Entwicklertagebuch Teil 1 bis 4
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Entwicklertagebuch Teil 1 bis 4
Entwicklertagebuch Teil 1 bis 4 1/15 Inhaltsverzeichnis Teil 1: Die Planungen...........................................................................................................................3 Charaktere........................................................................................................................................4 Landschaft/ Environment.................................................................................................................5 Und wie geht es weiter?...................................................................................................................5 Teil 2: Die Story im Blickpunkt...........................................................................................................6 Alles beginnt mit einer Vision.........................................................................................................6 Eine Computerspielstory ist interaktiv............................................................................................7 Storytiefe durch glaubwürdige Nichtspielercharaktere...................................................................7 In Harmonie mit dem Schwarzen Auge...........................................................................................7 Das Wechselspiel von Story und Gameplay....................................................................................8 Das Ende der Geschichte.................................................................................................................8 Teil 3: Was macht eigentlich ein Projektmanager?...............................................................................9 Was ist eigentlich ein Projektmanager?...........................................................................................9 Hey, ich habe einen Plan!................................................................................................................9 No one expects the Spanish Inquisition!........................................................................................10 Was ein Projektmanager sonst noch alles tut.................................................................................11 Und was wird nun aus Sylvette?....................................................................................................12 Teil 4 : Die Technik hinter dem Rollenspiel.......................................................................................13 Engine-Entwicklung bei TGC........................................................................................................13 Anfänge..........................................................................................................................................13 Werkzeuge......................................................................................................................................14 Von der Idee zum fertigen Feature.................................................................................................14 Mehr als Engine.............................................................................................................................15 Zum Schluss...................................................................................................................................15 2/15 Teil 1: Die Planungen Hallo und herzlich willkommen zum Entwicklertagebuch von Das Schwarze Auge: Demonicon! An dieser Stelle berichten euch TGC – The Games Company und Silver Style Entertainment in regelmäßigen Abständen über den aktuellen Entwicklungsstatus und Neuigkeiten zum epischen Rollenspielprojekt. Das Schwarze Auge: Demonicon lautet der Name des neuen deutschen Rollenspiels, das im Universum von Das Schwarze Auge angesiedelt ist. Die Entwicklung befindet sich noch in einem recht frühen Stadium, aber natürlich kann man längst genau sagen, wo wir mit dem Projekt hin wollen: Das Schwarze Auge: Demonicon ist als episches Rollenspiel angelegt, bei dem wir besonderen Wert auf action-orientierte Kämpfe legen. Konsequenter Multiplayer-Support und detailreiche Charaktergenerierung (die auf Wunsch auch ganz simpel durch Auswahl von Archetypen ausfallen kann) sind dabei ebenso mit von der Partie. Der umfangreiche Mainplot und die zahlreichen Nebenquests führen den Charakter durch die dunkelsten und gefährlichsten Gegenden Aventuriens. Dabei wird für Abwechslung fern vom „Töte dies und bringe mir jenes“-Schema gesorgt – viele Aufgaben werden auch mehrere Lösungswege beinhalten. Über vieles davon werde ich im Verlaufe der Tagebuchreihe noch ausführlich berichten. An dieser Stelle wollte ich euch nur eine ungefähre Vorstellung davon vermitteln, was mit Das Schwarze Auge: Demonicon auf euch zukommt. Mein Name ist übrigens Stefan Hoffmann, beiDemonicon bin ich primär für das Projektmanagement bei TGCs internem Entwicklerstudio Silver Style Entertainment zuständig. Wie sehr viele aus dem Team, kenne und spiele ich Das Schwarze Auge bereits seit frühester Jugend. Ebenso war ich bereits unter anderem an der Entwicklung des Rollenspiels The Fall: Last Days of Gaia beteiligt. Im ersten Teil des Tagebuchs möchte ich euch von der Startphase des Projektes berichten. Am Beginn steht – wie bei jeder größeren Spielentwicklung - eine ausführliche Pre-Production-Phase, in der die wichtigsten Aspekte des Spiels bereits soweit abgeklärt werden, dass man während der eigentlichen Spielproduktion den überraschten Ausruf „Ups, das geht ja gar nicht“ möglichst niemals zu hören bekommt. Ein elementarer Bestandteil der Pre-Production ist dabei die Stilfindung. Die Stilfindung Stilfindung bedeutet, dass ein einheitlicher Look für das gesamte Spiel festgelegt werden muss. Das ist wesentlich komplexer, als es sich anhört, denn es ist bei weitem nicht damit getan, irgendwo festzulegen, dass alle Elfen spitze Ohren haben. Bei DSA: Demonicon musste also ein grafischer Stil gefunden werden, der Charaktere, Setting und Story zu einem stimmigen Ganzen verschmelzen lässt. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass es Vorgaben des Lizenzgebers gibt und natürlich auch eine riesigeDSA-Fangemeinde, die schon seit Jahren ein klares Bild im Kopf hat, wie beispielsweise in Aventurien ein Lindwurm auszusehen hat – den einfach abzumalen, ist allerdings deutlich zu wenig. 3/15 Einige grundlegende Festlegungen gab es also schon - um trotzdem Freiräume für die Gestaltung der Spielgrafik zu erhalten, führte unser Weg in einen kombinierten Stil: Realismus gepaart mit künstlerischem Anspruch. Was wir genau darunter verstehen, zeigen die folgenden Abschnitte. Charaktere Die Charaktere stellen den wichtigsten Punkt innerhalb der Stilfindung dar, da hierzu von der Pen & Paper-Vorlage auch bereits die detailreichsten Festlegungen getroffen wurden, die zu berücksichtigen waren. Daraus resultierte automatisch, dass die Charaktere – anders als beispielsweise bei World of Warcraft – absolut realistische Proportionen haben müssen und so hochdetailliert wie möglich sein sollten. Für eine optimale Einfügung der Charaktere ins Gesamtbild der Grafik werden - Grafikprofis, aufgemerkt! Normal- und Specularmaps verwendet und es werden Alphablending (Transparenz) und Überstrahlen eingesetzt. All das sorgt für die realistische Komponente im Stil der Charaktere und sorgt ganz nebenbei auch dafür, dass Das Schwarze Auge: Demonicon echte State-Of-The-Art-Grafik bietet (dass die Grafik-Engine ein echtes Schwergewicht ist, das im Rollenspiel-Genre neue Maßstäbe setzt, darüber werde ich später noch mehr berichten). Die Besonderheit des gesamten Looks ist aber, dass die Charaktere sanfte Konturen haben, durch die Bewegungen klarer hervorgehoben werden. Außerdem sorgen wir mit einem speziellen Shader dafür, dass unsere komplexe Occlusion-Beleuchtung mit einem sogenannten 2-Zonen Beleuchtungssystem kombiniert wird. Das bietet uns einen weichen, realistischen Look, trotzdem aber auch die Härte eines Hell-Dunkel-Kontrasts. Der eigentliche Prozess der Stilfindung läuft bei den Charakteren dabei wie folgt ab: Zunächst einmal muss man sich gedanklich ein ungefähres Bild erarbeiten, wo man ungefähr hin will. Basierend auf diesen Vorstellungen wird ein 2D-Concept gezeichnet. Die 2DConcepts sind so angelegt, dass man die Figur komplett in 3D nachmodellieren kann – und genau das ist dann auch der nächste Schritt. Dabei werden auch die Proportionen und der Texturlook im Detail festgelegt. Die fertig modellierte Figur wird nun in eine passende Pose gestellt und anschließend ein Rendering erstellt, das dann als Diskussionsgrundlage dient. Meist gibt es in dieser Phase größere Anpassungen, die 3DFigur wird noch einmal angepasst, der Texturlook verändert, die Proportionen überdacht, die Rendershader angepasst, ein neues Rendering wird erstellt. Dieser Zyklus wiederholt sich so lange, bis das Ergebnis vollständig überzeugt 4/15 Landschaft/ Environment Der Prozess der Stilfindung bei der Landschaftsgestaltung ist noch in der Entwicklungsphase. Die wichtigsten Eckpunkte wurden aber bereits definiert. Die Umgebung soll organisch und ein wenig „künstlerisch“ wirken. Das Stilelement der Konturen (wie bei den Charakteren) wird auch bei den Landschaftsobjekten aufgegriffen. Denn natürlich müssen Charaktere und Umgebung zueinander in Einklang stehen. Hier ist es nicht mit einigen wenigen Festlegungen getan, sondern dieser Prozess zieht in der Praxis eine ganze Menge Finetuning nach sich, bis sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Erst wenn wir damit zu 100% zufrieden sind, darf die Stilfindung wirklich als abgeschlossen gelten. Und wie geht es weiter? Die Stilfindung ist Grundlage für so ziemlich alles, was im grafischen Bereich weiter geschieht. Egal, ob jemand Waffen modelliert, neue Charaktere ersinnt oder neue Landschaften oder Dungeons formt – der Style Guide bietet fortan die Grundlage, die dafür sorgt, dass sich jede Grafik nahtlos ins Bild einfügt. Sobald das abgeschlossen ist, geht die Arbeit für das Grafiker-Team erst richtig los. Unzählige Monster, Charaktere, Ausrüstungsgegenstände und Gegenden der Welt warten darauf, in 3D neu erschaffen zu werden. Die Stilfindung ist sicherlich die kreativste Phase für die Grafiker während der gesamten Spielentwicklung. Es darf experimentiert und ausprobiert werden. Vieles landet dabei auch wieder im Papierkorb, aber genau dafür ist diese Phase ja da. Damit auch endet auch schon die erste Folge des Entwicklertagebuchs. In der zweiten Folge wird es um einen anderen wichtigen Aspekt der Pre-Production gehen – lasst euch überraschen. 5/15 Teil 2: Die Story im Blickpunkt Nachdem wir im ersten Teil des Entwicklertagebuchs auf die grafische Stilfindung eingegangen sind, nähern wir uns diesmal einem völlig anderen, aber ebenso spannenden Thema, nämlich der Story. Natürlich werden wir hier nicht ausplaudern, wie die Geschichte ausgeht. Thema ist vielmehr, wie so eine Geschichte überhaupt entsteht und was wir unternommen haben, damit unser Hauptcharakter in Aventurien eine anständige Heldenqueste geboten bekommt. Eric Jannot ist als Game Designer zuständig für die Ausarbeitung der Story von DSA: Demonicon. Er ist DSA-Spieler quasi der ersten Stunde, aber auch mit anderen Pen&Paper-Systemen sehr vertraut. Er hat außerdem eine große Passion für Live-Rollenspiele aller Art und ist auf ziemlich vielen Veranstaltungen dieser Art anzutreffen (dort nach Autogrammen immer erst fragen, wenn er das Schwert weggelegt hat). Heute wird er also darüber berichten, wie der steinige Weg von der ersten Idee zur fertigen Story verlief. Alles beginnt mit einer Vision Der erste Schritt bei einer jeden Story-Entwicklung ist die Ideensammlung per Brainstorming, in dem man die Grundelemente für die Geschichte zusammenträgt. BeiDemonicon war rasch klar, dass wir keine „Held läuft unmotiviert los und rettet die Welt“-Story machen wollten, sondern wir setzten uns zum Ziel, eine bewegende, mitreißende Geschichte zu erzählen, in der der Spielercharakter mit seinen schicksalhaften Entscheidungen im Mittelpunkt steht. Die Story vonDemonicon ist sicherlich – der Titel deutet es ja schon an - für DSA eher düster. So wird der Held moralisch wiederholt geprüft und mit der Frage konfrontiert, ob der Zweck die Mittel rechtfertigt. Aber es geht in der Hauptgeschichte auch um andere Themen, beispielsweise das Festhalten an Liebe und Freundschaft in einem Land, in dem nichts so ist, wie es zu sein scheint, und in dem Grausamkeit und Verrat an der Tagesordnung sind. Da war es nur noch ein kleiner Schritt dahin, dass wir uns entschlossen haben, die Schwarzen Landen zum Hauptort der Handlung zu küren. Auf dieser Grundlage wurde eine erste grobe Skizze der Story gefertigt. Der Spannungsbogen und die wichtigsten Ereignisse wurden beschrieben, Notizen zu den Hauptfiguren der Story und den Hauptquests erstellt. In dieser Phase hatte das Material noch einen recht geringen Umfang und konnte dadurch leicht verändert werden. Der Spielercharakter als Mittelpunkt der Geschichte Nach dieser Phase rückte wieder der Spielercharakter in den Fokus der Arbeit. Der Spieler soll sich mit ihm und seinen Handlungen identifizieren können, seine Hintergrundgeschichte und die Beziehung zur Spielwelt müssen Neugierde wecken. Hier wurden auch grundsätzliche Entscheidungen zum Gameplay getroffen – ist der Hauptcharakter vordefiniert oder kann man Profession, Rasse, Geschlecht frei aussuchen? (Wir haben uns für ein klares Sowohl-als-auch entschieden.) Die freie Charakterauswahl hat für den Story-Verlauf nicht unwesentliche Konsequenzen: Ein geselliger Ambosszwerg wird bei Bürgern des Mittelreiches andere Reaktionen hervorrufen als eine menschenscheue Waldelfe. Die möglichen Vorgeschichten des Charakters und seine Verankerung in Aventurien wurden nun auch festgelegt. Natürlich bedeutet das eine ganze Reihe von Story- und Dialogvariationen, die als reine Textlösung schon einiges an Arbeit mit sich bringen. Aber selbstverständlich besitzen wir bei TGC auch gehobene Ansprüche an die Sprachvertonung. Diesen Aufwand hatten wir also bereits in dieser Phase des Story Designs im Hinterkopf. 6/15 Eine Computerspielstory ist interaktiv Bei der Story eines Computerspiels muss auch berücksichtigt werden, dass es keinen rein linearen Ablauf der Handlung wie bei Filmen und Romanen gibt. Schließlich trifft der Spieler Entscheidungen und erwartet, dass diese in der Spielwelt auch eine Bedeutung und sichtbare Konsequenzen haben, ob gute oder auch schlechte. Die Handlungsfreiheit muss sich also auch in möglichen alternativen Handlungen, wenn nicht sogar verschiedenen Spielenden widerspiegeln. In dieser Phase der Plot-Entwicklung hatte die Story bereits einen bedeutend größeren Umfang. Der Grundplot stand, der Spielercharakter und seine Entwicklungsoptionen wurden ausgearbeitet, die verschiedenen Plotstränge und Entscheidungswege wurden ausdefiniert. Nun musste aber auch den zentralen Nichtspieler-Charakteren (NSC) über ihre simple Funktion (als Gegner, Verbündeter, Mentor) hinaus Leben eingehaucht werden. Gutes Storytelling lebt von der Interaktion zwischen den Protagonisten, entsprechend wenig Platz gibt’s in einer guten Geschichte für langweilige 08/15-Charaktere. Storytiefe durch glaubwürdige Nichtspielercharaktere Damit Figuren nicht zu einer Aneinanderreihung von Klischees verkommen, wurde für jeden eine richtige Biographie geschrieben – je wichtiger, desto ausführlicher. NSCs müssen so entworfen werden, als ob sie real existierende Personen mit eigenen Wünschen, Ängsten, Stärken, aber auch Schwächen sind. Sie haben wie echte Menschen ihre eigenen Ziele und moralische Vorstellungen. Ihre Persönlichkeit ist wie bei „richtigen Menschen“ auch aus einer Lebensgeschichte und den gemachten Erfahrungen entstanden. Aus dieser Persönlichkeit heraus kann man dann auch sehr gut äußerliche Merkmale ableiten, so dass sich unsere Concept Artistinnen an die Arbeit machen können, um der Figur einen „Körper“ zu verleihen. Dabei wird auch immer geprüft, wie sich das Verhältnis zwischen NSC und Spieler-Charakter im Verlauf des Spiels gestalten würde und verändert. Wenn spannende Konflikte vorprogrammiert sind und starke Gefühle zwischen den Figuren erzeugt werden, wirken die Charaktere glaubwürdig und in sich stimmig. Gerade die wichtigen NSCs wurden und werden genau auf diesen Punkt hin immer und immer wieder optimiert. In Harmonie mit dem Schwarzen Auge Während des gesamten Entwicklungsprozesses wurden die einzelnen Aspekte der Story genau auf die aventurischen Begebenheiten abgestimmt. Die Mentalität der Figuren, die einzelnen Spannungselemente oder auch die möglichen Handlungsmotive des Spielercharakters müssen nicht nur für sich stimmig sein, sie müssen auch nach Aventurien passen. Selbstverständlich gilt es auch für die in DSA schon existierenden Orte, Gegenstände und Figuren, die aus dem reichhaltigen vorhandenen Material in Zusammenarbeit mit professionellen DSA-Autoren inDemonicon übernommen wurden. Merke: Eine großartige Geschichte wird noch großartiger, wenn sie vor dem Panorama eines solchen breitgefächerten und tief angelegten Szenarios spielt. 7/15 Das Wechselspiel von Story und Gameplay Letzten Endes erfährt die Story während der weiteren Entwicklung von Demonicon immer weitere Verfeinerungen und Änderungen. Wie das restliche Game-Design ist auch die StoryEntwicklung iterativ. Das heißt, dass sich die einzelnen Elemente des Spiels wie Gameplay, Level-Design oder Story gegenseitig bis zu einem gewissen Zeitpunkt in Inhalt und Struktur beeinflussen und verändern, die Story wirkt aufs Level-Design, das Level-Design gibt Impulse fürs Gameplay, aus dem Gameplay kommen neue Ideen für die eigentliche Geschichte. Dabei bleibt die oberste Regel: Die Story ist kein hübscher Selbstzweck, sondern dient dem Spielspaß. Der Plot ist nur dann gelungen, wenn der Spieler in dessen Verlauf die Handlungsfreiheit und Action bekommt, die man ihm versprochen hat. Das Ende der Geschichte Soweit Erics Ausführungen. Ihr seht: In eine gute Story steckt man eine ganze Menge Arbeit rein – die sich allerdings wirklich lohnt, schließlich soll die Geschichte mitreißen. Mehr zur Story möchten wir natürlich noch nicht verraten, weder etwas zur Rolle von Baron Tassilo noch zu den höchst bemerkenswerten Eigenschaften der Tochter des Alchemisten Lowanger. Auch welche schicksalsträchtige Rolle der Dämonenmeister und Halbgott Borbarad bei der ganzen Angelegenheit spielt, muss hier natürlich verschwiegen werden. Nur eins ist sicher: Es wird eine Reise ins Herz der Finsternis, die Aventurien für immer verändern wird. Stefan Hoffmann (Project Manager TGC) 8/15 Teil 3: Was macht eigentlich ein Projektmanager? Herzlich willkommen zum 3. Teil des Demonicon-Entwicklertagebuchs. Nachdem sich die ersten beiden Teile des Entwicklertagebuchs mit der grafischen Stilfindung und dem Storyentwurf beschäftigt haben, möchte ich diesmal der Frage nachgehen, was eigentlich das Projektmanagement bei einem Spiel wie DSA: Demonicon macht. Wir Projektmanager designen nicht, wir malen nicht, wir bauen auch nichts in 3D, wir musizieren nicht, programmieren tun wir erst recht nicht, eigentlich leisten wir keinen einzigen direkt sichtbaren Beitrag zum Spiel. »Hey Jungs, was treibt ihr da eigentlich?« Berechtigte Frage oder nicht – hier gibt’s die Antwort dazu. Aber zunächst zu uns: André Schmitz und meine Wenigkeit, Stefan Hoffmann, bilden die Projektmanagement-Abteilung bei TGC. Wir machen das beide schon seit vielen Jahren, und gemeinsam sorgen wir dafür, dass das Demonicon-Team (aktuell bereits über 50 Leute und noch weiter wachsend) auf Kurs bleibt und auf ein großes, gemeinsames Ziel hinarbeitet. Was ist eigentlich ein Projektmanager? Der Projektmanager stellt eine Planung auf und sorgt dafür, dass das Projektteam sie umsetzt. Werden die gesteckten (Zwischen-)Ziele nicht erreicht, wird gegengesteuert. Das hört sich erst mal simpel an, aber das grundsätzliche Problem dabei kann man mit folgendem berühmten Zitat sehr treffend umschreiben: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Die Arbeit eines Projektmanagers steht und fällt also mit der Fähigkeit, wie tief er in die Wahrsagekugel zu schauen vermag. Was muss aktuell angeschoben und beachtet werden, damit alle möglichst produktiv und hochmotiviert am Projekt arbeiten können? Worum müssen wir uns jetzt kümmern, damit wir nicht in drei Monaten irgendein Problem kriegen? Oder was wissen wir bereits über die Projektsituation in einem Jahr, das wir am Besten jetzt schon in unsere Planungen mit einfließen lassen? Je weiter man blicken will, je mehr Faktoren mit einbezogen werden, umso schwieriger wird die Angelegenheit. Hier helfen nur Erfahrung und ein Blick für das Wesentliche. Die gute Nachricht: Projektmanagement funktioniert in Wirklichkeit auch ohne Kristallkugel. Die schlechte Nachricht: Manchmal könnten wir so ein Ding schon ganz gut gebrauchen. Hey, ich habe einen Plan! Bei einem Riesenprojekt wie DSA: Demonicon erstellt natürlich niemand am Anfang einen gigantischen, hochdetailliert ausgearbeiteten Plan, der dann die nächsten Jahre einfach völlig unverändert vom Projektteam abgearbeitet wird. Im Gegenteil: Man beginnt mit einem groben Plan, verfeinert ihn immer weiter, plant die nähere Zukunft genauer als die ferne, berücksichtigt Erkenntnisse aus dem bisherigen Projektverlauf, schraubt und feilt und werkelt und erweitert immer weiter. Für einen Projektmanager ist Planung immer etwas sehr lebendiges, nichts was man in Stein meißelt. Die gesteckten Ziele bleiben eigentlich gleich, aber der Weg dorthin verändert sich stetig. So sind wir natürlich auch bei DSA: Demonicon vorgegangen. Demonicon besteht aus Projektplanungssicht aus einer Liste von vielen Tausend einzelnen Aufgaben, um die sich das Team zu kümmern hat und die alle ineinander greifen sollen. 9/15 Wenn wir uns beispielsweise den Teil der Hauptquest anschauen, der sich (unter anderem) aktuell in der Bearbeitung befindet, so werden wir bald feststellen, dass es gar nicht so unknifflig ist, das Zusammenspiel aller Mitarbeiter zum Funktionieren zu bringen. In der Story sucht der Spieler irgendwann in einem verfluchten Dorf nach Spuren eines Schmugglerpfades in die schwarzen Lande. Nur wenn man die schöne Sylvette findet oder zumindest ihr Schicksal klärt, erhält man die notwendigen Informationen. Aus Projektmanagement-Sicht ist das Schicksal der armen Sylvette eine Liste von vielen zu erledigenden Dingen. Wir brauchen ein Level, das verfluchte Dorf mit Umgebung. Bestimmte Häuser, einige dunkle Keller, natürlich die 3D-Modelle des Schurken und der tragischen Sylvette. Geben die Dialoge wirklich alle erforderlichen Informationen? Oh, die Story kann auch ein entsetzliches Ende nehmen? Der herzlose Projektmanager denkt hier eher praktisch und schaut gleich mal nach, ob für die blutjunge Sylvette schon eine Sterbe-Animation eingeplant ist. No one expects the Spanish Inquisition! Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit sind wöchentliche Reviews der einzelnen Abteilungen und damit der Arbeit jedes Mitarbeiters. Das klingt erst mal nach »Spanischer Inquisition«, ist aber meist doch eher entspannt. Wir prüfen und diskutieren dabei die Arbeit jedes einzelnen Mitarbeiters. Klar, dass wir dabei natürlich nicht nur darauf achten, dass unsere Leute ihre Arbeit in der geplanten Zeit schaffen, sondern auch dass sie die angestrebte Qualität erreichen, oder ob vielleicht irgendwo Unterstützung notwendig ist, ob Abstimmungsprobleme aufgetreten sind (»Sylvette sollte doch ein altes Kräuterweib sein, oder?«) usw. Hat man sich einmal über die Arbeit der vorangegangenen Woche ausgetauscht, kann man sich sogleich der nächsten zuwenden. Was ist zu tun? Welche Grafik-Features müssen als nächstes her und was müssen die 3D-Artists tun, damit wir’s im Spiel sehen? Ist die schöne Sylvette schon fertig? Und wie sieht‘s mit dem versteckten Dämonenpaktierer aus? Und bräuchten wir nicht langsam auch den Raum, in dem es zum großen Showdown kommt? Welche Concepts fehlen noch, damit alles gebaut werden kann? Dabei müssen wir unsere nächsten großen Planungszwischenziele, die sogenannten Milestones, im Auge behalten und die Aufgaben der einzelnen Teammitglieder aufeinander abstimmen. All das ist oft ein ganz schöner Aufwand – je größer das Team, desto mehr. Am Ende des Reviews hat jeder Mitarbeiter wieder einen Plan in der Hand, der ihm genau sagt, welche Arbeiten für die nächsten Tage, Wochen und Monate wichtig sind. 10/15 Was ein Projektmanager sonst noch alles tut Neben der eigentlichen Projektplanung haben André und ich uns auch noch andere Zielsetzungen auf die Fahnen geschrieben. So möchten wir, dass jeder Mitarbeiter so gut wie möglich über alles, was so im Unternehmen und beim Projekt abläuft, informiert ist. Dazu versenden wir in regelmäßigen Abständen Infomails an das gesamte Team. Themen sind dabei natürlich nicht nur harte Fakten, sondern auch Maßnahmen, die der Identifikation des Teams mit dem Projekt dienen sollen. So gibt es mittlerweile sogar ein völlig inoffizielles, aber echt niedliches Maskottchen, für das gerade per Email-Voting ein Name gefunden wird. DSA-Fans kennen das possierliche Tierchen als Todeshörnchen. (siehe Bild) Dass Todeshörnchen braucht noch einen Namen. Solche Informationen klingen erst mal ziemlich nebensächlich, sind es aber nicht. Je größer ein Team, desto unübersichtlicher ist für jeden Mitarbeiter auch die Gesamtlage, desto unterschiedlicher sind die Vorstellungen der Mitarbeiter vom Projekt und dem, wo man eigentlich damit hin will. Alles, was diese unterschiedlichen Ideen wieder zusammenführt, leistet also einen ziemlich wichtigen Beitrag. 11/15 Und was wird nun aus Sylvette? Leider muss ich sagen (ganz nüchtern, wie wir Projektmanager es sein sollten), dass mittlerweile der grausige Zombie (siehe Bild) fertig geworden ist, der in Sylvettes unmittelbarer Nachbarschaft sein Unwesen treiben wird. Und die für Sylvette georderte Sterbeanimation sieht auch ganz hervorragend aus. Kann sie uns wenigstens noch ins Ohr hauchen, wo wir den Schmugglerpfad in die Schwarzen Lande finden? Oder ist Sylvettes Tod vielleicht sogar ganz einfach abzuwenden? Das sind alles Fragen, deren Antwort ihr wohl erst bei Release von DSA: Demonicon erhalten werdet. Der Weg in die Schwarzen Landen ist jetzt jedenfalls frei... Sylvettes neuer WG-Mitbewohner setzt ganz neue Maßstäbe an Eleganz und Reinlichkeit 12/15 Teil 4 : Die Technik hinter dem Rollenspiel Ein ganz wesentlicher Aspekt bei der Entwicklung von DSA: Demonicon ist die zugrunde liegende Technik. Ein Spiel kann noch so gut designt und die Grafik noch so ansehnlich sein, es braucht auch eine anspruchsvolle Technik, also eine „Engine“, die unsere Zielplattformen XBOX 360 und PC ordentlich ausreizt, um überzeugen zu können. Sebastian Tusk ist bei Demonicon zuständig für diese wahre Herkules-Aufgabe, bei der wir uns große Ziele gesteckt haben. Darüber wird er nun im Folgenden etwas erzählen. Engine-Entwicklung bei TGC Zunächst möchte ich mich vorstellen. Ich bin Sebastian Tusk und arbeite als technischer Leiter an Das Schwarze Auge: Demonicon. Damit bin ich verantwortlich für alle technischen Aspekte beiDemonicon. Ein ganzes Team von Programmierern beschäftigt sich derzeit mit der technischen Umsetzung, wobei vom alten Hasen mit jahrzehntelanger Erfahrung bis zum Auszubildenden alle mit riesiger Motivation und Engagement an der Erschaffung von Demonicon arbeiten. Aber was genau macht dieses Team für Demonicon? Anfänge Bevor man damit beginnen kann, eine Engine zu entwickeln, muss man sich zunächst einmal ein Bild davon verschaffen, was sie alles können muss. Hier ist die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen wichtig, insbesondere mit dem Game Design. Was für die Designer vielleicht erst mal nur ein Satz ist („Der Charakter muss schwimmen können.“), kann für die Engine Programmierung mehrere Monate Arbeit bedeuten, zum Beispiel: Findet der Charakter vernünftig seinen Weg im Wasser? Merkt die Engine, wenn der Charakter mit einem anderen Objekt im Wasser kollidiert? Und sehen die Effekte auf der Wasseroberfläche realistisch aus? Diese Analyse muss man sehr sorgfältig machen, wenn man den Aufwand einigermaßen genau abschätzen will. Dabei muss man gleichzeitig die Machbarkeit der einzelnen Techniken zu prüfen. Gerade beim PC mit der großen Bandbreite an verschiedenen Geräten und einer gewissen Unsicherheit, wie die weitere Entwicklung der nächsten Jahre aussieht, ist manchmal gar nicht so leicht zu beantworten, wie man ein gewünschtes Feature wirklich umsetzen kann – bei der XBOX 360 ist das meist einfacher, da sich die Plattform natürlich nicht mehr signifikant verändert. Um auch für den PC Bezugsgrößen zu schaffen, mit denen man arbeiten kann, haben wir uns drei PC-Systeme erdacht, die zum Release-Zeitpunkt in etwa den minimalen, empfohlenen und optimalen Hardwareanforderungen entsprechen sollten. Aus diesen Leistungsmerkmalen haben wir dann berechnet, was wir wie aufwändig inszenieren können, wie komplex die 3D-Modelle und die Landschaft sein dürfen und so weiter. Vieles davon ist auch sehr wichtig für die Grafiker und das Game Design. Wenn wir zum Beispiel einen genialen, hochpolygonalen Drachen haben, dessen Darstellung von unserem Referenz-PC das Letzte fordert, dann sollten die Game Designer besser wissen, dass sie diesen Burschen nicht im riesigen Rudel auftreten lassen – denn dann ginge das Spiel in den unfreiwilligen Einzelbildmodus. 13/15 Werkzeuge Nachdem die ersten Arbeitsschritte bequem mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Projektplanungssoftware erledigt werden konnten, spielen im späteren Alltag eines Programmierers natürlich andere Werkzeuge die wichtigste Rolle. Die Entwicklungsumgebung eines Coders besteht dabei primär aus einem Texteditor (in den er den Code eingibt), den Compiler (der den Code in ein ausführbares Programm übersetzt) und den Debugger (mit dem man die Bugs jagen). Für den eigentlichen Engine-Code wird die Sprache C++ verwendet. Für Skripte, Toolentwicklung und so weiter verwenden wir in Demonicon übrigens die sehr leistungsfähige Scriptsprache Python. Ein weiteres unverzichtbares Arbeitsmittel sind Bücher, Dokumentationen, Essays und so weiter, welche der umsetzende Programmierer für seine Arbeit lesen muss. Viele Engine-Themen muss er sich erst einmal gedanklich erarbeiten, und dabei möglichst nicht nur irgendeinen Weg finden, um zum Ziel zu kommen, sondern auch gleich den kürzesten und besten. Für die Arbeit in einem großen Team ist auch eine Wiki für Design und Dokumentation unverzichtbares Werkzeug. Dort lesen die Programmierer nicht nur ihre Aufgaben nach, sondern dokumentieren dort auch, wie sie etwas im Einzelnen umgesetzt haben, was es kann und was nicht. Das letzte Instrument, das ich hier vorstellen möchte, ist unser Buildserver. Dieser erzeugt automatisch auf Basis der aktuellen Daten das komplette ablauffähige Spiel bis zum Installer. So kann der Buildserver jederzeit automatische Tests durchführen oder eine Version für manuelle Test und die Qualitätssicherung erstellen. Von der Idee zum fertigen Feature Jedes einzelne Feature, das in die Engine integriert wird, durchläuft einen längeren Prozess, bis es vollständig bereit steht. So muss zunächst festgelegt werden, wie das Feature genau aussieht, was es können muss und wie es mit dem Rest der Engine zusammenarbeitet. Oftmals werden hier auch bereits Tests durchgeführt, um richtig abschätzen zu können, ob das Feature überhaupt wie gewünscht funktioniert. Im nächsten Schritt erarbeitet sich der Programmierer im Rahmen seiner Recherche dann ein umfassendes Konzept zur Umsetzung. Jetzt weiß er schon ziemlich genau, was er machen muss, und kann das Feature dann sehr zielgerichtet programmieren – jetzt kommt also die klassische Programmierarbeit. Als Teil der Implementierung werden auch automatisierte Tests entwickelt, die sicherstellen sollen, dass sich in den vorhandenen Funktionen keine neuen Fehler einschleichen. Ist die Implementierung abgeschlossen, folgt die eigentliche Testphase, in der die Funktionsweise auf Korrektheit geprüft wird. Dabei wird natürlich nicht nur das Feature selbst geprüft, sondern immer auch das eigentliche Spiel. In diesem Zusammenhang werden auch regelmäßig Tests des gesamten schon vorhandenen Spiels durchgeführt, um sicherzustellen, dass im Zusammenspiel der vielen Komponenten noch alles funktioniert. Nicht dass nachher das Einbauen des Schwimmens dazu geführt hat, dass beim Klettern plötzlich eigenartige Dinge passieren. Die meisten solcher Wechselwirkungen fallen allerdings schnell auf. 14/15 Mehr als Engine Neben ihrer Arbeit an der Engine und den Spielscripten sind die Programmierer auch noch mit weiteren wichtigen Aufgaben befasst. Einen großen Raum nimmt dabei die Toolentwicklung ein, also Programme, die wir zur Erstellung von Levels, Quests, Filmsequenzen usw. einsetzen. In den Editoren werden die zahllosen Einzelkomponenten wie Grafiken, Sounds, Skripte, Questen usw. zum ersten Mal zusammengefügt und als Einheit sichtbar. Hinzu kommen noch viele kleinere Werkzeuge, welche unsere Arbeitsabläufe unterstützen. Bei den Tools ist natürlich besonders wichtig, dass sie eingängig und gut bedienbar sind. Schließlich müssen eine Menge Leute damit arbeiten und Aventurien damit digitales Leben einhauchen. Ausblick Auch wenn die Arbeit an unserer Engine noch nicht vollständig abgeschlossen ist, sind alle Kernbereiche längst fertig, so dass die Spielbarkeit weiter vorangetrieben werden kann. Die nächsten für uns wichtigen Meilensteine sind beispielsweise der Einbau von Wetter, von einigen bisher noch nicht möglichen Gewässerformen und die finalen Gesichtsanimationen. Und wir haben uns fest vorgenommen, unseren Helden demnächst endlich mal das Schwimmen beizubringen. Euer Sebastian Zum Schluss Soweit Sebastian Tusk, bevor er sich wieder einer kniffligen Aufgabenstellung bei der nächsten ShaderErweiterung zuwandte. Insgesamt sitzen übrigens allein 21 Programmierer daran, die Engine für DSA: Demonicon weiter zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass die dichte, düstere Atmosphäre der Story auch von der Engine voll unterstützt wird. Vor allem auf das Wetter freue ich mich. Was wäre schon eine Reise ins Herz der Finsternis bei strahlendem Sonnenschein? Stefan Hoffmann (Project Manager TGC) 15/15