Herbert Liedel – Bilder, die bleiben
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Herbert Liedel – Bilder, die bleiben
Nr. 55 | 20. Oktober 2015 11 Museen der Stadt Nürnberg Herbert Liedel – Bilder, die bleiben Zum Gedenken an den geschätzten Nürnberger Fotografen Es war um die Mitte der 1980er Jahre, als ich Her bert Liedel im Rahmen eines Projektes zur Doku mentation alter Nürnberger Firmen kennenlernte. Von da an blieb der Fotograf dem Museum Indus triekultur und mit den Jahren auch mir als Freund eng verbunden. Als echter Nürnberger in Gostenhof geboren, galt seine Liebe der fränkischen Landschaft und ihrer faszinierenden Natur, dem Sport und eben auch den Industriedenkmalen in der Region, wie bei spielsweise dem „Alten Kanal“, den Mühlen oder der Eisenbahn. Die Entwicklung des Museums Industriekultur in der ehemaligen Schraubenfabrik des Julius Ta fel zu einem technik- und sozialgeschichtlichen Museum von heute nahezu 6000 Quadratmetern Ausstellungsfläche hat er von Anfang an begleitet und mit eindrucksvollen Bildern mitgestaltet. Als im Museum dann ein Schwerpunkt „Fotografie als technische Kunst“ begründet wurde, war Herbert Liedel natürlich mit dabei. Seiner Initiative ist die gemeinsame Gründung der Nürnberger „Fotoszene“ zu verdanken. Der Zusammenschluss regionaler Berufsfotografen und Fotokünstler initiierte in den Folgejahren zahlreiche Ausstellungen und Projekte im Museum wie auch anderswo. Ein Kernthema des studierten Sozialwirtes Her bert Liedel, der sich gleich nach Abschluss des Herbert Liedel Foto: Udo Dreier, bayernpress Studiums ganz der Fotografie widmete, war die Dokumentation stadt- und industriegeschichtlicher Themen wie beispielsweise eine Gegenüberstellung historischer und aktueller Ansichten der Fürther Straße als prototypische Achse der Industrialisie rung oder die Darstellung der Stadtgrenzen von der Stadtmauer bis zum heutigen Grenzverlauf. Natür lich war er auch beteiligt bei der großen Jubiläums ausstellung zum 100. Geburtstag des 1. FCN, dem ja ohnehin seine große Liebe galt, oder an der Präsen tation zur Lebensgeschichte des wohl größten ClubIdols, Max Morlock. Eine vollständige Aufzählung aller Aktivitäten der langjährigen, kontinuierlichen Zusammenarbeit ist hier natürlich nicht möglich. … und so viel wollten wir noch machen! Die Begeisterung für neue Themen und die kreati ve Entwicklung von Projekten kennzeichneten den gemeinsamen Weg. Aus diesem Prozess wurde Her bert Liedel durch seinen viel zu frühen Tod herausge rissen, wodurch auch laufende Projekte unvollendet blieben. Eines davon soll in der Ausstellung Herbert Liedel – Bilder, die bleiben vorgestellt werden. Vor einigen Monaten sprachen wir über einen klei nen historischen Fotobestand des Militärfotografen Ray D' Addario, den dieser im Rahmen einer Ausstel lung in den 1990er Jahren dem Museum überlassen hatte. Unmittelbar nach Kriegsende dokumentierte D’ Addario das zerstörte Nürnberg in eindrucksvol len, einzigartigen Bildern, und Herbert Liedel zeigt nun an einigen Beispielen, wie sich die Stadt aus der jeweils gleichen Perspektive heute präsentiert. Dieses Projekt bleibt auch deshalb unvollendet, weil ein Teil der aktuellen Bilder den hohen Ansprüchen des Fotografen nicht genügte. Sonnenstand, Licht verhältnisse, Perspektive, Standort, das alles musste stimmen. Und so lange fotografierte er, wieder und wieder, selbst wenn er dafür um vier Uhr früh das Haus verlassen musste. Matthias Murko Herbert Liedel – Bilder, die bleiben Fotoausstellung im Museum Industriekultur 5. 11. bis 6. 12. 2015 Di bis Fr 9–17 Uhr; Sa und So 10–18 Uhr Liedels jüngstes, un vollendetes Projekt: Er stellte den Fotos von Ray D'Addario nach dem Krieg eigene Bilder von Nürnberg heute gegenüber, hier zu sehen am Hauptmarkt um 1946 und von 2015. Die Burg mit verschneiter Altstadt, Winter 2009 Foto: Herbert Liedel Rendezvous mit kussfreudiger Muse Musik, Poesie, Theater – seit fünf Jahren gibt es in Nürnberg eine völlig neue Form des Museums erlebnisses. Die Autoren des Projekts Mus[e]en-Lesung ver leihen Aura und Geist, die den Musentempel durch wehen – wenn man nur richtig hinschaut – eine Stimme. Ihre Texte sind künstlerische Übersetzun gen des faktisch Gegebenen. Mit poetischen Worten und Geschichten berühren sie und verführen die Gäste dazu, eigenen Erfahrungen nachzuspüren. Seit 2010, als Michael Lösel das Projekt mit ei nem Begleitprogramm zur Sonderausstellung Der Weg des Adlers im Museum Industriekultur aus der Taufe hob, entwickelte das Ensemble mehr als ein Dutzend Programme für die Museen der Stadt Nürnberg. Dabei bringen die Bühnenpoeten ihre ge sammelten künstlerischen Fähigkeiten ein, so dass die Annäherung an historische Sujets im musischen Dreiklang von Literatur, Schauspiel und Musik er folgt. Objekte wie Räumlichkeiten erscheinen für den Augenblick eines Musenkusses in m agisches Licht getaucht. Da mit der Zeit theatrale Elemente an Bedeutung gewannen, war der Schritt von der frei vorgetrage nen literarischen Revue zum poetischen Theater nur konsequent. Erstmals wurde im Dürer-Haus mit Willibald & andere Gäste ein durchgehend dramatischer Text gespielt. Schäferspiele & andere Eitelkeiten folgten im Jahr darauf im Museum Tucherschloss. Bereits die ersten Mus[e]en-Lesungen ermun terten die Besucher zu einem auch gedanklichen Rundgang, der sich in erfrischender Weise von tro ckenen Wasserglaslesungen abhob. Die neue Form, das poetische Theater, spielt sich nun nicht nur vor, sondern auch in den Reihen des Publikums ab und belebt somit Gäste und Geschichte in gleicher Weise. Charmant und ironisch, mit hintersinnigen und gut recherchierten Texten nehmen die Darstel ler ihr Publikum für anderthalb Stunden auf eine fantastische Entdeckungsreise mit. Ein Konzept, das überregional bedeutsam und einzigartig ist in der deutschen Museumslandschaft. Die ansprechende Art, wie die Bühnenpoeten Staub von scheinbar Altbekanntem fegen, stößt auf hohe Resonanz beim Publikum: „Mit profes sionellem Gespür werden für das jeweilige Haus Zuordnungen aus Geschichte, Gewohnheiten, Ereignissen feinmaschig in sichere literarische Pose gebracht.“ (Stimme aus dem Publikum) Auch die Presse teilt die Begeisterung, so schreibt Dietmar Bruckner im vergangenen Jahr in der NN: „Das Projekt Muse(e)n-Lesung hat sich in den letz ten fünf Jahren erfreulich etablieren können, auch dank diverser Sponsoren. Wenn die Stadt irgend wann wieder ihre Kulturpreise zu vergeben hat: Wir wüssten da einen Anwärter.“ Soeben feierten die Bühnenpoeten ihre 100. Ver anstaltung im Stadtmuseum Fembohaus, schon mischen sie sich wieder unter die Besucher des Dü rer-Hauses (Willibald & andere Gäste, 25. Oktober, 8. und 22. November 2015, jeweils 15.30 Uhr). Wäh renddessen wird das Programm für das kommende Jahr ausgearbeitet. Am 31. Januar 2016 hebt sich der Vorhang zum ersten Mal für das neue Theaterstück Industrie, Kultur & der achte Tag im Museum Industriekultur. Im Mittelpunkt steht eine typisierte Familie, die sich auf der Straße des Museums von der industriellen zur digitalen Revolution bewegt und dabei mit sich verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen hat. Aufbruchstimmung und Besitz standswahrung, wechselnde Parteibildungen und Eigeninteressen stellen den Zusammenhalt der Gemeinschaft immer wieder auf die Probe. Zur Fei er des achten Tages treffen sich am Ende alle noch einmal zu einem Neustart. Weiterhin geplant ist für das Jahr 2016 eine Wiederaufnahme des Tucherschloss-Programms Schäferspiele & andere Eitelkeiten, ein Spiel mit Worten und Figuren. Während im Schloss Porträts metaphorisch „abgestaubt und aufpoliert“ werden, lassen die Schauspieler die Bilder der Betuchten von glanzvoller Vergangenheit sprechen, während die kleinen Leute über eine ungewisse Zukunft phi losophieren und Pläne für ein eigenes Schäferspiel schmieden. Für den Herbst darf man sich dann auf ein na gelneues Programm im Stadtmuseum Fembohaus freuen. In dem Stück Heimat & andere Déjà-vus tragen sich sieben heimatlose Personen mit dem Gedanken, im Fembohaus eine Wohngemeinschaft zu gründen. Die Schikanen des Hausverwalters und die unterschiedliche historische Herkunft der Figu ren führen sehr bald zu Reibereien, aber auch zu dem ein oder anderen Déjà-vu-Erlebnis. Werden sie am Ende ein Zuhause finden oder nur eine vorüber gehende Bleibe? Immer beziehen sich die Macher des Poetischen Theaters auf den historisch kulturellen Kontext der musealen Umgebung. Nicht nur, dass die ge sprochenen Texte einen historisch signifikanten Duktus annehmen und zeitgemäße lyrische Zitate oder Redewendungen zu hören sind. Auch leitmo tivische Objekte erhalten in der Entwicklung der Szenen eine Stimme, so dass sich der rote Faden der Handlung über das bildhafte Sprechen der Bühnen poeten entlang scheinbar nebensächlicher Dinge entwickeln kann. Mitglieder des Ensembles sind Michael Lösel, Susanne Rudloff, Holger Trautmann, Vincent E. Noel, Madeleine Weishaupt, Günter Körner, Michaela Moritz; Regie: Elisabeth Trautmann. Michael Lösel Die Szene aus Industrie, Kultur & der achte Tag thematisiert die Litfaßsäule als „Hotspot der Transformation“, von elektrischer Energie zu Licht, von der Benachrichtigung zur Meinung und vom Mythos zur Werbe-Ikone. Probenfoto: Nicole Quednau