Das Magazin des Sports in Baden
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Das Magazin des Sports in Baden
Ausgabe WLSB – 03 | 2013 SPORT in BW den-Württemberg a B n i s t r o p zin des S a g a M s Da Auszeichnung Michael Jung aus Horb gewann bei den Olympischen Spielen in London zwei Mal Gold. Sein Vater und Trainer Joachim Jung wurde nun in Stuttgart für diesen und zahlreiche andere Erfolge mit dem „Trainerpreis Baden-Württemberg“ ausgezeichnet. Gesundheit WLSB-Aktionstag zu „Sport gegen Krebs“, und ein breites Bündnis engagiert sich für ein Modellprojekt „Sport bei Demenz“. Unsere Partner Der WLSB bietet Unterstützung bei den Fachseminaren „Sportvereinszentrum richtig ausgestattet“ und „Sport braucht Räume“. 1 Foto: picture-alliance Veranstaltungen BENZSTRASSE 8 · 70839 GERLINGEN SPORT in BW 03 | 2013 I NTE GR ATIO N Sport und Integration – ein Warum sollten Sportvereine und –Verbände Integrationsarbeit machen? D as Thema Integration rückt immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Nicht nur die Politik bemächtigt sich verstärkt dieses Begriffs, ob nun im Zusammenhang mit der Integration ausländischer Mitbürger, Menschen mit anderen religiösen Hintergründen und der Integration von Menschen mit Behinderung, wobei in diesem Zusammenhang oft der Begriff der Inklusion verwendet wird. Oder auch nur, wenn es um die Gleichstellung der Geschlechter geht. Und immer häufiger wird Integration auch im Zusammenhang mit Sport thematisiert. Die beidseitigen Interessen sind klar und liegen auf der Hand: Integrationspolitik braucht den Sport, da dieser sich optimal eignet, um Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenzubringen. Für seine eigene Weiterentwicklung benötigt der Sport aber auch eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema Integration. Nehmen wir nur das Stichwort „Demografischer Wandel“ bzw. beleuchten die Frage „Wie rekrutieren Sportvereine in den nächsten 5, 10, 20 Jahren ihre Mitglieder? Und woher wird der Sport künftig seine Ehrenamtlichen nehmen?“ Bei einem Blick auf Geburtenraten und Bevölkerungszusammensetzung wird schnell klar, Zuwanderer stellen eine wichtige Zielgruppe dar. Eine interkulturelle Öffnung des organisierten Sports ist nicht nur als Notwendigkeit zu betrachten, es ergeben sich schlicht und ergreifend auch vielfältige Chancen. Chancen, die es dem Verein und Verband erleichtern, seiner Zukunft optimistisch entgegenzusehen. Chancen für Vereine Anhand konkreter Beispiele aus dem Vereinsalltag zeigen der LSV und sein Programm „Integration durch Sport“ (IdS) in einer losen Folge in „SPORT in BW“ auf, welcher Mehrwert sich für Vereine und Verbände in diesem Themenfeld 4 bietet: Sportliche Erfolge zu erzielen (Teil 1), neue Mitglieder anzusprechen und zu gewinnen (Teil 2), neue Ehrenamtliche anzusprechen und zu gewinnen (Teil 3) sowie ihr eigenes Image zu verbessern und mehr öffentliche Anerkennung zu erhalten. Denn, so LSV-Präsident Dieter Schmidt-Volkmar: „Eine aktive Auseinandersetzung des Sports mit den Themen Integration und Interkulturelle Öffnung ist nicht nur notwendig. Vielmehr ergeben sich durch genau diese aktive Auseinandersetzung und das proaktive Handeln große Potenziale und Chancen für den organisierten Sport.“ Allerdings, so SchmidtVolkmar weiter: „Der Sport muss sich auch selbst und aktiv um die Integration bemühen, um in einer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft langfristig bestehen zu können“. Mannschaftserfolg durch Sportler verschiedener Nationen. Foto: LSV Die Straßenfußball-für-ToleranzWM, ein toller Erfolg. Foto: LSV entwicklungsberichte (2011/2012 zu 2009/2010) steht an dritter Stelle der Ziele baden-württembergischer Sportvereine: „Menschen mit Migrationshintergrund Sport ermöglichen“. Zwei Jahre zuvor rangierte dieses Ziel erst an fünfter Stelle. 33,3 Prozent (2009/2010: 30,7 Prozent) der Sportvereine im Lande sehen ihren Weiterbestand durch mindestens ein existenzielles Problem bedroht. Hauptprobleme sind die Bindung und Gewinnung von: Ehrenamtlichen Funktionsträgern (15,2 Prozent; 2009/2010: 10,5 Prozent), jugendlichen Leistungssportlern (6,8 Prozent; 2009/2010: 3,3 Prozent), Mitgliedern (6,6 Prozent; 2009/2010: 4,7 Prozent) sowie von Übungsleitern und Trainern (6,5 Prozent; 2009/2010: 5,9 Prozent). Erfolg hat einen Migrationshintergrund Picken wir uns ein Beispiel heraus: Warum Integrationsarbeit? Wegen Einige Statistiken Durch die Unterrepräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund im organisierten Sport ergibt sich nicht zuletzt auch aus leistungssportlicher Perspektive das Problem, dass der Pool zur Rekrutierung sportlicher Talente kleiner wird. Da die Geburtenrate in Deutschland allgemein sinkt, diese in Familien mit Migrationshintergrund jedoch konstant ist, gewinnt diese Personengruppe zunehmend an Bedeutung. Viele Vereine haben sich dieses Themas bereits angenommen, zumindest bereits gedanklich. Laut der letzten SportSPORT in BW 03 | 2013 INTE GR AT I ON Kaderathleten auf Landes- und Bundesebene. Möglichkeiten und gelungene Beispiele gibt es genügend, nicht zuletzt auch in den Ballsportarten wie Fußball oder Basketball oder im Turnen und vor allen Dingen der Rhythmischen Sportgymnastik. Und dies im Breiten-, Leistungs- oder Profisport. Im letztgenannten Bereich sollte die Kraft von Symbolen sicher nicht über-, aber auch nicht unterschätzt werden. Bei den Olympischen Spielen in London trat eine kulturell äußerst gemischte Mannschaft unter dem Slogan „Wir für Deutschland“ an. Allein die 24 im Ausland geborenen Athleten stehen für 18 verschiedene Herkunftsländer. Einige von ihnen traten mitten ins Rampenlicht: An dieser Stelle sei ein Beispiel für viele genannt: Filip Adamski (siehe untenstehenden Kasten). Joachim Spägele zusammen mit Mitarbeitern des Programms IdS n Thema für uns? des sportlichen Erfolgs? Warum nicht. Lassen wir einige Vereinsvertreter sprechen: „Durch unsere gezielte Ansprache zur Gewinnung von Migranten für eine Mitgliedschaft bei uns im Verein profitieren wir auch sportlich. Ich bin mir sicher, dass wir ohne unsere Sportler mit Migrationshintergrund heute mindestens zwei Ligen tiefer spielen würden“, (Reinhold Scheible, Abteilungsleiter Volleyball, TSV Bad Saulgau). „Wir haben seit einigen Jahren die beste Jugendmannschaft in unserem Bezirk, und das hat natürlich Auswirkungen auf die Erfolge im Erwachsenenbereich.“ Nach dem Aufstieg in die württembergische Verbandsliga: „Die meisten unserer Leistungsträger kommen aus Migrantenfamilien und haben da Ringen in unserem Verein gelernt“. (Adolf Rager, Ehrenvorsitzender des Kraftsportvereins KV ´95 Stuttgart). Oder einige wenige Beispiele aus Stützpunktvereinen des Programms „Integration durch Sport“: t3PCFSU,BSLVTPW34-4BOE- hofen-Lampertheim) belegte 2008 den 2. Platz bei den Deutschen A-Jugend-Meisterschaften im Ringen. t'MPSJBO 5IVSOFS )FJdenheimer Sportbund): 2009 wurde er Deutscher Meister im Sambo und erzielte den 5. Platz bei der Junioren-Europameisterschaft. t%FS3JOHFSWFSFJO,47)FNTCBDI wurde 2011 vom Nordbadischen Sportbund für seine vorbildliche Nachwuchsarbeit ausgezeichnet – mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. t%FS ,7 4UVUUHBSU JTU EFS FSGPMHreichste Verein in der Jugendwertung im Bezirk. Die Ringer haben mehrfach erste Plätze bei BadenWürttembergischen und Deutschen Meisterschaften belegt. t%JF#PYBCUFJMVOHEFT7G-/FDLBSgartach leistet seit Jahren eine erfolgreiche Jugendarbeit und stellt @ Weitere Infos: Programm „Integration durch Sport“ des LSV BadenWürttemberg, Julia Sandmann, Tel.: 0711/28077869, [email protected], www.lsvbw.de Das selbst ernannte „Mischkind“: Filip Adamski 5 Minuten 48 Sekunden 75 Hundertstel. An diese Zeit wird sich Filip Adamski wohl sein ganzes Leben erinnern. Diese bescherte ihm und seinen Kollegen im Deutschland-Achter, dem Flaggschiff des deutschen Rudersports, die Olympische Goldmedaille in London. Nicht nur in Deutschland sorgte diese für Jubel und Anerkennung. „Von meinen Verwandten habe ich erfahren, dass sich viele Menschen über den Erfolg eines polnischstämmigen Sportlers gefreut haben.“ In Polen, genauer in Breslau, wurde Filip Adamski im Januar 1983 geboren. Mit fünf Jahren zog er nach Mannheim zu seinen einzeln vorgereisten Eltern. Dort begann er auch mit dem Rudern, wenngleich unfreiwillig, denn nach einem Schulwechsel im Halbjahr musste er feststellen: „Alle AG´s, die Spaß versprachen, waren schon belegt“, also begann ich mit Rudern. Der Spaß stellte sich jedoch bald ein, ebenso wie die Erfolge. Nach seiner Einbürgerung im Jahr 2005 kam er 2006 zur Nationalmannschaft und gewann noch im selben Jahr seine SPORT in BW 03 | 2013 Gold in London für Filip Adamski. Foto: picture-alliance erste Medaille bei einer Weltmeisterschaft – Silber im Vierer ohne Steuermann. Seitdem hatte er in den verschiedensten Bootsklassen Erfolg. 2009 wurde Adamski u.a. Weltmeister und Weltcup-Sieger im Ruder-Achter. Eine Grundlage seines Erfolges war schon immer sein ausgepräg- tes Teamgefühl. Durch den Sport prägte sich diese Fähigkeit weiter aus und ist bis heute eine Art treibende Kraft: „Meine Motivation kommt auf jeden Fall auch aus dem Zusammenhalt der Olympiamannschaft.“ Diese wurde im Dezember 2012 zur „Mannschaft des Jahres“ gewählt. Adamski ist jedoch nicht nur Ruderer. Neben seinem Training studiert der 30-Jährige Wirtschaftswissenschaft. Mit Mannheim und dem Ländle fühlt er sich aber immer noch eng verbunden. Bis heute startet er für die Mannheimer Rudergesellschaft Baden. Breslau, Mannheim, Dortmund und dann der Erfolg im Deutschen „Königsboot“. Filip Adamski sieht sich als „Mischkind“. Zugehörigkeit und Heimat sind für ihn nicht an nationale Grenzen gebunden: „Ich fühle mich da heimisch, wo meine Familie und meine Freunde leben, ob das Deutschland ist, Polen oder Großbritannien.“ 5