Erasmus-Erfahrungsbericht Granada WS11/12

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Erasmus-Erfahrungsbericht Granada WS11/12
Erasmus-Erfahrungsbericht Granada
WS11/12
1 Auslandssemester - Ja oder Nein?
Aus meinen persönlichen Erfahrungen kann ich euch ein Auslandssemester und insbesondere eines in Granada uneingeschränkt empfehlen. Es macht dich selbstständiger
und kulturell erfahrener. Die Sprache verbesserst du nebenbei ohne zu viele Anstrengungen. Es ist einfach eine Erfahrung fürs Leben.
Der beste Zeitpunkt ist vermutlich im 5. Semester, ein Jahr vor Beenden des Bachelorstudiums. Ich persönlich bin noch Diplomstudent und habe das Auslandssemester
im 9. Semester gemacht, was eher spät ist.
Wer in seinem zeitlichen Rahmen flexibel ist, soll sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob er nicht gleich ein ganzes Jahr im Ausland bleibt. Ich kenne Dutzende
Erasmusstudenten, die sich erst nach dem halben Jahr so richtig eingelebt haben und
dann fährt man wieder zurück. Selbst wenn man dadurch vielleicht ein halbes Jahr
oder ein Jahr "‘verliert"’, glaube ich, dass die Erfahrungen und die erworbenen Kompetenzen den Verlust mehr als wettmachen.
2 Stadt Granada
Granada ist eine sehr junge Stadt. Überall laufen Studenten herum, davon ein großer
Teil Erasmus. Man hat das Meer und la playa in der Nähe (einfach mit dem Bus in
den Süden, z.B. nach Nerja fahren). Das sollte man im Falle des ausschließlichen Wintersemesters natürlich rechtzeitig genießen, sprich im September/Oktober. Danach
wird es selbst in Spanien langsam kalt. Auf der anderen Seite ist für Wintersportverrückte die Sierra Nevada in der Nähe, die dann etwa ab Januar mit Schnee bedeckt
ist.
Die Stadt an sich ist relativ klein, aber durch die enge Bauweise laufen sehr viele
Menschen rum und ich habe mich in den ersten Wochen doch verlaufen. Das ist
vielleicht ganz gut, so lernt man es, nach dem Weg zu fragen. Es gibt unzählige
Tapasbars und man trifft sich mit den dortigen Freunden/Kommilitonen häufig abends
zum Tapas essen (ir de tapas/ tapear ). Der Preis für eine cerveza oder ein tinto
de verano liegt bei 1,50-2,00 Euro. Dazu bekommt ihr speziell in Granada Tapas
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kostenlos, teilweise in recht ordentlichen Portionen, sodass man nach 2 oder spätestens
3 satt ist. Es blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel, wie die Bars sich finanzieren. Auf
der anderen Seite ist dadurch das Leben anders als in Deutschland. Es sind fast alle
gegen 10/11 Uhr noch irgendwo auf den Straßen und nicht in den Betten. 10/11 Uhr
ist übrigens laut meinen spanischen Mitbewohnern die normale spanische Zeit para
cenar.
Danach geht dann das eigentliche Nachtleben los und es gibt viele kleinere Clubs und
auch ein paare größere Diskotheken wie das Mae West oder Granada10. Solange es
noch halbwegs warm draußen ist, ist auch der Botellón gut gefüllt, wenn auch fast nur
mit Spaniern. Dabei handelt es sich um einen Platz am nördlichen Ende des Camino
de Ronda (direkt hinterm hipercor ), wo es öffentlich geduldet wird, dass Studenten
nachts draußen Alkohol trinken. Zu den richtigen Zeiten sind da locker 500-1000
Studenten/Schüler.
Ich empfehle in Granada die Stadtbusse zu nutzen. Dazu sollte man sich am Anfang
einen bonobus holen, da das auf Dauer viel günstiger ist als mehrere Einzelfahrten zu
bezahlen. Diese Karte hält man einfach vorne beim Busfahrer an den Chipkartenleser
und kann sie bei Bedarf mit 5 oder 10 Euro aufladen. Eine Fahrt kostet ca. 50 Cent.
Beim Besuch weiterer Städte fahrt ihr vorher zur estación de autobuses in Granada und
nutzt dann dort die regionalen bzw. nationalen Buslinien (ich kann Madrid empfehlen,
eine Fahrt kostet zwischen 13 und 17 Euro mit dem Bus, 5 h Fahrt, und selbst für
Kunstbanausen wie mich: geht dort ins museo del prado!).
3 Unterbringung
Das Wohnungsangebot ist recht groß und im Schnitt findet man nach einer Woche
Suche eine passende Wohnung. Trotzdem ist es sinnvoll etwa 3 Wochen vor Vorlesungsbeginn anzureisen. Ich bin mit airberlin nach Malaga geflogen. Von dort aus
fahren stündlich Busse nach Granada, Fahrt 1,5 h. Für die erste Zeit war ich im
Hostel elgranado untergebracht. Kann ich nur empfehlen! Top Hostel. Dort lernt
man unglaublich viele backpackers kennen und kann erst mal Englisch sprechen. Das
Hostel war wie eine große Familie, die mir in allen ersten Schritten unendlich geholfen
hat. Ein weiterer Tipp an dieser Stelle: Falls ihr wie ich ohne Reisepass und nur mit
deutschem Perso nach Spanien marschiert und dann in manchen Telefonläden keine
spanische SIM-Karte fürs Handy kaufen könnt, geht zu The Phonehouse (im Zentrum,
direkt da, wo die Deutsche Bank ist). Dann ist das plötzlich kein Problem mehr. Dort
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könnt ihr zwischen verschiedenen Anbietern wählen. Ich empfehle Yoigo.
Ich hatte vorher in Deutschland ein "‘Junges Konto"’ bei der Deutschen Bank eröffnet
und konnte so innerhalb von 1-2 Tagen von meinem Sparkassenkonto zur Deutschen
Bank etwas überweisen und es dann in Spanien abheben, da es sich ja um keine internationale Überweisung handelt. Im Zentrum bei den beiden Geldautomaten der
deutschen Bank (einer ist offensichtlich; Schatzsuche: wer findet den zweiten ohne zu
fragen?; Entfernung zum ersten ca. 200 m) konnte ich so ohne Gebühren Geld abheben
und bin damit gut klar gekommen.
Was ich bereue ist, dass ich keine Kreditkarte (Visa/Mastercard) sondern nur eine
EC/Maestro-Karte hatte. Gerade bei der Buchung von Hostels ist es üblich 10 Prozent
Anzahlung mit Kreditkarte zu tätigen und es gibt häufig keinen anderen Weg.
Die Wohnungssuche lief ein bisschen wie in der Steinzeit ab. Überall in den Straßen
kleben Zettel mit Telefonnummern, die man anrufen kann (ein nächster echter Test fürs
eigene Spanisch, ich habe mir damals vorher Vokabular zurechtgelegt, zumal die eigenen Fragen in etwa die gleichen bleiben). Ich habe gehört, dass es für die Suche auch
hilfreiche Internetseiten wie www.loquo.com gibt. Achtet besonders auf eine funktionierende Zentralheizung und sprecht die Zahlung der fianza (Kaution) an. Mir wurde
von einem Fall berichtet, wo das Wiederbekommen der Kaution am Ende schwierig
wurde. Man kann sich auf einen Preis von monatlich etwa 150-250 Euro+ Nebenkosten
einstellen. Das Geld bezahlt man monatlich bar beim Vermieter.
Ich habe mich für ein 3er piso mit 2 Spaniern entschieden. Ich bin gut mit den
beiden klar gekommen, aber ich empfehle dennoch in eine größere und sprachlich
gemischte WG (idealerweise mit Spaniern) zu ziehen. Denn die Kommunikation war bis
zum Schluss schwierig, sobald die Themen speziell wurden, trotz stetiger Verbesserung
meiner sprachlichen "‘Künste"’.
4 Sprache
Im Nachhinein staune ich, dass irgendein Erasmusstudent mir gesagt hat er hätte
Niveau A1 in Spanisch. Wer dann nach Granada fährt, Hut ab! Das grenzt ja an Survivalurlaub. Nein, Spaß beiseite, aber man sollte schon ein bisschen Spanisch können,
da die überwiegende Mehrheit in Spanien kein oder sehr wenig Englisch spricht. Ich
habe mit hunderten fremden Menschen gesprochen und in den ersten Wochen häufig
versucht Englisch zu sprechen. Die Leute, die besser Englisch konnten als ich (und
keine native-Studenten waren), kann ich an einer Hand abzählen. Eigentlich fällt mir
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nur einer ein, nämlich Freddi vom bereits empfohlenen Hostel. Selbst an der Sprachschule CLM (Centro de Lenguas Modernas) konnten die Mitarbeiter des Sekretariats
Fragen nicht wirklich gut auf Englisch beantworten, sodass ich dann angefangen habe
auf Englisch langsamer und deutlicher zu sprechen. Und mein Englisch ist aus Sicht
deutscher Studenten vielleicht gutes Mittelmaß!
Man sollte sich darauf einstellen, dass man Spanisch sprechen wird. Dann ist alles
okay. Ich bin mit einem Niveau von B1 hingefahren und habe an dem CLM einen
Kurs B2.1 besucht. Damit bin ich einigermaßen klar gekommen. Im Nachhinein wäre
der gesamte Aufenthalt aber unendlich viel einfacher gewesen, wenn man schon vorher
das Niveau B2 oder gar C1 gehabt hätte. Den ziemlich teuren Kurs am CLM (300 Euro
für Kurse über Niveau B1) kann ich empfehlen. Ich habe dort wirklich viel gelernt,
wobei das wohl vom jeweiligen Lehrer abhängt. Andere waren nicht so zufrieden. Es
ist übrigens eine gute Gelegenheit andere Studenten kennenzulernen und gemeinsam
Ausflüge zu machen.
5 System Uni dort und von mir besuchte Kurse
Als Mathestudent war ich an der facultad de ciencias in der Nähe des Camino de
Ronda. Die endgültige Kurswahl gestaltete sich anfangs etwas schwierig. Da es dort
in den ersten Wochen ein ziemliches Chaos gab, folgende Tipps: Orientierungshilfen
des Angebots findet man im Internet (Kursangebot vom Vorjahr, ich bin auf der
Seite http://www.ugr.es/~cdocmat/ fündig geworden, merke jedoch, dass euch das
wenig hilft, da dort die Kurse des alten Systems (licenciatura) aufgelistet sind und ihr
vermutlich Bachelor/Master-Studenten seid, ugr matemáticas googeln sollte jedoch
helfen). Die gute altbewährte Methode, von der ich später erfahren habe: Es gibt
gültige Aushänge, z.B. gegenüber dem Kopierbüro (einfach nach fotocopiadora fragen)
in der Fakultät. Die bessere Methode ist Mund-zu-Mund-Propaganda mit anderen
Erasmusstudenten vor Ort. Die Erasmusstudenten dürfen sich ohne Probleme die
ersten 1-2 Wochen in verschiedene Vorlesungen setzen und reinhören. Danach sollte
man sich jedoch entscheiden. Sehr wichtig ist der Infotermin für die Erasmusstudenten
unmittelbar vor der ersten Woche in der Aula Magna (direkt neben dem Haupteingang
der Fakultät). Dort sollte man sich auch in die Listen von Studentenvereinigungen wie
ESN eintragen. Man bekommt dann regelmäßig per Email teils sehr gute Angebote
für Ausflüge und Parties zugesendet. Eine weitere Möglichkeit ist es den zuständigen
Erasmuskoordinator anzusprechen. Den Namen erfährt man im Büro schräg links vom
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Haupteingang und da bei den Tischen mit Namen Relaciones Internacionales. Da gibt
es den Chef und einen jungen Mitarbeiter (im Studentenalter). Wenn ihr die Wahl
habt, geht zu dem jungen. Ihr erfahrt, was ihr wissen wollt 10x schneller.
Zunächst möchte ich sagen, dass das System Uni dort ein völlig anderes ist. Das
spanische System ist deutlich verschulter. Man hat jeweils 1 Stunde Vorlesung statt
Doppelstunden wie hier und nicht wirklich Zeit zwischen den Vorlesungen die Räume
zu wechseln geschweige denn noch mal nen Kaffee zu trinken. Man kann sich am Anfang entscheiden, ob man seine Vorlesungen lieber vormittags oder nachmittags hören
möchte, da der überwiegende Teil zu beiden Zeitschichten angeboten wird. Weil ich
als normal Sterblicher keine Vorlesungen um 8 oder 9 Uhr genommen habe, bin ich
mit dem Vormittagsplan sehr gut klar gekommen. Ich habe ausschließlich Vorlesungen des fünften Jahres (quinto curso) besucht, nämlich métodos variacionales, análisis
convexo und fundamentos matemáticos de la mecánica de los medios continuos. Die
Studentenanzahlen waren entsprechend klein. In Flüssige Medien waren wir zu dritt
mit einer Quote von 2 Erasmuslern gegen 1 Spanier, in den übrigen Kursen 10-15. Antonio Cañada Villar war der Professor in Variationsmethoden und Konvexer Analysis
und er war sehr nett und hilfsbereit zu uns Erasmusstudenten. Flüssige Medien fand
ich relativ anspruchsvoll, aber sehr interessant. Die Vorlesungen liefen so ab, dass der
Prof etwas erzählt hat und dann meistens 2-3 Beispiele kamen, die von den Studenten
diskutiert wurden. Dann war die Zeit um. Die Anzahl behandelter Theoreme hielt sich
stark in Grenzen, aber man hatte das Gefühl alles verstanden zu haben. Es gab häufig
Übungsaufgaben für Zuhause, die später jemand an der Tafel vorrechnen durfte. So ist
die Interaktion riesig (und das Spanisch wird gepusht, glaubt mir), aber gefühlt schafft
man nicht so viel wie in einer deutschen Vorlesung. Bei Antonio mussten wir in den
beiden Vorlesungen zusätzlich 3 Kapitelzusammenfassungen zu je 5 Seiten abgeben in
dem halben Jahr. Wenn man nicht wie ich einen Tag vorher anfängt, geht das aber
klar. Wir hatten die Möglichkeit, die Zusammenfassungen auf Englisch abzugeben,
ich empfehle dennoch sich spanisch zu bemühen - das hilft und ist nicht unmöglich, es
kostet eventuell mehr Zeit.
Obwohl ich generell ein Freund von Beispielen und Festigen des Stoffes bin, fand ichs
teilweise schon zuviel und bevorzuge das deutsche Unisystem. Das dortige System ist
aber auch nicht schlecht.
Ich hoffe ihr entscheidet euch für ein Auslandssemester und wünsche euch eine schöne
Zeit! Bei Fragen könnt ihr mich gerne kontaktieren.
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