Entwicklung und Risikomanagement von sicheren Geräten für
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Entwicklung und Risikomanagement von sicheren Geräten für
Entwicklung und Risikomanagement von sicheren Geräten für die Medizintechnik Dr.-Ing. Marian Walter Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz Institut für Biomedizinische Technik RWTH Aachen M. Walter, Mai 2006 email: [email protected] mit freundlicher Unterstützung von Dipl.-Ing. Sebastian Schwandtner Impella CardioSystems GmbH CV Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 1 • Medizinprodukte – Gesetzliche Grundlagen M. Walter, Mai 2006 • Der Entwicklungsprozess Risikomanagement, Verifikation und Validierung • Entwicklung Medizinischer Geräte - ein Praxisbeispiel Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 2 1 Rechtliche Grundlagen • • • • • • • • • Richtl. 93/42/EWG Richtl. 90/385/EWG Richtl. 98/79/EG Richtl. 2000/70/EG Richtl. 2003/32/EG Medizinprodukte (MDD) Aktive implantierbare Produkte (AIMD) In-vitro Diagnostika (IVDD) Blutplasma, Blutderivate etc. Material tierischen Ursprungs MPG Medizinproduktegesetz MPV MPBetreibV MPSV DIMDIV Medizinprodukte-Verordnung Medizinprodukte-Betreiber-Verordnung Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung Verordnung über das Datenbankgestützte Informationssystem für Medizinprodukte Brustimplantatverordnung Medizinprodukte-Kostenverordnung • Brust-ImplV • BKostV-MPG M. Walter, Mai 2006 MPG §1 Zweck dieses Gesetzes ist es, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der PATIENTEN, ANWENDER und DRITTER zu sorgen. Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 3 Definition Medizinprodukt (MPG §3) Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten - Instrumente - Apparate Quell e: www.freih eitfuertier e.com - Vorrichtungen Quell e: www.muse umsnett.no - Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen Quelle: www.gips.de Quelle: www.hedrest.de - oder andere Gegenstände - einschließlich [...] Software M. Walter, Mai 2006 Quelle: www.i mpella.com Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 4 2 Definition Medizinprodukt (MPG §3) die vom Hersteller mittels ihrer Funktion zum Zwecke a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, EKG-Gerät Quelle: www.mediscout.at b) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen und Behinderungen Rollstuhl Quelle: www.brillinger.d e c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder M. Walter, Mai 2006 Künstliches Herz d) der Empfängnisregelung Quelle: www.abiom ed.com zu dienen bestimmt sind Kondom Quelle: www.nrk.no Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 5 Verfahren der Zulassung 1. Klassifizierung von Medizinprodukten 2. Nachweis der Grundlegenden Anforderungen (Konformitätsbewertung) 3. Klinische Bewertung M. Walter, Mai 2006 4. Vergabe des CE-Zeichens Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 6 3 Klassifizierung von Medizinprodukten Medizinprodukte werden an Hand von Klassifizierungsregeln in vier Klassen (I, IIa, IIb, III) eingeteilt Die Regeln sind risikobasiert orientiert an der Anwendungsdauer, der Invasivität und der Energieversorgung (aktiv, nicht aktiv) des Medizinprodukts Klasse I Stethoskop M. Walter, Mai 2006 Quelle: www.elvita.p l Klasse IIa Operationshandschuhe Quelle: www.hartmann.d e Klasse IIb Defibrillator Quelle: www.m edisave.co.uk Klasse III Ventricular Assist Devices Quelle: impella.com Kompressionsbinde Infusionsset Beatmungsgerät Herzklappe Quelle: www.bmp-aachen.de Quelle: www.med store.at Quelle: www.Draeg er.com Quelle: www.zdf.de Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 7 Grundlegenden Anforderungen allgemeine Anforderungen: • • • Sicherheit von: Patient, Anwender, Dritter Erreichen der angegebenen Leistung Minimales Risiko unerwünschter Nebenwirkungen Anforderungen an Auslegung und Konstruktion Die Konformitätsbewertung (MPV) • • verantwortlich ist der Hersteller Beteiligung einer Benannten Stelle M. Walter, Mai 2006 Wie wird der Nachweis geführt??? • • Einhalten der harmonisierten Normen (MPG §8) alternativ: Tests auf Basis neuster wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 8 4 Harmonisierte Normen Beispiel: Medizinisch elektrische Geräte/Systeme EN 60601 – A - x laufende Nummer 1: Ergänzungsnorm (Collateral Standard) 2: Produktspezifische Norm (Particular Standard) Medizinisch elektrische Geräte M. Walter, Mai 2006 Europäische Norm Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 9 M. Walter, Mai 2006 Der Entwicklungsprozess – Risikomanagement, Verifikation und Validierung Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 10 5 V-Modell nach EN 60601-1-4:1996 Validierung Komponententest Modultest Entwicklung Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Ve rif SE LY Design un gv A AN Verifizierung izi er KO SI RI Spezifikation v. Komponenten Funktionstest aß na hm en Verifizierung M Funktionsspezifikation M. Walter, Mai 2006 Produkttest Verifizierung on Anwendung Helmholtz-Institut Seite 11 Elemente des Risikomanagements Risikomanagement nach ISO14971 M. Walter, Mai 2006 1. Risikoanalyse (bzw. – Erfassung) 2. Risikobewertung 3. Risikobeherrschung (Risk control) 4. Überwachung des Produktes im Einsatz Risikoprüfung (Risikobeurteilung) Risikomanagement Die ERGEBNISSE des RISIKOMANAGEMENTPROZESSES müssen in einem RISIKOMANAGEMENT- Bericht aufgezeichnet werden. Æ Rückverfolgbarkeit des RM-Prozesses Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 12 6 Risikoanalyse und Risikobewertung Vorgehen (Schritt 1 – 4, ISO14971): 1. Feststellen der Produkteigenschaften (z.B. Intended use, essential performance...) 2. Feststellen der möglichen Gefährdungen und deren Ursachen siehe Zulassung, Fragenkatalog aus ISO14971, Anh. A, DIN EN60601-1:3rd edition FTA Brain Storming Meta Plan... M. Walter, Mai 2006 (Hilfe : MDD 93/42/EW G Anh. I, ISO 14971) 3. Einschätzung der Risiken für jede Gefährdung FMEA 4. Risikobewertung Risikodiagramm Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 13 Risikoanalyse: Schritt 3, ISO14971 Einschätzen des Risikos: Das Produkt der Faktoren - Auftretenswahrscheinlichkeit [L] - Schweregrad [S] - Entdeckungswahrscheinlichkeit [D] M. Walter, Mai 2006 ist gleich der Einschätzung des Risikos je Gefährdung und Ursache (Risikoprioritätszahl) RPZ := L * S * D Quelle: LINEA GmbH Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 14 7 Risikobewertung: Schritt 4, ISO14971 Bewertung des Risikos: Hilfsmittel: Risikodiagramm Auftretenswahrscheinlichkeit (entsprechend DIN EN60601-1-4; ISO14971) L6 L5 L4 L3 L2 L1 S0 S1 S2 S3 Schadensausmaß S4 M. Walter, Mai 2006 acceptable ALARP = As Low As Reasonable Practicable intolerabel Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 15 V-Modell nach EN 60601-1-4:1996 Validierung KO SI RI Spezifikation v. Komponenten Funktionstest Komponententest izi er rif SE LY Modultest Entwicklung Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Ve A AN Design un gv Verifizierung aß na hm en Verifizierung M Funktionsspezifikation M. Walter, Mai 2006 Produkttest Verifizierung on Anwendung Helmholtz-Institut Seite 16 8 Frühe Fehlervermeidung/Fehlererkennung + Einsparung von Entwicklungszeit + Vermeiden von Nacharbeiten (Elchtest, Rückruf) M. Walter, Mai 2006 Reduktion der Kosten von a) Entwicklung b) Service im Markt Fehler bei Kostenfaktor Entwicklung und Produktplanung 0,1 Beschaffung 1 Fertigung 10 Beim Kunden 100 10-er Regel Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 17 Methoden der Validierung und Verifikation • Spezifikationsebene – „Lesen“ in Expertenrunden – Vier Augen Prinzip der Freigabe • Modul-Ebene – Einzeltests: Stresstest, Dauerbelastung – Test von Einzelfunktionalität (Black-Box Tests, Software Lesung, Vier Augen Prinzip der Freigabe, Tests nach definierten Testprogrammen) • Komponenten-Ebene – Verifikation der Funktion auf der Schnittstellenebene – Überprüfung der z.B. elektrischen, stofflichen, mechanischen, informationstechnischen Schnittstellen M. Walter, Mai 2006 • Geräte-Ebene – Ausführlicher Gesamtgeräte-Test auf der Basis von normativen Anforderungen und der definierten Geräteeigenschaften – Chaostest, Gebrauchstauglichkeit, vorhersehbarer Missbrauch – Tier- und Humanklinische Erprobung Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 18 9 Entwicklung Medizinischer Geräte M. Walter, Mai 2006 Ein Praxisbeispiel aus der Anästhesie Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 19 Geburtstunde der Anästhesie • Erste Vollnarkose mit Äther M. Walter, Mai 2006 1846, Boston • Arbeitsteilung: Chirurg / Anästhesie • Kreislaufmonitoring Hygiene ? Sicher ? • • Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 20 10 Historisches zur Anästhesie • Reichspatent 154339 (1902) : – Injektor-Prinzip zur genauen Dosierung von Chloroform und Äther. Sauerstoff-ChloroformNarkose (50 Tropfen = 1 g Chloroform) M. Walter, Mai 2006 • Roth-Dr RothDrä äger ger--Mischnarkose Mischnarkose-apparat (1910) Aus : „Die Gesc hichte der Dräger-Narkos eapparate“, Drägerwerk AG, Lübec k Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 21 Historisches zur Anästhesie II Sulla 800 (70er Jahre) • • • • • M. Walter, Mai 2006 • Beatmung durch ein stehendes Faltenbalg-System („ bellow in a box“) Zentrale Druckluft-Versorgung Kreissystem Flowröhren „Vapor“ zur Dosierung volatiler Anästhetika noch keine Elektronik „Sulla 800“, Dräger wer k AG, Lübec k Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 22 11 Moderne Anästhesiesysteme „Workstation“-Konzept Monitoring vieler Parameter Großformatige Anzeige Elektronische FrischgasDosierung von 0,5 ... 18 l/min • Hochwertige Beatmungsfunktion • Automatischer Selbsttest M. Walter, Mai 2006 • • • • Anäs thesie-Workstation Primus (Dräger Medic al AG & Co. KGaA, Lübec k) Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 23 Regelkreis in Therapiegeräten am Beispiel eines Anästhesiegerätes M. Walter, Mai 2006 • Typ I: Geräte-interne Regelkreise • Typ II: Regelung von “Mensch-MaschineSystemen” • Typ III: Regelung des Zielorgan-Effektes Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 24 12 Typ I: Geräte-interne Regelkreise Definition dieser Gruppe von Regelkreisen: • alle Meßgrößen geräte-intern verfügbar • keine Rückwirkung durch den Patienten (Störung) Früher: manuell Beispiel : Frischgas-Dosierung Elektronisch im Anästhesiegerät Primus M. Walter, Mai 2006 . . Aus : Striebel, „Anäs thesie und Intensi vmedizin“ Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 25 Typ II: Regelung von Mensch-MaschineSystemen Definition dieser Gruppe von Regelkreisen: • geräteseitig messbare Signale • Patient ist „Störgröße“ M. Walter, Mai 2006 Elektrisches vs. pneumatisches Ersatzschaltbild (ESB) Inspiratorische Regelung des Ate mwegsdruckes Paw – Stromquelle ⇔ Flowquelle – Spannungsquelle ⇔ Druckquelle Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 26 13 Regelungskonzept für Druck und Volumen PAW Pmax + Sollposition+ - Ventilator DruckRegler ? R C VolumenRegler UMotor Patient Position M. Walter, Mai 2006 • Volumenregelung auf Position des Kolbens • Vorgabe berechnet aus Benutzereinstellung • Bei Druckbegrenzung Umschalten auf Druckregler • Druckreglung Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 27 Simulationsstudien in Matlab-Simulink Säugling (Rrs = 200 mbar/l/s , Crs = 1 ml/mbar) Druck-Regelung: • Reglereinstellung für Säugling – Für Erwachsene zu „schlapp“ • Reglereinstellung für Erwachsene M. Walter, Mai 2006 – Für Säuglinge zu „stark“ -> Instabilität Erwachsener (Rrs = 5 mbar/l/s , Crs = 50 ml/mbar) Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 28 14 M. Walter, Mai 2006 Simulationsstudien II Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 29 M. Walter, Mai 2006 Tools: Verifikation und Validierung im Labor und Tierversuch Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 30 15 Klinische Validierung Humanklinische Erprobung z unsere erste Kinder-OP z Beobachtung der Ventilations- M. Walter, Mai 2006 performance Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 31 Typ III: Regelung des Zielorgan-Effektes Definition dieser Gruppe von Regelkreisen: – Patient ist „Zielgröße“ – bisher Sensorik meist „schwierig“ – Anmerkung zum Zielorgan: M. Walter, Mai 2006 • Beatmung : paO2, paCO2, Scherkräfte • Anästhesie : Gehirn (Bewußtlosigkeit, Schmerzlosigkeit, Relxation, Vitalfunktion) Nach : Gentilini, A.., „Feedbac k Control of H ypnosis and Analgesia i n Humans “ Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 32 16 • Innovationsbereich ist der Einsatz von Elektronik und Informationsverarbeitung – – – – – • Realisierung der Therapiefunktion Verbesserte Sensorik Sicherheit in der Anwendung Darstellung der Information Arbeitsplatzkonzept Entwicklungen in den Bereichen – Typ I: Geräte-interne Regelkreise – Typ II: Regelung von “Mensch-Maschine -Systemen” – Typ III: Regelung des Zielorgan-Effektes M. Walter, Mai 2006 • • Ægut beherrscht ÆHigh-Tech Produkte Æin Entwicklung Der Trend geht immer mehr in Richtung komplexer Automatisierungssysteme Sicherer Entwurf und Verifikation / Validierung komplexer Systeme Æ noch großer Bedarf Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 33 M. Walter, Mai 2006 Vielen Dank für Ihr Interesse Philips Lehrstuhl für Medizinische Informationstechnik Helmholtz-Institut Seite 34 17