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© Robert Maier, E-Mail: [email protected]
Leseprobe zu „Punkfurt“
GENRE: ROMAN
AUTOR: ROBERT MAIER
Der Roman „Punkfurt“ spielt im Jahr
1981. Der Student Frank genießt sein
Leben zwischen Rockkonzerten und
Kneipen. Gäbe es nicht Hauptkommissar
Berger, der ihn für einen RAF-Terroristen
hält, wäre Franks Besuch im Hüttendorf
auf der Startbahn-West vielleicht ohne
Folgen geblieben. Als sich ausgerechnet
Bergers Tochter in Frank verknallt, ist dem
Hauptkommissar jedes Mittel recht, um
Frank hinter Gitter zu bringen.
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Kapitel 13
Die Kneipe, in der sie mit Heiko verabredet waren, war eine der coolen, mit lauter
Rockmusik und einem Publikum, das durchweg aus Hausbesetzern zu bestehen schien.
Frank und Michael waren froh, dass es mit der Verabredung noch für diesen Tag geklappt
hatte. Ohne Teddy, der heute arbeiten musste, und wegen des ständigen Nieselregens
wussten sie nicht so recht, was sie heute in Berlin machen sollten.
Frank und Michael arbeiteten sich durch dichten Zigarettenqualm, bis sie Heiko fanden. Er
saß mit Leuten an einem bierverklebten Tisch. Neben ihm sahen sie Mareike.
„Mit dem Loch im Bodenblech kommst du nie über den TÜV“, sagte jemand.
„Aber deshalb kann man den Bulli doch nicht verschrotten. Der fährt doch noch.“
Frank wurde klar, dass es um Heikos knallbunten VW-Bus ging.
„Ich kenne eine Werkstatt, die schweißen dir das“, meinte eine der Frauen am Tisch. „Die
haben mir für fünfzig Mark meinen R4 TÜV-fertig gemacht.“
Aus dem anerkennenden Staunen am Tisch versuchte Frank auf den Zustand des Autos zu
schließen. Hatte er draußen vor der Kneipe nicht einen völlig verrosteten R4 mit halbplatten
Reifen gesehen?
Die Bedienung kam, ein Typ mit langen Haaren und Vollbart, und Frank und Michael
bestellten Bier.
Das Gespräch drehte sich nun um Berliner Politiker, die von allen am Tisch für gekaufte
Vasallen der Bonzen angesehen wurden, die möglichst viel Profit aus den Grundstücken
herausschlagen wollten.
Michael, der wie Frank bisher nicht viel mehr als „Ja“ und „Ach so“ zur Diskussion
beigetragen hatte, meldete sich zu Wort:
„Haben die Bullen eigentlich schon mal versucht, euer Haus zu räumen?“
Er saß am Ende der Bank und musste sich nach vorne beugen, um einen Blick auf die Leute
zu erhaschen, die bisher die Unterhaltung bestritten hatten. Es war nicht zu übersehen, dass
eine der Frauen keinen BH trug, denn die Brustwarzen zeichneten sich deutlich auf ihrem TShirt ab. Diese Beobachtung hatte Frank auch schon gemacht, der Michael gegenüber saß
und deshalb eine optimale Sicht auf die Hauptakteure hatte, und auf das, was durch das lila
T-Shirt zu sehen war.
„Im Hüttendorf auf der Startbahn müssen wir jeden Moment mit einem Angriff der Bullen
rechnen“, schoss Frank etwas hektisch hinterher. Er wollte noch etwas Beeindruckendes
über seine tragende Rolle in der Telefonkette hinzufügen, aber das Gesicht über dem lila T-
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Shirt kam ihm zuvor:
„Hört uff. Ick will den da.“
Sie zeigte auf Frank und sah ihn grinsend an. Sie hatte kurze Haare, die sogar die Ohren
freiließen, ein freches Gesicht und wirkte wie der Typ Frau, der nach dem Essen
hemmungslos furzt – eine Sache, für die Frank größtes Verständnis hatte, weil das ja
natürlich und gesund war. Sie war älter als Frank, mindestens fünfundzwanzig.
Frank musste wegen des Gelächters am Tisch nichts erwidern, und Michael bekam seine
Frage mit wortreichen Schilderungen über Straßenschlachten beantwortet. Die Frau im lila
T-Shirt verscheuchte den Typen neben Frank und setzte sich auf dessen Platz.
„Du gefällst mir“, sagte sie grinsend.
„Ich heiße Karin, und die Männer in Berlin find' ich langweilig. Alles verirrte Seelen.“
Frank hätte jetzt etwas sagen sollen, aber ihm fiel nichts ein.
„Und du bist aus Frankfurt? Oder zumindest aus der Umgebung, wenn du was mit der
Startbahn West zu tun hast. Sind auch verirrte Seelen, die tapferen Leutchen in diesem
Hüttendorf.“
„Ich bin aus Frankfurt.“
Frank hatte seine Sprache wiedergefunden.
„Aber ursprünglich aus Butzbach.“
Karin lachte herzhaft. „Butzbach! Wo liegt das denn? Lustiger Name. Einen Butzbacher
hatte ich noch nie im Bett.“
Frank war unschlüssig, wie er reagieren sollte.
„Komm' mit mir, dann zeige ich dir ein original besetztes Haus von innen.“
Frank starrte auf das lila T-Shirt. Karin war wie eine dieser Eingeborenenfrauen in den
Dokumentarfilmen über den bedrohten Regenwald: exotisch und fremd. Frank hätte es nicht
erstaunt, wenn sie plötzlich aufgestanden wäre und neben dem Tresen hockend ihre
Notdurft verrichtet hätte.
Michael guckte beleidigt wie jemand, der an einem vielversprechenden Abend plötzlich
alleine gelassen wird, als Frank und Karin in Richtung Ausgang gingen.
Frank hatte das Gefühl, nicht selbst zu laufen, sondern von ihr gezogen zu werden. Er
konnte den Blick nicht von ihrem Hintern abwenden. Er schien eine exakte Kopie von
Birgits Hintern zu sein.
Draußen setzte Karin einen Motorradhelm auf und brachte mit einem versierten Tritt in den
Kickstarter eine Yamaha Enduro zum Wummern.
„Setz dich hinter mich“, sagte sie. „Und halt dich gut fest.“
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Frank hätte es uncool gefunden, nach einem Helm für ihn zu fragen, und umfasste
stattdessen die Taille vor ihm. Karin rief etwas von verirrten Seelen, als sie das Motorrad von
null auf etwas beschleunigte, was innerhalb geschlossener Ortschaften gewiss nicht erlaubt
war.
Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, trotzdem wurden Franks Hosenbeine vom
Nieselregen klatschnass. Nachdem sie die Enduro abgeschlossen hatte, strich Karin ihm die
zerzausten Haare glatt.
„Mit deiner Sturmfrisur siehst du aus wie Max von Max und Moritz.“
Dann nahm sie ihn an der Hand und zog ihn zu einer Eingangstür, über der auf einem
Spruchband Instandbesetzt zu lesen war. An den Fenstern des Hauses hingen weitere
Transparente mit provokativen Parolen. Als sie über eine mit Kartons vollgestellte Treppe in
den ersten Stock gingen, schallte ihnen aggressive Rockmusik entgegen. Karin grüßte einige
mürrische Gesichter, die Frank misstrauisch musterten, und zog Frank hinter sich her durch
eine der Wohnungstüren.
„Alles verirrte Seelen.“
Frank musste Hindernissen auf dem Boden ausweichen, bis er sich mit Karin in einem
Zimmer wiederfand, das von einem riesigen Hochbett dominiert wurde. Vor dem Fenster
konnte Frank eines der Transparente im Wind flattern sehen, das sich offenbar auf einer
Seite losgemacht hatte.
„Dann komm mal mit, Frank aus Butzbach.“
Karin war splitternackt und schickte sich an, die Leiter nach oben zu steigen.
Frank hatte eine Bemerkung über das flatternde Spruchband machen wollen. Stattdessen
stieg er wie hypnotisiert dem Po über ihm hinterher.
„Du hast dich ja noch nicht mal ausgezogen“, sagte Karin grinsend, als sie Frank aus der
nassen Hose half. Frank bemerkte mit einem gewissen Unbehagen, dass das Hochbett bei
jeder seiner Bewegungen ein lautes Knarren von sich gab, so als würde man auf einem
morschen Dielenboden herumhüpfen. Karin nahm Frank die Zigarette ab und zog ihn mit
routinierten Handgriffen vollständig aus. Der Sex auf dem knarrenden Hochbett war lang,
heftig und unglaublich laut. Danach reichte Karin Frank ein Tempotaschentuch, tapste die
Leiter hinunter und verschwand mit einem atemlosen „Uiuiui!“ aus dem Zimmer.
Frank zündete sich eine Zigarette an. Er dachte an Monika.
Hoffentlich würde Michael die Klappe halten.
***
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Plötzlich stand sie vor ihm.
Ihr vollkommener, nackter Körper leuchtete in einem gleißenden Rot. Um sie herum
samtene Dunkelheit. Und doch war da das Licht, das den aufregenden Körper der Frau zum
Strahlen brachte. Das Leuchten schien von ihr selbst auszugehen, gespeist von einer
magischen Energie im Inneren ihres nackten Leibes. Sie lächelte ihn an, als sie auf ihn
zukam. Sie war überwältigend schön. Ihr rotes Licht blendete ihn, als sie sich zu ihm
herunterbeugte, ihn mit ihren vollen Lippen küsste. Als er wieder sehen konnte, hatte sie sich
rittlings auf ihn gesetzt. Sie begann, sich sanft und rhythmisch auf und ab zu bewegen. Ihr Po
sah aus wie ein umgedrehtes Herz. Ihr Stöhnen wurde lauter. Sehr laut. Entrückt. Bald
ekstatisch.
Jede ihrer Bewegungen verursachte ein lautes Geräusch. Ein Grollen, dann ein Donnern!
Voller Entsetzen wurde Frank klar, wo er sich befand: auf einer riesenhaften Basstrommel!
Mit jeder Bewegung der Frau gab sie ein Dröhnen von sich, der die Luft zu pulsierenden
Stürmen verwirbelte. Überwältigt von ihrer Ekstase warf sich die Frau wieder und wieder
gegen weitere Trommeln, die um sie herum standen und wummernde Töne von sich gaben.
Sie hatte eine Orgie aus rhythmischem Krach entfacht. Sie war auch nicht mehr die
rotleuchtende Nymphe von zuvor. Es war Frau Bloch-Büchler, die dicke Lehrerin des
Chemie-Leistungskurses, die splitternackt auf Franks Unterleib auf- und niederwippte und
orgiastisch auf alles einschlug, was in ihrer Nähe war.
Frank bemerkte den Typ neben sich. Er hatte einen langen Bart, wie der Nikolaus, aber
keinen weißen, und eine E-Gitarre in der Hand. Neben ihm stand noch ein Mann. Auch er
hatte einen langen Bart. Er sang: „Lord take me downtown. I'm just lookin' for some tush.“
ZZ Top! Mit einem Mal wurde Frank klar, wo er war: Auf einer riesigen Bühne, inmitten
eines Konzerts der bekanntesten Texas-Rockband des Planeten. Und er wurde auf der
Bühne von der Chemielehrerin gevögelt! Frank hätte sich hinter einen der Verstärker
geduckt, aber Frau Bloch-Büchler nagelte ihn mit der ganzen Wucht ihres sechzigjährigen,
übergewichtigen Leibes auf die Basstrommel.
Als Frank sich hilfesuchend umsah, erblickte er zum ersten Mal das Publikum. Tausende,
vielleicht zigtausend Menschen schauten auf die Bühne, hörten ZZ Top und bewegten sich
im Rhythmus von Frau Bloch-Büchler.
Er erkannte Michael in der Menge und dessen vorwurfsvollen Blick. Es war wie ein Stich ins
Herz, als Frank Monika erblickte. Sie sah ihn zornig an. Dann füllten sich ihre Augen mit
Tränen. Sie wand sich schluchzend ab und verschwand in der Menge.
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***
Frank riss die Augen auf. Frau Bloch-Büchler! Und Monika! Er atmete keuchend. Seine
Haare waren von Schweiß verklebt. Er sah direkt über sich die Zimmerdecke. Wo war er
überhaupt? Er hörte lautes Poltern, gefolgt von einem Krachen, wie wenn Holz zersplittert.
Seine Nackenhaare sträubten sich. Sein Körper versuchte ihm zu signalisieren: Gefahr.
Als er sich aufrichtete, stieß er sich den Kopf an der Decke. Das, worauf er war, knarrte laut
und durchdringend. Das Hochbett. Ihm fiel wieder alles ein. Das instandbesetzte Haus. Der
Sex mit dieser verrückten Frau. Er musste sofort danach eingeschlafen sein. Trotzdem fühlte
Frank sich alles andere als ausgeruht. Im Haus war lautes Klopfen und Poltern zu hören. Das
Haus wird geräumt, schoss es ihm durch den Kopf. Er stieg die Leiter hinunter und blickte
vorsichtig aus dem Fenster. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er die Polizeiautos auf der
Straße sah.
Einige standen direkt vor dem Haus, andere in beide Richtungen die Straße entlang, offenbar
um den Verkehr abzusperren. Ein Polizeiauto stand vor der Einmündung zu einer
Seitenstraße. An zwei Stellen waren Kranwagen platziert. Soweit Frank es erkennen konnte,
reichten die Kräne bis zum Dach hinauf. Auf der Straße sah er Männer mit Sturmhauben
und Maschinenpistolen. Der Krach, der ihn geweckt hatte und nach wie vor zu hören war,
musste bedeuten, dass die Polizei die Dachfenster einschlug. Um sich Eintritt in das Haus zu
verschaffen! Er musste hier raus!
Ihm wurde bewusst, dass er splitternackt war. Er erinnerte sich, dass seine Kleider auf dem
Hochbett lagen. Als er mit aufkommender Panik die Leiter hochkletterte, klang das Gepolter
im Haus näher als zuvor. Oben angekommen hörte er zusätzlich Rufe und Schreie.
Ungeduldig suchte er in dem zerwühlten Bett seine Unterhose. In dem Augenblick, als er sie
fand, sah er, wie seine anderen Kleider von dem Kissen herunterrutschten, das er angehoben
hatte, und auf den Teppichboden fielen. In seiner Hektik zog er die Unterhose falsch herum
an. Als er sie wieder ausgezogen hatte, hörte er ganz in der Nähe laute, polternde Schritte.
Oh Mann. Sie waren direkt vor seiner Tür! Frank sehnte sich nach einer Zigarette. Er riss die
Unterhose – nun richtig herum – mit einem Ruck bis fast zum Bauchnabel hoch und tauchte
unter Karins große Bettdecke. Zitternd dachte er darüber nach, dass das Hochbett während
seiner hektischen Aktivitäten einen Heidenlärm gemacht hatte. Er suchte noch einen
Moment lang nach der optimalen Position, bei der die Füße nicht herausguckten und genug
Luft zum Atmen blieb, als er bemerkte, wie jemand in sein Zimmer kam.
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Er musste sich zwingen, weiter zu atmen, während er auf die Schritte im Zimmer lauschte,
die sich zunächst unschlüssig in verschiedene Richtungen zu bewegen schienen. Danach
kamen die Schritte auf ihn zu. Dann hörte man eine Weile nichts mehr. Frank spürte kalten
Schweiß auf seinem Körper. Für einen quälend langen Moment schien der Eindringling zu
überlegen, ob es sich lohnen könnte, die Leiter hochzusteigen. Dann entschied er sich
offenbar dafür, es zu tun.
Franks Herz begann mit mächtigen Schlägen, das Blut immer schneller durch seinen Körper
zu pumpen. Andere Organe reicherten es mit chemischen Verbindungen an, die Frank dazu
brachten, einen tiefen Atemzug zu nehmen und wie eine Muräne unter der Bettdecke
hervorzustoßen.
Der Fausthieb traf den überraschten Polizisten knapp unter dem linken Auge. Er schwankte
einen Augenblick auf der Leiter, suchte Halt an einem der Bettpfosten und schaffte es, noch
ein paar Sprossen nach unten zu taumeln. Dann stürzte er auf den Boden, wo er reglos liegen
blieb.
Frank kniete noch mit wild aufgerissenen Augen auf dem Hochbett, als zwei weitere
Polizisten mit Sturmhauben und Kampfmontur ins Zimmer stürmten.
Er ließ sich von dem einen widerstandslos mit Handschellen an die Heizung fesseln,
während der andere seinen reglosen Kollegen untersuchte.
„Er ist doch nicht etwa …?“
Die Polizisten ignorierten Frank.
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