nach:
KA =
KW
KB
Bei den in verdünnten Lösungen auftretenden Konzentrationen ist es sinnvoll
pKA- bzw. pKB -Werte einzuführen:
pKA = -log KA;
pKB = -log KB;
pKW = -log KW = 14
pKA = 14-pKB
117
Analoges gilt für pH und pOH:
pOH = -log COH-
pH = -log CH+
pH + pOH = pKW = 14
H2O ⇄ H+ + OH-
Für reines H2O gilt:
COH- = CH+ = 10-7
bzw. pH = pOH = 7 und pH + pOH = 14
Dissoziiert Säure in Wasser, steigt die H+-Konzentration d.h. pH wird kleiner
als 7.
Dissoziiert Base in Wasser, sinkt die H+-Konzentration d.h. pH wird größer
als 7.
Klassifizierung von Säuren und Basen
Kenntnis der pKA bzw. pKB-Werte erlaubt die Einteilung in 5 Klassen.
Klasse
pKA-
stark
mittelstark
schwach
sehr
extrem
schwach
schw.
< -1
-1 bis 4
4 bis 10
10 bis 15
> 15
HClO4 -9
HF
CH3CO2H
H2O2 11.6
NH3 23
3.14
4.75
Bereich
Beispiele
HCl
-6
H3PO4
2.22
H2SO4 -3
HSO41.92
118
Aufgabe:
analoge Klassifizierung der konjugierten Basen vornehmen.
1. Schritt:
konjugierte Base ermitteln → Halbgleichungen aufstellen
HClO4 → H+ + ClO4- etc.
→ H+ + Cl-
HCl
H2SO4 → H+ + HSO4-
2. Schritt:
pKB-Wert ermitteln
pKB (ClO4-) = 14 – (-9) = 23
pKB (Cl-)
3. Schritt:
=
20
pKB (HSO4-) =
17
Klassifizierung (analoge Bereiche wie Säuren)
extrem schwache Base: pKB
> 15
sehr schwach
:
pKB 10 bis 15
schwach
:
pKB 4 bis 10
mittelstark
:
pKB -1 bis 4
stark
:
pKB
<
-1
Man erhält folgende Tabelle:
Klasse
extrem schw.
sehr schwach
schwach
mittelstark
stark
> 15
15 - 10
10 bis 4
4 bis -1
< -1
pKB-Bereich
Beispiele
ClO4-
23
Cl-
20
HSO4- 17
F-
10.86
H2PO42- 11.78
SO42-
12.08
CH3CO2- 9.25 HO2-
2.4 NH2-
-9
119
Aufgrund der Abhängigkeit von pKA und pKB gilt:
je stärker eine Säure, desto schwächer ihre konjugierte Base (und umgekehrt).
starke Säure
⎯
extrem schwache Base
mittelstarke Säure
⎯
sehr schwache Base
schwache Säure
⎯
schwache Base
sehr schwache Säure
⎯
mittelstarke Base
extrem schwache Säure ⎯
starke Base
Gründe für die Stärke von Säuren
A ⇄ B + H+
je stärker A dissoziiert ist, umso größer ist die
Konzentration von H+ (GG rechts) umso stärker ist A.
Wann dissoziiert A besonders gut?
1.) hohe Polarität der E-H Bindung
δ– δ+
Je stärker die Bindung im Sinne von E-H polarisiert ist, umso leichter
kann H+ übertragen werden. Die Polarität ist abhängig von der Differenz
der Elektronegativitäten von E und H.
→Je elektronegativer E umso stärker ist die Säure E-H. (Gilt streng nur
für den Vergleich von E aus derselben Periode!)
NH3 < H2O < HF
PH3 < H2S < HCl
120
2.) Radienverhältnis E/H
Je unterschiedlicher die Radien von E und H sind, umso schlechter
können die Atomorbitale überlappen, umso schwächer wird die E-H
Bindung. H ist sehr klein (rkov = 0.34 pm). → Je größer E umso stärker ist
die Säure E-H
HF < HCl < HBr < HJ
H2O < H2S < H2Se < H2Te
3.) Verhältnisse bei Oxosäuren
Verbindungen vom Typ E-O-H; für E = Metall ist die E-O-Bindung
aufgrund der geringen EN von M stark polar bzw. ionisch → dissoziiert
leicht in H2O → M-OH sind Basen.
Bsp.: NaOH, KOH, Ba(OH)2 etc.
Für E = Nichtmetall mit höherer EN ist die E-O-Bindung kovalent.
δ– δ+
Je elektronegativer E ist, umso stärker ist die O-H-Bindung im Sinne von O-H
polarisiert → umso stärker ist die Säure E-OH.
HOI < HOBr < HOCl
121
Je mehr O-Atome an E gebunden sind, umso höher ist die Gruppen E-N von
EOx → umso stärker ist die Säure OxE-OH.
HOCl < HOClO < HOClO2 < HOClO3
O
O
H
O
H
Cl
O
Cl O
H
O
Cl O
H
O
Cl O
O
Hypochlorige
Chlorige
Säure
Säure
Chlorsäure
Perchlorsäure
Außerdem gibt es für das Perchlorat-AnionClO4- mehr mesomere Grenzformen
als für das Hypochlorit ClO-.
Das heißt ClO4- ist stabiler also auch die
schwächere konjugierte Base.
Amphoterie
HSO4- kann sowohl als Säure wie auch als Base reagieren:
HSO4- ⇄ SO42- + H+
HSO4- + H+ ⇄ H2SO4
HSO4- ist ein Amphoter;
122
weitere Beispiele:
+
-H
+
+H
+
H3O
-
H2O
OH
+
-H
+
+H
+
NH4
NH3
NH2
+
-H
+
H3PO4
+H
-
+
-
H2PO4
2-
H2PO4
+H
-
HPO4
2
HPO4
- H+
3-
PO4
pH-Wert Berechnung in wässriger Lösung
A ⇄ B + H+
KA
Für den Fall, dass eine Neutralsäure A in Wasser gelöst wird, sind folgende
Größen bekannt:
nAO : Ausgangsmenge an A
V
: Volumen der Lösung (im GG !)
KA und KW
folgende Größen sind unbekannt:
CH+, COH-, CA, CB (alles GG-Konzentrationen!)
Für vier unbekannte Größen muss ein Gleichungssystem mit vier Beziehungen
aufgestellt werden.
123
(1) KA =
CH + · CB
;
CA
(3) CH + = CB + COH -
= CH+ · COH -
Elektroneutralitätsbedingung; wir starten mit einer
neutral im Sinn
von elektrisch neutral !
(4)
(2) KW
nAO
= CAO = CA + CB
V
neutralen Säure in neutralem H2O. Im GG muss
die Lösung immer noch neutral sein d.h. die Anzahl
von Kationen (CH) ist gleich der Anzahl von
Anionen (CB + COH).
Stoffbilanzgleichung; Stoffmenge AO pro Volumen
liefert die Ausgangskonzentration an Säure CAO
Im GG ist noch undissoziierte Säure (CA) vorhanden.
Aus jedem Molekül dissoziierte Säure wird ein Molekü
konjugierte Base (CB).
Aus den Beziehungen (1)-(4) ergibt sich eine Bestimmungsgleichung 3. Grades
für CH (und damit pH):
3
2
CH+ + KACH + - (KW + KACAO) · CH + - KAKW = 0
(5)
Um die Gleichung bequemer anzuwenden ist es sinnvoll, Näherungen
einzuführen:
124
1.) starke Säuren
KA >> KW;
für verdünnte Lösung ist CH+ < 1 < KA
→ C3H+ und Glieder mit KW können vernachlässigt werden.
CH+ = CAo
d.h. die H+ - Konzentration im GG entspricht der
Ausgangskonzentration an Säure
(vollständige Dissoziation)
pH = -logCAo
Beispiele:
0.1m HCl
in
H2O:
pH = 1
0.01m HClO4
in
H2O
pH = 2
2.) mittelstarke Säuren
KA >> KW → Glieder mit KW fallen weg.
CH+
KA
= 2
2
+
KACAO + KA
4
(1)
Diese Näherungsformel lässt sich auch direkt aus dem MWG ableiten;
Bsp. Essigsäure:
CH3CO2H ⇆ CH3CO2- + H+
KA =
KA
CH+ · CB
CA
125
von der eingesetzten Säure ist nur ein Teil dissoziiert; für die Konzentration an
undissoziierter Essigsäure gilt:
CCH
3
CO H
2
= CA = CAO - CB = CAO - CH+
CB = CH+ wegen Elektroneutralität
CH+ · CB
CA
= KA =
CH+2
CAO - CH+
2
CH+ + KACH+ - KACAO = 0
pq-Formel → (1)
negative Lösung physikalisch sinnlos
3. Schwache Säuren
K
KA wird kleiner, Glieder A und
2
CH+ =
Bsp.:
KACAO
KA2
4
bzw.
0.1 m NH4+ -Lsg.; pKA = 9.2
pH = ½ (9.2-1) = 4.1
in (1) können vernachlässigt werden
pH = ½ (pKA - logCAO)
126
4.) sehr schwache Säuren
In Gl. (5) kann man KAKW, aber nicht mehr KW neben KACAO vernachlässigen;
Glieder mit KA2 gegen KA streichen →
C H + = K W + K A C A0
5. extrem schwache Säuren
C H + = K W bzw. pH = 7
Dissoziation von A ist so schwach, dass die Dissoziation von H2O den pH
bestimmt.
Mehrprotonige Säuren
Sie enthalten mehr als ein dissoziierbares H+ pro Molekül,
Bsp.: H2SO4, H3PO4. Die H+ dissoziieren schrittweise, für jeden Schritt ist ein
eigener KA-Wert definiert:
H3PO4 ⇆ H+ + H2PO4-
1)
CH+ · CH PO
2 4
KA1 =
= 7.5 · 10-3; pKA1 = 2.22
CH PO
3
4
→ mittelstarke Säure
127
2)
KA2
H2PO4- ⇆ H+ + HPO42-
CH + · CHPO 24
=
= 6.2 · 10-8;
CH PO 2
pKA2 = 7.2
4
→schwache Säure
3)
KA3
HPO42- ⇆ H+ + PO43-
CH+ · CPO 34
-12
=
=
1
·
10
; pKA3 = 12.0
CHPO 24
→sehr schwache Säure
Allgemein gilt:
KA1 > KA2 > KA3
128
Pufferlösungen
Die Mischungen von Säuren und ihren konjugierten Basen, sofern diese der
Klasse schwach (ggf. noch mittelstark / sehr schwach) angehören, wirken als
Puffer, d.h. sie halten den pH-Wert bei Zugabe von Säuren/Basen in einem
bestimmten Bereich konstant (physiologische Systeme z.B. Blut).
Wirkungsweise Pufferlösung über MWG erklären; Bsp. Essigsäure:
CH3CO2H ⇆
CH3CO2- + H+
CH + · CCH CO 23
KA =
CCH CO H
3
C H + = KA
CCH CO
3
2
2
CCH CO H
3
= 1.8 · 10-5
bzw. pH = pKA + lg
2
CCH CO
3
2
CCH CO H
3
(1)
2
für ein äquimolares Gemisch aus Säure (CH3CO2H) und konjugierter Base
(CH3CO2-) wird daraus:
pH = pKA = 4.75 für Esssigsäure/Acatatpuffer
Bei Zugabe einer begrenzten Menge H+-Ionen, reagieren diese mit Acetat zu
Essigsäure. Bis zu einem Verhältnis CH3CO2- zu CH3CO2H von 10 zu 1 ändert
sich der pH-Wert nach Gl. (1) jedoch nur um 1.
Folie 50
pH = 4.75 + lg 10 = 5.75
129
bzw. bei Zugabe von OH- bis zu einem Verhältnis CH3CO2-: CH3CO2H = 0.1
pH = 4.75 + lg 0.1 = 3.75
Hier werden die zugegebenen OH--Ionen durch Reaktion mit Essigsäure zu
Acetat und H2O abgefangen.
Die allgemeine Form von Gl. (1) ist die sog.
HENDERSON – HASSELBALCH GLEICHUNG
pH = pKA + lg
CB
CA
Man erkennt, dass der geforderte Pufferbereich durch das Stoffmengenverhältnis
CB/CA eingestellt werden kann. Die größte Pufferkapazität hat jedoch immer ein
äquimolares Gemisch.
Beispiele für Puffer (nur äquimolare Mischungen):
H3PO4 / H2PO4-
pH = pKA = 2.22
CH3CO2H / CH3CO2-
pH = pKA = 4.75
H2PO4- / HPO42-
pH = pKA = 7.2
NH4+ / NH3
pH = pKA = 9.25
HPO42- / PO43-
pH = pKA = 12.3
130
Fallbeispiel für Pufferwirkung:
0.1 mol Essigsäure und 0.1 mol Acetat in 1l H2O gelöst:
pH = pKA = 4.75
Zugabe von 0.01 mol HCl:
CH3CO2- + HCl → CH3CO2H
läuft vollständig ab
in Lösung sind dann 0.11 mol Essigsäure und 0.09 mol Acetat
pH = 4.75 + log
ohne Puffer:
0.09
= 4.66
0.11
pH-Wert einer 0.01 m HCl-Lösung in H2O
pH = -log CA0 = -log 10-2 = 2 !
Indikatoren
Säure-Base Indikatoren sind organische Säure-Base Paare, bei denen die
Indikatorsäure eine andere Farbe hat als die konjugierte Indikatorbase.
Indikator Säure-Base GG:
-
Ind H ⇆ Ind + H+
Indikatorsäure
Indikatorbase
Indikatoren sind generell schwache Säuren/Basen und werden bei Titrationen
nur in sehr geringen Mengen zugegeben, um die eigentliche Titration nicht zu
verfälschen.
Es sind Indikatoren bekannt, die in verschiedene pH-Bereiche umschlagen:
Folie 51
131
Indikatoren können gemischt werden und zeigen so mehrere Umschlagbereiche
→ Universalindikatorpapier
Säure – Base Indikatoren
Methylorange
Na-Salz der p-Dimethylaminoazobenzolsulfonsäure
SO3-
SO3-
N
-H
N
“
N
H
N
+ H“
“
N
H 3C
CH3
N
H3 C
CH3
gelborange
rot
Phenolphthalein
NaO
O
-NaOH
C
CO2Na
farblos
NaO
ONa
C
+NaOH
rot
OH
CO2Na
132
1. Beispiel:
starke Säure / starke Base
100 ml 0.1m HCl mit 1m NaOH titrieren
pH
14
•
•
7
1
•
•
0
5 ml
•
10 ml
15 ml
20 ml
Verbrauch NaOH in ml
1) Startpunkt;
pH = -logCA0 = -log 10-1 = 1
2) 5 ml NaOH;
5 ml 1m NaOH enthalten 5 mmol OH--Ionen
→ 50% der H+-Ionen sind neutralisiert
pH = -log 0.5 · 10-1 = 1.3 (die Volumenvergrößerung
auf 105 ml wurde vernachlässigt)
3) 9 ml NaOH
90% der H+-Ionen sind neutralisiert
pH = -log 10-2 = 2
4) Äquivalenzpunkt;
alle H+-Ionen aus der vorgelegten HCl sind
neutralisiert
pH = ½ pKW = 7
5) 20 ml NaOH;
Neutralpunkt
unter Vernachlässigung der Volumenvergrößerung
liegt jetzt eine 0.1 m NaOH-Lösung vor.
pOH = -logCB0 = -log 10-1 = 1
pH = 14 – pOH = 13
133
2. Beispiel:
schwache Säure / starke Base
100 ml 0.1m CH3CO2H mit 1m NaOH
pH
14
•
7
•
•
•
1
0
5 ml
20 ml
15 ml
10 ml
Verbrauch NaOH in ml
1 ) Anfangspunkt:
pH = ½ (pKA – logCA0) = ½ (4.75 – log10-1) = 2.88
2) 5 ml NaOH:
50% CH3CO2H zu CH3CO2- umgesetzt
→ äquimolares Puffergemisch,
pH = pKA = 4.75
3) 9 ml NaOH:
90% CH3CO2H zu CH3CO2- umgesetzt
Puffergemisch mit CCH3CO2H = 1 · 10-2 mol/l
CCH3CO2- = 9 · 10-2 mol/l
pH = pKA + log
4) 10 ml NaOH:
9 · 10 - 2
1 · 10
-2
= 5.70
Äquivalenzpunkt, 0.1m CH3CO2- -Lösung
pOH = ½ (pKB – log CB0) = ½ (9.25 – log 10-1) = 5.13
pH = 14 – pOH = 8.78 ≠ Neutralpunkt !
134
Lewis Säuren und Basen
Lewis Säuren (e-Paarakzeptoren) sind Teilchen (Atome Moleküle, Ionen) mit
unbesetzten Orbitalen in der Valenzelektronenschale, die unter Bildung einer
kovalenten Bindung ein Elektronenpaar aufnehmen können.
1) Moleküle mit Zentralatomen der Gruppe 13 (B, Al, Ga, In, Tl);
diese Elemente haben 1 Valenzorbital mehr als Valenzelektronen.
2) Moleküle mit Zentralatomen, die die Oktettregel verletzen können
(3. Periode und höher).
3) Moleküle mit Metallatomen oder Metallkationen als Zentralatom.
Lewisbasen sind Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen) die ein freies
Elektronenpaar besitzen, das zur Ausbildung einer kovalenten Bindung geeignet
ist (e-Paardonatoren)
Beispiele für Lewis-Säure-Base Reaktionen:
F
”
F
F
+
B
F -
B
F
F
F
Me
BMe3 + NMe3
F
Me B
Me
Me
N
Me
Me
135
F
SiF4 + 2 F-
F
F
Si
F
2F
F
Cu2+ + 4 NH3 → [Cu(NH3)4]2+
Ni + 4 CO → [Ni(CO)4]
Pearson-Konzept 1963
Qualitativ-empirisches Konzept zur Klassifizierung von Lewis Säuren/Basen
→ Unterscheidung zwischen “harten” und “weichen” Säuren/Basen (HSAB ≙
hard/soft acid/base).
Dabei nimmt die Härte mit abnehmender Größe, kleinerer Polarisierbarkeit und
zunehmender Ladung zu.
Addukte aus harten Säuren/harten Basen bzw. weichen Säuren/weichen Basen
sind besonders stabil.
Beispiele: [Al F6]3-
ist stabiler als
hart/hart
aber
[Hg I4]2 ist stabiler als
weich/weich
[Al I6]3hart/weich
[Hg F4]2weich/hart
136
5.5. Redox-Reaktionen
Vorbemerkungen und Definitionen
Neben dem Säure-Base Begriff kommt den Redox-Reaktionen zentrale
Bedeutung in der Chemie zu.
Definition:
Oxidation:
Elektronenabgabe
Reduktion:
Elektronenaufnahme
Teilchen (Atome, Moleküle, Ionen) die während der Reaktion Elektronen
aufnehmen,
heißen
Oxidationsmittel(Ox);
analog
heißen
Teilchen
die
Elektronen abgeben Reduktionsmittel (Rd). Ox werden also selber reduziert,
und Rd oxidiert.
Ox1 + e- ⇆ Rd1 (1) Redoxhalbgleichung
Die Halbgleichung (1) ist fiktiv, da freie e- nicht vorkommen. Zur
Vervollständigung einer realen chemischen Redox-Gleichung brauchen wir eLieferanten (Rd)
Rd2 ⇆ Ox2 + e- (2)
Kombination von (1)/(2) liefert:
Ox1 + Rd2 → Rd1 + Ox2 (3)
In Analogie zum Säure/Base Begriff sind an der realen Redoxreaktion (3) zwei
korrespondierende Redox-Paare beteiligt.
137
Oxidationszahlen
Um die Frage beantworten zu können, wie viele Elektronen bei einer
Redoxreaktion übertragen werden, muss man die Oxidationszahl der beteiligten
Teilchen kennen.
- einfacher Fall: bei Ionen entspricht die Oxidationszahl der Ionenladung, bei
Elementen ist die Oxidationszahl 0.
Beispiel:
Zn2+ ≙ Zn (+II)
Cl- ≙ Cl (-I)
Zn0 ⇆ Zn2+ + 2 eCl20 + 2 e ⇆ 2 ClZn + Cl2 ⇆ ZnCl2
- komplizierter:
bei kovalenten Molekülen muss man die Oxidationszahlen
der beteiligten Atome durch “heterolytische Bindungsspaltung“ bestimmen; dabei werden die bindenden Elektronen
dem elektronegativen Partner zugeteilt. Bei Bindungen zwischen gleichen Atomen werden die Elektronen gleichmäßig
verteilt.
138
Erstellung von komplizierten Teilgleichungen:
Beispiel:
MnO4– → Mn2+ Reduktion von Permanganat in saurer Lösung
1. Oxidationszahl ermitteln
2. Anzahl der übertragenen Elektronen bestimmen
3. Ladungs- und Stoffbilanz ausgleichen;
- in saurer Lösung durch Zufügen von H+ / H2O
- in alkalischer Lösung durch OH– / H2O
+7
MnO4– + 5e– + 8 H+ → Mn2+ + 4 H2O
+5
–3
NO3– → NH3
Reduktion von Nitrat in alkalischer Lösung
+5
-3
NO3– + 8e– + 6 H2O → NH3 + 9 OH–
+4
+6
SO32– → SO42– Oxidation von Sulfit in saurer Lösung
+4
+6
SO32– + H2O → SO42– + 2e– + 2 H+
139
Erstellen komplizierter Gesamtgleichung:
Bei
Kenntnis
der
Redox-Teilgleichungen
muss
man
nur
noch
die
Elektronenbilanz beachten (zum kleinsten gemeinsamen Vielfachen erweitern).
Reduktion von Permanganat mit Sulfit in saurer Lösung:
+7
MnO4- + 5e- + 8 H+ →
+4
2-
SO3
Mn2+ + 4 H2O
+6
+ H2O → SO42- + 2e- + 2 H+
/x2
/x 5
2 MnO4- + 5 SO32- + 16 H+ + 5 H2O → 2 Mn2+ + 5 SO42- + 8 H2O + 10 H+
gekürzt → 2 MnO4- + 5 SO32- + 6 H+ → 2 Mn2+ + 5 SO42- + 3 H2O
Disproportionierung, Komproportionierung
Redoxreaktionen bei denen Rd und Ox Verbindungen desselben Elements sind;
Disproportionierung vor Br2 bzw. H2O2
0
+5
-1
3 Br2 + 6 OH- → BrO3- + 5 Br- + 3 H2O
-1
0
-2
2 H2O2 → O2 + 2 H2O
Komproportionierung von Permanganat und Mn2+ in alkalischer Lösung zu
Braunstein.
+7
+4
2 MnO4- + 3 Mn2+ + 4 OH- → 5 MnO2 + 2 H2O
140
Elektrochemische Behandlung des Redoxbegriffs
In Analogie zum pks-Wert in der Säure-Base Chemie kann man in der
Elektrochemie die Stärke eines Oxidationsmittels quantitativ durch das
sogenannte Standardpotential ausdrücken
Messung von Potentialen, das Daniell-Element
Cu2+ + Zn → Cu + Zn2+
(1 )
Folie 52
Hier wird experimentell die Redoxgesamtgleichung (1) in ihre zwei
Halbreaktionen zerlegt.
links:
Zn0 → Zn2+ + 2e-
rechts:
Cu2+ + 2e- → Cu0
Die poröse Tonwand verhindert das Durchmischen der Lösungen (sonst
Abscheiden von Cu2+ auf Zn0,
Folie 53
erlaubt aber den Durchtritt von SO42--Ionen zum Ladungsausgleich.
Wenn die chemische Reaktion in Gl. (1) abläuft:
– geht an der Anode (⊝-Pol) Zn0 als Zn2+ in Lösung.
(wird oxidiert)
– scheidet sich an der Kathode Cu2+ als Cu0 ab.
(wird reduziert)
– diffundieren SO42--Ionen von rechts nach links.
– fließt Strom (Elektronen) von links nach rechts
141
⇨ Potential der Gesamtreaktion (1) kann mit Voltmeter gemessen werden
und ist abhängig von der Konzentration der Cu2+ und Zn2+-Ionen!
Die Abhängigkeit zwischen Potential und Konzentration der beteiligten
Redoxpartner liefert die Nernst´sche Gleichung:
E=E
0
+
Cox
RT
ln
Crd
nF
für Rd
Ox + ne -
hier bedeuten:
R = 8.314 VAs/Kmol
allg. Gaskonstante bei Raumtemperatur
T = 298 K
n ≙ Anzahl der übertragenen Elektronen
F = 96.485 As/mol
Faradaykonstante
Mit der Umrechnung von ln auf lg und Einbeziehung aller Konstanten
vereinfacht sich das zu:
E=E0 +
Cox
0.059
·
lg
n
Crd
Rd
Ox + ne-
142
Bestimmung der EMK (Spannungsdifferenz) des Daniell-Elements
EMK ≙ elektromotorische Kraft
Zn
Zn
2+
+2e
Cu
Cu
2+
+2e
0
0.059
2
lg
CZn2+
CZn
EZn = -0.76 V
0
0.059
2
lg
CCu 2+
CCu
ECu = +0.34 V
-
EZn = EZn +
-
ECu = ECu +
0
0
EMK = ΔE = ECu - EZn = ECu - EZn + 0.059
2
für CCu2+ = CZn2+ ⇒
0
lg
0
0
CCu2+
CZn2+
0
ΔE = ECu - EZn = 1.10 V
läuft die Reaktion ab, verringert sich die Cu2+-Konzentration, während Zn2+Konzentration steigt → Potential sinkt.
143
Die Spannungsreihe
Interessant sind die Standardpotentiale für einen Vorgang
Ox + ne– ⇆ Rd
um die Oxidationskraft einer gegebenen Spezies quantitativ erfassen zu können.
Problem: Halbgleichungen sind fiktiv (keine freien e– möglich); d.h. man kann
nur Potentiale für Gesamtvorgänge bestimmen (d.h. Potentialdifferenzen
bestimmen!). Um zu vergleichbaren Potentialwerten zu kommen, benötigt man
einen Standard, die Normalwasserstoffelektrode (NHE)
Folie 54
Hier taucht ein platiniertes Pt-Blech in eine wässrige Lösung die 1mol H+/l
enthält; die Elektrode wird von H2-Gas umspült. Der Druck beträgt 1.013 bar.
Das Potential der NHE bei RT wird willkürlich gleich 0 gesetzt → Bestimmung
von Standardpotentialen anderer Redoxsysteme.
(Standard ≜ Konzentration 1mol/l bzw. Druck 1.013 bar und RT)
H2 ⇆ 2 H+ + 2e–
Redoxreaktion der NHE:
Nernst-Gleichung anwenden:
2
EH =
0
EH
CH +
0.059
· lg
+ 2
PH
0
+
mit EH = 0 und CH = 1mol/l, pH = 1.013 bar
2
2
£ EH = 0 Standardpotential der NHE
Im gezeigten Beispiel beträgt die Konzentration an Zn2+-Ionen in Lösung
1mol/l. Die gemessene Potentialdifferenz beträgt –0.76 V → Standardpotential
von Zink für die Redoxreaktion
Zn ⇆ Zn2+ + 2e–
Auf diese Weise kann man Standardpotentiale beliebiger Redoxsysteme
bestimmen und gelangt so zur Spannungsreihe.
Folie 55
144
In der Form Rd ⇆ Ox + ne stehen die stärksten Reduktionsmittel in der
Spannungsreihe
oben
und
Spannungsreihe
erlaubt
die
stärksten
vorherzusagen,
Oxidationsmittel
welche
unten.
Redoxreaktionen
Die
unter
Standardbedingungen ablaufen;
Beispiel: Cu/Zn; das Standardpotential von Cu ist größer als das von Zn (Cu ist
“edler“) → Zn0 wird von Cu2+ zu Zn2+ oxidiert.
Allgemein gilt: Die reduzierte Form eines Redoxsystems (Rd) gibt Elektronen
nur an die oxidierte Form eines anderen Redoxsystems ab, das in der
Spannungsreihe darunter steht.
Spezialfall: Welche Metalle lösen sich in Gegenwart von Protonen (saure Lsg.;
Achtung: viele Säuren haben Anionen, die oxidierend wirken, z.B. NO3-, SO42-)
Metalle die in der Spannungsreihe über H2/H+ stehen (negatives E0) lösen sich in
nichtoxidierende Säuren (CH+ = 1mol/l) (HCl, HCO2CH3, H3PO4 etc.) und
werden als “unedel“ bezeichnet.
Metalle mit positivem E0 werden nicht von H+ aufgelöst → „edle Metalle“
Frage: welche Metalle lösen sich bereits in neutralem Wasser;
H2 ⇆ 2 H+ + 2e- ;
2
CH +
0.059
E=0 +
·
lg
2
PH
+
mit CH = 10
-7
und pH 2 = konst. £
2
E=0 +
-14
0.059
· lg 10 = -0.41 V
2
Beispiel: Alkali- und Erdalkalimetalle.
£ Alle Metalle, die ein kleineres Potential als -0.41 V
haben lösen sich bereits in neutralem H2O;
145
In der Praxis beobachtet man oft, dass sich Metalle aufgrund ihres Potentials in
Säure bzw. H2O lösen sollten, aber nicht angegriffen werden.
→ Passivierung und Überspannung
Viele Metalle wie z.B. Al lösen sich nicht, weil das Oxidationsprodukt
(Metalloxid) das Metall als Schutzschicht überzieht und die Weiterreaktion
verhindert.
Oft verhindert auch die sogenannte “Überspannung“ die zu erwartende
Reaktion, Beispiel Pb; elementares Pb sollte sich in 1m Säure lösen, dabei wird
H+ zu H2 reduziert. Die Bildung von H2 ist jedoch gehemmt (Überspannung)
und die Redoxreaktion läuft nicht ab.
Bleiakkumulator:
e
-
~~~~~~~~~~~~~
H2SO4
Pb
Anode
“ Pb0 + SO42-
0
PbO2
2+
PbSO4 + 2 e-
E0
=
-0.36 V
E0
=
1.68 V
E1
Kathode
” PbO2 + 4 H+ + SO42- + 2 e-
+2
PbSO4 + 2 H2O
E2
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Pb + PbO2 + 2 H2SO4
2 PbSO4 + 2 H2O
146
ΔE = E2 - E1 = 1.68 V +
ΔE = 1.68 V + 0.36 V +
0.059
2
lg
CPbO · CH4 + · CSO 22
4
CPbSO ·
4
0.059
2
lg
4
CH +
CH2 O
2
- -0.36 V +
0.059
2
lg
CPbSO
4
CSO
24
= 2.04 + 0.118 · lg CH +
EMK nur abhängig von der H2SO4-Konzentration ⇒ Ladestandprüfung über
Dichtemessung
Nach Spannungsreihe wäre die Oxidation von Pb nach
0
2+
Pb + H2SO4 → PbSO4 + H2 E0 = 0.302V
zu erwarten. Läuft nicht ab wegen Überspannung von H2 an Pb
· CPb
0
147
6. Die Chemie der Elemente
6.1.
1. Hauptgruppe
Sonderstellung im PSE
6.1.1. Wasserstoff
– kleinstes Atom, einfachste elektronische Struktur (1s1)
– im Vergleich zu Alkalimetallen:
•
doppelt so hohe Ionisierungsenergie
•
wesentlich höhere Elektronegativität
•
typisches Nichtmetall
⇒
gehört nicht in Gruppe 1!
Vorkommen:
– häufigstes Element im Universum (66 % Gesamtmasse)
– Spuren in der unteren Atmosphäre, ca 16 % aller Atome in der Erdkruste sind
H (als H2O, R–OH)
Darstellung:
– aus Wasser
(Labor)
2 Na + 2 H2O → H2 + 2 Na+ + 2 OH– aus Kohlenwasserstoff
CH4 + H2O
– aus Kohle
[Ni]
(technisch)
3 H2 + CO
ΔH0 = +206 kJ/mol
(Koks)
C + H2O
CO + H2
Wassergas
0
ΔH = +131 kJ/mol
148
Verwendung:
– Synthesen von NH3 (50 %), CH3OH, HCl
– Fetthärtung (Hydrierung von
C
C
)
– Reduktion von Metallen (hochrein)
Physikalische Eigenschaften
– leichtes Gas; 1l H2 wiegt 0.09 g
– größte Diffusionsgeschwindigkeit
– größte Wärmeleitfähigkeit (Gase)
Chemische Eigenschaften
– H2 (molekularer Wasserstoff) ist reaktionsträge
H2 ⇆ 2 H⋅
und
reagiert
erst
bei
ΔH0 = +436 kJ/mol
höheren
Temperaturen
(Knallgasreaktion,
Chlorknallgas)
Ausnahme:
PdCl2 + H2
RT
Pd + 2 HCl
(Nachweis von H2)
– atomarer Wasserstoff H⋅ ist hochreaktiv und reagiert bei tiefen Temperaturen
Mikrowellen-
i)
H2
ii)
Temperaturen > 3000 °C (Lichtbogen)
entladung
2 H•
149
Verbindungen (Oxidationsstufen +1 und -1)
– kovalente H-Verbindungen mit Nicht- und Halbmetallen
δ+ δ-
δ- δ+
δ+ δ-
+ δ-
BeH2 BH3 CH4 NH3 H2O HF
Polarität der Bindung ändert sich; geringste Polarität bei C–H -Bindungen
(viele Kombinationsmöglichkeiten)
– salzartige Verbindungen mit elektropositiven Elementen
LiH,
NaH, MgH2,
CaH2
Ionengitter aus M+ bzw. M2+
Synthese:
etc.
und H- Ionen;
Li + ½ H2 → LiH
ΔH0 = -91 kJ/mol
– metallische Verbindungen
H2 „löst“ sich atomar (H⋅) in vielen Metallgittern
(Mn, Cr, Ti, V, Pd etc).
→ Metallhydride (oft nicht stöchiometrisch
aufgebaut ≙ Phasen) Metallgitter wird durch H⋅ aufgeweitet, behält aber
in der Regel metallischen Glanz und Leitfähigkeit, wird aber
paramagnetisch.
6.1.2. Alkalimetalle Li, Na, K, Rb, Cs, Fr*
Vorkommen:
Na und K in Salzen und Gesteinen NaCl (Steinsalz), Na2CO3 (Soda), Na2SO4;
Meerwasser enthält 3 % NaCl (10 x soviel wie feste Vorkommen) KCl (Sylvin),
K[AlSi3O8] (Kalifeldspat)
Rb und Cs sind wesentlich seltener; kommen als „Begleiter“ von Na und K vor.
– alle Alkalimetalle kommen wegen ihrer hohen Reaktivität nur gebunden vor.
150
Eigenschaften:
– hochreaktiv (e-Abgabe), reagieren mit H2O in Luft (unter Öl)
– weiche Metalle
– starke Reduktionsmittel
Verwendung:
– Na ist von technischer Bedeutung für Na2O2, NaNH2, NaH
Kühlmittel für Kernreaktoren (schnelle Brüter)
Darstellung:
– aus NaCl; Na+ ist schwer chemisch zu reduzieren → Elektrolyse
Downs-Schmelzelektrolyse
NaCl (mit CaCl2-Zuschlag zur Smp-Erniedrigung) wird bei 600 °C
elektrolysiert.
NaCl → Na0 + ½ Cl2
Folie 56
(11 kWh pro Na)
151
Verbindungen (Oxidationsstufe +1)
– mit Sauerstoff
alle Alkalimetalle (M) bilden:
-2
2-
M2O :
Oxide
(enthalten O )
M2O2 :
Peroxide
(O2 )
Hyperoxide
Ozonide
(O2 )
(O3 )
-1
-½
MO2 :
MO3 (ausser Li):
2-
Erhitzen von M an Luft (Verbrennung) → Li2O, Na2O2, K/Rb/CsO2)
Na2O2 + Na → 2 Na2O
Natriumoxid:
M-Peroxide hydrolysieren zu H2O2:
M2O2
H 2O
2 MOH + H2O2
– Hydroxide
alle Alkalimetalle bilden Hydroxide MOH
starke Basen
Synthese z.B.
Na2CO3 + Ca(OH)2 → 2 NaOH + CaCO3
Soda
Kaustifizierung („ätzend machen“) von Soda; alter technischer Prozess.
Jetzt Chloralkalielektrolyse
152
a) Diaphragmaverfahren
Folie 57
” Kathode:
2 H2O + 2e- → H2 + 2 OH-
(Reduktion von H+)
“ Anode:
2 Cl- → Cl2 + 2e-
(Oxidation von Cl-)
Gesamt:
2 NaCl + 2 H2O → 2 NaOH + H2 + Cl2
b) Amalgamverfahren
” Kathode aus Hg:
Na+ + e- → Na-Amalgam
“ Anode:
Cl- → ½ Cl2 + e-
Wegen hoher Überspannung von H2 an Hg wird Na+ statt H+ reduziert.
Na-Amalgam (NaHg-Legierung) hydrolysiert:
0
0
+
0
NaHgx + H2O → Na + OH- + ½ H2 + Hg
Vorteil:
– Cl- - freie NaOH
– reines Cl2
Nachteil:
– Verwendung von Hg
– Halogenide
alle Kombinationen MX (X = Hal) bekannt; typische Salze
Synthese:
NaOH + HCl → NaCl + H2O
153
– technisch wichtige Verbindungen
a) Na2CO3 (Soda)
Verwendung für Gläser, Waschmittel
große natürliche Vorkommen
technische Synthese über Solvay-Verfahren:
2 NaCl + 2 H2O + 2 NH3 + 2 CO2 → NaHCO3 + 2 NH4Cl
thermische Zersetzung des Na-Hydrogencarbonats:
CaCO3
Δ
CaO + CO2
für NH3-Rückgewinnung:
CaO + 2 NH4Cl → CaCl2 + 2 NH3 + H2O
brutto:
2 NaCl + CaCO3 → Na2CO3 + CaCl2
nur CaCl2 als „Abfallprodukt“
b) NaNO3 (Salpeter)
Verwendung als Dünger
große natürliche Vorkommen (Chile)
technisch:
Na2CO3 + 2 HNO3 → 2 NaNO3 + H2O + CO2
154
6.2. 2. Hauptgruppe, Erdalkalimetalle Be, Mg, Ca, Sr, Ba, Ra*
Vorkommen:
Be (selten) in Edel- und Halbedelsteinen wie Beryll Be3Al2[Si6O18],
Smaragd (Al3+ teilweise durch Cr3+ ersetzt), Aquamarin (hellblau, Al3+
teilweise durch Fe3+ ersetzt)
Mg, Ca, Sr, Ba als MSO4 (Sulfat) und MCO3 (Carbonat)
Eigenschaften:
– Mg → Ba ähnlich Alkalimetalle (weiche, hochreaktive Metalle)
– Be ist in seinen Eigenschaften dem Al ähnlicher als seinen höheren
Homologen Mg → Ba (≙ „Schrägbeziehung“)
Beispiele:
a) BeH2 ist wie AlH3 kovalent und polymer; MgH2 ist ionisch
b) BeCl2 und AlCl3 reagieren in H2O stark Sauer, MgCl2 nur
schwach sauer
c) Be(OH)2 und Al(OH)3 sind amphorer, bilden keine stabilen
Carbonate; Mg(OH)2 ist basisch und bildet stabiles Carbonat.
Gründe für Schrägbeziehung:
– ähnliche Elektronegativität
– ähnliche Ionenradien von Be2+ und Al3+
– Darstellung durch Schmelzflusselektrolyse
Verwendung von Be und Mg als Legierungsbestandteil
155
Verbindungen (Oxidationsstufe +2)
a) Beryllium
Be ist kleiner, elektronegativer und schwerer ionisierbar als Mg → Ba
⇒ Tendenz zu kovalenten Verbindungen, ionische Verbindungen nur mit
elektronegativsten Elementen
BeF2 (Christobalit-Struktur)
BeO (Wurzit-Struktur)
In kovalenten Molekülen X–Be–X ist Be sp-hybridisiert; Elektronenmangel
wird ausgeglichen durch:
– Dreizentrenbindung
H
H
Be
Be
H
Eine
Be–H–Be-Einheit
(3
Be
H
Zentren)
teilen
sich
ein
(Elektronenmangelbindung)
– Koordinative Bindung (Lewis-Säure Base)
Cl
Be
Be
Cl
Cl
Cl
Be
Cl
Elektronenpaar
156
b) wichtige Verbindungen von Mg → Ba
MgO:
Verwendung für feuerfeste Steine (Magnesia)
Verbrennung von Mg an Luft: Mg + ½ O2 → MgO ΔH0 = –602 kJ/mol
Δ
themische Zersetzung von Mg-Carbonat: MgCO3 →
MgO + CO2
CaO (gebrannter Kalk):
Δ
– CaCO3 →
CaO + CO2
– CaO + H2O → Ca(OH)2
„Kalkbrennen“
ΔH0 = –65 kJ/mol
„Kalk löschen“,
stark exothermer Vorgang¸ Verwendung von Ca(OH)2:
Ca(OH)2 + CO2 → CaCO3 + H2O
(gelöschter Kalk) für Luftmörtel:
Sand/ Ca(OH)2; Aushärten durch Rh mit CO2
Ca(OH)2 in H2O → Suspension
(Kalkmilch);
Verwendung von Ca(OH)2 als billigste technische Base
CaCO3
in verschiedenen Modifikationen (Kreide, Marmor, Perlen)
Wasserhärte: CaCO3 + H2O + CO2 ⇆ Ca2+ + 2 HCO3– (temporäre Härte)
auch CaSO4 (permanente Härte)
157
CaSO4
Gips ≙ CaSO4 ⋅ 2 H2O
Anhydrit ≙ CaSO4
Gips
120 °C
CaSO4 ⋅ 0.5 H2O
(gebrannter Gips)
erhärtet mit Wasser unter Rückbildung von CaSO4 ⋅ 2 H2O
BaSO4
wichtigste Bariumverbindung; Verwendung als Malerfarbe chemisch
beständig und unlöslich in H2O
BaSO4
1400 °C
BaO + SO2 + ½ O2
lösliche Bariumsalze (BaCl2, BaCO3 etc) sind hochgiftig; Beryllium und
seine Verbindungen sind krebserregend.
158
6.3.
3. Hauptgruppe
B, Al, Ga, In, Tl
Vorkommen:
– Bor und Al oxidisch; Borate Na2B4O7 ⋅ 10 H2O (Borax), H3BO3 (Borsäure)
– Aluminium ist das dritthäufigste Element der Erdkruste (wichtigstes Leichtmetall) kommt in Alumosilicaten vor, Al2O3 (Korund), Edelsteine Rubin
(Al2O3 mit Spuren Cr3+),
Saphir (Co3+),
Smaragd (Al, Cr)2Be3(Si6O18),
Topas Al2(SiO4 / (OH, F)2), Beryll Al2Be3(Si6O18)
– Ga, In, Tl kommen als Begleiter von Zn in der Zinkblende vor.
Verwendung:
– Bor als Legierungsbestandteil, harte Werkstoffe
10
B in der Neutronenein-
fangtherapie (BNCT)
– Aluminium nach Eisen wichtigstes Gebrauchsmetall (leicht, Korrosionsbeständigkeit wegen Passivierung, guter elektrischer Leiter) 107 t/Jahr
Herstellung über Schmelzflusselektrolyse:
Folie 58
Al2O3 / Na3AlF6-Gemisch (Sm-Erniedrigung)
“ Anode:
Al2O3 + 2 AlF63– ⇆
” Kathode:
6 Na+ + 6 e
–
⇆ 6 Na
3
/2 O2 + 4 AlF3 + 6 e–
159
6 Na + 2 AlF3 ⇆ 2 Al + 6 NaF
Chemische Eigenschaften
a) Bor (Oxidationsstufe +3)
Besonderheiten:
wegen kleinem Radius und hoher Ionisierungsenergie für B3+ nur kovalente
Verbindungen!
AlF3 ist Salz (ReO3-Typ),
Smp. 1290 °C,
BF3 ist kovalentes Molekül,
Smp. –128 °C,
Sdp. –100°C
– Bor ist Halbmetall, Al → Tl sind Metalle ⇒ elementares Bor zeigt komplizierte Struktur
Folie 59
– Schrägbeziehung B–Si; mehr Gemeinsamkeiten als mit Al → Tl
In seine kovalenten Verbindung ist Bor sp2-hybridisiert → trigonal planar
koordiniert; in Verbindungen BX3 hat B nur ein Elektronensextett
(Elektronenmangelverbindungen).
Elektronenoktett wird erreicht durch:
160
i) Ausbildung von π-Bindungen
F
F “
B
B”
F
F
••••
F
F
delokalisierte π-Bindung; B–F Bindungslänge (130 pm) liegt zwischen B–F
(145 pm) und B=F (125 pm)
Zur formalen Ladung in Aminoboranen:
R
R
R
B N
R
“
R
B N
R
R
R
2
1
2
”
ist ein polares Molekül, sollte Dipolmoment (auf B gerichtet) haben;
experimenteller Beweis für sehr kleines Dipolmoment, das auf N gerichtet ist (≙
N als „negatives Ende“)
ii) Ausbildung von Mehrzentrenbindung
H
H
2
H
B
H
H
B
H
H
0
B
H
Diboran (6)
ΔH = -164 kJ/mol
H
161
Die brückenständigen H-Atome sind durch 2 Elektronen an 2 Boratome
gebunden (3c2e-Bindung)
MO-Beschreibung:
Folie 60
B–B–B Dreizentrenbindungen treten auf bei:
elementarem Bor
höheren Boranen, Carbaboranen
Metallboriden
iii) Donoraddukte
Verbindungen BX3 sind starke Lewis-Säuren und reagieren mit:
– neutralen Lewis-Basen (NR3, PR3, OR2, CO etc.) zu Boran-Addukten:
BF3 + |NH3 → F3B–NH3
Ammin-Boran
– anionischen Lewis-Basen zu „Boraten“:
F
BF3 + F
–
B
F
”
F
F
Wichtige Borverbindungen:
– Übergangsmetallboride
mehrere hundert Verbindungen bekannt; Zusammensetzung reicht von
metallreich (z.B. Mn4B) bis metallarm (z.B. YB66); komplizierter Aufbau mit
162
fließenden Übergängen zwischen kovalenten, metallischen und ionischen
Bindungen.
Allgemeine Eigenschaften der ÜM-Boride:
große Härte
große Temperaturbeständigkeit
oft gute Leitfähigkeit
⇒ wichtige Werkstoffe für hohe Beanspruchung
– Borane
zahlreiche binäre Borane:
BnHn+4
n = 2, 5, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18
BnHn+6
n = 4, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 14, 20
BnHn+8
n =8, 10, 14, 15, 30
BnHn+10
n = 8, 26, 40
keine
Analogien
zu
anderen
Element-Wasserstoffverbindungen
(Ausbildung von B-B und B-H Mehrzentrenbindungen).
Alle Borane leiten sich von geschlossenen Polyedern (Tetraeder,
Oktaeder, Ikosaeder etc.) ab. Je nach H-Gehalt des betreffenden Borans
bleiben mehr oder weniger Ecken des geschlossenen (closo) Polyeders
unbesetzt.
Beispiel
unbesetzte Ecken
Bezeichnung
BnHn+4
1
nido
(Nest)
BnHn+6
2
arachno
(Spinne)
BnHn+8
3
hypho
(Netz)
163
In closo-Boranen BnHn+2 sind alle Polyederecken besetzt; Verbindungen
nur als Dianionen BnHn2- bekannt
Folie 61
„Striche im Clustergerüst beschreiben nur die Topologie (Struktur) des
Käfigs, keine Bindungen Elektronendichte (≙ Bindungen) sind auf
Flächenmitte bzw. im Clusterinneren lokalisiert
Folie 62
– Borhalogenide
alle BX3
(X = F → I) bekannt
leichtflüchtige kovalente Moleküle; Aufbau
X “
•
B”
X
•
•
X
B–F-Bindung ist besonders stabil ⇒ unterschiedliche Reaktivität, z.B.
Hydrolyse:
BCl3
BF3
H2O
RT
H2O
RT
B(OH)3 + 3 HCl
F3B–OH2
Δ
B(OH)3 + 3 HF
BF3 + HF → H[BF4] Tetrafluorborsäure; starke Säure
in Wasser:
HBF4 + H2O ⇆ H3O+ + BF4–
164
Borsubhalogenide (niedrigere Oxidationsstufe als +3):
Cl
B +1
Cl
Cl
+2
B B
Cl B
Cl
B Cl
Cl
B
Cl
– Borsäuren
H3BO3 ≙ B(OH)3
OMe
OH
+ 3 MeOH
– 3 H2O
B
HO
B
MeO
OH
OMe
Borsäure
im Feststoff (Smp 171 °C) planare Schichten aus B(OH)3-Molekülen;
schwache Säure in H2O.
B(OH)3 + 2 H2O ⇆ B(OH)4– + H3O+
pks = 9.2
Erhitzen führt unter Kondensation zu Boroxiden:
B(OH)3
ortho-
> 90 °C
-H2O
Borsäuren
(HBO2)n
meta-
500 °C
-H2O
B2O3
Boroxid
165
^
α–HBO2 =
O
HO
OH
B
B
O
O
B
OH
– Bor-Stickstoffverbindungen
B–N ist isoelektronisch (≙ gleiche Anzahl von Valenzelektronen) mit
C–C ⇒ viele Gemeinsamkeiten zwischen BN- und Kohlenstoffchemie.
i) Bornitrid BN
kovalentes Molekülgitter wie Kohlenstoffmodifikationen:
hexagonales BN: Schichtenstruktur aus BN-Sechsringen wie Graphit:
Folie 63
Unterschiede zu Graphit:
Schichtenfolge B über N
stärkere Lokalisierung der π-Elektronen wegen
Elektronegativitätsunterschied → BN ist weiß und Isolator
kubisches BN
BNhex
90 kbar
2000 °C
BNkub
166
Verwandlung analog Gaphit → Diamant (Hochdruckmodifikation)
Struktur (Zinkblende) und Härte wie Diamant besteht aus:
” “
B N
dBN = 156 pm =^ Einfachbindung
mit sp3 –hybridisierten Bor
– Borazin
½ B2H6 + NH3
H3B–NH3
- H2
H2B=NH2
- H2
HBNH
2
1
3
1 :
Amminboran
isoelektronisch zu H3C–CH3
2 :
Aminoboran
H2C=CH2
3 :
Iminoboran
HC≡CH
1, 2, 3 sind nur mit großen Resten beständig, z.B.: (H3C)3C–B≡N–C(CH3)3
HB≡NH trimerisiert sofort zu Borazin:
H
H
H
H
N
H
H
N
H
B
B
B
B
N
N
N
N
B
H
H
H
planarer, mesomeriestabilisierter 6-Ring wie Benzol
(Borazin ≙ anorganisches Benzol)
wegen Polarität der B–N-Bindung aber viel reaktiver.
B
H
H
167
b) Aluminium (Oxidationsstufe +3)
– Alane und Alanate
–1
3 LiAlH4 + AlCl3 → 3 LiCl + 4 AlH3
nach
–1
oder
Δ 2 AlH
→
3
2 Al + 3 H2
ΔH° = + 300 kJ/mol
erhält man Alan; weder monomer noch dimer beständig ⇒ (AlH3)n
Alanate (M[AlH4]) sind wichtige Reduktionsmittel;
–1
4 LiH + AlX3 → Li[AlH4] + 3 LiX
(X = Cl, Br)
Li[AlHn] + 4 H2O → 4 H2↑ + Li+ + Al3+ + 4 OH–
– Aluminiumhalogenide
alle AlX3 sind bekannt ( X = F, Cl, Br, I)
AlF3 ist eine ionische Verbindung (ReO3-Struktur, Smp. 1290 °C)
AlCl3 zeigt Schichtenstruktur ähnlich CdCl2, d.h. Cl- bildenKdp-Teilgitter,
Al3+ besetzt in jeder weiteren Schicht 2/3 der OL (Smp. 193 °C)
In der Schmelze liegen AlCl3-Dimere vor:
Cl
Al
Cl
Cl
Cl
Al
Cl
Δ
2 AlCl3 (g)
Cl
ionische Al–Cl Bindung geht in kovalente über und KZ Al verringert sich von
6 auf 4
⇒ Volumenzunahme beim Schmelzen um 85 %! und Verlust der
elektrischen Leitfähigkeit.
168
– Aluminiumhydroxide und -oxide
Al(OH)3 kommt in mehreren Modifikationennatürlich vor
frisch hergestelltes Al(OH)3 ist amphoter
Al(OH)3 + 3 H3O+ → [Al(H2O)6]3+
Al(OH)3 + OH– → [Al(OH)4]–
und löst sich in Laugen und Säuren.
(Alterung; amorph → kristallin, wenig reaktiv)
Al(OH)3
400 °C
- 3 H2O
γ-Al2O3
1000 °C
α-Al2O3
zwei Modifikationen:
γ-Al2O3 (Tonerde) kristallisiert in Spinell-ähnlicher Struktur, wird als
Trägermaterial für Katalysatoren verwendet.
α-Al2O3 (Korund); Korund-Struktur: O2– bildet hdp, Al3+ in 2/3 OL; hartes
Material → als Schleifmittel verwendet
c) Gallium, Indium, Thallium
allgemeiner Trend: die Verbindungen der Oxidationsstufe +1 werden mit
steigender Ordnungszahl zunehmend stabiler; s-Elektronen werden nicht mehr
zur Bindung herangezogen (inert – pair Effekt)
169
6.4. 4. Hauptgruppe C, Si, Ge, Sn, Pb
Vorkommen:
– Kohlenstoff elementar (Graphit, Diamant) und als Carbonat (CaCO3,
Kalkstein, Marmor; CaCO3 ⋅ MgCO3, Dolomit)
– Silizium kommt nicht elementar vor; zweithäufigstes Element der Erdkruste,
SiO2 (Sand) und Silicate
– Germanium ist sehr selten, kommt sulfidisch vor (Germanit Cu 6FeGe2S8)
– Zinn kommt nur selten gediegen vor; SnO2 (Zinnstein)
– Blei kommt natürlich nur in Oxidationsstufe +2 vor; vor allen PbS
(Bleiglanz)
Elementmodifikationen
– Kohlenstoff als Nichtmetall bildet kovalente Moleküle bzw. Molekülgitter
(Graphit, Diamant) außerdem Fullerene:
Graphit
Verdampfung
He-Atmosphäre
C60, C70, C90 etc.
Folie 64
170
– Silizium, Germanium, Zinn kristallisieren im Diamantgitter, Zinn auch in
metallischer Modifikation
α-Sn
13 °C
β-Sn
grau
nichtmetallisch
("Zinnpest")
weiß
metallisch
– Blei nur metallisch, Kdp
Verwendung:
– Silizium
hochreines Si für Halbleitertechnik (Wafer)
Darstellung aus Rohsilizium:
SiO2 + 2 C
Si + 3 HCl
1800 °C
300 °C
Si + CO
HSiCl3 + H2
Trichlorsilan wird destiliert, dann zu Si reduziert:
HSiCl3 + H2
1100 °C
– Blei
für Rohre, Akkumulatorplatten
Si + 3 HCl
0
ΔH = +690 kJ/mol
171
Darstellung nach Röstreduktionsverfahren:
3
PbS + /2 O2
PbO + CO
PbO + SO2
Hochofen
(Röstarbeit)
Pb + CO2
(Reduktionsarbeit)
Chemische Eigenschaften
(bevorzugte Oxidationsstufe (+4)
a) Kohlenstoff
– Kohlenstoff in niedriger Oxidationsstufe - Carbide
i) kovalente Carbide mit B, Si (ähnliche Elektronegativität)
z.B.
SiO2 + 3 C
2200 °C
SiC + 2 CO
0
ΔH = +625 kJ/mol
Diamant-ähnliche Struktur; Carbidbildung beeinträchtigt die Verwendung
von Koks als Reduktionsmittel
ii) salzartige Carbide mit elektropositiven Metallen
z.B.
CaO + 3 C
CaC2
H2O
2200 °C
CaC2 + CO
Ca(OH)2 +
H C C H
Folie 65
0
ΔH = + 465 kJ/mol
172
– Kohlenstoffoxide
i) CO
”
“
|C≡O|
|N≡N|
isoelektronisch zu
Sehr giftig wegen Reaktion mit Fe in Hämoglobin, entsteht bei
unvollständiger Verbrennung von Kohlenstoff:
C + ½ O2
0
CO
ΔH
B
= –111 kJ/mol
Reduktionsmittel, Verwendung z.B. im Hochofenprozess
Darstellung im Labor:
O
HC
H2SO4
H2O + CO
OH
Verwendung im Fischer-Tropsch Verfahren:
n CO + (2n+1)H2
180°C
CnH2n+2 + n H2O
ii) CO2
O C O
entsteht bei vollständiger Verbrennung von Kohlenstoff:
C + O2
→
CO2
ΔH° = –394 kJ/mol
und Erhitzen von Carbonaten:
CaCO3
1000 °C
CaO + CO2
173
und Ansäuern von Carbonaten:
CaCO3 + 2 HCl → CaCl2 + H2O + CO2
Photosynthese (Assimilation) an Chlorophyll:
2814 kJ + 6 CO2 + 6 H2O → C6H12O6 + O2
b) Silizium
– Wasserstoffverbindungen
kettenförmige Silane SinH2n+2 (bis n = 15) wie Alkane
zerfallen beim Erhitzen:
SiH4
Δ
→
ΔH° = –34 kJ/mol
Si + 2 H2
entzünden sich spontan an Luft:
SiH4 + 2 O2 → SiO2 + 2 H2O
Darstellung z.B. aus Siliziden:
Mg2Si + 4 H+ → SiH4 + 2 Mg2+
Polarität:
-
δ
C
δ+
+
δ
H
aber
Si
-
δ
H
174
– Sauerstoffverbindungen
O
O
O Si O Si O
a) SiO2 ist polymerer harter Festkörper aus
O
O
Einheiten (keine Si-O-Doppelbindungen wie CO2!)
verschiedene Modifikationen (z.B. α-Quarz, β-Christobalit etc.)
hohe Härte, Temperaturbeständigkeit und chemische Widerstandsfähigkeit →
Verwendung für Spezial-(Laborglas)
b) Kieselsäure
SiO2 + 2 H2O
⇆
H4SiO4
nicht in freier Form und nur in verdünnter wässriger Lösung beständig
wegen Autokondensation:
OH
2 H4SiO4
HO
Si
OH
O
OH
Si OH
+ H2O
....
OH
c) Silikate
Salze der Kieselsäure; Silikate und Hauptbestandteil der Erdkruste
(Mineralien, Gesteine);
weisen SiO4-Tetraeder als Baustein auf, der über gemeinsame Ecken
verknüpft wird; große Strukturvielfalt:
Folie 66
wird in Silikaten Si durch Al ersetzt, können sich dreidimensionale
Raumnetzgitter ausbilden, z.B. Zeolithe
(Zeolith A ≙ Na12[Al12Si12O48] ⋅ 27 H2O)
175
Folie 67
Verwendung von Silikaten für Gläser ≙ erstarrte, nichtkristalline Schmelzen
(amorph)
besondere Eigenschaften von Glas z.B. Durchsichtigkeit, langsames
erweichen beim Erwärmen (kein scharfer Schmelzpunkt) sind auf die
Nahordnung (keine Fernordnung wie in Kristallen) zurückzuführen
Folie 68
– Siliciumhalogenide
a) alle SiX4 bekannt, molekularer Aufbau hydrolyseempfindlich z.B.:
SiF4 + 2 H2O → SiO2 + 4 HF
Hexafluorokieselsäure
4 HF + 2 SiF4 → 2 H2SiF6
stake Säure in freier Form nicht beständig; viele Salze z.B.:
Δ
BaSiF6 → BaF2 + SiF4
b) Halogenide des zweiwertigen Siliziums
z.B.:
SiF4 + Si
1200 °C
2 SiF2 (g)
SiF2 nur in der Gasphase beständig, sonst:
n SiF2 → (SiF2)n
c) Zinn ( Oxidationsstufen +2 und +4)
– Oxide
SnO2
(Zinnstein, Rutilstruktur)
SnO
(polymorph)
176
– Halogenide
alle SnX4 und SnX2 bekannt; z.B.:
Sn + Cl2 → SnCl4
(flüssig bei RT)
Sn + 2 HCl → SnCl2 + H2
Cl
Cl
Feststoff aus
Ketten
Sn ”
Sn ”
Cl
“
Cl
“
d) Blei (Oxcidationsstufe +2 stabiler als +4)
z.B. Oxide
Δ
PbO2 → PbO + ½ O2
starkes Oxidationsmittel
Halogenide
alle PbX2 bekannt; PbCl2 hat im Gegensatz zu SnCl2 keine reduzierenden
Eigenschaften mehr
PbCl4 → PbCl2 + Cl2, Oxidationsmittel
177
6.5.
5. Hauptgruppe
N, P, As, Sb, Bi
Vorkommen:
– Stickstoff elementar als N2, Hauptbestandteil der Luft (78,1 Vol%); gebunden
in Nitraten z.B. Chilesalpeter NaNO3
– Phosphor nur in Verbindungen, vor allem Phosphate z.B. Apatit Ca5(PO4)3
(OH, F, Cl)
– Arsen selten elementar („Scherbencobalt“);
Oxidationsstufen)
z.B.
Arsenkies
FeAsS
sonst Arsenide (negative
und
Sulfide
(positive
Oxidationsstufen) z.B. Realgar As4S4 rot, Auripigment As2S3 gelb.
Elementmodifikationen
– Stickstoff nur als N2
N2
|N≡N|; sehr stabil wegen Dreifachbindung:
⇆
ΔH0 = +946 kJ/mol
2N
Bei Raumtemperatur und ohne Katalysator regiert N2 nur mit Lithium zu Li3N
– Phosphor
Folie 69
weißer P:
P
P
P
P
gespanntes, hochreaktives
Molekül (sehr giftig!)
178
roter P:
P
P
P
P
P
P
P
P
∞
violetter (Hittorfscher) P:
komplizierte Schichtenstruktur
schwarzer P (stabile Modifikation):
Schichten aus gewellten P6-Ringen
– Arsen, Antimon, Bismut
vorwiegend metallische Modifikationen
Verwendung
– Stickstoff
Verwendung als Labor und Industriegas; Gewinnung durch Verflüssigung
und fraktionierende Destillation von Luft
– Phosphor
Gewinnung von P4 durch Reduktion von Phosphatgesteinen; Verwendung zur
Herstellung von Phosphorsäure H3PO4
– Arsen, Antimon, Bismut
Verwendung als Legierungsbestandteil; As und Sb für III – IV- Halbleiter z.B.
GaAs
179
Chemische Eigenschaften
a) Stickstoff (Oxidationsstufen –3 und +3; +5 nur mit Sauerstoff
– Verbindungen mit Wasserstoff
i)
Ammoniak NH3
Synthese nach Haber-Bosch:
3
/2 H2 + ½ N2
⇆
NH3
ΔH0B = –46 kJ/mol
exotherme Reaktion, erfordert aber Katalysatoren und 450°C (sonst zu
langsam); bei hohen Temperaturen liegt das Gleichgewicht links → Synthese
unter hohem Druck (bis 1000 bar).
Verwendung von NH3(Ammoniumsalze NH+4) als Düngemittel.
Autoprotolyse (wie H2O):
2 NH3
⇆
NH4+ + NH2–
Flüssiges NH3 (Sdp. –33 °C) löst Alkalimetalle:
Me + NH3
⇆
Me+(NH3)x + e–(NH3)x
es entstehen solvatisierte Elektronen; Lösungen von Me in NH3 sind blau,
paramagnetisch, elektrisch leitfähig und stark reduzierend.
180
ii)
weitere N–H-Verbindungen
H
N N
H
” “
N N N
H
H
“ ”
N N N
H
H
Stickstoffwasserstoffsäure
Hydrazin
N N
H
H
Diimin (Diazen)
Wegen schwacher N–N-Bindungen sind alle Verbindungen instabil und
zersetzen sich leicht (z.T. explosionsartig)
z.B.:
→
2 HN3
ΔH0 = –538 kJ/mol
3 N2 + 2 H2
– Verbindungen mit Sauerstoff
+1
N2O
+2
+3
NO
N2O3
+4
+5
NO2
N2O5
bis auf N2O5 sind alle Stickstoffoxide endotherm und zerfallen in die
Elemente;
NO und NO2 sind Radikale, die bei tiefen Temperaturen dimerisieren:
2 •N O
N N
O
farblos
“
blau
O
2 •N
O
braun
O
O
”
“
O
N N
” O
“
farblos
O ”
181
N2O5 ist das Anhydrid der Salpetersäure:
O
O
“
N
” O
“
N
O
O
H2O
“N
2
O ”
O
O
”
H
Salpeter ist eine starke oxidierende Säure; Mischungen von konz. HNO3
und konz. HCl heißen Königswasser und lösen sogar Gold und Platin
(aktives Chlor); Nb, Ta, W werden von Königswasser nicht gelöst.
Salze der Salpetersäure heißen Nitrate; enthalten das resonanzstabilisierte
NO3–-Anion:
”
O
N“
O
O”
” O
”
N“
“N
O ”
O
O
” O
O
Technische Synthese von HNO3:
N2
H2
HaberBosch
NH3
O2
Ostwald
NO
O2
NO2
O2, H2O
HNO3
Ostwaldverfahren ≙ katalytische Ammoniakverbrennung:
4 NH3 + 5 O2
900 °C
Pt
4 NO + 6 H2O
0
ΔH = –906 kJ/mol
182
Salpetrige Säure HNO2
nur in verdünnter Lösung haltbar; Zersetzung nach:
+3
+5
+2
3 HNO2 → HNO3 + 2 NO + H2O
–
Salze heißen Nitrite und enthalten das NO2 -Anion:
N
N
O
–3
+3
O ”
” O
O
0
NH3 + HNO2 → N2 + H2O
– Verbindungen mit Halogenen
Strukturen wie N–H-Verbindungen, d.h.
NX3,
N2X4,
N2X2,
N3X
für X = F alle Kombinationen bekannt, Stickstoff in positiver Oxidationsstufe,
+3 –1
z.B. NF3
für X = Cl, Br, I nur NX3 und N3X (Halogenazide) bekannt, Stickstoff in
–3 +1
negativer Oxidationsstufe, z.B. NCl3
Reaktion mit Wasser:
+3 –1
+3
–1
NF3 + 2 H2O → HNO2 + 3 HF
aber
–3 +1
–3
+1
NCl3 + 3 H2O → NH3 + 3 HOCl
bis auf NF3 und N2F4 sind alle anderen endotherm und größtenteils explosiv.
183
b) Phosphor (Oxidationsstufe +3 und +5)
– Verbindungen mit Wasserstoff
PH3,
P2H4 und weitere Phosphane bekannt; weniger stabil als N–H-
Verbindungen
Polarität:
δ–
P
δ+
(sehr ähnliche Elektronegativitäten)
H
– Verbindungen mit Sauerstoff
+3
ΔH°B = –1641 kJ/mol
P4 + 3 O2 → P4O6
P4O6;
Folie 70
Einschub von O in jede P–P-Bindung von P4;
Anhydrid der Phosphonsäure H2PHO3
P4O6 + 6 H2O → 4 H2PHO3
O
P OH
H
+5
P4O10
zweibasige Säure; P-H dissoziert nicht
OH
ΔH°B = –2986 kJ/mol
P4 + 5 O2 → P4O10
Folie 71
184
Anhydrid der Phosphorsäure
ΔH° = –378 kJ/mol
P4O10 + 6 H2O → 4 H3PO4
O
HO
P
OH
O
N“
vgl. HNO3
OH
O”
HO
P4O10 ist stark wasserentziehend (hygroskopisch) und wird als Trockenmittel
eingesetzt.
Phosphorsäure kondensiert zu Diphosphorsäure
O
P
HO
O
OH
P
HO
OH
O
O
OH
OH
HO
–H2O
P
O
OH
P
OH
OH
weitere Kondensation zu langen Ketten oder großen Ringen möglich
– Verbindungen mit Halogenen
+3
alle
X
+5
PX3,
P P
X
X
+2
PX5, und P2X4 bekannt
X
F
PF5 liegt in allen Aggregatzuständen als F
P
F
F
Molekül vor.
F
PCl5, PBr5 und Pl5 liegen im Feststoff als Salze [PX4]+X– (X = Br–, I–) bzw.
[PCl4]+[PCl6]– vor.
Cl
P
Cl
“
Cl
Cl
Cl
Cl
Cl
P
Cl
Cl
Cl
185
6.6.
6. Hauptgruppe
O, S, Se, Te, Po
Vorkommen
– Sauerstoff ist das häufigste Element in der Erdkruste; zu 2% elementar in der
Luft, sonst gebunden im Wasser, in Gesteinen (Silikate, Carbonate, Oxide
etc.)
– Schwefel elementar (große Lagerstätten) und in Gesteinen, Erzen (Sulfide,
Sulfate)
– Selen, Tellur in Spuren in Sulfiden
Elementmodifikationen
– Sauerstoff als O2 und O3 (Ozon)
Eigenschaften von Ozon: schwach blaues, stechend riechendes Gas; Entsteht
durch UV-Bestrahlung oder elektrische Entladung aus O2:
⇆
3
/2 O2
ΔH°B = +142.7 kJ/mol
O3
Die endotherme Verbindung kann bei höherer Konzentration explosionsartig
in O2 zerfallen.
In den obersten Schichten der Atmosphäre entsteht O3 aus O2 durch
Sonnenlicht (UV); O3 absorbiert UV-Licht stark → Schutz vor starker UVStrahlung
Wahrscheinlich wird die Ozonschicht durch FCKW, Stickoxide abgebaut.
Ozonide:
0
–2
–1/3
0
–2
5 O3 + 2 KOH → 2 KO3 + 5 O2 + H2O
186
– Schwefel
cyclo-S8
Folie 72
stabilste Modifikation, daneben zahlreiche weitere Ringgrößen (6-26) bekannt
Folie 73
– Selen
rotes Selen:
Se8-Ringe
graues Selen:
Spiralen aus Se-Ketten
Verwendung
– Sauerstoff
Verwendung als großtechnisches Oxidationsmittel (TiO2, Ethylenoxid etc.),
Raketentreibstoff; die erste Stufe der Saturn-V Trägerrakete (ApolloProgramm) verbrannte innerhalb von 150 sec 550 t Kerosin mit Hilfe von
1450 t flüssigen Sauerstoff.
Gewinnung durch fraktionierende Destillation von Luft nach Linde
Folie 74
– Schwefel
zur Herstellung von Schwefelsäure, Vulkanisation von Kautschuk
Gewinnung aus Lagerstätten nach Frosch-Verfahren (heißer Wasserdampf,
Druckluft)
Synthese aus H2S (Erdgas) nach Klaus-Prozess:
–2
3
3 H2S + /2 O2
+4
–2
SO2 + H2O + 2 H2S
250 °C
0
3 S + 3 H2O
unvollständige Verbrennung von H2S liefert H2S/SO2 im Verhältnis 2:1 →
Komproportionierung zu 5°
187
Chemische Eigenschaften
a) Sauerstoff (Oxidationsstufe –2)
nach Fluor zweitelektronegativstes Element; außer in Fluoriden nur negative
Oxidationsstufen
– Verbindungen mit Wasserstoff
i) Wasser H2O
Am besten untersuchte chemische Verbindung, bildet in kondensierter Phase
H-Brücken aus:
O
H
H
H
O
O
H
O
H
weist verschiedene kristalline Modifikationen auf (z.B. Eis II anti-β-Christobalit); Dichtemaximum bei 4 °C (sog. Anomalie des Wassers)
→
Eis
schwimmt auf Wasser
ii) Wasserstoffperoxid H2O2
schwache O–O-Einfachbindung → zum Teil explosionsartige Zersetzung:
H2O2 → H2O + ½ O2
ΔH° = –98 kJ/mol
188
b) Schwefel (Oxidationsstufen –2, +2, +4, +6)
– Verbindungen mit Wasserstoff
H2S; Aufbau wie H2O:
–2
S
H
600 °C
H2 + S
H2S
+1
H
ΔH° = –20 kJ/mol
H2S ist eine schwache, zweibasige Säure
H2S + H2O ⇆ H3O+ + HS–
KS = 1.0 ⋅ 10–7
HS– + H2O ⇆ H3O+ + S2–
KS = 1.3 ⋅ 10–13
bildet Hydrogensulfide (z.B. NaHS) und Sulfide (z.B. Na2S)
– Verbindungen mit Sauerstoff
+1
+2
S2O
SO
+2
S2O2
+4
SO2
+6
SO3
i) Schwefeldioxid SO2
S
O
aus
S + O2
SO2
ΔHB° = – 297 kJ/mol
O
Anhydrid der schwefligen Säure H2SO3, die in freier Form nicht stabil ist,
aber stabile Salze (Hydrogensulfite, z.B. NaHSO3 und Sulfite, z.B. Na2SO3)
bildet.
189
ii) Schwefeltrioxid
O
S
aus
O
SO2 + ½ O2
SO3
ΔH° = –99 kJ/mol
O
Anhydrid der Schwefelsäure
SO3 + H2O → H2SO4
starke oxidierende Säure; bildet Hydrogensulfate (z.B. NaHSO4) und Sulfate
(z.B. Na3SO4) reine H2SO4 wirkt stark wasserentziehend und wird als
Trocknungsmittel (Exsicatoren) verwendet
O
SO3 + H2SO4
O
HO S O S OH
O
H2S2O7
O
– Verbindungen mit Halogenen
+2
+4
SCl2
SCl4
SF2
SF4
+6
SF6
i) SF6
S + 3 F2 → SF6
F
F
F
S
F
F
F
ΔH°B = –1220 kJ/mol
S wird oktaedrisch von 6 F koordiniert und sterisch
abgeschirmt → sehr reaktionsträge, Verwendung als
gasförmiger Isolator in Hochspannungsanlagen.
190
Hydrolyse nach
SF6 + 4 H2O
⇆
H2SO4 + 6 HF
läuft bis 500 °C nicht ab.
6.7.
7. Hauptgruppe
F, Cl, Br, I, At
Vorkommen:
Hochreaktiv, deshalb Vorkommen nur in gebundener Form. Fast ausschließlich
als Halogenide (NaCl, NaBr) oder Mischsalze mit anderen Anionen.
Ausnahme Ca(IO3)2
Elementmodifikationen:
nur in Form zweiatomiger Moleküle |X–X|;
F2, Cl2 sind gasförmig, Br2 ist flüssig, I2 fest.
Verwendung
– Fluor
Verwendung zur Herstellung von SF6, UF6; Gewinnung durch Elektrolyse
von KF/HF-Gemischen.
– Chlor
Wird in großen Mengen produziert (1990 3,6 ⋅ 107 t/Jahr);
191
Verwendung
zur
Chlorierung
von
organischen
Verbindungen
(1,2-
Dichlorethan, Vinylchlorid), Herstellung anorganischer Chemikalie (z.B. HCl,
AlCl3, SiCl4 etc.), Bleichmittel.
Gewinnung elektrochemisch (Chlor-Alkali-Elektrolyse)
– Brom
Verwendung zur Bromierung organischer Verbindungen (1,2-Dibromethan)
Gewinnung ausschließlich durch Oxidation von Bromiden (NaBr) mit Chlor:
2 Br– + Cl2 → Br2 + 2 Cl–
Chemische Eigenschaften
a) Fluor (nur Oxidationsstufe –1)
Als elektronegativstes (und reaktivstes) Element reagiert es mit allen anderen
Elementen direkt (außer He, Ne, Ar, N2);
Andere Elemente erreichen in ihren Fluoriden die höchsten Oxidationsstufen:
IF7, SF6, XeF6, AuF5, UF6, OF2
Arbeiten mit F2 erfordern spezielle Reaktoren aus Monel (Cu–NiLegierungen), die durch F2 oberflächlich passiviert werden.
Synthese von F2 aus Fluoriden gelingt nur elektrochemisch.
– Verbindungen mit Wasserstoff, HF
Darstellung nach:
CaF2 + H2SO4 → 2 HF + CaSO4
192
in kondensierter Phase H-Brücken:
F
F
H
H
H
H
F
F
wässrige Lösungen → Flußsäure; mittelstarke Säure, ätzt Glas:
SiO2 + 4 HF → SiF4 + H2O
– Verbindungen mit Sauerstoff
+2
i) OF2:
0
–2
–
2 F2 + 2 OH
–1
–
+2 –1
→ 2 F + OF2 + H2O
Reaktion in alkalischer Lösung:
OF2 + 2 OH– → 2 F– + O2 + H2O
ii) O2F2:
F
O O
F
O2F2 entsteht bei tiefen Temperaturen aus F2/O2-Gemischen durch elektrische
Entladung und zerfällt oberhalb von –95 °C in die Elemente.
b) Chlor
– Verbindungen mit Wasserstoff, HCl
technische Darstellung aus den Elementen:
im Labor:
H2 + Cl2 → 2 HCl
NaCl + H2SO4 → NaHSO4 + HCl
wässrige Lösungen → Salzsäure; starke nichtoxidierende Säure
193
– Verbindungen mit Sauerstoff (O elektronegativer als Cl)
O
Cl
O
+4
•
-2
Cl
+1
O
Cl
O
+7
O
Cl
O
O
Cl
O
O O
alle Halogenoxide außer I2O5 sind endotherm und instabil; Cl2O7 ist das
beständigste Chloroxid;
O
O
+5
+5
I
O
I
O
O
Cl2O7 als Anhydrid der Perchlorsäure:
O
+7
– 2 H2O
2 HO Cl O
Cl2O7
O
weitere Sauerstoffsäuren des Chlors:
+1
+3
+5
H O Cl
Cl
Cl
Hypochlorige-
HO
O
HO
+1
O
Chlor-
ChlorigeSäure
HOCl durch Disproportionierung von Cl2:
0
O
–1
Cl2 + H2O → HOCl + HCl
194
– Interhalogenverbindungen:
bekannt sind:
XY
XY3
XY5
XY7
wobei X das elektropositivere Halogen ist.
Folie 75
vom Typ X–Y sind alle Kombinationen bekannt
Folie 76
von den anderen außer ICl3 nur Verbindungen mit F als Ligand:
Folie 77
– Bsp. für Interhalogenverbindungen
Cl
I
F
Cl
F
F
Cl
Cl
F
F
Cl F
F
F
F
F
F
F
– Pseudohalogenide:
”
–
”
N3
| CN |
| NC–CN|
Azid
Cyanid
Dicyan
HO / H2O
”
CN + OCN
”

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