08_Stark_Exotische Zinsderivate

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08_Stark_Exotische Zinsderivate
Gunnar Stark / Christian Loose
Exotische Zinsderivate im kommunalen Schuldenmanagement
Ÿ Eine Analyse der jüngsten CMS-Spread-Ladder-Swap-Geschäfte Ÿ
Dr. Gunnar Stark ist Mitarbeiter
am Lehrstuhl für Bank- und Finanzwirtschaft der FernUniversität in Hagen und unterstützt
als Fachberater den Geschäftsbereich Public Treasury Management bei Rödl & Partner, Niederlassung Köln. Seine weiteren Arbeitsgebiete sind Privatfinanz
und Finanzmärkte.
Christian Loose (Dipl.-Kfm.) ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Lehrstuhl für Bank- und Finanzwirtschaft mit den Themenschwerpunkten Risikomanagement und speziell ABS-Transaktionen.
Für wertvolle Hinweise danken
wir einem anonymen Gutachter
sowie Univ.-Prof. Dr. Michael
Bitz und Prof. Dr. Udo Terstege.
I. Einleitung
Märkte
In jüngster Zeit schlieûen Kommunen und gemeinwirtschaftliche
Unternehmen
vermehrt
Zinsderivate ab. Sie beschränken sich
hierin nicht auf klassische Zinsswaps, sondern wenden sich zunehmend exotischeren, komplexen
Zinsprodukt-Konstruktionen aus
den Financial-Engineering-Abteilungen deutscher und internationaler Investmentbanken zu. Hierbei
werden diverse Spielarten mannigfach kombinierter Zins- und Währungskursbezüge zu einem Bündel
umweltzustandsabhängiger Zahlungspositionen komponiert. Besondere Aufmerksamkeit und wirtschaftliche Bedeutung hat der sog. CMS-SpreadLadder-Swap (im Folgenden CSL-Swap) erlangt.
Der Beitrag untersucht Motiv und Erfolg seines
Einsatzes. In Abschn. II. wird die Vertragsgestaltung eines CSL-Swaps an einem anonymisierten
Praxisbeispiel aus einer deutschen Kommune
dargestellt. Abschn. III. erläutert anhand zweier
Szenarien die Ermittlung der Zahlungsergebnisse dieses CSL-Swaps und erfasst mithilfe einer
historischen Simulation, zu welchen Ergebnissen der CSL-Swap in der Vergangenheit geführt
hätte. Abschn. IV. präsentiert eine Bewertung
auf Basis impliziter Terminzinssätze. Abschn. V.
beschlieût den Beitrag mit einer Zusammenfassung.
II. Vertragsmerkmale des CMS-SpreadLadder-Swaps
1. Der Zinsswap als Grundstruktur
Merkmal jedes Zinsswaps ist, dass beide Vertragsparteien während der Vertragslaufzeit sowohl Zahlungsansprüche als auch Zahlungspflichten treffen. Im üblichen Fall hat eine Swappartei von Vertragsbeginn an feststehende Zahlungen zu leisten, während die Zahlungspflicht
der anderen Partei variabel ist. Das Volumen sowohl der festen wie der variablen Zahlungen ergibt sich über die Multiplikation einer vertraglichen Bemessungsgrundlage ± dem Nennvolumen des Zinsswaps ± mit einem Zinssatz. Man
spricht daher auch vom ¹Tauschª (=Swap) eines festen gegen einen variablen Zins. Der variable Zins knüpft an einen anerkannten Referenzzins an, sehr häufig den 3-Monats-Euribor. Die
Höhe des jeweils vereinbarten festen Zinses
wird von den Vertragsparteien individuell festgelegt.
Das Swapgeschäft ist eine gängige finanzintermediäre Leistung geworden. Daher ist eine der
Vertragsparteien eines Swaps zumeist eine
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Bank, wodurch das Geschäft mit Zinsswaps eine
institutionelle Standardisierung erfahren hat.
Die vielen Abschlüsse erlauben eine kontinuierliche Marktbeobachtung der Höhe des jeweils
vereinbarten festen Zinssatzes einer ZinsswapVereinbarung. Der feste Zinssatz wird dabei der
Einfachheit halber mittlerweile als Swapsatz
(manchmal auch: Swapzinssatz) bezeichnet.
Der Swapsatz ist eine laufzeitabhängige Gröûe.
Der feste Zins eines über zwei Jahre laufenden
Zinsswaps kann z.B. kleiner sein als der eines
zum selben Zeitpunkt vereinbarten Zinsswaps
zehnjähriger Laufzeit. Die Swapsätze orientieren sich am Verlauf der Zinsstrukturkurve, die
das Zinsniveau von Krediten an erstklassige
Schuldner im Verhältnis zur vereinbarten Kreditlaufzeit beschreibt. Das bedeutet: Die Swapstrukturkurve gleicht nahezu der Zinsstrukturkurve.
2. Constant Maturity Swap (CMS)
Mit der regelmäûigen Feststellung von Swapsätzen ist das Swapgeschäft selbst zu einem ¹referenzfähigenª Standard geworden. Damit sind
nun auch Swapgeschäfte möglich, die ihrerseits
wiederum auf Swapgröûen als Referenzsätze zugreifen. Dies geschieht beim Constant Maturity
Swap (CMS). Der variable Zins eines CMS richtet sich nach dem Swapsatz einer bestimmten
Laufzeit, z.B. eine halbjährliche Anpassung an
den am Markt jeweils geltenden Swapsatz für
Zinsswaps zehnjähriger Laufzeit. Die Laufzeit
des referenzierten Zinsswaps bleibt stets gleich,
daher die Bezeichnung Constant Maturity.
3. Zusammensetzung von Swap und CMS zum
CMS-Spread-Ladder-Swap
Bei einem CSL-Swap richtet sich die variable
Zahlung wie beim eben erläuterten CMS ebenfalls nach Swapsätzen, jedoch mit der Besonderheit, dass die Bindung nicht auf einen Swapsatz
abstellt, sondern auf die Differenz zweier Swapsätze. Die Bezeichnung Spread im Namen des
CSL-Swaps weist also auf den Charakter eines
Differenzgeschäfts hin. Ladder bezieht sich auf
weitere feste Zahlungselemente, die im Zeitablauf eine treppenförmige Abfolge beschreiben. Damit wollen wir nun den CSL-Swap in seiner Gesamtheit an einem Beispiel aus dem Derivateportfolio einer deutschen Kommune vorstellen.
Der CSL-Swap ist also wie ein gewöhnlicher
Swap eine Vereinbarung zwischen Bank und
Kommune, die beide Parteien verpflichtet, der
jeweils anderen Partei Zahlungen zu leisten. In
unserem Beispiel bestehen zehn halbjährliche
Zahlungszeitpunkte. In jedem dieser zehn Zeitpunkte flieût genau eine Zahlung von einer Partei zur anderen. Wer jeweils Zahlungsleistender
und wer Zahlungsempfänger ist, ergibt sich aus
FINANZ BETRIEB 10/2007
Tab. 1: Zahlungsermittlung im Zeitablauf bei flacher Zinsstruktur (Spalten 2-8 in% des Nominalvolumens sowie
Spalte 9 in Mio. E)
FINANZ BETRIEB 10/2007
Märkte
der Aufrechnung der im jeweiligen Zeitpunkt
entstehenden Zahlungspflicht der Parteien. Die
Zahlungspflichten bemessen sich wie folgt, wobei Bemessungsgrundlage der Prozentwerte ein
vereinbartes Nominalvolumen des CSL-Swaps
ist, das hier mit 100 Mio. E unterstellt sei:
l Die Bank hat an die Kommune eine feste
Zahlungspflicht von 3% p.a., also zehn Halbjahreszahlungen à 1,5 Mio. E.
l Die Kommune hat an die Bank eine Zahlungspflicht, die sich für die beiden Halbjahreszeitpunkte je eines Vertragsjahrs nach folgendem Schema bemisst:
l 1. Jahr: 1,25% p.a.
l 2. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 ”
[(1,02% ± (10-Jahres-Swapsatz ± 2-Jahres-Swapsatz )]
l 3. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 ”
[(0,82% ± (10-Jahres-Swapsatz ± 2-Jahres-Swapsatz )]
l 4. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 ”
[(0,62% ± (10-Jahres-Swapsatz ± 2-Jahres-Swapsatz ]
l 5. Jahr: Zinssatz der Vorperiode + 3 ”
[(0,42% ± (10-Jahres-Swapsatz ± 2-Jahres-Swapsatz )]
Als Besonderheit ist zu beachten, dass die
Bezeichnung ¹Vorperiodeª benutzt wird, nicht
etwa ¹Vorjahrª. Es bestehen zwei Perioden pro
Vertragsjahr, sodass ab dem zweiten Jahr in
jeder Halbjahresperiode die Konditionen neu
festzustellen sind. Die variablen Gröûen der
runden Klammer richten sich nach der jeweils
aktuellen Höhe des Zehn- respektive Zweijahres-Swapsatzes. Der Kontrakt sieht eine
Laufzeit von April 2005 bis April 2010 vor,
wobei die halbjährlichen Zahlungszeitpunkte
und Zahlungsanpassungen jeweils zum Periodenende (Fixingzeitpunkte) stattfinden (vgl.
zum Konstrukt Abb. 1).
Der Zinsfaktor it der variablen Zahlung ergibt
sich ab der 3. Periode aus dem Zinsfaktor der
Abb. 1: Struktur des CSL-Swaps (halbjährliche Zahlungen)
Vorperiode (it-1) zuzüglich eines vertraglich
festgelegten, periodenindividuellen Anstiegs st
abzüglich der Differenz der aktuell (in Periode
t) vorherrschenden Referenzswapsätze mit
Fristigkeit a und b (rta und rtb). Der Faktor st ±
üblicherweise mit Strike1) bezeichnet ± wird
jeweils für zwei aufeinanderfolgende Perioden
gleichbleibend festgelegt und sinkt im Zeitablauf. Im konkreten Fall betragen die zum
Vertragsabschluss fixierten Strikes 1,02 für die
3. und 4. Halbjahresperiode; 0,82 für die 5. und
6. Periode; 0,62 für die Perioden 7 und 8 und
0,42 für die letzten beiden Perioden. Einige
Summanden werden mit einem Faktor c
multipliziert, der für eine entsprechende Hebelwirkung sorgt.
III. Analyse der Zahlungswirkungen
1. Szenarioanalyse
a) Flache Zinsstruktur
Das Zahlungsergebnis des CSL-Swaps ist besonders sensitiv hinsichtlich der Differenz der Referenzswapsätze (Spread). Die Differenz geht
zudem mit einem Hebel von 3 in die Ermittlung
1) Überschreitet (Unterschreitet) der Strike den Spread der
beiden Differenzzinssätze in einer Periode, so steigt (sinkt)
der Zinsfaktor gegenüber der Vorperiode. Es ist damit keine Ausübungs- oder Wertverfallgrenze gemeint, wie dies
bei Optionsgeschäften häufig der Fall ist.
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Tab. 2: Zahlungsermittlung im Zeitablauf bei konstanter Zinsdifferenz von einem Prozentpunkt (Spalten 2-8 in%
des Nominalvolumens, Spalte 9 in Mio. E)
Märkte
des Zinsfaktors ein. Um die Sensitivität zu veranschaulichen, werden im Folgenden zwei vereinfachte Szenarioanalysen durchgeführt. Dabei
wird davon ausgegangen, dass die Zinsdifferenz
über alle Perioden konstant bleibt. In einem ersten Szenario sei dieser Wert mit null angenommen, wie es bei einer flachen Zinsstruktur der
Fall ist.
Es ergibt sich insgesamt ein negativer kumulierter Zahlungssaldo i.H.v. 36,13 Mio. E, wie Tab. 1
auf S. 611 zu entnehmen ist. Dieser resultiert aus
den Zinserhöhungen, die sich allein dadurch ergeben, dass der Zinsfaktor in jeder Periode um
den Betrag 3 ” st erhöht wird. Der Zinsfaktor
steigt bis zur letzten Periode auf einen Wert von
über 18%.
b) Zinsstruktur mit konstanter Steilheit
In einem zweiten Szenario sei nun angenommen, die Steilheit der ansteigend verlaufenden
Zinsstrukturkurve verändere sich im Zeitablauf
nicht. Unterstellt sei eine konstante Zinsdifferenz zwischen zehn- und zweijähriger Fristigkeit von einem Prozentpunkt ± dies gleicht etwa
dem historischen Mittel. Dann ergibt sich das in
Tab. 2 zu sehende Bild.
Es entsteht ein positiver kumulierter Zahlungssaldo i.H.v. 17,87 Mio. E. Der Zinsfaktor
entwickelt sich in diesem Fall für die Kommune
gar so positiv, dass er unter einen Wert von
Null2) auf minus 5,47% in der letzten Periode
absinkt. Das Gesamtergebnis reagiert sehr
sensitiv auf Veränderungen der Swapsatzdifferenz. Wie sich leicht errechnen lässt, ergibt sich
bei einer über die Laufzeit konstanten Swapsatzsituation eine Break-even-Differenz von
0,67 Prozentpunkten, bei der der kumulierte
Saldo der über die zehn Halbjahre hinweg von
den Parteien einander gewährten Zahlungen
gerade null ist. Oberhalb dieses Werts erzielt
die Kommune einen Zahlungsüberschuss; mit
jedem Basispunkt zusätzlich ungefähr 0,5
Mio. E.
612
2. Historische Simulation
a) Grundfall
Anhand historischer Rückrechnungen soll die
Schwankungsintensität aufgezeigt werden, die
sich für die kumulierten Zahlungssalden eines
fünfjährigen CSL-Swaps der unter II.3. beschriebenen Konditionengestalt für historische Laufzeitfenster seit 1972 ex post ergeben hätte. Dabei stellt sich das Problem, dass die Festlegung
der numerischen Konditionen eines CSL-Swaps
abhängig ist von der jeweils herrschenden Zinsstruktur, insbesondere von der Differenz zwischen Zehn- und Zweijahresswapsatz. Um
gleichwohl einen realistischen Eindruck möglicher Zahlungssaldenschwankungen zu vermitteln, bedarf eine kapitalmarkthistorische Simulation einer Normierung auf die Swapsatzdifferenzverhältnisse des Angebotszeitpunkts (in unserem Beispielsfall Frühjahr 2005).
Die einzige Variable, die den Zahlungssaldo eines
CSL-Swaps beeinflusst, ist die Swapsatzdifferenzgröûe. Allein ihre Veränderung im Ablauf acht
festgelegter Halbjahreszeitpunkte entscheidet
über Erfolg oder Misserfolg. Daher gilt es für eine
historisch abgeleitete Einschätzung, lediglich das
¾nderungsverhalten dieser Marktgröûe zu beobachten sowie dessen Wirkung auf den CSL-Zahlungssaldo zu erkennen. Denn in diesem Fall interessiert nicht, welche absoluten numerischen
Konditionen die Teilnehmer an einem simulierten
Markt für CSL-Swaps im Hinblick auf die tatsächliche Zinsstruktursituation eines jeweiligen historischen Zeitpunkts wohl vereinbart hätten.
Vielmehr ist einzig untersuchungswürdig, wie
sich ein gedachter CSL-Swap ± mit welchen numerischen Konditionen auch immer er versehen
worden wäre ± vom jeweiligen historischen Fixpunkt aus im Zeitablauf entwickelt hätte.
2) Häufig wird die variable Zahlungsseite eines CSL-Swaps
mit einem Cap und/oder Floor versehen, wobei letzterer
typischerweise auf null Prozent vereinbart wird, was negative Zinsfaktoren ausschlösse. Es wird hier aber auf die Berücksichtigung von Caps oder Floors verzichtet.
FINANZ BETRIEB 10/2007
Im Frühjahr 2005 betrug die Differenz zwischen
10- und 2-Jahresrendite für Bundesanleihen rd.
einen Prozentpunkt und befand sich damit ungefähr auf dem Niveau des historischen Mittels3). Dieses Niveau sei für 353 monatliche Abschlusszeitpunkte von Oktober 1972 bis Februar
2002 zugrunde gelegt. Es wird nun studiert, welcher kumulierte Zahlungssaldo sich über die jeweils folgenden fünf Jahre (also Endzeitpunkte
von Oktober 1977 bis Februar 2007) aus dem
CSL-Swap ergeben hätte, unter Zugrundelegung
der am Rentenmarkt tatsächlich eingetretenen,
absoluten Veränderung der Zinsdifferenz. D.h.,
für jeden der zu einem Abschlusszeitpunkt zu
kalkulierenden acht Fixingzeitpunkte wird die
maûgebliche Zinsdifferenz aus der Summe
zweier Gröûen berechnet: Dem unterstellten einen Prozentpunkt des Abschlusszeitpunkts (Minuend) sowie der Differenz aus der historischen
Zinsdifferenz des simulierten Fixingzeitpunkts
und der historischen Zinsdifferenz des zugehörigen Abschlusszeitpunkts (Subtrahend).
Abb. 2 hält die Ergebnisse dieser kapitalmarkthistorischen Simulation in einem Histogramm
fest. Es zeigt die Häufigkeiten des auf volle zehn
Mio. E gerundeten kumulierten Zahlungsergebnisses aus allen jeweils zehn beteiligten, halbjährlichen Zahlungszeitpunkten. Der stets identische feste Teil (der sich aus den jeweils ersten
Summanden der Formel für it ergibt) ist in der
Darstellung bereits mitberücksichtigt. Dieser beträgt aus Sicht der Kommune minus 36,13 Mio. E
(vgl. auch die Summenzeile der Tab. 1 auf
S. 611), die sich zusammen mit den kalkulierten
Zahlungsergebnissen aus dem variablen Konditionenteil zum dargestellten gesamten Zahlungsergebnis fügen. Der Mittelwert der simulierten Gesamtergebnisse beträgt etwa plus 20
Mio. E kumulierter Zahlungssaldo zugunsten
der Kommune. Ein Ergebnis in der Gröûenordung dieses Mittelwerts trat auch (mit) am häufigsten auf (Modus), wie an der zugehörigen
Säule in Abb. 2 zu erkennen ist. Abb. 3 illustriert
denselben Sachverhalt in einem Chart, auf dessen Zeitachse die Abschlussmonate abgetragen
sind, während auf der Ordinate die zugehörigen
kumulierten Zahlungssalden zugeordnet sind.
FINANZ BETRIEB 10/2007
Abb. 3: Kumulierte CSL-Zahlungssalden im Zeitablauf
der Abschlussmonate
Märkte
Beispiel für den Beginnmonat Oktober 1972: Bis
zum ersten zu diesem Beginnmonat gehörigen
Fixingzeitpunkt April 1974 sinkt die tatsächliche
Zinsdifferenz um 0,29 Prozentpunkte. Daher
wird in unserer Simulation ebenfalls mit einer
um 0,29 Prozentpunkte von den unterstellten
1,00 auf 0,71 Prozentpunkte gefallenen Zinsdifferenz kalkuliert. Indem so der Einfluss der jeweils herrschenden historischen Ausgangslage
in der Simulation eliminiert ist, wird der allein
interessierende Einfluss der historischen Veränderung der Zinsdifferenzgröûe isoliert. Dasselbe Procedere gilt für die weiteren sieben Fixingzeitpunkte, die zum Beginnmonat Oktober
1972 gehören (Okt. 1974 bis Okt. 1977), bzw.
für alle anderen 352 betrachteten Beginnmonate
(Nov. 1972 bis Feb. 2002) sowie deren acht zugehöriger Fixingzeitpunkte gleichermaûen, wobei die Höhe der jeweiligen Halbjahreszahlung
sich kumulativ aus der oben unter II.3. beschriebenen Formel errechnet.
Abb. 2: Häufigkeitsdiagramm der kumulierten CSLZahlungssalden aus 353 Simulationen
Nach den Ergebnissen der Simulation hätte das
Produkt langfristig zu positiven Zahlungssalden
geführt, auch wenn dies offensichtlich nur um
den Preis einer erheblichen Ergebnisspreizung
gelang. Negative Gesamtergebnisse sind in etwa
30% der Fälle zu finden. In den schlechtesten
Fällen ergeben sich für die Kommune kumulierte Gesamtergebnisse im Bereich von minus 100
Mio. E. Allerdings sind diese selten. Sie resultieren aus Abschlussjahrgängen gegen Ende der
achtziger Jahre.
Natürlich unterliegen solche Simulationsläufe
stets dem Einwand einer nichtexakten Nachbildung der tatsächlichen Marktgegebenheiten.
Nichtsdestoweniger hätten sie ausgereicht, um
dem kommunalen Entscheider ex ante einen
Eindruck vom Risiko eines CSL-Swaps zu vermitteln. Im Übrigen arbeiten auch die anbietenden Banken bei der Bewerbung des CSL-Swaps
mit ähnlichen Rückrechnungen4).
b) Fall mit Kündigungsrecht
Der besprochene Kontrakt der Kommune besaû
entgegen den bisherigen Annahmen die Beson3) Anstelle von Swapsätzen werden aufgrund der Verfügbarkeit historischer Zeitreihen Renditegröûen von Bundeswertpapieren herangezogen. Die hieraus berechnete Zinssatzdifferenz ist mit der Swapsatzdifferenz nahezu identisch.
Für die Berechnung wurden die von der Deutschen Bundesbank in ihrer Zinsstrukturstatistik unter den Bezeichnungen ¹WZ 3401ª und ¹WZ 3409ª geführten Zeitreihen für
börsennotierte Bundeswertpapiere (mit Kuponzahlungen)
zwei- bzw. zehnjähriger Restlaufzeit verwendet.
4) Vgl. z.B. o.V., bdp aktuell 12/2005 S. 9, sowie zu den Gefahren von Rückrechnungen bei Finanzprodukten Stark,
Grundsätze zur Privatfinanz, 2005, S. 207-214.
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Märkte
derheit eines einseitigen Kündigungsrechts der
Bank. Es sei vereinfacht unterstellt, dass die
Bank immer dann kündigt, sobald in einem Fixingzeitpunkt auf Basis der dann aktuellen Zinsdifferenz (z.B. in t = 2) als numerische Erwartung für die kommende Zinsdifferenz (für t = 3)
die erwartete Einzahlung der Bank zum nächsten Fixingzeitpunkt geringer wäre als der feste
Betrag, den die Bank zu zahlen hat.
Die Simulation ergab, dass die Bank die Kündigung in der Mehrzahl der Fälle bereits im erstmöglichen Zeitpunkt nach einem Jahr vornehmen würde. Damit verbleibt der Kommune der
fest zugesagte Zahlungsüberschuss aus den ersten beiden Vertragshalbjahren5). Zu hinterfragen
ist, inwieweit diese Mehrzahl der für die Kommune positiven Ausgänge durch die geringere
Zahl der negativen Fälle beeinträchtigt wird. Die
Simulation führt in 264 von 353 Fällen (75%)
zu einer Kündigung vor Beginn der variablen
Vertragsperioden und damit einem vereinnahmten Zahlungssaldo von je 1,75 Mio. E für die
Kommune. In weiteren 32 Fällen führt eine Kündigung nach Beginn der variablen Vertragsperioden zu einem vereinnahmten Zahlungssaldo
für die Kommune in Höhe eines kleinen einstelligen Millionenbetrags. Damit weist die Simulation in 84% der Fälle für die Kommune einen
positiven kumulierten Zahlungssaldo aus dem
CSL-Swap aus.
In den verbleibenden 16% ergibt sich aber ähnlich wie bei der Berechnung ohne Kündigungsrecht ein breites Spektrum negativer Ergebnisse
zwischen minus 10 und minus 120 Mio. E.
Abb. 4 zeigt deutlich die an Stillhaltergeschäfte
erinnernde Ergebnisstruktur: Sehr vielen kleineren Gewinnen stehen einige beträchtliche Verluste gegenüber. Zudem erahnt man den negativen Durchschnittswert, der etwa minus 9 Mio. E
aus Sicht der Kommune beträgt. Damit ergibt
sich anders als im Fall ohne Kündigungsrecht
nicht nur eine hohe Ergebnisvolatilität, sondern
auch eine ¹systematischeª Verlustkonstellation
für die Kommune.
lungsanspruch aus einem solchen Swap variabel
vereinbart werden kann, während dann die Zahlungsverpflichtung aus dem Zinsswap konstant
bleibt (Payer Swap)6). Ein solcher Effekt ist beim
CSL-Swap jedoch nicht zu konstatieren, weil
dort auf beiden Vertragsseiten neben festen auch
variable Zahlungspflichten involviert sind: Der
CSL-Inhaber empfängt Zahlungen in Abhängigkeit von der Zehnjahreskondition und leistet
Zahlungen in Abhängigkeit von der Zweijahreskondition, wobei für beide Fristigkeiten der jeweils aktuelle, zugehörige Marktsatz maûgeblich ist und nicht etwa für eine Seite ein festes
Niveau aus einer zum Abschlusszeitpunkt gültigen Marktgröûe zugrunde gelegt würde. Damit
ist eine risikokompensierende Wirkung zu einem Grundgeschäft nicht gegeben.
Zudem ist im Gegenteil durch die kumulative
Verknüpfung der Zahlungsfunktion für die Kommune eine Risikokonzentration auf die Zinsstrukturgestalt früher Vertragshalbjahre festzustellen, während das Zinsniveau in den späten Vertragshalbjahren einen unterdurchschnittlichen Einfluss auf den Gesamtzahlungssaldo
hat. Denn eine früh eintretende ungünstige Konstellation pflanzt sich auf spätere Jahre aufsummiert fort, weil ein Nachteil sich von Periode zu
Periode ¹vererbtª und verstärkt. So hat etwa die
Swapsatzdifferenz im ersten Fixinghalbjahr einen achtmal so groûen Einfluss auf den Gesamtzahlungssaldo wie die des letzten Fixinghalbjahrs. Damit wird bewusst abgewichen von dem
zumeist gegebenem Effekt sog. Zeitdiversifikation ± einer Verteilung von Kreditaufnahmen und
-prolongationen auf verschiedene Haushaltsjahre mit einhergehender natürlicher Zinslastmittelung ± und somit geringerer Abhängigkeit vom
Kreditzinsniveau eines einzelnen Jahrs. Der
CSL-Swap erzeugt die gegenteilige Wirkung, eine Zeitkonzentration.
Offenbar gilt der Abschluss von CSL-Swaps nicht
der Risikosteuerung, sondern einer Verringerung
des Zinsaufwands für laufende Kreditschulden.
Dahinter steht das Kalkül, der Zehnjahresswapsatz werde höher sein als der Zweijahressatz.
Man geht also von einer ¹normalenª Zinsstruktur
aus. Wenn deren Steigung hinreichend steil ausgeprägt bleibt, beschert sie dem Inhaber eines
CSL-Swaps dauerhafte Zahlungsüberschüsse.
Weil die künftige Zinsstruktur unbekannt ist,
ist das Zahlungsergebnis freilich unsicher. D.h.,
der tatsächliche Erfolg des Derivateinsatzes kann
± anders als bei einem traditionellen, ¹perfekten
Hedgeª7) ± erst ex post festgestellt werden.
b) Erfolgsvoraussetzungen
Beim klassischen Zinsswap bedingt eine erfolgreiche Verwendung nicht notwendigerweise,
Abb. 4: Kumulierte CSL-Zahlungssalden mit Kündigungsrecht im Zeitablauf der Abschlussmonate
3. Qualitative Analyse
a) Risikowirkung
Ein herkömmlicher Zinsswap kann z.B. Zinsrisiken variabler Kredite eliminieren, weil der Zah614
5) Finanzwirtschaftlich kann man den CSL-Swap mit Bankenkündigungsrecht daher auch als Verkauf einer Option
durch die Kommune an die Bank auffassen. Die Kommune als Stillhalter muss abwarten, ob die Bank ihr Kündigungsrecht ausübt oder nicht und erhält für diese asymmetrische Warteposition eine ¹Optionsprämieª in Form
des sicheren Nettozahlungssaldos im ersten Vertragsjahr.
6) Näheres vgl. z.B. bei Hull, Optionen, Futures und andere
Derivate, 6. Aufl. 2006, insb. S. 192-195.
7) Vgl. Bitz, in: Gebhardt/Gerke/Steiner (Hrsg.), Handbuch
des Finanzmanagements 1993, S. 649-650 (658-659).
FINANZ BETRIEB 10/2007
IV. Bewertung
1. Mark-to-Market
Für die Bewertung wird häufig die Methode der
Duplikation herangezogen. Möchte man das
FINANZ BETRIEB 10/2007
CSL-Geschäft duplizieren, werden jedoch zahlreiche Einzelgeschäfte benötigt. Für den dritten
Zahlungszeitpunkt (nach 18 Monaten) z.B.
müsste die Kommune am Finanzmarkt bereits
zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (April
2005) ein spezielles Swapgeschäft abschlieûen.
Ein solches Swapgeschäft muss eine negative
Zahlung in Höhe des 2-jährigen Swapsatzes gegenüber einer positiven Zahlung in Höhe des
10-Jahres-Swapsatzes bezogen auf das dreifache13) Swapvolumen des zu duplizierenden Geschäfts (hier der 100 Mio. E) für eine Restlaufzeit von acht Halbjahresperioden enthalten. Für
den Zahlungszeitpunkt der vierten Periode ist
ein entsprechendes Geschäft für sieben Perioden
abzuschlieûen, usw.14).
Die Konstruktion ist geeignet, ihre Risiken eher zu verschleiern denn sie offenzulegen, was vor dem Hintergrund der Anwenderzielgruppe nicht unproblematisch
scheint.
Aus Vereinfachungsgründen wird der Weg der
Duplikation nicht weiter verfolgt. Statt der Bewertung mittels Duplikation werden am Markt
in t = 0 existierende Zinssätze und daraus ableitbare implizite Terminzinssätze15) für eine Bewertung herangezogen. Es soll somit der Barwert der Zahlungen aus dem CSL-Swap im Abschlusszeitpunkt ermittelt werden16). Die zu ermittelnden Terminzinssätze determinieren sowohl die Zinsfaktoren des CSL-Swaps als auch
die Diskontierungsfaktoren. Dies führt schlieûlich zu nahezu gleichwertigen Ergebnissen wie
eine Duplikation17). Zunächst werden für die
Diskontierung der Zahlungen die zeitspezi-
Märkte
dass der Saldo aller Zahlungsempfänge und
Zahlungsleistungen aus dem (für sich isoliert
betrachteten) Kontrakt positiv ist. Denn im Verbund mit einem abzusichernden Grundgeschäft
vereitelt auch ein negativer kumulierter Zahlungssaldo aus einem derivativen Kontrakt im
Gesamtsaldo der Zahlungswirkungen aus
Grundgeschäft und Derivat den angestrebten
Gesamterfolg nicht. Das ist beim exotischen
Zinsderivat ganz anders. Da bei ihm regelmäûig
nicht Risikosteuerung, sondern Zinsverringerung der angestrebte Erfolg ist, bedarf es ± von
extremen Zinseffekten einmal abgesehen8) ± eines positiven Zahlungssaldos aus dem exotischen Kontrakt.
Daraus folgt, dass der Kontraktkontrahent9) einen negativen Zahlungssaldo gleichen Betrags
erleiden muss. Somit hat das Schuldenmanagement jene Derivatofferten zu identifizieren, die
anderen ± häufig professionell aufgestellten ± Finanzakteuren systematisch Auszahlungen verursachen.
Angesichts der Effizienz von Finanzmärkten10)
gibt es nur wenige finanzwirtschaftliche Erscheinungen, die einen Lösungsweg für eine
solche Aufgabe versprächen. Als einziger Weg,
durch Finanzkontrakte Nettozahlungen der hier
erforderlichen Weise zu generieren, wird daher
von theoretischen wie empirischen Arbeiten
gleichermaûen das Erzielen von Risikoprämien
hervorgehoben11). Die langfristige Renditeüberlegenheit von Anleihen langer Zinsbindung im
Vergleich zu ansonsten identischen Anleihen
geringerer Restlaufzeit ist in der Tat als
Erscheinungsform einer Risikoprämie einzuordnen12), weil das Kursänderungsrisiko von
Anleihen längerer Zinsbindung jenes sog. Kurzläufer erheblich übersteigt. Insofern basiert der
CSL-Swap auf der nachvollziehbaren Grundidee, Risikoprämien aus der Zinsstruktur zu
verdienen. Der CSL-Inhaber tut der Grobstruktur nach das gleiche wie eine Eigenhandelsbank, die revolvierend mit kurzer Zinsbindung versehene Mittel am Finanzmarkt
aufnimmt, um sie höherverzinslich in längerlaufenden Forderungen gegen andere Schuldner investiert zu belassen. Nur geschieht dies
beim CSL-Swap nicht so unmittelbar und
einfach, sondern auf dem erheblich komplizierteren Weg der unter II.3. berichteten Beschaffenheit.
An dieser schwer durchschaubaren Konstruktion setzt der wesentliche Kritikpunkt am CSLSwap an. Die kumulative Verknüpfung der Zinsfaktoren erzeugt zusätzliches Risiko über das
natürliche Maû jeder konventionellen Fristentransformation hinaus, dem keine weitere Risikoprämie gegenübersteht. Die Konstruktion ist
geeignet, ihre Risiken eher zu verschleiern denn
sie offenzulegen, was vor dem Hintergrund der
Anwenderzielgruppe nicht unproblematisch
scheint.
8) Ein Kontrakt, der in frühen Vertragsstadien sehr hohe Einzahlungen erwirtschaftet, denen erst sehr viel später noch
höhere Auszahlungen folgen, könnte vermittels Zinserträgen aus einer Anlage der frühen Einzahlungen trotz eines
negativen Zahlungssaldos noch zu einem zufrieden stellenden Endvermögensergebnis führen.
9) Die Möglichkeit der Weitergabe des unsicheren Zahlungsstroms von Seiten der Bank an einen Subkontrahenten
(Hedging der Bank) ist zwar durchaus üblich, wird hier
aber nicht betrachtet.
10) Zur Effizienzmarkttheorie und -empirie vgl. insb. die Überblicksartikel von Fama, JoF 1970 S. 383-417 und Fama,
JoFE 1998 S. 283-306.
11) Vgl. etwa Kaen, Corporate Finance, 1995, Kap. 7, sowie
Dimson/Marsh/Staunton, Triumph of the Optimists, 2002,
insb. Kap. 12.
12) Vgl. z.B. Dimson/Marsh/Staunton, a.a.O. (Fn.11), insb.
Abschn. 6.3.
13) Dies ergibt sich aus dem Multiplikator c.
14) Im Ergebnis hätte das CSL-Geschäft ± abgesehen von Zinseszinseffekten ± einen Wert von Null, wenn diese abzuschlieûenden Kontrakte letztlich zu Einzahlungen i.H.v.
36,13 Mio. E führen würden (vgl. die Summenzeile der
Tab. 1 auf S. 611).
15) Implizite Terminzinssätze ergeben sich aus Arbitrageüberlegungen im Rahmen eines vollkommenen Finanzmarkts.
In der Realität dürfte es nur zu geringen Abweichungen
zwischen den impliziten Terminzinssätzen und den tatsächlich zu realisierenden Terminzinssätzen kommen,
wenn der Kontraktpartner einen geeigneten Zugang zum
Finanzmarkt besitzt.
16) Hier ohne Berücksichtigung eines Kündigungsrechts.
17) Vgl. z.B. Wiedemann, Financial Engineering ± Bewertung
von Finanzinstrumenten, 2003, S. 113-116 (120-129),
der für eine korrekte Duplikation diverse Korrekturverfahren kalkuliert, die im Ergebnis zu geringen Anpassungen
im Bereich von wenigen hundertstel Prozentpunkten eines
Terminzinssatzes führen.
615
Restlaufzeit y in Jahren
Nullkuponrendite (in % p.a.), r0,y
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
2,190
2,290
2,420
2,550
2,665
2,780
2,880
2,980
3,070
3,160
Tab. 3: Zinsstruktur in t = 0 (Nullkuponrendite)
Restlaufzeit y in Jahren
Nullkuponrendite (in % p.a.), r2,y
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,1263
3,2415
3,3217
3,4118
3,4879
3,5687
Tab. 4: Für t = 2 implizierte Zinsstruktur (Nullkuponrendite)
Betrachtungszeitpunkt t*)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
2 Jahres-Zinssatz
2,5467 2,7807 3,0227 3,2233 3,4089 3,5757 3,7299 3,8705 4,0010
4,0955
10 Jahres-Zinssatz
3,7024 3,8299 3,9525 4,0580 4,1540 4,2376 4,3127 4,3831 4,4462
4,4995
Spread
1,156
0,404
1,049
0,930
0,835
0,745
0,662
0,583
0,513
0,445
*) Zu beachten ist hier nochmals, dass t den Endzeitpunkt der jeweiligen Periode bezeichnet und dass zwei Perioden ein Jahr wiedergeben.
Tab. 5: Implizite Kuponterminzinssätze und Spreads der nächsten 10 Perioden
fischen Zerobond-Abzinsungsfaktoren benötigt.
Für die Abschätzung der Zahlungen aus dem
CSL-Swap hingegen werden im weiteren Verlauf
die jeweiligen zeitpunktspezifischen Swapsätze
zu ermitteln sein.
Märkte
Im ersten Schritt werden nun die Zerobond-Abzinsungsfaktoren aus den impliziten Terminzinssätzen ermittelt. Für die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (t = 0) vorzunehmende Berechnung der Terminzinssätze sind nicht nur die in t
= 0 vorherrschenden 2-Jahres- und 10-JahresZinssätze relevant, sondern es gilt, die gesamte
Zinsstrukturkurve (hier anhand von Nullkuponrenditen) zu betrachten. Um die impliziten Terminzinssätze der Folgezeitpunkte zu ermitteln,
müssen in t = 0 die halbjährigen Zinssätze bis
zur Restlaufzeit von 15 Jahren erfasst werden18).
s lassen sich für die nachfolgenden zehn halbjährlichen Zeitpunkte die Terminzinskurven mittels
Arbitrageüberlegungen ermitteln19). Aus der z.B.
hier geltenden Zinsstrukturkurve (in Tab. 3 werden der Anschaulichkeit halber nur die ersten
fünf Laufzeitjahre angegeben), ergibt sich dann
z.B. für den Zeitpunkt in zwei Jahren der in Tab.
4 dargestellte Verlauf20).
Es kommt hier aufgrund der zu Beginn nicht
sehr steil verlaufenden Zinsstrukturkurve zwar
nicht zu einer inversen impliziten Terminzinsstruktur, aber doch zu einer Zinsabflachung,
wie auch in der nachfolgenden Abb. 5 für die
impliziten Terminzinsstrukturen der Zeitpunkte
t = 0, t = 2 und t = 5 deutlich wird.
Anhand der drei in Abb. 5 beispielhaft angeführten impliziten Terminzinsstrukturkurven wird
insbesondere deutlich, dass der Abstand zwischen dem 2-jährigen und dem 10-jährigen Zinssatz deutlich geringer wird. So liegt dieser Abstand in t = 0 noch bei 1,230 Prozentpunkten,
während er für t = 2 bereits auf 0,796 Prozentpunkte geschrumpft ist und für den Zeitpunkt t
= 5 nur noch 0,395 Prozentpunkte beträgt. Die
aus den Nullkuponrenditen ermittelten impliziten Terminzinssätze werden im Folgenden für
die Diskontierung der zukünftigen Zahlungen
herangezogen21).
Im zweiten Schritt werden nun für die Ermittlung
der Zinsdifferenz üblicherweise Swapsätze herangezogen. Die ermittelten Nullkuponrenditen
werden deshalb in Kuponzinssätze transformiert22). Diese Kuponzinssätze weichen nur unwesentlich von den Swapsätzen ab. Es ergeben
18) Es wurden die Zeitreihen ¹WZ 9810ª und ¹WZ 9826ª (vgl.
Fn. 3) für börsennotierte Bundeswertpapiere 2- bzw.
10-jähriger Restlaufzeit herangezogen (hier Monatsendstand März 2005). Der unterjährige Zinssatz für das erste
Halbjahr entstammt der Bundesbank-Zeitreihe ¹SU 0325ª
(Geldmarktsätze/EURIBOR
Sechsmonatsgeld/Monatsdurchschnitt).
19) Zur Bewertungsrelevanz von Terminzinssätzen auch bei
unsicheren Erwartungen über die künftige Zinsstruktur vgl.
Hartmann-Wendels/Gumm-Heuûen, ZfB 1994 S. 12931300, sowie Terstege, Die Relevanz von Marktzinssätzen
für die Investitionsbeurteilung ± zugleich eine Einordnung
der Diskussion um die Marktzinsmethode, Diskussionsbeitrag Nr. 328 des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der
Fern Universität Hagen, 2002.
20) Die allgemeine Ermittlungssystematik ergibt sich aufgrund
der bereits erwähnten Arbitrageüberlegungen wie folgt:
Zerobondabzinsungsfaktor in t = 0 mit Restlaufzeit y ist
Nullkuponrendite, beginnend in y mit Restlaufzeit x ist:
Abb. 5: Für verschiedene Zeitpunkte implizierte Zinsstrukturkurven (Nullkuponrendite)
616
21) Auf eine Darstellung der ermittelten Zerobondabzinsungsfaktoren wird verzichtet.
FINANZ BETRIEB 10/2007
Tab. 6: Zahlungsverlauf gem. impliziter Kuponterminzinssätze
2. Berücksichtigung von Marktunvollkommenheiten und heterogenen Zinserwartungen
Generell müssen zwei Bedingungen erfüllt sein,
damit ein Abschluss eines solches Kontrakts ±
abgesehen von generellen Fragen der Risikowirkung dieses Instruments ± für die Kommune
vorteilhaft erscheint:
1. Die Kommune muss eine von den impliziten
Terminzinssätzen abweichende Zinsmeinung
besitzen.
2. Das Geschäft darf nicht über Finanzmarktgeschäfte günstiger herstellbar sein.
Die zweite Bedingung lässt sich ohne nähere
Kenntnis des Finanzmarktzugangs der KomFINANZ BETRIEB 10/2007
Märkte
sich die in Tab. 5 auf S. 616 verzeichneten impliziten Kuponterminzinssätze für die folgenden
zehn Zeitpunkte; man beachte insbesondere
den fallenden Verlauf des impliziten Spreads.
Legt man die in der Tab. 5 auf S. 616 angegebenen impliziten Terminkuponzinssätze für die Ermittlung der entsprechenden Zinsfaktoren zugrunde und diskontiert diese Zahlungen mit den
impliziten Terminzinssätzen, so resultiert das
Ergebnisbild aus Tab. 6.
Der Wert des Kontrakts beträgt aus Sicht der
Kommune ± abgesehen von Transaktionskosten
± minus 0,7535 Mio. E. Zu diesem Betrag gelangt man, wenn man die gem. impliziten Terminkuponzinssätzen erwarteten Zahlungen mit
den entsprechenden Zerobond-Abzinsungsfaktoren multipliziert. Die Kommune hätte diesen
Kontrakt ± vorausgesetzt es bestehen entsprechende Finanzmarktzugänge und die impliziten
Terminzinssätze entsprechen exakt den tatsächlich abschlieûbaren Terminzinssätzen am Finanzmarkt ± somit etwas günstiger über entsprechende Geschäfte am Finanzmarkt realisieren können. Unter diesen strikten Bedingungen
würde keine Kommune dieses Geschäft mit der
Bank abschlieûen, selbst dann nicht, wenn die
eigene Zinsprognose von den Zinssätzen gem.
impliziter Zinsstrukturkurve abweicht.
Abb. 6: Entwicklung des Zinsfaktors im Vergleich zur
fixen Einzahlung (bei um 0,10 Prozentpunkte erhöhten Spreads)
mune nicht beantworten. Es kann aber festgehalten werden, dass der Abschluss des Geschäfts nur sinnvoll sein kann, wenn eine hinreichende Marktunvollkommenheit hinsichtlich
des Finanzmarktzugangs der Kommune besteht.
Interessant ist nun, ob die Zinsmeinung der
Kommune bei Vertragsabschluss gravierend von
den impliziten Terminzinssätzen abweichen
müsste, um bei diesem Geschäft zu einem positiven Urteil zu kommen. Beispielhaft sei deshalb
die Zinsdifferenz zwischen dem 2-Jahres- und
22) Die allgemeine Ermittlungssystematik zur Herleitung von
Kuponzinssätzen aus Zerobondabzinsungsfaktoren ergibt
sich wie folgt (zu beachten ist hierbei, dass nicht Halbjahreszinssätze herangezogen wurden, sondern Jahreszinssätze): Kuponverzinsung, beginnend in y mit Restlaufzeit x ist:
Vgl. auch Marusev/Pfingsten, Bank 1992 S. 171.
617
Märkte
10-Jahres-Zinssatz um 0,10 Prozentpunkte höher angenommen als durch die impliziten Terminkuponzinssätze unterstellt. Prognostiziert
die Kommune einen solchen Zinsverlauf, so ergibt sich für sie ein positiver Erwartungsbarwert
i.H.v. 4,07 Mio. E bzw. ein kumulierter erwarteter Zahlungssaldo i.H.v. 4,28 Mio. E. Der Verlauf
des Zinsfaktors ist in Abb. 6 auf S. 617 noch einmal verdeutlicht.
In allen Perioden liegt der Zinsfaktor ± zum Teil
sogar deutlich ± unterhalb der 3%, sodass die
Kommune nach dieser Zinsmeinung in allen
Fällen einen positiven Zahlungssaldo erwarten
darf. Zu beachten ist wiederum, dass die
kontrahierende Bank in diesem Fall die 4,07
Mio. E verlieren würde (Nullsummenspiel). Die
Bank könnte, falls sie das Geschäft nicht
hedgen sollte, das Produkt somit nur dann aus
ihrer Sicht verkaufen, wenn sie selbst eine
andere Zinsmeinung ± speziell mit niedrigeren
Spreads ± vertreten würde23). Im Folgenden sei
deshalb eine divergierende Zinsmeinung dargestellt. Es sei nun angenommen, dass die
prognostizierten Zinsdifferenzen um 0,10 Prozentpunkte nach unten von den gem. impliziter
Terminzinskurve (Kuponzinssätze) ermittelten
Spreads abweichen. Es ergibt sich das Bild der
Abb. 7.
Anhand dieses Beispiels lassen sich die Ausmaûe erkennen, welche die Zinsfaktoren schon
bei kleinen ¾nderungen der Spreads annehmen
können. So erzielt die Kommune in diesem Fall
nur noch in den ersten drei Perioden einen positiven Saldo. Bereits ab der vierten Periode muss
die Kommune eine Zahlung entrichten, welche
die fixe Einzahlung übersteigt. Der Zinsfaktor
steigt sogar über 7% in der letzten Periode. Der
Barwert sinkt auf einen negativen Betrag von
5,58 Mio. E. Anhand dieser einfachen Überlegungen lässt sich bereits erkennen, dass die
Vereinbarung einer Zinsobergrenze (Cap) für die
Kommune zu empfehlen ist.
Das Geschäft wäre in diesem Fall für beide Kontrahenten ex ante vorteilhaft, wenn die Kommune die höheren und die Bank die niedrigeren
618
Abb. 7: Entwicklung des Zinsfaktors im Vergleich zur
fixen Einzahlung (bei um 0,10 Prozentpunkte reduzierten Spreads)
Spreads erwarten würden, also entsprechend
heterogene Zinserwartungen vorlägen.
V. Zusammenfassung
Der CSL-Swap ist ein nach seiner inneren Logik
nachvollziehbares Finanzprodukt, das aus der
wohlbekannten Beobachtung zumeist steigend
verlaufender Zinsstrukturkurven Gewinn vermitteln will. Das Produkt erscheint jedoch in einem
erklärungsbedürftigen Gewand. Zudem sind seine Zahlungsergebnisse sehr sensitiv gegen ¾nderungen der Zinsstruktur. Der Beitrag zeigt, dass in
der Mehrzahl und auch im Durchschnitt der Anwendungsfälle ein positiver Zahlungssaldo zu erwarten ist. Jedoch übersteigt der Betrag eines negativen Zahlungssaldos den Betrag eines positiven Zahlungssaldos typischerweise um ein Mehrfaches. Ein etwaiges Kündigungsrecht der Bank
verstärkt diesen Effekt.
23) Alternativ können auch differierende Risikopräferenzen
dazu führen, dass es zu einem Vertragsabschluss kommen kann, bei dem beide Vertragspartner gewinnen.
FINANZ BETRIEB 10/2007

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