Genomische Selektion – „Fleckviehzuchtprogramm Bayern”
Transcription
Genomische Selektion – „Fleckviehzuchtprogramm Bayern”
Genomische Selektion Genomische Selektion – „Fleckviehzuchtprogramm Bayern” l Dr. Thomas Grupp Ein großes Thema im Jahre 2011 und bei den Winterversammlungen der Zuchtverbände 2012 war das sogenannte „Fleckviehzuchtprogramm Bayern“, das nach mehrfachen Gesprächen zwischen Besamungsstationen und Zuchtverbänden Ende 2011 verabschiedet wurde. Genomische Selektion Foto: Hans Menop Genomische Selektion Beteiligte an diesem Programm sind nach Vertragsunterzeichnung im Dezember die: Ausverkauf ermöglicht würde. Hintergrund waren Bestrebungen und Entscheidungen aus Nachbarzuchtgebieten (Baden-WürttemZuchtverbände berg, Österreich), den Markt für auswärtige Interessenten zu schlieMiesbachßen. Im Holsteinbereich, bei dem Mühldorfdie Genomische Selektion bereits 1 Pfaffenhofen Jahr früher etabliert wurde, ist die Traunsteinbeste Genetik an die jeweilige WeilheimZuchtorganisation gefesselt (Zucht Wertingen& Besamung in einer Organisation Franken vereint) und für Wettbewerber so Oberpfalz gut wie nicht zu bekommen. Eine einseitige Offenhaltung südbayeriBesamungsstationen scher Märkte wurde von Seiten der BAYERN-GENETIK als Harakiri Neustadt/Aisch bezeichnet. Höchstädt Aufgrund dieser Tatsache wurde Marktredwitz bei einer Sitzung der BAYERN-GEBauer/Wasserburg NETIK in Grub im November 2010 Greifenberg den Zuchtverbänden und deren CRV Zuchtleitern aus Ober- und Niederbayern ein Programm vorgestellt, Nicht beteiligt haben sich die wie „schützenswerte Genetik“ im Zuchtverbände Niederbayern und Gebiet gehalten werden könnte, Oberfranken sowie die BAYERNbei dem gleichzeitig die Interessen GENETIK GmbH. der Züchter durch einen großen Kontroverse Diskussionen, Unverfinanziellen Anreiz berücksichtigt ständnis, aber vor allem Unwissenwerden, mit der Aussicht, dass ein heit seitens der Züchter oder züchüberdurchschnittlicher Bulle mit terisch Interessierten haben in den positiver Nachzucht mehrjährige letzten Monaten für einige KonfusiNachzahlungen beziehen kann. on gesorgt. Die BAYERN-GENETIK fühlt sich deshalb verpflichtet, Sie, verehrte Mitglieder und Kunden, ausführlich über die Entwicklung im vergangenen Jahr zu diesem „Zuchtprogramm“ zu unterrichten und letztlich unsere Beweggründe für eine Nichtbeteiligung darzulegen. Genomische Selektion – Schutz der Genetik Die Geschäftsführung der BAYERN-GENETIK hat bereits im Herbst 2010 die beteiligten Zuchtverbände in internen Sitzungen auf die Tatsache hingewiesen, dass ein Schutz der besten Genetik für das Zuchtgebiet in Ober- und Niederbayern für dringend notwendig gehalten wird, da ansonsten ein 10 Vorschlag der BAYERNGENETIK an die Zuchtverbände Gekörte, exterieur-, typ- und zuchtwertstarke Jungbullen sollten für einen Betrag von netto K 6.000,00 + K 1.000,00 Typisierungskosten (Betrag an Zuchtverband, wenn Typisierung durch ZV vorfinanziert, Betrag an Züchter, wenn Züchter Typisierung finanziert) an die BAYERNGENETIK überstellt werden. Nach erfolgter Quarantäne und Eignung für die Samenproduktion erhält der Züchter eine Nachzahlung von K 1,00 pro eingesetzte/verkaufte Portion bis maximal K 60.000,00, diese Regelung tritt ab der 2.000. Portion (2.000 P. für Kandidateneinsatz reserviert) in Kraft. Konsens der anwesenden oberbayerischen Verbände war, man wolle keine Situation wie in Baden-Württemberg oder im Holsteinbereich. Alle Bullen sollten wie bisher über die Zuchtviehmärkte laufen und von allen potenziellen Käufern erwerbbar sein. Der Vorschlag der BAYERN-GENETIK wurde von den oberbayerischen Zuchtleitern abgelehnt und auch nicht in den Verbandsausschüssen diskutiert. Es wurde in späterer Diskussion darauf verwiesen, dass dieses System sich nicht rechne, da laut Berechnungen der Zuchtleiter ein Besamungsbulle nach Einführung der Genomischen Selektion nur mehr 4.000 Erstbesamungen mache. Die Berechnungen der BAYERNGENETIK Geschäftsführung basieren jedoch auf realistischen Zahlen aus dem freiwilligen Programm „Vererberprämie“ der Station Grub, wo für positiv geprüfte Bullen 0,25 K/Erstbesamung bezahlt werden. Da das neue Programm auf verbrauchten Portionen basiert, ist dort mit weit höheren Beträgen zu rechnen, wenn der Bulle „positiv vererbt“ und nur das kann unser gemeinsames Ziel sein. Am 1. März 2011 veranstalteten die Bayerischen Jungzüchter eine Vortrags- und Diskussionsrunde zum Thema „Genomische Selektion“ in Langenbruck, zu dem die Geschäftsführer und Zuchtleiter einiger Besamungsstationen bzw. Zuchtverbände zu Kurzreferaten eingeladen wurden. Das Hauptreferat übernahm Dr. Pott, Geschäftsführer der WeserEms-Union (Zucht & Besamung unter einem Dach). Nach dieser Veranstaltung kam Bewegung in die Diskussion, ob die bayerische Fleckviehgenetik ebenfalls als „schützenswert“ betrachtet werden soll und welche Maßnahmen hierzu etabliert werden müssen. Die Zuchteinheit Rinderzucht-Südbayern e.V. beauftragte die KBStationen aus Ober- und Niederbayern sowie Schwaben zu einem gemeinsamen Vorschlag, wie man aus Sicht der Besamung in diesem Falle vorgehen sollte. Ein gemeinsamer Konzeptvorschlag der Stationen BAYERN-GENETIK, Bauer, CRV, Greifenberg und Höchstädt wurde bei einer Sitzung in Keferloh den Zuchtverbänden aus Oberbayern, Niederbayern und Schwaben vorgestellt. Aufgrund sehr unterschiedlicher Positionen der Besamungsstationen, war das ausgearbeitete Angebot bedeutend unattraktiver als der Vorschlag, den die BAYERNGENETIK bereits im Herbst 2010 den Zuchtverbänden separat unterbreitet hatte. Somit lehnten die Zuchtverbände den Kompromissvorschlag ab. Man einigte sich daraufhin, dass die Zuchtverbände ein eigenes Strategiepapier vorlegen sollten. Dies geschah wiederum bei einem Treffen in Keferloh. Das von den Zuchtleitern und Zuchtverbänden ausgearbeitete Papier fand nach eingehender und später separater Beratung Unterstützung bei allen Besamungsstationen als tragfähi- l Tabelle 1: Portionszahlen und mögliche Nachzahlungen einiger prämienberechtigter Durchschnittsvererber (altes System und neues System im Vergleich) Altes System Erstbesamungen Bulle Neues System Eingesetzte Portionen Fernpass 14.780= 3.695 K 27.956=27.956 K Lehndorff 12.870=3.217,50 K 20.554 =20.554 K Intrac 6.050=1.512,50 K 10.387 =10.387 K FLECKVIEHWELT 2/2012 Genomische Selektion gen Kompromiss. Unverständlich für alle Beteiligten war die nachträgliche Ablehnung dieser Vereinbarung durch den Rinderzuchtverband Traunstein, wodurch das gesamte „Zuchtprogramm“ scheiterte, was jedoch keinerlei Diskussion auslöste. Nach dieser ernüchternden Erfahrung im Süden des Freistaates kam der Vorschlag, ein bayernweites „Zuchtprogramm“, unter Beteiligung der VFR (Vereinigung zur Förderung der Rinderzucht in Nordbayern) und der GFN (Gesellschaft zur Förderung der Fleckviehzucht in Niederbayern), anzudenken. Klar war für alle Beteiligten bereits zu diesem Zeitpunkt, dass es natürlich zu einer weiteren Verwässerung der Positionen und einem Treffen auf noch kleinerem gemeinsamem Nenner kommen würde, falls eine „bayernweite Lösung“ zum Tragen käme. Es wurde eine Expertengruppe initiiert, in der die bayerischen Zuchtleiter einen Vorschlag unterbreiteten, der in einer kleineren Expertengruppe in Grub am 7. Oktober 2011 diskutiert wurde. Die BAYERN-GENETIK GmbH wurde dabei von Hans Holzer, dem Bereichsleiter Rinderzucht, vertreten. Die ersten beiden Entwürfe wurden mehrfach verändert, der 3. Entwurf den Gremien der Stationen und den Verbänden zur dringenden Abstimmung empfohlen, was auch in den meisten Organisationen geschah. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Zuchtverbände Oberfranken und Niederbayern dieser Vereinbarung nicht zustimmen würden. Für die BAYERN-GENETIK waren zu diesem Zeitpunkt entscheidende Fragen nicht beantwortet: • Wie werden Kooperationen Beteiligter mit ausländischen Partnern behandelt? Können sich diese direkt an Bullen aus diesem „Programm“ beteiligen? • Wie werden Natursprungbullen, die mit Ergebnissen aus der FLECKVIEHWELT 2/2012 Typisierung auf den Märkten erscheinen, an den finanziellen Aufwendungen beteiligt? • Wie werden Anpaarungsverträge zwischen Stationen/Zuchtverbänden/Züchtern behandelt? Sind diese Bullen ebenfalls Teil des Programms? Die BAYERN-GENETIK wurde darüber hinaus von der Zuchtleitung informiert, dass dieser 3. Entwurf nicht mehr verhandelbar sei, wer jetzt nicht unterschreibe, sei „draußen“. Für die BAYERN-GENETIK war letztlich die Sitzung in Grub am 23. November 2011 der entscheidende Auslöser, an diesem Programm nicht teilzunehmen. Auf die konkrete Frage an den Vertreter der holländischen Zuchtorganisation CRV, wie sie ihre Kooperation im Falle eines „bayerischen Weges“ sehe, erhielten wir zur Antwort: „Wenn wir unsere langjährigen ausländischen Partner an diesen Bullen nicht beteiligen können, dann ist das für unsere Organisation ein KO-Kriterium“. Der Punkt wurde ganz kurz diskutiert und alle beteiligten Zuchtverbände und Besamungsstationen akzeptierten diese Sichtweise. Diese Sonderregelung ermöglicht es Zuchtorganisationen, die nicht zu der Finanzierung des Programms beigetragen haben, sich an Jungbullen aus diesem Programm zu beteiligen, was sich zwangsläufig nur auf die anfallenden „Rosinen“ des geplanten Zuchtprogramms konzentrieren wird. Die BAYERN-GENETIK und der Zuchtverband für Fleckvieh in Niederbayern akzeptierten keine „Aufweichung“. Bei dieser Besprechung wurde vom Diskussionsleiter angedeutet, dass der Rinderzuchtverband Oberfranken ebenfalls am Fleckviehzuchtprogramm Bayern teilnehmen würde, was sich letztlich als Falschinformation herausstellte, Oberfranken hatte bereits eine klare Entscheidung gegen das Programm getroffen. l Das neue System der Bezahlung der durch die BAYERN-GENETIK angekauften Zuchtbullen basiert auf verbrauchten Portionen statt wie vorher auf Erstbesamungen. Der Bulle Fernpass hätte davon profitiert. Auf Anregung mehrerer Beteiligter an diesem Treffen sollte dieser vorliegende 3. Entwurf einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden, was am 29. November 2011 erfolgte und zu Änderungen bei 10 von 14 Punkten führte. Der 4. Entwurf der Vereinbarung wurde dann per Mail an alle potenziellen Interessenten verschickt. Zeitpunkt für die letztliche Vertragsunterzeichnung war der 6. Dezember in Denkendorf. Ohne weitere gemeinsame Diskussionen wurde am 5. Dezember, also kurz vor der geplanten Vertragsunterzeichnung ein 5. Entwurf versandt, bei dem ohne vorherige öffentliche Diskussion, eine Sonderregelung für Bullen aus Anpaarungsverträgen getroffen wurde. Am 6. Dezember 2011 unterzeichneten 11 Organisationen, bis zum 15. Dezember dann weitere 3, darunter 2 Zuchtverbände mit Vorbehaltserklärungen. Die BAYERN-GENETIK GmbH diskutierte abschließend das sogenannte „Fleckviehzuchtprogramm Bayern“ auf seiner Beiratssitzung am 20. Dezember 2011, wo es zu keiner Mehrheit für eine Beteiligung kam. Diese Sitzung setzte auf demokratische Weise einen Schlusspunkt unter die Diskussionen zu diesem Thema. Sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Überraschenderweise mussten sich Vertreter aus dem Hauptamt der BAYERNGENETIK GmbH ab 2012 permanent zu diesen Themen auf Zuchtviehmärkten und Zuchtverbandsveranstaltungen rechtfertigen. Es ist mehr als bedenklich, wenn in Referaten vermeintlich neutraler Zuchtleiter, die internen Abstimmungsergebnisse aus den Gremien der BAYERN-GENETIK kommentiert werden und so für größte Verunsicherung und Verstimmung bei den Züchtern sorgen. Fazit Die BAYERN-GENETIK GmbH sieht das „Fleckviehzuchtprogramm Bayern“ als Finanzierungsprogramm, bei dem über züchterische Fragen nicht diskutiert wurde. Kritisch sehen wir auch die Zusammensetzung der Gremien, die diese Vereinbarung ausgearbeitet haben – bäuerliche Vertreter waren deutlich unterrepräsentiert. Die BAYERN-GENETIK GmbH ist einer der größten Finanziers der Genomischen Selektion in Bayern und wohl mit Abstand der größte Abnehmer von Zuchtbullen/Natursprungbullen (siehe Bericht). Deshalb können Sie, verehrte Mitglieder und Kunden, durchaus davon ausgehen, dass wir diese Entscheidung in Verantwortung für die Fleckviehzucht und alle bäuerlichen Interessen getroffen haben. 11