Dauernd schwindelig – Was tun?
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Dauernd schwindelig – Was tun?
Seite 1 von 6 1 1 I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l v o m 1 6 . 0 1 . 2 0 1 4 Dauernd schwindelig – Was tun? Schwindelattacken sind einer der häufigsten Gründe, den Arzt aufzusuchen. Jeder fünfte Deutsche ist betroffen, etwas mehr Frauen als Männer. Schwindelanfälle nehmen mit dem Alter zu, dennoch bleiben auch viele junge Leute nicht verschont. Im Laufe seines Lebens kann jeder Vierte damit rechnen, einmal krankhafte Probleme mit seinem Gleichgewicht zu bekommen. Schwindelattacken kennt jeder. Sie treffen auch Gesunde – im Bus, auf dem Schiff, auf einem hohen Turm, wenn man zu viel Stress oder zu wenig Schlaf hatte. Zu niedriger Blutdruck kann ebenso zu Schwindel führen wie eine neue Brille. Solche Ursachen sind meist schnell gefunden. Anders bei chronischem Schwindel. Hier werden die Patienten oft über Wochen oder Monate von einem Spezialisten zum nächsten geschickt, ohne dass eine Ursache gefunden wird. Ein Teufelskreis. Denn je länger der Schwindel da ist, umso mehr wachsen Angst und Unsicherheit und machen dem Patienten zu schaffen. Schwere Stürze mit erheblichen Folgen sind keine Seltenheit. Doch in den letzten Jahren hat sich einiges getan. Deutschlandweit gibt es mittlerweile drei große Schwindelzentren, die Ärzte und Therapeuten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenführen. Neben dem Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum in München, sind Essen und Jena weitere Standorte. „Bei uns schauen sich Neurologen, HNO-Ärzte, Physiotherapeuten und Psychologen gemeinsam die Patienten an. Ihnen wird so eine lange Diagnose-Odyssee erspart“, erklärt Professor Hubertus Axer, Leiter des Schwindelzentrums Jena. Hier wird den Patienten auch eine einwöchige Schwindel-Therapie angeboten. Doch an erster Stelle steht zunächst, die richtige Diagnose zu finden. Wie sich der Schwindel anfühlt, ist dabei ein erster wichtiger Hinweis für den Arzt. Folgende Arten unterscheidet man hauptsächlich: Schwankschwindel: Der Patient fühlt sich wie auf einem Schiff, seine Umgebung schwankt erheblich. Die Ursache liegt möglicherweise im Gehirn. Drehschwindel: Der Patient fühlt sich wie auf einem Karussell, alles um ihn herum dreht sich. Die Ursache kann beispielsweise im Gleichgewichtsorgan liegen. Benommenheitsschwindel: Der Patient sieht alles verschwommen. Ursachen können Medikamente sein, Unterzuckerung oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Als nächstes wird der Arzt nach der Dauer des Schwindels, der Häufigkeit der Attacken und den Auslösern fragen. Wichtig für die Diagnose sind auch eventuelle Begleiterscheinungen wie Erbrechen, Hörstörungen, Ohrgeräusche oder Gangunsicherheit. Je nach Beschwerdebild kommen dann neurologische Tests und technische Diagnoseverfahren wie MRT oder Ultraschall zum Einsatz. 1 Seite 2 von 6 Der Fall: „Es muss doch irgendeine Ursache haben“ Dagmar B., 63 Jahre. Im Januar 2012 wird ihr plötzlich schwarz vor Augen. „Ich habe wie einen Schlag bekommen, nach links. Das ganze Zimmer drehte sich, stand Kopf. Ich hatte zum Glück das Bett neben mir. Da bin ich direkt reingefallen“, so die Thüringerin. Sie macht sofort einen Termin bei ihrer Hausärztin. Doch diese kann sich die immer häufiger werdenden Schwindelanfälle nicht erklären. Sie wird zu fünf weiteren Spezialisten überwiesen, darunter Orthopäden, Neurologen und ein HNO-Arzt. Aber auch sie kommen der Ursache des Schwindels nicht auf die Spur. Die Patientin ist zunehmend verunsichert. „Da ist eine gewisse Verzweiflung, die dazu kommt. Weil man sich sagt, mein Gott, es muss doch irgendeine Ursache haben. Alles ist untersucht worden. Es sind Gleichgewichtsuntersuchungen gemacht worden. Es ist die Halswirbelsäule untersucht worden. Und kein Ergebnis.“ Im November 2012 – ganze zehn Monate nach dem Auftreten der ersten Symptome – wird ihr so schwindlig, dass sie stürzt und sich das Bein bricht, ein komplizierter Schienbeinbruch. Noch in der Notaufnahme der Uniklinik Jena wird sie in die Neurologie überwiesen und eine Magnetresonanztomografie gemacht. Da endlich findet man die Ursache für die Schwindelanfälle: „Im MRT haben wir gesehen, dass es ein Gefäß gibt, was direkten Kontakt zum Nerv hat, sich sogar so ein bisschen drum herum schlingt. Das führt letztlich zu einer Reizung der Nerven und die löst den Schwindel aus“, erklärt der Neurologe Professor Hubertus Axer. Für die Patientin ist der Sturz Glück im Unglück. Dank der Diagnose wird sie seit einem Jahr mit Medikamenten behandelt, die die Durchblutung fördern. Die Schwindelanfälle sind deutlich weniger geworden. Die häufigsten Ursachen Schwindel kann unglaublich viele Ursachen haben, das macht ihn so tückisch. Die Stärke der Attacken sagt dabei nichts über die Schwere der Erkrankung aus. So gibt es akute Erkrankungen, wie die Entzündung des Gleichgewichtsnervs, die einige Tage starken Schwindel verursacht und dann abklingt. Auf der anderen Seite muss leichter Schwindel keineswegs harmlos sein, weil er chronisch werden und den Patienten über lange Zeit beeinträchtigen kann. Die häufigsten Schwindelerkrankungen im Überblick: Der gutartige Lagerungsschwindel ist die häufigste krankhafte Schwindelform. Etwa 10 bis 20 Prozent aller Menschen bekommen im Laufe ihres Lebens eine derartige Schwindelattacke. Der Drehschwindel tritt immer dann auf, wenn der Kopf schnell in eine andere Richtung gedreht wird, wie beispielsweise nach dem Herumdrehen im Bett. Die Ursache liegt im Gleichgewichtsorgan, wo sich im hinteren Bogengang Kalziumkarbonatkristalle bilden, die zu Schwindelattacken führen. Bei etwa zwei von drei Patienten verschwindet der Lagerungsschwindel so plötzlich wie er gekommen ist. Es gibt allerdings auch Patienten, die wiederholt darunter leiden. In vielen Fällen las- sen sich die Schwindelattacken dann mit einer speziellen Lagerungsübung – dem sogenannten Semont-Manöver – in den Griff bekommen. Der einseitige Ausfall des Gleichgewichtsorgans ist meist die Folge einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs. Eine solche Entzündung entsteht beispielsweise durch Herpesviren. Die Patienten empfinden einen heftigen, dauerhaften Drehschwindel, einhergehend mit Übelkeit und Erbrechen. Das Gehör ist aber nicht beeinträchtigt. Die Entzündung wird mit Kortisonpräparaten behandelt. Unter Umständen ist auch eine umfassende Schwindeltherapie mit Physiotherapie und Alltagstraining sinnvoll, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Die Menièrsche Erkrankung ist auch eine häufige Schwindelursache. Typische Symptome sind Drehschwindel, eine Hörminderung und Ohrgeräusche. Die Ursache liegt im Innenohr. Die Ursache liegt vermutlich in Veränderungen des Flüssigkeitshaushaltes des Innenohrs. Wichtig ist eine genaue Diagnostik des Gleichgewichtsorgans und des Gehörs, um andere Ursachen auszuschließen. Die Therapie ist oft langwierig, umfasst Medikamente und Physiotherapie. 2 Seite 3 von 6 Stichwort: Nystagmus Häufig fällt bei der Diagnose von Schwindelerkrankungen der Begriff Nystagmus. Er bezeichnet die unbewussten, rhythmischen Bewegungen der Augen oder Augenzittern. Es ist ein typisches Symptom des Schwindels. Typisch für eine Schwindelmigräne sind spontane, wiederkehrende Schwindelattacken, begleitet von zum Teil heftigen Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Der Großteil der Patienten hatte bereits früher Migräne, die aber mit den Jahren nachließ. Im Alter tritt dann plötzlich der Schwindel in den Vordergrund. In der Regel kann den Patienten mit Migränemedikamenten und MigräneAlltagstraining geholfen werden. Die Erkrankung mit dem schwierigen Namen Vestibularisparoxysmie ist eine neuere medizinische Erkenntnis. Die Patienten erleiden sehr häufig kurze Schwindelattacken, bis zu einhundert Mal am Tag. Oft gehen die Symptome mit einer einseitigen Hörminderung oder Tinnitus einher. Der Grund ist eine anatomische Besonderheit. Bei einigen Patienten befindet sich an der Schädelbasis eine Arterie, die dort Kontakt zum Gleichgewichtsnerv hat und ihn durch ihr Pulsieren schädigt. Die Erkrankung ähnelt der sogenannten Trigeminusneuralgie und tatsächlich helfen auch die gleichen Medikamente. Nicht jeder Schwindel hat organische Ursachen. Mediziner sprechen dann von „somatoformen“ oder „psychogenen“ Schwindel. Auch diese Form kommt häufig vor. Die Patienten bekommen die Attacken in bestimmten Situationen, zum Beispiel in einer großen Menschenmenge. Sie fühlen sich wie „betrunken“, mit einem Leeregefühl im Kopf. Die Patienten bilden sich diese Beschwerden keineswegs ein. Die Beschwerden sind real und können Folge einer eigentlich ausgeheilten Schwindelerkrankung sein, oder ihre Ursache in Angsterkrankungen und Depression haben. Schwindel im Alter kann ein Anzeichen für eine Herz-Kreislauf- oder ParkinsonErkrankung sein. Zudem kann Schwindel bei einem Teil der Betroffenen ein frühes Zeichen für die Entwicklung einer Demenz sein. Mithilfe von Ganganalysen kann bei diesen Patienten eine klare Diagnose gestellt werden. Im Idealfall kann durch eine spezifische Therapie ein Fortschreiten der Erkrankung hinausgezögert werden. Mit einer einzigen Pille ist es nicht getan – neues Therapiekonzept Die Diagnose bestimmt die Therapie. Und nur bei den wenigsten Ursachen hilft ein Medikament allein, um von den Schwindelattacken erlöst zu werden. Besonders chronische Schwindelpatienten brauchen eine ganzheitliche Therapie, die das Problem von vielen verschiedenen Seiten anpackt. Daniel K., 33 Jahre, seine erste Schwindelattacke trifft ihn eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit. „Ich saß im Auto, spürte mit einem Mal einen Schlag, wie ein Aussetzer, ein innerlicher. Ich bin an die Seite gefahren, habe gemerkt, irgendwas stimmt nicht, mir wurde übel.“ Nach mehreren Untersuchungen steht fest: Sein Gleichgewichtsorgan im rechten Innenohr funktioniert nicht richtig. Es folgt ein Krankenhausaufenthalt, Kortisontherapie. Doch die Beschwerden werden nicht besser. Die Panik vor der nächsten Schwindelattacke ist allgegenwärtig, der Schwindel mittlerweile chronisch. „Ich kriege diesen Gedanken aus dem Kopf nicht raus: Das kann wieder passieren. Es ist, als ob man seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle hat.“ Der dreifache Familienvater kann nicht allein einkaufen gehen, hält keine Menschenmengen aus. Seine Hoffnung liegt nun in einer speziellen Schwindelwoche im Schwindelzentrum Jena, die er gemeinsam mit sieben weiteren Patienten absolviert. Hier bekommt er einen individuellen Therapieplan, wird von einem Team aus Fachärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und Krankengymnasten betreut. Fünf Tage lang, täglich acht Stunden. Schon am ersten Tag wird deutlich: „Du bist nicht der Einzige. Da sind noch andere Leute, denen geht es stellenweise schlechter als dir selber“, so der Thüringer. Die Patienten 3 Seite 4 von 6 machen täglich krankengymnastische Übungen, die den Gleichgewichtssinn trainieren, sie lernen Entspannungsübungen und Tricks, wie sie gelassener mit dem Schwindel umgehen können. „Wir wissen, dass bei vielen Schwindelpatienten Ängste eine große Rolle spielen, in der Entstehung oder auch in der Aufrechterhaltung des Schwindels. Deshalb ist es wichtig, sich anzuschauen, welche Gedanken spielen eine Rolle beim Schwindel, wie stark sind die Patienten unter Stress“, erklärt Psychologin Steffi Nodop. Durch das ganzheitliche Alltagstraining können die meisten Patienten schon nach wenigen Tagen besser mit den Schwindelattacken umgehen. Bei vielen verschwinden sie mit der Zeit dann ganz. Jeder kann sein Gleichgewicht trainieren Tipps von Physiotherapeutin Gitte Baumeier Jeder kann seinen Gleichgewichtssinn trainieren – Schwindelpatienten genauso wie Gesunde, die fit bleiben wollen. Je nach Konstitution müssen dabei Abstriche gemacht werden. Patienten mit akuten Schwindelattacken sollten erst einmal im Liegen oder Sitzen Übungen machen und sich langsam an höhere Schwierigkeitsgrade herantasten. Augen fixieren Daumen hoch und Arm ausstrecken, den Daumen mit den Augen fixieren. Dann den Arm von rechts nach links bewegen und mit den Augen strikt dem Daumen folgen. Der Kopf bewegt sich dabei nicht mit! Anschließend den Arm nach oben und unten bewegen. Alle Übungen 20 Mal pro Richtung. Wenn der Schwindel nachlässt: Auf der Straße vorbeifahrende Autos oder Züge fixieren und hinterherschauen. Oder auf einen Drehhocker setzen, einen Punkt in 50 Zentimeter Entfernung fixieren und Hocker langsam nach links und rechts drehen, ohne den Punkt aus den Augen zu lassen. Einbeinstand Der Stand auf einem Bein trainiert das Gleichgewicht. Das Knie sollte etwa hüfthoch gehoben werden, Arme zur Seite ausstrecken. Schwindelpatienten machen diese Übung am besten in einem Türrahmen, um sich zur Not festhalten zu können. Geübte können beim Einbeinstand auch die Augen schließen. Können Sie den Einbeinstand nur 5 Sekunden lang halten, sind Sie sturzgefährdet. 25 Sekunden sollten Sie schaffen, wenn Sie 60 sind. Schaffen Sie 40 Sekunden, sind Sie "gefühlte" 40 Jahre alt, schaffen Sie 50 Sekunden, "gefühlte" 30 Jahre. Blindgang Laufen Sie auf einer etwa vier Meter langen Linie, zum Beispiel einer Parkett- oder Teppichkante, entlang. Wer Gleichgewichtsprobleme hat, sollte mit offenen Augen gehen, den Blick aber nicht nach unten richten, sondern nach vorn. Wer fit ist, kann auch die Augen schließen. Verläuft die Gehstrecke bogenförmig, ist Ihr Gleichgewichtssinn gestört. Alltagstipps Festhalten: Wem schwindlig wird, der sollte versuchen, sich irgendwo festzuhalten, zum Beispiel in einem Türrahmen. Besonders für Ältere ist es sinnvoll, zusätzliche Haltegriffe im Badezimmer oder Flur zu montieren, das verhindert Stürze. Außer Haus geben Walkingstöcke oder ein Rollator Sicherheit beim Gehen. Festen Punkt fixieren: Bei einer akuten Schwindelattacke sollte man ruhig durchatmen und mit den Augen einen festen Punkt fixieren. Das gibt dem Sehsinn Orientierung und beruhigt das Gleichgewichtsorgan. Wechselbäder: Wer an niedrigem Blutdruck leidet, kann seinen Kreislauf mit Wechselbädern oder einem kühlen Unterarmbad in Schwung bringen. Durch einen Zusatz mit Rosmarinöl wird dieser Effekt noch verstärkt. Ingwer: Ingwer lindert Schwindel und Übelkeit, besonders wenn die Symptome beim Reisen mit Bus, Bahn oder Schiff auftreten. Man kann ihn stückchenweise kauen oder als Tee trinken. Es gibt ihn auch in Form von Reisekaugummi und Kapseln. Riechampullen: Wenn keine organische Ursache für den Schwindel gefunden werden kann, könnten Riechampullen aus der Apotheke für einen Schwindelstopp sorgen. 4 Seite 5 von 6 Kontakt Schwindelzentren: Universitätsklinikum Jena, Schwindelzentrum, Hans Berger Klinik für Neurologie Erlanger Allee 101, 07747 Jena Tel.: 03641/9 325 785, Fax: 03641/9 325 792 E-Mail: [email protected] Uniklinikum München Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum Telefon: 089 / 70 95-6980 Internet: www.schwindelambulanz-muenchen.de Schwindel-Zentrum Essen, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55, 45122 Essen Telefon: 0201 723 83180, Fax: 0201 723 5594 E-Mail: [email protected] Zum Weiterlesen: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat viele hilfreiche Informationen zum Thema Schwindel in einer 53-seitigen kostenlosen Broschüre zusammengetragen. Die Publikation „Der Schwindel. Forschung – Diagnose – Therapie“ kann wie folgt bestellt werden: Bundesministerium für Bildung und Forschung Postfach 30 02 35, 53182 Bonn Tel.: 01805 262 302, Fax: 01805 262 303 E-Mail: [email protected], Internet: www.bmbf.de/pub/der_schwindel.pdf Neue Haut für Brandwunden Brandverletzungen sind extrem schmerzhaft und langwierig. Etwa 20.000 Deutsche verbrennen sich jedes Jahr so schwer, dass sie in einer Klinik behandelt werden müssen. Besonders kritisch sind Brandwunden bei Kindern. Die Welt zu erkunden, kann gefährlich sein. Das muss die kleine Heidi schmerzhaft erfahren, als sie zu Besuch bei Oma und Opa ist. Draußen ist es kühl, drinnen wärmt der Kaminofen. Viele aus der Familie sind im Raum und Heidi weiß, dass sie nicht zu nah an den Ofen darf. Doch die Einjährige ist noch nicht sicher auf ihren Beinen. Sie stolpert, keiner kann verhindern, dass sich Heidi mit ihren Händen am Kamin abfängt. Nach der notärztlichen Behandlung steht fest: Sie muss operiert werden. Heidis linke Handfläche ist zu stark verbrannt. Die Wunde muss mit Ersatzhaut versorgt werden. Im Brandverletztenzentrum des Klinikums Sankt Georg in Leipzig nimmt Chirurg Ulrich Sorge die Transplantation vor. Eine solche wird nötig, wenn die Brandwunden sehr tief sind. „In Heidis Fall ist die Verbrennung nicht ganz so tief. Aber wir machen es, um einen schnelleren Wundverschluss zu errei- chen.“ Denn Heidi ist noch im Krabbelalter, die Gefahr einer Infektion ist groß. Ziel ist außerdem, dass in der Handfläche wenig Narbengewebe entsteht. Das könnte sonst ein Leben lang das Greifen behindern. Die Ersatzhaut für die Wunde spendet Heidi selbst. Während bei Erwachsenen die Haut aus dem Oberschenkel entnommen wird, wird bei Kindern aus der Kopfhaut eine dünne Schicht geschnitten. „Wir nehmen die sogenannte Spalthaut. Die Empfängerstelle heilt dann besser an und die Spenderstelle kann besser abheilen“, so Dr. Sorge. Nach rund einer Stunde hat Heidi die OP überstanden. Kinder bis zehn Jahre machen etwa zehn Prozent der Patienten in einem Brandverletztenzentrum aus. Fast 70 Prozent der Patienten sind Männer. Wie lässt sich das erklären? „Das lässt sich zum einen mit einem relativ hohen Anteil an Arbeitsunfällen 5 Seite 6 von 6 erklären, wie sie bei Feuerwehrleuten oder Elektrikern auftreten“, erklärt Dr. Sorge. „Zum anderen sind Männer risikobereiter und auch unvernünftiger. Verletzte nach Grillunfällen mit Brandbeschleunigern sind unser Hauptklientel. Leider werden dabei auch häufig Unbeteiligte erheblich verletzt.“ Damit Brandwunden gut heilen, empfiehlt der Experte möglichst viel Luft heran zu lassen. „Leider gibt es immer noch Leute, die Mehl oder andere Hausmittelchen auf Brandwunden schütten. Das ist kompletter Unsinn und sollte unterlassen werden.“ Bei der kleinen Heidi sind die Wunden an Kopf und Hand nach drei Monaten gut verheilt. Sie kann sich problemlos an Papas großem Daumen festhalten. Die Erfahrung, was „heiß“ bedeutet, bleibt für Heidi zum Glück ohne Folgen. Erste Hilfe bei Verbrennungen und Verbrühungen Bei großflächigen Verbrennungen: Sofort den Rettungsdienst unter 112 rufen und mit einer Rettungsdecke dafür sorgen, dass der Patient nicht auskühlt. Bei kleineren Wunden: Kühlen Sie die verletzten Stellen etwa zehn Minuten mit kaltem Leitungswasser. Das Kühlen mit Eiswasser oder Eispackungen wird nicht empfohlen, da Unterkühlungsgefahr droht. Verbrühte und verbrannte Kleidung sollte sofort ausgezogen werden, sofern sie nicht mit der Haut verklebt ist. Mit der Haut verklebte Stücke durch den Arzt entfernen lassen. Niemals Hausmittelchen wie Mehl, Zahnpasta oder Öl auf Brandwunden geben. Eine Brandwunde braucht Luft und Zeit zum Heilen. Suchen Sie einen Arzt auf, wenn das Gesicht oder die Genitalien betroffen sind und die Brandwunden sehr tief sind. Sind mehr als zehn Prozent der Körperoberfläche betroffen, erfordert dies im Allgemeinen eine stationäre Behandlung. Zum Weiterlesen: Die Präventionsbroschüre "Aktion Paulinchen – So schützen Sie Ihr Kind vor Verbrennungen und Verbrühungen" gibt wichtige Tipps zur Vorbeugung von thermischen Verletzungen. Sie kann in größerer Stückzahl, zum Beispiel für Erste-Hilfe-Kurse und Kindergärten, kostenlos unter [email protected] bestellt werden. Paulinchen, die Initiative für brandverletzte Kinder e.V., berät auch Familien nach Verbrennungs- und Verbrühungsunfällen und hilft bei Problemen in der Rehabilitationszeit: www.paulinchen.de. Gäste im Studio: Prof. Hubertus Axer, Schwindelzentrum Jena, Facharzt für Neurologie und Anatomie Gitte Baumeier, Physiotherapeutin Dr. Ulrich Sorge, Brandverletztenzentrum, Klinikum St. Georg Leipzig Gäste im Chat16: Prof. Hubertus Axer, Schwindelzentrum Jena, Facharzt für Neurologie und Anatomie Sigrid Finn, Fachärztin, Schwindelzentrum Jena Buchtipp Wertvolle Tipps, wie Sie dank einfacher Hausmittel Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und Ihren Körper wieder ins Gleichgewicht bringen können, finden Sie auch im neuen Hauptsache Gesund-Buch „Meine besten Hausmittel“. ISBN: 978-3-89883-272-4; 19,95 Euro Erhältlich im Buchhandel und im MDR-Shop. Anschrift/ Thema der nächsten Sendung MDR FERNSEHEN, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber „Hauptsache Gesund“ Internet: www.mdr.de/hauptsache-gesund, E-Mail: [email protected] Thema der Sendung vom 23.01.2014: „Wie eine Erkältung aufs Herz gehen kann“ 6