Weltrekord in Zermatt: Das ist das grösste Iglu der Welt - Iglu-Dorf

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Weltrekord in Zermatt: Das ist das grösste Iglu der Welt - Iglu-Dorf
PRAXIS
Weltrekord in Zermatt
Das ist das grösste Iglu der Welt
In Zermatt ist ein Weltrekord aufgestellt worden: Innerhalb von elf Tagen baute die Iglu-Dorf GmbH
zu ihrem 20-Jahre-Jubiläum auf 2727 Metern über Meer das grösste Schneeiglu der Erde:
12,9 Meter im Durchmesser, 9,92 Meter Innenhöhe. Zugleich ist es
der höchstgelegene Showroom der Welt.
Bild: Manuela Talenta
Von Manuela Talenta
PRAXIS
Bilder: © www.iglu-dorf.com
Unter widrigsten Wetterbedingungen wird mit der Wasserwaage gemessen, ob die
Fläche, auf der das Iglu stehen
wird, auch wirklich eben ist.
S
eit 20 Jahren baut die Iglu-Dorf GmbH
Hotels aus Schnee und Eis. An inzwischen
sieben Standorten entstehen jeden Winter
Iglus: Davos-Klosters, Gstaad, Engelberg, Stockhorn, Zermatt, auf der deutschen Zugspitze und
in Andorra in den Pyrenäen. Sie werden jedes
Jahr innerhalb weniger Wochen gebaut, erfreuen
sich während der Saison grosser Beliebtheit –
und schmelzen wieder weg, wenn der Frühling
und mit ihm wärmere Temperaturen in die Berge
kommen.
Gleich zwei Rekorde
In Zermatt liegt das Iglu-Dorf neben der Skipiste, und zwar an der Strecke der GornergratBahn zwischen den Stationen Riffelberg und
Rotenboden auf rund 2700 Metern Höhe. 14
Iglus sind im Januar dort gebaut worden. Und eines davon geht in die Geschichte ein: Als grösstes Schneeiglu der Welt wird es nämlich ins
Guinness Buch der Rekorde aufgenommen. Der
Rekord ist am 30. Januar offiziell bestätigt worden. Die Ausmasse sind in der Tat beachtlich:
12,9 Meter Innendurchmesser und 9,92 Meter
Innenhöhe. Insgesamt 1387 Schneeziegel oder
rund 60 Tonnen Schnee wurden in etwa 2000
Stunden verbaut. Ausserdem ist das Iglu der
höchstgelegene Showroom der Welt. Autohersteller Volvo, der grösste Partner der Iglu-Dorf GmbH,
hat Ende Januar per Helikopter den neuen
Wagen XC 90 auf den Berg fliegen lassen, damit
er während der Saison im Iglu ausgestellt wird.
ten uns anpassen.» Das Wetter, so Günter, sei
sehr launisch gewesen. «Teilweise fielen die Temperaturen in der Nacht auf bis zu minus 24 Grad
Celsius, und es gab regelrechte Schneestürme.
Wir mussten mit Skibrille und Gesichtsmaske
arbeiten.» Die extremen Bedingungen forderten
auch von den Maschinen ihren Tribut: Sie kamen an ihre Belastungsgrenzen. «Die Ketten der
Motorsägen, mit denen wir die Schneeblöcke
schnitten, rissen immer wieder.» Ausserdem
sei der Lift kaputtgegangen, der den Iglu-Bauern
helfen sollte, die 35 bis 45 Kilogramm schweren
Blöcke (zirka 60 × 45 × 20 Zentimeter) in die
Höhe zu befördern. «So blieb uns nichts anderes übrig, als sie selbst zu tragen.»
Kampf mit den Elementen
Der Bau des Weltrekord-Iglus nahm (ohne Innenausbau) elf Tage in Anspruch. Gearbeitet wurde
in zwei Teams zu sieben bis neun Leute, die jeweils Doppelschichten schoben, sodass praktisch
rund um die Uhr gearbeitet wurde. Adrian Günter, Gründer der Iglu-Dorf GmbH und Bauleiter
des einen Teams: «Ein Trupp fing um 13 Uhr an.
Wir arbeiteten etwa bis 19 Uhr, assen zu Abend
und arbeiteten danach bis etwa 1 Uhr weiter.
Danach schliefen wir im Iglu-Dorf und fingen
morgens um 7 Uhr wieder an, bis uns das andere Team um 13 Uhr ablöste.» Es sei ein sehr
hartes Stück Arbeit, ein grosser Einsatz gewesen. «Es war jedoch toll zu sehen, wie unser
Iglu von Tag zu Tag wuchs.»
Doch der Bau war auch kräftezehrend. «Wir
haben mit den Naturkräften gekämpft und muss36 baublatt
Die Spirale ist das Geheimnis
Die letzten Schneeziegel werden verbaut.
Vier Etagen Gerüst und in der Mitte ein Massstock helfen den Iglu-Bauern beim Weltrekord.
Nr. 6, Freitag, 12. Februar 2016
Nr. 6, Freitag, 12. Februar 2016
Soweit also die Zahlen und Fakten. Doch wie
baut man eigentlich ein Iglu, das nicht in sich zusammenfällt – zumal ein derart grosses? Adrian
Günter erklärt: «Zuerst suchten wir uns eine genügend grosse Fläche, die wir einebneten und
bewässerten, damit sie glatt war.» Mit einem
baublatt 37 PRAXIS
LINKTIPP
Auf baublatt.ch/iglu
finden Sie eine Bilderstrecke sowie ein
Video zum Bau im Zeitraffer.
terste Reihe, die dann gefror und einen Eisring
bildete. Es folgte Reihe um Reihe, das Iglu wuchs
spiralförmig. Doch je höher es wurde, desto
mehr Probleme machte das Gewicht der Schneeblöcke. «Das hatten wir unterschätzt. Sie wurden
einfach zu schwer.» Also habe man die Arbeit
adaptieren – «das ist ein besseres Wort als improvisieren» – und die Blöcke kleiner und dünner
schneiden müssen. «Weil wir so hoch bauten,
brauchten wir auch Gerüste.» Mit 25 Helikopterflügen war das Material eingeflogen worden –
und mit ebenso vielen nach getaner Arbeit
wieder zurück ins Tal. «Insgesamt bauten wir im
Inneren vier Gerüstetagen.»
Aussen wurde das Iglu immer wieder beschneit, sodass es nun nicht wie ein Iglu aussieht, sondern eher wie ein kleiner Berg. Günter
erklärt: «Der Schnee rundherum dient einerseits
als Isolation, damit die Temperatur im Innern
konstant bei etwa null Grad bleibt. Andererseits
sorgt er für Stabilität.»
Richard L. Handy, die sich mit Iglu-Bau befasst.
«Er ging von einem Iglu mit zehn Metern Durchmesser aus. Wir aber wollten rund 25 Prozent
mehr haben.» Dies einerseits, um den aktuellen
Weltrekord zu übertreffen, der 12,1 Meter Durchmesser beträgt und in Österreich erreicht wurde,
andererseits aber auch, weil sich das Iglu um
eben diese 25 Prozent absenken wird. «Denn der
Schnee arbeitet; ausserdem ist das Bauwerk
unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt.» Bei
der Anpassung der Grösse konnten die Iglu-Bauer
auf das Know-how von Pierre Dalban von der
Firma Geotest in Zollikofen zählen. Das Unternehmen arbeitet im Bereich von Sicherheitsanalysen auf Gletschern.
Bilder: Manuela Talenta
Massband wurde dann der Durchmesser des Iglus bestimmt und angezeichnet. Exakt in der Mitte
des Kreises stellte das Bau-Team eine Stange
mit einer Richtschnur auf, um immer wieder den
Radius prüfen und ihn verkleinern zu können, je
höher das Iglu wuchs. Direkt neben dem Standort wurde der Steinbruch – ja, Iglu-Bauer nennen
das so – aus zusammengeschobenem Schnee
eingerichtet, wo ein Forstwart und ein Zimmermann die Blöcke zurechtschnitten. Es folgte die
erste Reihe. «Und dann kam das eigentliche Geheimnis des Iglu-Baus: Wir schnitten eine Spirale
hinein.» Dank dieser Methode verfüge jeder gelegte Schneeblock über eine Aufwärtsbewegung,
und die Ziegel könnten sich gegenseitig stützen,
erklärt der Profi. Um ein stabiles Fundament zu
erzeugen, bewässerten die Iglu-Bauer die un-
GPS-Überwachung für die Sicherheit
Damit die Sicherheit während der gesamten
Saison hinweg gewährleistet bleibt, ist auf dem
Dach des Schneebaus ein GPS-Gerät installiert
worden, sodass er vom Hauptsitz der Iglu-Dorf
GmbH in Stansstad überwacht werden kann.
An den Wänden sind darüber hinaus überall
Sensoren in die Schneeblöcke eingearbeitet
worden. «Sie wurden von der ETH Zürich angebracht, die aus unserem Iglu einen 3D-Scan erstellt haben und seine Bewegungen beobachten.»
Damit wollen die Forscher testen, inwiefern sich
diese Technologie auf Lawinenbewegungen anwenden liesse.
Das Weltrekord-Iglu ist also nicht nur eine
bauliche Meisterleistung, sondern dient auch
noch dem Erproben von künftigen Möglichkeiten,
die Bergwelt etwas sicherer zu machen. Jedenfalls, bis es das Schicksal aller Iglu-Dörfer teilt
und in der Sonne wegschmilzt ... ■
Im Iglu-Dorf am Fuss des Matterhorns
kann man nicht nur übernachten, sondern
auch «sünnele», essen und trinken.
So entstanden die Iglu-Dörfer
Adrian Günter ist Ski- und Snowboardlehrer.
Um nicht in aller Herrgottsfrühe aufstehen zu
müssen, um als erster auf der Piste zu sein,
beschloss er eines Tages, sich direkt am Berg
ein Iglu zu bauen und darin zu schlafen. «Ein
paar meiner Freunde fanden die Idee toll, sodass wir in Scuol mehrere Iglus bauten», erinnert er sich. Leute aus dem Dorf und Touristen fanden das super und fragten immer häufiger, ob sie in den Iglus schlafen dürften. Die
Geschäftsidee war geboren. Das erste so entstandene Dorf wurde im Winter 1997 / 97 erbaut und bot Platz für 15 Personen, die ein
aussergewöhnliches Naturerlebnis suchten –
schliesslich ist es in einem Iglu nicht unbedingt
warm, sodass in warmer Skiunterwäsche in
Polarschlafsäcken genächtigt wird.
Die Ballonmethode
In den folgenden Jahren wuchs die Nachfrage
stetig, sodass eine Optimierung des Iglu-Baus
nötig wurde. Denn die klassische Bauweise
ist sehr zeitintensiv. Günter: «Ich probierte verschiedenste Materialien für eine Konstruktion
aus wie Holz- oder Metallschalen.» Schliesslich kam er auf die simple, aber geniale Idee,
Wetterballons zu verwenden. Das Prinzip ist
einfach: «Man bläst einen Ballon bis zu einer
gewissen Grösse auf und schleudert anschliessend Schnee mit Hilfe einer Schneefräse auf
In der Eiform das
«Ei des Kolumbus» gefunden
Wäre es nicht beschneit worden, würde das Iglu
wie ein halbes Ei aussehen. Das Team wählte
bewusst nicht die klassische Halbkugelform. «Wir
hielten uns ans Ei. Für unsere geplante Grösse
stellte sich diese natürliche Form als ideal heraus.» Als Grundlage hierfür diente den Erbauern
die Doktorarbeit «The Igloo and the Natural Bridge
as Ultimate Structures» (Das Iglu und die natürliche Brücke als gegliederte Konstruktionen) von
38 baublatt
Adrian Günter, einer
von zwei Bauleitern
am Weltrekord-Iglu.
Nr. 6, Freitag, 12. Februar 2016
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den Ballon. Wenn sich der Schnee gesetzt hat
– das kann manchmal eine ganze Nacht dauern –, lassen wir die Luft entweichen.» Günter
liess die Idee 2002 patentieren und baut
seither nur noch mit dieser Methode. «Beim
Weltrekord-Iglu war dies jedoch aufgrund seiner Grösse nicht möglich.» Aber ansonsten
habe er für jede Form – ob das Iglu selbst oder
seinen Eingang – einen eigenen Ballon.
Zermatts Iglu-Bau-Zone
In der Wintersaison 2004 / 05 expandierte die
Iglu-Dorf GmbH ins Wallis und baute das erste
Iglu-Dorf in Zermatt. «Das war eigentlich illegal», erinnert sich Adrian Günter schmunzelnd.
Denn die «Siedlung» befand sich in der Landwirtschaftszone. Aber die Gemeinde duldete
die Attraktion und liess den Firmengründer gewähren. «Einige Jahre später aber wurde das
Zermatter Iglu-Dorf sozusagen legalisiert.» Die
Gemeindeversammlung beschloss im Jahr
2011, eine sogenannte Iglu-Bau-Zone ins Gesetz aufzunehmen – wahrscheinlich die einzige im ganzen Land. Daraufhin wurde der
Standort des Iglu-Dorfs umgezont, und seither dürfen Adrian Günter und seine Helfer
hier nach Herzenslust und ganz offiziell ihrer
Leidenschaft frönen. ■
(mt)
www.iglu-dorf.com
baublatt 39 PRAXIS
48574
Beteiligte Firmen
❯❯ Volvo Car Switzerland AG,
Zürich (Hauptpartner)
❯❯ Stihl Vertriebs AG,
Mönchaltorf
❯❯ Gornergrat Bahn,
Brig
❯❯ AS Gerüste AG, Zermatt
Bild: Manuela Talenta
MOTOREX. UND ES LÄUFT WIE GESCHMIERT.
❯❯ BSF Swissphoto, Regensdorf
❯❯ Burgergemeinde Zermatt
❯❯ ETH Zürich
❯❯ Geotest AG, Zollikofen
❯❯ Zermatt Bergbahnen AG,
Zermatt
❯❯ Maiergrill AG, mehrere
Standorte
❯❯ Zermatt Tourismus, Zermatt
Lieferanten
❯❯ Planax Ingenieure,
Geometer, Raumplaner,
mehrere Standorte
❯❯ Alpin Cargo AG, Visp
❯❯ Air Zermatt AG, Zermatt
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