Hld 4,1-16 - Katholisches Bibelwerk

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Hld 4,1-16 - Katholisches Bibelwerk
Praxisteil
1 5 7 _ „Schön bist du, meine Freundin ... “
(Hohelied 4,1-16)
Informationsteil
Name und Entstehungszeit
Das biblische Buch, das Martin Luther „Hohes Lied“
nannte, bezeichnet sich selbst als „Lied der Lieder“
(hebr. schir ha-schirim), was so viel heißt wie „das
größte/beste Lied“ (ein Superlativ). Seine Verfasserschaft wird in einer später hinzugefügten Notiz (1,1)
– wie auch bei anderen weisheitlichen Büchern
(Psalmen, Sprichwörter) – Salomo zugeschrieben.
Vielleicht hat diese Zuschreibung dem Büchlein den
Weg in den Kanon der Heiligen Schriften der Juden
und Christen geebnet, handelt es sich doch inhaltlich um eine Sammlung profaner Liebeslieder.
Deutung vor allem im Mittelalter eine große Bedeutung hatte, die sie erst im 18./19. Jh. langsam
einbüßte, hat es doch seit frühester Zeit immer
Ausleger gegeben, die das Buch „wörtlich“ verstanden, eben als Lobpreis menschlicher Liebe.
Im Übrigen hat auch der Wortsinn des Buches
seine religiöse Bedeutung. In der alten Welt, in
der es die heutige Trennung von religiös und profan noch nicht gab, wurde die Macht der Liebe
stets religiös erfahren. Nach biblischer Überlieferung ist der Mensch als Mann und Frau „Bild
Gottes“ (Gen 1,27), ja die Zweigeschlechtlichkeit
des Menschen wird geradezu bejubelt mit dem
Viele Parallelen mit der Liebeslyrik des Alten Ägyp- Ausruf des Mannes: „Das endlich ist Bein von
ten lassen auf eine Entstehungszeit der Lieder zwi- meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“
schen dem 8. und 6. Jh. v. Chr. schließen, als enge Be- (Gen 2,23).
ziehungen zwischen Palästina und Ägypten herrschten. Seine heute vorliegende Form hat die Lied- D i e B i l d s p r a c h e
sammlung aber erst spät gefunden, entweder in der Dass sich das Hohelied für eine allegorische Auspersischen oder gar erst in der hellenistischen Zeit legung geradezu anbot, liegt an seiner Bildspra(4./3. Jh. v. Chr.). Auf Grund seiner guten Kenntnis che. Bei den im Hohenlied gebrauchten Bildern
des syrisch-palästinischen Raumes wird als Entste- handelt es sich durchaus nicht einfach um Aushungsort des Buches Palästina angenommen.
schmückungen, die man bei der Auslegung getrost übergehen könnte, sondern um das WesentIm Streit der Auslegungen
liche dieser Dichtung. Unablässig suchen die LieDie Ausnahmestellung dieser Sammlung profaner benden nach treffenden Vergleichen, um der
Liebeslieder innerhalb der biblischen Schriften hat Schönheit ihrer Liebe den angemessenen Ausdazu geführt, dass man schon sehr früh versuchte, druck zu verleihen. Die Sprache, die sie wählen,
dem Hohenlied eine „tiefere theologische Bedeu- spricht einerseits „verhüllend“ und ruft nach
tung“ abzugewinnen. Hatten noch die Übersetzer Entschlüsselung, andererseits ist sie aber auch
des Buches ins Griechische (Septuaginta) im 3. Jh. v. „offenbarend“, d.h. sie sucht nach einem passenChr. das Buch in seinem eindeutigen Wortsinn als den Vergleichsbild, das auch dem Leser/der LeLiebeslyrik verstanden, so begann bereits im 1. Jh. serin etwas sagt, weil sie bereits ähnliche Erfahn. Chr. innerhalb des Judentums eine allegorische rungen gemacht haben. Dieses hochkomplizierte
Auslegung, eine Deutung „im übertragenen Sinn“ System verhüllender und enthüllender Sprache
zu greifen, die dann auch von den Christen über- der Liebe hat einen ganz eigenen Reiz – wenn
nommen wurde. Auch wenn diese allegorische auch nur für Liebende.
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Praxisteil
15 7 _ „Schön bist du, meine Freundin ... “
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hebräische Poesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Sprache hebräischer Poesie bietet im Parallelismus ein
geniales Ausdrucksmittel für bildhafte Vergleiche. Indem in
einer folgenden Zeile die Aussage der vorhergehenden entweder leicht variiert (synonym) oder ihr widersprochen
wird (antithetisch), entsteht keine direkte Beschreibung,
sondern ein Verstehensraum, der für die Deutung offen
bleibt. Der Spielraum der Assoziation wird dadurch überhaupt erst eröffnet, dass Bilder nebeneinander gestellt werden. Gerade bei einem „Beschreibungslied“ wie Hohelied
4,1-7 ist es für das Verständnis unabdingbar, dass keine direkte Beschreibung des Aussehens erwartet wird (z.B. „Du
hast lange lockige schwarze Haare“), sondern emotionale
Wirkung erzielt werden will, etwa das Gefühl der Wildheit
des herabwallenden Haars durch den Vergleich mit einer einen Berg herabstürmenden Ziegenherde hervorgerufen
wird: „Dein Haar: wie eine Herde Ziegen, die vom Gileadgebirge herabstürmt“ (4,1).
Zur folgenden Bibelarbeit
Die im Folgenden vorgestellte Bibelarbeit entstand
in einer Werkstatt zur Vorbereitung des 8. Bandes
der Reihe „WerkstattBibel“ mit dem Thema „Gärten“, der im Frühjahr 2005 im Verlag Katholisches
Bibelwerk erscheinen wird .
Der Text Hohelied 4,1-16 wird darin in zwei
Themenschwerpunkten bearbeitet:
1. „Schön bist du“ (4,1-7)
2. „Ein verschlossener Garten“ (4,12-16)
II
Informationen zum Text:
Beim Text Hld 4,1-7 handelt es sich
um ein Beschreibungs- oder Bewunderungslied, in dem die erotische
Wirkung der Geliebten ihrem Körper
entlang vom Kopf bis zum Schoß besungen wird. Dabei werden Bilder und
Begriffe aus der Tier- (V. 1.2.5) und
Pflanzenwelt (V.3) assoziativ nebeneinander gestellt (s.o.). Der Rahmenvers „schön bist du“ (4x) zeigt das Ziel
dieses Liedes an: die im Überschwang
der Gefühle geäußerte Bewunderung der Schönheit der Geliebten.
Im Text Hld 4,12-5,1 begegnet uns
ein Rollengedicht in Form eines werbenden Dialogs zwischen Bräutigam (4,12-15; 5,1) und Braut
(4,16). Das metaphorische Bild für die Liebe, das
hier gebraucht wird, ist das des orientalischen „Königsgartens“ (vgl. Koh 2,4-6). Damit wird nicht nur
der Ort der Liebe beschrieben, sondern auch die
Geliebte selbst. Der Schlussvers 5,1 mit dem Aufruf zum Essen und Trinken ist „als Chiffre für die
Liebe, speziell für den Geschlechtsverkehr, zu entschlüsseln“ (W. Bühlmann).
Bibelarbeit
Vorbereitung
D Der Vers 1c „Deine Blicke (sind) Tauben ...“ wird
Es wird ein Stuhlkreis gestellt und eine „schöne“
Mitte gestaltet mit farbigen Tüchern, Duftlampe,
Klangschale, ...
zum Anlass genommen für folgende Aktion: Jeder
verschleiert mit bereitgelegten Tüchern (dünnen
Schals) das Gesicht bis auf die Augen, alle wählen ein
Tuch, binden es sich gegenseitig, gehen umher,
schauen ...; dazu läuft (orientalische) Musik, Augenpaare begegnen einander und begegnen sich im Spiegel ... (ein schöner Spiegel wird aufgestellt/aufgehängt).
D Nach etwa 10 Min. werden die Tücher abgelegt,
TN setzen sich.
1. Annäherung an den Text
Die TeilnehmerInnen (TN) sitzen im Stuhlkreis. Zu Beginn erklingt die Klangschale, dann wird die Bibelarbeit thematisch in ihren beiden Teilen kurz vorgestellt.
„Schön bist Du, meine Freundin“
D Einstiegsfrage:
Versucht Euch zu erinnern, wann Ihr zuletzt etwas
wirklich „Schönes“ gesehen/erlebt habt, etwas, das
Euch „bezaubert/verzaubert“ hat.
2. Textarbeit
Der Text Hohelied 4,1-7, gesprochen von Anna
Thalbach, wird gemeinsam von CD angehört (CD
„Das Hohelied Salomos”; ISBN 3-933199-35-2).
D Die TN werden eingeladen zu schauen, was jeder
an „Schönheitsmitteln“ dabei hat (in der Handtasche:
Parfums, Lippenstift, Kamm, Puder, Spiegel, ...) bzw.
an sich trägt, und eines davon vorzustellen.
D Dann wird der Text nochmals gemeinsam angehört, diesmal mit Textblatt zum Mitlesen.
D
Plenumsgespräch im Stuhlkreis
D Wie war das?
D Es folgt eine Kurzinformation im Plenum zur
Poesie des Hohenliedes (s.o. Informationsteil).
D Dazu wird der Text Hohelied 4,1-7 auf einem
Arbeitsblatt ausgeteilt in zwei Spalten „Bild/Vergleichsbild“, z.B.: Deine Blicke | Tauben.
Einzelarbeit
D Die TN erhalten ein Arbeitsblatt, auf dem die ursprünglichen Vergleichsbilder weggelassen sind,
also nur noch steht: Deine Blicke, Dein Haar, Deine
Zähne, Deine Lippen ...
D Arbeitsauftrag: Für die andere Spalte heutige
Bilder als Vergleichsbilder finden, so dass ein eigenes, persönliches Liebeslied entsteht.
D Dazu läuft leise Musik.
Hinweis: Die Ergebnisse werden nicht ausgetauscht oder gar kommentiert.
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III
Praxisteil
15 7 _ „Ein verschlossener Garten bist du... “
Bibelarbeit
„Ein verschlossener Garten bist Du“
3. Vertiefung/Aktualisierung
Gemeinsam wird von CD angehört: Melchior
Franck, „Meine Schwester, liebe Braut ...“ (Das Hohelied Salomos „Du bist aller Dinge schön“. Eine
Sammlung Liebeslieder; Arte Nova Classics CD
74321654172) mit Textblatt Hld 4,12-16 zum Mitlesen.
D
Einzelarbeit
Jeder gestaltet mit Legematerialien (bereitgelegte Tücher, Steine, Perlen, Hölzchen, Schnüren,
Kordeln ...) einen „verschlossenen Garten“.
D Alle gehen umher und betrachten die „verschlossenen Gärten“.
D Gespräch in 3er-/4er-Gruppen über das Symbol
des Gartens und die Bedeutung von „Verschlossen
sein“:
D D Warum ist es so wichtig, dass ein Garten eine
D Grenze hat, dass er „verschlossen“ ist?
D D Was ist kostbar, was braucht Schutz in meiD nem Garten?
D
D Hohelied 4,16 wird vorgelesen. Jeder schaut noch
einmal ihren/ seinen Garten an und verweilt dort 2-3
Min.; wer möchte, kann den Garten auch noch ergänzen, damit er für sie/ihn „stimmt“. Hohelied 4,16
wird durch die Leitung nochmals (2x) vorgelesen,
während er/sie zwischen den „Gärten“ umhergeht.
D Plenumsgespräch:
DD Wenn ich das Bild des Gartens auf mich selbst
D beziehe: Was macht der Wind mit meinem Garten?
DD Was verändert sich?
D Zum Schluss wird die Musik von Melchior Franck
(Hld 4,12-16) nochmals angehört. Dann räumen alle
in Ruhe und in Stille als „Ausklang“ ihre Gärten auf,
während die Musik von Melchior Franck mit Texten
zum Hohenlied weiterläuft.
Dieter Bauer, Katharina Funk und Erika Steiner
Katharina Funk lebt in Brütten/Zürich und ist Erwachsenenbildnerin und Psychodramaleiterin. Erika Steiner lebt in
Villigen/Aargau und ist Erwachsenenbildnerin, Kalligraphin und Religionslehrerin.
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