FamR 05 - Dr. Klaus Richter

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FamR 05 - Dr. Klaus Richter
8.
Eheliches Unterhaltsrecht
a.
Grundlagen: Unterscheide Ehegattenunterhalt (§§ 1360 – 1361 und §§ 1569 –
1586b) und Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff. BGB).
aa.
Während intakter Ehe sind die Gatten einander zum Familienunterhalt (auch:
Naturalunterhalt) verpflichtet, der auch die Unterhaltsleistungen für gemeinsame
Kinder umfasst (§ 1360a Abs. 1)
bb.
Bei Getrenntleben oder Scheidung: Familienunterhalt entfällt, statt dessen einseitige
Ansprüche auf Zahlung einer Geldrente (§§ 1361 Abs. 4, 1585 Abs. 1) in Höhe
lediglich des Ehegattenunterhalts. Zum Kindesunterhalt vgl. §§ 1629 Abs. 2 S. 2,
Abs. 3 S. 1 BGB.
b.
Verpflichtung zum Familienunterhalt
aa.
Verpflichtung zum Unterhalt durch Einsatz von Arbeitskraft und Vermögen, §
1360 BGB
(1.)
Umfang des Unterhalts: §§ 1360 S. 1, 1360a. Zum angemessenen Familienunterhalt
zählt alles, was nach den Verhältnissen der Eheleute notwendig ist, um den Haushalt,
die persönlichen Bedürfnisse der Gatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen
Kinder zu bestreiten. Im Rahmen dieser Verhältnisse bestimmt § 1360a Abs. 1 die
wesentlichen Faktoren des Familienunterhalts:
-
Kosten des Haushalts (Wohnung, Wohnungseinrichtung, Heizung, Lebensmittel,
Familienurlaub)
Persönliche Bedürfnisse der Ehegatten
Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder.
(2.)
Unterhaltsmittel: Arbeit und Vermögen der Ehegatten (§ 1360 S. 1). § 1360 S.2:
Ehegatte, der den Haushalt führt, erfüllt seine Verpflichtung durch die
Haushaltstätigkeit; Bezug zur „Arbeit“ in S. 1.
(3.)
Art der Unterhaltsgewährung: § 1360a Abs. 2 S. 1  Naturalunterhalt.
-
(4.)
Wohnbedarf ist in concreto zu decken
Lebensmittel, Heizmaterial, Einrichtungsgegenstände sind zur Verfügung zu
stellen
Der Haushalt ist tatsächlich zu führen
Kinder sind zu pflegen (§ 1606 Abs. 3 S. 2)
Abgrenzung zum Verwandtenunterhalt: Die Regeln des allgemeinen
Verwandtenunterhalts sind – mit Ausnahme von § 1360a Abs. 3 – nicht auf die
Unterhaltspflicht von Ehegatten anwendbar. Die eheliche Unterhaltspflicht wird daher
auch nicht durch die Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts begrenzt, so
aber § 1603 S. 1 für den Verwandtenunterhalt
1
cc.
Zuvielleistung: Im Zweifel erfolgt Zuvielleistung ersatzlos (widerlegbare Vermutung
des § 1360b). Verzichtet der Partner nicht auf Ersatzforderung, dann muss
unterschieden werden, ob der mehrleistende Ehegatte für den (an sich verpflichteten)
Partner tätig wird (dann sind Ersatzansprüche auf der Grundlage einer cessio legis
nach § 1607 Abs. 2 S. 2 aus GoA oder Bereicherungsrecht denkbar) oder ob ein
Ehegatte bei beiderseitiger Erfüllung der Unterhaltspflicht über den von ihm
geforderten Beitrag hinaus leistet (dann vertraglich vereinbartes Rückforderungsrecht
oder Zweckerreichung nach § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB).
dd.
Keinen Unterhalt für die Vergangenheit (§§ 1360a Abs. 3, 1613 BGB): Für die
Vergangenheit kann Unterhalt weder gefordert noch zurückgefordert werden. Kein
Verzicht auf künftigen Unterhalt während bestehender Ehe (§§ 1360 Abs. 3, 1614
Abs. 1) sowie kein Verzicht auf Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs (OLG
Karlsruhe FamRZ 1980, 1117).
c.
Trennungsunterhalt
aa.
Wegfall des Familienunterhalts: Laufender Unterhalt ist in Form einer Geldrente zu
leisten (§ 1361 Abs. 4 S. 1 BGB). Anspruch des einzelnen Ehegatten für sich
selbst; für die Kinder muss vom sorgenden Elternteil deren Verwandtenunterhalt (§§
1601 ff. BGB) geltend gemacht werden, und zwar gem. § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB im
eigenen Namen (Prozesstandschaft).
bb.
Anspruchsvoraussetzungen
(1)
Bedürftigkeit: Lebens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten zur
Sicherstellung angemessenen Unterhalts entscheidend.
(2)
Leistungsfähigkeit des Verpflichteten: Eigenbedarf des unterhaltspflichtigen
Ehegatten kann nicht vorweg in Abzug gebracht werden (abweichend von Regel des §
1603 Abs. 1 BGB). Vorrangige Unterhaltspflicht der Verwandten des
unterhaltspflichtigen Partners (§ 1608 S. 2 BGB). Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gebietet Analogie zu § 1581 BGB (BVerfG NJW 2002, 2701 f.)
9.
Eigentumsvermutung - § 1362 Abs. 1.
Die engen Lebensbeziehungen zwischen Eheleuten haben zur Folge, dass für
Außenstehende nur mit Schwierigkeiten erkennbar und nachweisbar sein wird,
welchem von beiden Ehegatten bestimmte Vermögensgegenstände gehören; Dritte, die
keine Kenntnis von der Ausgestaltung der Verhältnisse zwischen den Eheleuten haben,
wissen nicht, wer Eigentümer dieser Sachen ist. Das ist besonders ärgerlich für
Gläubiger eines Ehegatten, so dass diese vor solchen Unklarheiten geschützt werden
müssen, um die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können. Um den Gläubiger zu
schützen, gibt es die Vorschrift des § 1362 Abs. 1 BGB und sein prozessuales
Äquivalent, den § 739 ZPO.
§ 739 ZPO ist eine Ausnahmevorschrift zu § 809 ZPO: Bei der Durchführung der
gegen einen Ehegatten gilt nur der Schuldner-Ehegatte als Gewahrsamsinhaber! § 739
ZPO stellt eine Fiktion auf („gilt“), die nicht widerlegbar ist.
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§ 1362 Abs. 1 BGB spricht die – widerlegbare – Vermutung aus, dass bewegliche
Sachen, die sich im Besitz eines der beiden Ehegatten oder beider Ehegatten befinden,
Eigentum des Schuldners sind.
Reichweite der Widerlegung: Es genügt der Nachweis des Eigentumserwerbs des
nicht schuldenden Ehegatten; der Fortbestand des Eigentums in der Person des
Gatten wird dann seinerseits vermutet (BGH FamRZ 1992, 409).
cc.
Verhältnis von § 1006 BGB zu § 1362 Abs. 1 BGB
(I.)
Grundsatz: § 1362 Abs. 1 BGB ist Spezialnorm zu § 1006 BGB. Hinsichtlich
des gegenwärtigen Besitzes der Gatten schließt § 1362 Abs. 1 die Vorschrift
des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB aus und vermutet das Alleineigentum des
Schuldners (anstatt Miteigentum der Eheleute, § 1006 Abs. 1 S. 1).
(II.)
Bei Widerlegung der Vermutung des § 1362 Abs. 1 ist Berufung auf § 1006
Abs. 2 BGB möglich.
(III.) Einschränkungen:
o Bei Getrenntleben gilt Vermutung des § 1362 Abs. 1 nur, wenn sich
Sache im Besitz des Schuldners befindet (§ 1362 Abs. 1 S. 2).
o Für ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten
bestimmte Gegenstände wird vermutet, dass sie dem Ehegatten gehören,
für dessen Gebrauch sie bestimmt sind (§ 1362 Abs. 2 BGB).
10.
Eheliches Güterrecht
a.
Allgemeines
Insgesamt gibt es drei Güterstände:
-
die beiden durch Ehevertrag vereinbarten Güterstände: Gütertrennung und
Gütergemeinschaft (§§ 1408 ff., 1414, 1415)
den gesetzlichen Güterstand: Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff.)
b.
Überblick
aa.
Zugewinngemeinschaft
-
Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie
keinen Güterstand ehevertraglich vereinbart haben
Die Zugewinngemeinschaft bedeutet Gütertrennung während der Ehe;
Einschränkungen durch §§ 1365, 1369 BGB.
Ausgleich bei Beendigung der Ehe durch Tod oder Scheidung: Bei Tod eines
Ehegatten erbrechtliche Lösung (§ 1371 Abs. 1 BGB) oder güterrechtliche Lösung (§
1371 Abs. 2 BGB). Bei Scheidung der Ehe: Zugewinnausgleich (§ 1378 BGB).
-
3
bb.
Gütergemeinschaft und Gütertrennung
(a.)
Ehevertrag: Die Eheleute können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch einen
Ehevertrag regeln (§ 1408 Abs. 1); Ausschluss des Versorgungsausgleichs (§ 1408
Abs. 2).
(b.)
Mit dem Ehevertrag können die Eheleute folgendes vereinbaren:
-
(c.)
Sie können einen der beiden Wahlgüterstände bestimmen (§§ 1414, 1415 BGB)
Sie können einen bestehenden Güterstand ändern – sei es der gesetzliche oder
einer der Wahlgüterstände (§ 1408 Abs. 1)
Sie können sich damit begnügen, den gesetzlichen Güterstand auszuschließen
oder ihn später aufzuheben – mit der Folge, dass das BGB von Gütertrennung
ausgeht (§ 1414 S. 1).
Die Ehegatten können es bei dem gesetzlichen Güterstand belassen, aber den
Zugewinnausgleich ausschließen. Nach § 1414 S. 2 tritt dann Gütertrennung ein.
Gleiches gilt, wenn eine vordem eingetretene Gütergemeinschaft aufgehoben
wird oder wenn der Versorgungsausgleich gänzlich ausgeschlossen wird.
Schließlich verbietet es die Vertragsfreiheit den Eheleuten nicht, einzelne
gesetzliche Regelungen des Güterrechts zu verändern oder auszuschließen. So
können sie zB die Höhe des Zugewinnausgleichs auf eine bestimmte Höhe
begrenzen (also abweichend von § 1378).
Ein Ehegatte kann dem anderen durch Ehevertrag die Verwaltung seines
Vermögens überlassen (dies begründet dann per se keine Gütergemeinschaft!).
Beschränkung der Vertragsfreiheit:
(aa.)
§ 1409 BGB
(bb.) Rspr.: zweistufige Wirksamkeitsprüfung (BGH FamRZ 2004, 601; FamRZ
2005, 691; FamRZ 2005, 1444; FamRZ 2005, 1449; FamRZ 2006, 1097).
(I.)
1. Stufe: Wirksamkeitsprüfung nach § 138 BGB: Maßgeblich ist
Zeitpunkt des Vertragsschlusses; Feststellung, ob Vereinbarung zu
einseitiger Lastenverteilung im Scheidungsfall führt; falls zutreffend,
dann Sittenwidrigkeit (+).
(II.)
2. Stufe: Ausübungskontrolle nach § 242 BGB: Maßgeblicher
Zeitpunkt ist der des Scheiterns der Ehe; falls sich eine für den anderen
Ehegatten ungünstige und unzumutbare Lastenverteilung ergibt, dann
Treuwidrigkeit (+).
(III.) Kernbereiche des Scheidungsfolgerechts dürfen durch Ehevertrag
nicht oder nur sehr bedingt angetastet werden. Keine Beschränkungen
bei vertraglicher Regelung des Zugewinnausgleichs (BGH NJW 2004,
930).
(d.)
Gütertrennung: Eheleute in personenrechtlicher Hinsicht miteinander verbunden,
Vermögen sind jedoch getrennt. Kein Zugewinnausgleich, aber Versorgungsausgleich,
es sei denn, dieser wurde durch Ehevertrag ausgeschlossen (§§ 1408 Abs. 2, 1414
BGB).
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(e.)
Gütergemeinschaft: Eheleute sind vermögens- und personenrechtlich eine Einheit; §§
1415 – 1482 BGB. Verschmelzen der Vermögensmassen zum Gesamtgut (§ 1416
BGB) in Form der Gesamthandsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB). Ausnahmen sind
das Sondergut (§ 1417 BGB) und das Vorbehaltsgut (§ 1418). Die
Gütergemeinschaft endet durch Aufhebungsvertrag (Ehevertrag) oder gerichtliches
Urteil; Auseinandersetzung der Ehegatten nach §§ 1414 ff. BGB.
Grundregeln bei Schulden bei bestehender Gütergemeinschaft:
o Für die Verbindlichkeiten jedes Ehegatten haftet das Gesamtgut (§§
1459 I, 1437 I).
o Jeder Ehegatte haftet für die ihn treffenden Verbindlichkeiten außerdem
mit seinem persönlichen Vermögen
o Darüber hinaus sieht das Gesetz die Haftung eines Ehegatten mit seinem
persönlichen Vermögen auch für die Schulden des anderen unter den
Voraussetzungen
der
§§
1459
Abs.
2,
1437
Abs.
2
(Gesamtgutsverwaltung).
cc.
Güterrechtsregister (§§ 1558 – 1563 BGB): Keine konstitutive Wirkung;
ehevertragliche Regelungen sind auch dann wirksam, wenn sie nicht in das Register
eingetragen worden sind. Grundsatz der negativen Publizität (§ 1412 Abs. 1): Auf den
Fortbestand einer einmal richtig eingetragenen Tatsache kann – solange nichts
Gegenteiliges eingetragen ist – vertraut werden. Dagegen besteht kein
Vertrauensschutz hinsichtlich der Richtigkeit der Eintragung. Publizitätswirkung hat
das Schweigen des Registers: Zugunsten der Dritten wird angenommen, dass
eintragungsfähige Regelungen, die nicht eingetragen sind, auch nicht bestehen.
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