26 Die Verkehrssituation im Münstertal nach 1945

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26 Die Verkehrssituation im Münstertal nach 1945
Konrad Ruh: Das Münstertal in den ersten Nachkriegsjahren
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Die Verkehrs-Situation im Münstertal nach 1945
Die Mobilität der Münstertäler Bürger war schon in den Vorkriegsjahren relativ gering
gewesen. Sie verschlechterte sich nach Kriegsende nochmals dramatisch. Die meisten der im
Jahre 1939 im Münstertal gemeldeten Fahrzeuge waren in den letzten Kriegsjahren von der
Wehrmacht „konfisziert“ worden.
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Im gesamten Münstertal gibt es nur noch zehn Personenkraftwagen
So ergab die erste KFZ-Erhebung der französischen Militärverwaltung (1946) in beiden Talgemeinden nur noch einen Bestand von zehn Personenkraftwagen. Vor 1950 kamen kaum
weitere dazu. Die Straßen waren weitgehend autofrei. Gründe dafür waren unter anderem die
geringe Nachkriegsproduktion der deutschen Autofirmen (sie produzierten fast ausschließlich
für den Export), die hohen, für den normalen Bürger unerschwinglichen Anschaffungspreise
sowie der große Treibstoffmangel. Letzterer führte dazu, dass auch die wenigen Münstertäler
Autobesitzer ihre Kraftwagen auf Holzvergaser-Antrieb umrüsten mussten. Dies wiederum
bedeutete für sie: Alle zwanzig bis dreißig Kilometer anhalten und Brennholz für den Motor
nachlegen. Auch die Fahrverbote und Fahreinschränkungen der Militärverwaltung ließen
vorläufig einen Wunsch nach dem eigenen Auto nicht aufkommen.
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Katastrophale Straßenverhältnisse
Die beiden durch das Münstertal führenden Landstraßen waren schon seit Kriegsbeginn in
einem denkbar schlechten Zustand. Schon durch den „Westbauverkehr“ im Jahre 1940 waren
sie stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Zusätzlich war in Untermünstertal während des
Krieges zeitweise ein „Armee-Kfz-Park“ stationiert. Er war vor allem mit Raupenfahrzeugen
ausgerüstet, was zu einer übermäßig starken Abnutzung der Straßendecke geführt hatte. Hinzu
kam, dass alle Brücken über den Neumagen und den Talbach in den letzten Kriegstagen von
der auf dem Rückzug befindlichen Wehrmacht gesprengt wurden. Hölzerne
Behelfskonstruktionen ersetzten bis zu Beginn der 1950er-Jahre die einst stabilen
Brückenbauwerke.
Doch trugen auch die Münstertäler selbst
zur weiteren Verschlechterung des
Straßenzustandes durch unsachgemäße Benutzung bei.
So ermahnte das Straßenbauamt wiederholt die Bevölkerung, auf den Straßen -wenn kein
Schnee liegt- kein Holz zu schleifen und zum Bremsen an steileren Streckenabschnitten
„Radschuhe“ zu verwenden. Da „Freizeit“ ein Fremdwort für die Nachkriegsgeneration war,
da an Sonn- und Feiertagen ohnehin absolutes Fahrverbot für alle Fahrzeuge galt, waren die
Straßen zwar „voller Menschen“ aber „autofrei“.
Eine von der französischen Militärverwaltung im Jahre 1946 durchgeführte Fahrzeugzählung
ergab für beide Gemeinden folgendes Bild: 57 Zugpferde, 41 Gespannfahrzeuge, zehn PKW,
18 Krafträder, vier LKW und zwei Zugmaschinen.
Unter den PKW-Besitzern waren unter anderen der Pfarrer und die beiden Bürgermeister. Für
die Hebammen beider Gemeinden hatten die Bürgermeister Anträge auf Benutzung eines
Kleinkraftrades gestellt. Die Genehmigung wurde nur deshalb erteilt, weil die Gemeinden
„die oft weiten und topographisch schwierigen Strecken“ zu den Wöchnerinnen als
Begründung angeführt hatten. Noch bis ins Jahr 1948 ging die französische Militärverwaltung
sehr restriktiv mit Fahr-Erlaubnissen für die deutsche Bevölkerung um. Anträge für eine
Motorradbenutzung wurden nur für Wege zur Arbeitsstätte erteilt – und auch nur dann, wenn
eine Eisenbahnnutzung nicht möglich war.
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Berufspendler benutzen die Eisenbahn
Die meisten Münstertäler -es handelte sich fast ausschließlich um Männer- hatten ihren
Arbeitsplatz innerhalb der Gemeinde: in der Forst- und Landwirtschaft, in der Holzindustrie
und im Bergwerk. Sie erreichten ihren Arbeitsplatz meist zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Doch
gab es bereits in den ersten Nachkriegsjahren Berufspendler nach Staufen (Tuch- und
Pelzfabrik), aber auch nach Bad Krozingen und Freiburg. Nach Bad Krozingen fuhren vor
allem Lehrlinge in die dortige Gewerbeschule, nach Freiburg überwiegend Besucher der
Handelsschule.
Die Eisenbahnwaggons waren vor allem im morgendlichen Berufsverkehr total überfüllt. Es
gab Tage, da mussten junge Leute oft auf den Trittbrettern und manchmal sogar auf den
„Puffern“ zwischen den Waggons vorlieb nehmen. Die Eisenbahnwaggons hatten noch keine
Heizung, nur Holzbänke und -aufgrund des Glasmangels- oft auch mit Pressplatten
vernagelte Fenster.
Für diese täglichen Pendler gab es nach Kriegsende große Startschwierigkeiten. Durch
gezielte Angriffe der Alliierten war auch das Schienennetz der Nebenbahnlinie Bad
Krozingen-Untermünstertal teilweise zerstört. Der Betrieb konnte erst am 30. September
1945 wieder aufgenommen werden.
Auf der „Münstertalbahn“ verkehrten bis 1950 Dampfzüge. Die Lokomotive zog meist zwei
bis drei Personenwagen, einen „Güterwagen“ und (direkt hinter der „Lok“) einen
„Tenderwagen“ mit Kohlevorräten. Ein Kesselwagen mit Wasservorräten musste nicht
mitgeführt werden. Bei der relativ kurzen Strecke zwischen Bad Krozingen und
Untermünstertal reichte es aus, wenn am Münstertäler Bahnhof der Wasservorrat direkt in den
Dampfkessel der Lokomotive eingefüllt wurde.
Die Abfahrt eines Zuges am Bahnhof Untermünstertal war im halben Tal vernehmbar. Das
regelmäßige Klopfen der Kolben und das immer schneller werdende Puffen aus dem Kamin
der Lokomotive waren untrügliche Zeichen dafür, dass ein Zug in Richtung Staufen
unterwegs war. Der aus dem hohen Trichterkamin qualmende dunkelgraue Rauch machte den
auf den Wiesen entlang der Bahnstrecke arbeitenden Menschen oft ganz schön Schatten.
Auf der „Nebenbahn“ waren zwei Dampflokomotiven im Einsatz. Infolge des überalterten
und reparaturbedürftigen Zustandes der Lokomotiven betrug der Kohleverbrauch 10,5 kg/km.
Das war relativ hoch. Durch die ständige Erhöhung des Kohlepreises stiegen die
Betriebskosten erheblich. So entschloss sich die Betreibergesellschaft im Jahre 1949 auf die
Beförderung mit Diesel-Triebwagen umzustellen. Die letzte Dampflokomotive fuhr im Jahre
1950. Sie erhielt einen „Ehrenplatz“ vor dem Faust-Gymnasium in Staufen.
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Das Fahrrad wir zum wichtigsten Verkehrsmittel der Nachkriegszeit
Das Fahrrad wurde zum wichtigsten Verkehrsmittel der ersten Nachkriegsjahre. Vor allem
Männer benötigten es für den Weg zu ihrem Arbeitsplatz. Zum Einkaufen für die Hausfrauen
wurde es weniger verwendet, weil die in großer Zahl vorhandenen Lebensmittelgeschäfte von
überall her leicht zu Fuß erreichbar waren.
In den ersten Nachkriegsmonaten galt noch ein absolutes Fahrverbot für alle Zweiräder. Im
Jahre 1946 wurde es abgeschwächt. Dieses Verbot galt dann nur noch für die Zeit von 22 Uhr
bis 06 Uhr in der Frühe. Die Berechtigung, ein Fahrrad fahren zu dürfen, war mit hohen
Hürden verbunden. Jeder Fahrradbesitzer musste beim Bürgermeisteramt einen schriftlichen
Antrag (in deutsch und französisch) stellen und angeben, zu welchem Zweck er das Rad
benötigte. Das Amt stellte daraufhin eine „Fahrradkarte“ aus. Sie umfasste folgende Angaben:
Art des Rades (Damen oder Herren); die Marke (z.B. NSU, Wanderer) und die
Fabriknummer. Bei jeder Fahrt musste sowohl diese Karte als auch der Personalausweis
mitgeführt werden. Wurde das Rad von einem Dritten benutzt, musste dieser eine Bestätigung
des Radbesitzers bei sich führen. War dies nicht der Fall, wurde das Rad einbehalten.
Der Antragsteller erhielt für sein Rad ein Erkennungszeichen („Nummernschild“) für 2,50
Reichsmark. Genau vorgeschrieben war nicht nur das Format des Schildes sondern auch die
Stelle, an der es am Schutzblech des Hinterrades angebracht werden musste.
Die damaligen Räder hatten fast ausnahmslos eine „Vollgummibereifung“ In diesem
Vollgummischlauch war unter dem Reifenmantel keine Luft. Ein Vorteil war die
„Pannensicherheit“, ein Nachteil die geringe Federung und vor allem ein höherer
Rollwiderstand.
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Holzkohle und Tankholz - begehrte Treibstoffe
Noch im Jahre 1947 waren 80 % des im Münstertal geschlagenen Holzes Faserholz (für die
Papierherstellung) sowie Bau- bzw. Grubenholz. Daneben mussten beide Gemeinden jährlich
eine bestimmte Menge von „Generatorenwaldholz“ (für die Holzkohleherstellung) oder direkt
Holzkohle bereitstellen.
Vor Kriegsbeginn war in Untermünstertal Pius Riesterer (Ziegelplatz) der einzige
gewerbsmäßige Köhler. Nach dessen Einzug zur Wehrmacht übernahm die Gemeinde den
Betrieb seiner Köhlerei. Als Pius Riesterer im Oktober 1948 aus der Gefangenschaft
heimkehrte, übergab die Gemeinde ihm sofort wieder den Betrieb. Holzkohle war angesichts
des großen Treibstoffmangels ein begehrter Rohstoff. Die im Jahre 1940 gegründete Firma
„Generatorkraft AG“ in Freiburg war für die in der französischen Zone Badens eingesetzten
Holzvergaser-Fahrzeuge verantwortlich. Ihr lieferten die Münstertäler Gemeinden die
Holzkohle und das Tankholz.
Viele Fahrzeughalter hatten in den ersten Nachkriegsjahren ihre Autos und Zugmaschinen mit
einem improvisierten Holzvergaser ausgestattet. Die Generatoren wurden entweder außen an
die Karosserie angebaut oder als Anhänger mitgeführt. Diese Holzvergaser wurden mit
Holzkohle oder mit Buchenholzscheiten (Tankholz) befüllt. Letzteres lieferten auch mehrere
Münstertäler Bürstenholzfabriken.
Drei Kilo Holz ersetzten einen Liter Benzin. In den ersten Nachkriegsjahren verkehrten im
Münstertal mehrere „Holzvergaser-Autos“. Auch die Gemeinde Untermünstertal hatte einen
„Holzgas-Raupenschlepper“ im Einsatz.
Nächste Woche: Wahlen in den Jahren 1947 bis 1949