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Heft 12. Jahrgang September 2008 MDK3 Forum Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung In dieser Ausgabe Es fährt ein Bus nach nirgendwo – Die Haltestellen-Therapie Seite 17 MDS fordert Register für Medizinprodukte Seite 24 Familienhebammen – Hebamme und noch ein bisschen mehr Seite 28 Stationäre Versorgung Früh- und Neugeborener Seite 33 ISSN 1610-5346 Gesundheitspolitik in der EU Grenzenlos gesund? Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Gesundheit in Europa ist das Thema unserer aktuellen Ausgabe. Die Bürger der Europa-Nationen stehen dem internationalen Angebot überwiegend offen gegenüber. Das ist kaum überraschend, denn beim Nachbarn bekommt man manchmal Leistungen angeboten, die in der Heimat ein Engpass sind – und das gelegentlich auch noch preiswerter. Allerdings fehlen rechtliche Rahmenbedingungen, die den Gesundheitsgrenzgänger von unnötigen Sorgen befreien könnten. So ist weder das Recht auf die freie Wahl solcher Dienstleistungen noch die länderübergreifende Finanzierung bzw. Erstattung ausreichend geregelt. Ideenreichtum kann man auf der Seite der Dienstleister konstatieren. Deutsche Krankenhäuser bessern Ihre Bettenbilanz mit Patienten aus den Niederlanden auf, die eine neue Hüfte brauchen. Pflegedienste aus Osteuropa würden sich gern in Berlin oder Frankfurt niederlassen. Grauen Star bekommt man als Brite sehr günstig in der Türkei operiert. Fehlende Rahmenbe dingungen führen zu zweifelhaften Strukturen und einem un überschaubaren Schwarzmarkt für Gesundheitsleistungen. Die EU-Kommission will’s nun richten. Mit einer Richtlinie wollen die Brüsseler Beamten die längst überfällige Sicherheit für die Eurobürger herstellen. Allerdings würde man über die reine Kostenerstattung hinaus auch gern noch einheitliche Leistungsangebote definieren und Qualitätsstandards festlegen, Haftungsfragen klären. Die Liberalisierung des Gesundheitmarktes würde enorme wirtschaftliche Chancen für alle Beteiligten eröffnen. Die Diskussion wird wohl nicht so rasch abzuschließen sein – es geht um Geldflüsse von vielen Milliarden Euro pro Jahr. Lesen Sie in dieser Ausgabe über bisherige Erfahrungen und Ausblicke für die Gesundheitsregion Europa. Ihr Dr. Ulf Sengebusch MDK-Forum 3/2008 Inhalt 5 Schwerpunkt Gesundheitspolitik in der EU Grenzenlos gesund? 2 Zur Behandlung ins Ausland? 5 Möglichkeiten grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union „Letztlich entscheidet der Patient“ 9 Interview mit Julia Schröder Schon bald mehr Pflegekräfte aus Osteuropa? 12 Erstes europäisches Unikrankenhaus 10 Kräfte bündeln zum europäischen Spitzenniveau 12 Europaweite Standards für die Arzneimittelsicherheit 14 Kranken- und Pflegeversicherung Psychotherapeutische Versorgung in Deutschland Trotz Verbesserungen noch Defizite 17 Die Haltestellen-Therapie 16 Es fährt ein Bus nach Nirgendwo 17 Versandapotheken fürchten um ihre Zukunft 18 KKH und MDK starten das Projekt „Patientensicherheit“ 19 „Uniklinik auf hoher See“ 20 Interview mit dem Schiffsarzt Dr. Werner Kalbfleisch Gesundheits- und Sozialpolitik Kalkuliertes Schweigen 22 MDS fordert Register für Medizinprodukte Wenn die Hüfte nicht hält, was sie verspricht 28 26 Deutscher Präventionspreis 2008 für Kindertagesstätten „Gesund aufwachsen“ Familienhebammen Hebamme und noch ein bisschen mehr 24 26 28 Wahlkampf in den USA 32 Eine Chance für die Reform des maroden US-Gesundheitssystems? 30 „Juristischer Notfallkoffer“ 32 MDK im Dialog 33 MDK Baden-Württemberg Stationäre Versorgung Früh- und Neugeborener 33 Menschen und Nachrichten Geschäftsführer-Wechsel beim MDK im Saarland 35 Total E-Quality für MDK Rheinland-Pfalz 35 Buchbesprechung 36 MDK-Gemeinschaft auf der Medica 2008 37 Veranstaltungshinweise der MDK-Gemeinschaft 37 1 MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt Gesundheitspolitik in der EU Grenzenlos gesund? Von Petra Spielberg I mmer noch müssen Patienten, die sich zu einer Behandlung im EU-Ausland entschließen, mitunter große Schwierigkeiten überwinden. Bürokratie, Misstrauen in die ärztliche Kunst ausländischer Spezialisten sowie abschlägige Bescheide für die Übernahme der Kosten einer Behandlung im Ausland können die Freizügigkeit der Patienten behindern. Und das, obwohl ihnen dieses Recht nach dem EG-Vertrag zusteht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat dies ebenso wie die grundsätzliche Pflicht der Krankenkassen, die Kosten für eine Auslandsbehandlung zu übernehmen, mehrfach bestätigt. Vor sechs Jahren stellten Ärzte bei Marie Fjellerup Brustkrebs fest. Die Operation und die anschließende Chemotherapie verliefen erfolgreich. Drei Jahre später aber hatten sich in Leber und Hüfte der Dänin Metastasen gebildet. Die Ärzte vom Herlev Klinikum bei Kopenhagen behandelten Marie Fjellerup erneut mit Chemotherapien. Doch der Krebs schritt voran. Die Bitte der Patientin, es mit einer anderen Therapie zu versuchen, wurde abgelehnt. Marie Fjellerup wandte sich in ihrer Verzweiflung schließlich an die Krebsspezialisten der Universitätsklinik Frankfurt am Main. Dort riet man ihr zu einer Kombination aus Chemo- und Laserinduzierter Thermotherapie. Die zuständige dänische Behörde lehnte jedoch eine Übernahme der Kosten für die Auslandsbehandlung ab. Marie Fjellerup verkaufte ihr Auto und lieh sich von Freunden Geld, um sich privat in Frankfurt behandeln zu lassen. Im Oktober 2006 begannen die Ärzte der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität mit der Therapie. Das Wunder geschah. Nach wenigen Monaten verschwanden die Metastasen. Seit Sommer letzten Jahres ist der Krebs nicht wieder zurückgekehrt. Auch der bürokratische Kleinkrieg mit den dänischen Behörden fand ein glückliches Ende. Die zuständige Kommune kam, vom Erfolg der Behandlung überzeugt, schließlich doch noch für die Kosten auf. „Ich hoffe, dass meine Er fahrung auch anderen Patienten Mut macht, sich im Ausland behandeln zu lassen, wenn sie in MDK-Forum 3/2008 2 ihrer Heimat nicht die medizinische Versorgung bekommen können, die sie sich wünschen“, sagt Marie Fjellerup heute. BSE brachte die Wende in der Gesundheitspolitik In mehr als der Hälfte der 27 EULänder, so eine Kommissionsbeamtin, werde das Recht auf Auslandsbehandlung aber nach wie vor mit Füßen getreten. Heißt das zugleich, dass die Staaten eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung für überflüssig halten? Nein! Denn der Schutz der Gesundheit der knapp 480 Millionen EU-Bürger über Ländergrenzen hinweg hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Ein kleiner Rückblick macht dies deutlich: Bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) im Jahr 1957 spielte das Thema Gesundheit so gut wie keine Rolle. Ausnahme bildeten Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern. Mit Beginn der 90er Jahre unternahmen die EG-Länder erste zaghafte Anläufe, auch auf gesundheitspolitischem Gebiet enger zusammen zu arbeiten. So verpflichteten sich die Regierungen der Gemeinschaft mit dem Vertrag von Maastricht im Jahre 1992 erstmals, gemeinsame Anstrengungen zur vorbeugenden Bekämpfung bestimmter Krankheiten, wie Aids und Krebs zu unternehmen. „Auf den Treffen der für Gesundheit und Soziales zuständigen Minister spielten gesundheitliche Themen dennoch weiterhin keine große Rolle“, Schwerpunkt sagt Hans Stein, damals Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit in Bonn. Die große Wende kam Mitte der 90er Jahre. Auslöser war die BSE-Krise, die von Großbritannien aus den europäischen Kontinent erfasst hatte. Schlagartig wurde den politisch Verantwortlichen in der EG klar, dass die immer enger werdenden wirtschaftlichen Verflechtungen und die zunehmende Mobilität der Arbeitnehmer auch mit erhöhten Gesundheitsgefahren einhergehen. Gesundheitsschutz ist fester Bestandteil der EU-Politik Ein weiteres Zusammenwachsen der Wirtschaftsgemeinschaft war ohne gezielte Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevöl kerung nicht mehr denkbar. Die Zuständigkeiten und Aufgaben der Gemeinschaft in der Gesundheitspolitik wurden daher stetig ausgeweitet und vertraglich festgeschrieben. Ferner richtete die Europäische Kommission 1999 eine neue für Gesundheit und Verbraucherschutzthemen zuständige Abteilung ein: die Generaldirektion Sanco. Inzwischen ist der grenzüberschreitende Gesundheitsschutz ein fester Bestandteil der EUPolitik. Die Maßnahmen beschränken sich dabei nicht auf den eng umrissenen gesundheitspolitischen Aktionsradius der EU, der in erster Linie auf die Prävention von Krankheiten und die Koordinierung und Kontrolle der zwischenstaatlichen Aktivitäten abzielt. Auch andere Politikfelder, wie die Arbeits- und Beschäftigungspolitik, die Unternehmenspolitik, die Wettbewerbs- und Binnenmarktpolitik sowie die Forschungspolitik mischen beim Gesundheitsschutz mit. Beispiele hierfür sind Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkohol- und Nikotinmissbrauchs, gemeinschaftsweite Programme gegen Infektionser- krankungen oder Krebs sowie Initiativen gegen die zunehmende Fettleibigkeit der Europäer. Ferner regeln Gesetze, welche Qualitäts- und Sicherheitsstandards innerhalb der EU für Bluttransfusionen oder für den Umgang mit menschlichen Geweben und Zellen gelten. Ein entsprechendes Regelwerk für Organtransplantationen ist in Vorbereitung. Darüber hinaus gibt es EU-weit gültige Pestizidgrenzwerte für Babynahrung und solche für den Chemikalien gehalt in Kinderspielzeug. Eine weitere Verordnung regelt die Versorgung von Kindern mit Arzneimitteln usw. usf. Nicht alles macht indessen Sinn. „Manchmal“, so der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese, „schießt die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen übers Ziel hinaus.“ Beispiel: Der jüngste Änderungsvorschlag der Behörde zur EU-Strahlenschutzrichtlinie. Die geplante Verschärfung des Gesetzes zum Schutz von Arbeitnehmern vor elektromagnetischen Feldern hätte nach Meinung von Ärzten den diagnostischen Einsatz der Magnetresonanz therapie in der Medizin unmöglich gemacht. Der zuständige EU-Kommissar Vladimir Spidla lenkte glücklicherweise ein und verschob die Neufassung. Großes Gefälle zwischen den Versorgungsniveaus Der einzelne Bürger kriegt von all dem meist wenig mit. Für ihn zählt in der Regel nur, dass er im Krankheitsfall eine optimale medizinische Betreuung erhält und das möglichst nahe an seinem Wohnort. Doch wie gut und wie schnell ein Patient versorgt wird, hängt – bei allen Bemühungen, den Gesundheitsschutz in der EU zu verbessern – entscheidend davon ab, wo er lebt. Denn die Kluft zwischen den gesundheitlichen Versorgungs niveaus der einzelnen EU-Länder ist nach wie vor groß. In Bul- 3 garien und Rumänien beispielsweise, den jüngsten EU-Mitgliedern, sterben etwa dreimal so viele Menschen an Herzkreis lauferkrankungen wie im EUDurchschnitt. Ähnlich hoch sind die Zahl der Krebstoten sowie die Sterblichkeitsraten bei Säuglingen und jungen Müttern. Szenario prophezeit einheitliche Minimalversorgung für alle Der Grund: Welche Leistungen in welcher Qualität und zu welchem Preis zur Verfügung stehen, bestimmen die Regierungen der Länder. Die EU darf hier nicht mitreden. Das führt zu unterschiedlichen medizinischen Standards, beispielsweise bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen. „In Polen wird den erkrankten Frauen in 98 Prozent der Fälle die vom Tumor befallene Brust amputiert. In Frankreich dagegen behalten drei Viertel der Patientinnen ihre Brust“, berichtet Karin Jöns. Die SPD-Europaabgeordnete setzt sich seit Jahren intensiv für eine Verbesserung der Krebsversorgung in der EU ein. Glaubt man hingegen den Er gebnissen einer Studie des europäischen Beratungsunternehmens Health Consumer Powerhouse (HCP), dann wird sich die medizinische Betreuung in der EU in wenigen Jahren so weit angeglichen haben, dass auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen überall nur noch eine Basisversorgung zu vergleichbaren Qualitätsstandards zur Verfügung steht. Das jedenfalls prophezeien die befragten 130 Patientenorganisationen aus 24 europäischen Ländern. Auch werde es für die meisten EU-Bürger im Jahr 2020 selbstverständlich sein, notwendige medizinische Leistungen im Ausland nachzufragen, so ein weiteres Ergebnis der HCP-Studie. Noch aber sieht die Realität anders aus. Noch entfällt nur knapp ein Prozent aller Leistungen der Sozialversicherungssysteme in der EU auf Patienten MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt aus dem Ausland. Am meisten nachgefragt werden nach einer Umfrage der TK Baden-Württemberg Arzneimittel, gefolgt von Kuren, Heil- und Hilfsmitteln sowie Zahnersatz. Erst dann folgen ambulante Leistungen und Krankenhausbehandlungen. Am häufigsten nutzen Patienten, die in einer so genannten Euregio, dem Grenzgebiet zwischen zwei oder mehr europäischen Seit März 2008 im Amt: Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Gesundheit aus Zypern Ländern, leben, medizinische Leistungsangebote im Ausland. In einer solchen Euregio, wie die im deutsch-niederländisch-belgischen Dreiländereck, garantieren Kooperationsabkommen zwischen niedergelassenen Ärzten, stationären Einrichtungen und den Kostenträgern dies- und jenseits der Grenzen einen reibungslosen Ablauf der medizinisch bedingten Auslandsaufenthalte. Mehr Rechte für die Patienten Gründe für die geringe Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen fern der Heimat sind zum einen sprachliche und psychologische Barrieren. Zum anderen blockiert die Weigerung von Kassen, eine Genehmigung für stationäre Leistungen zu erteilen MDK-Forum 3/2008 beziehungsweise die Kosten für Auslandsbehandlungen zu übernehmen, die Freizügigkeit der Patienten. Zahlreiche Beschwerden bei den europäischen Verbraucherzentralen belegen dies. Nach dem Willen der EU-Kommission soll damit bald Schluss sein. Anfang Juli hat die Behörde einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der die Rechte der Patienten in der EU stärken soll. Danach sollen die staatlichen Kostenträger grundsätzlich dazu verpflichtet werden, die Kosten für ambulante oder stationäre Auslandsbehandlungen zu übernehmen – und zwar in Höhe der heimischen Erstattungssätze. Grundlage hierfür bilden die Urteile des EuGH zur Patientenmobilität. Der Vorschlag sieht weiterhin vor, die Information der Versicherten über die medizinischen Versorgungsangebote und die Qualität der Leistungen zu verbessern. Ansprechpartner hierfür sollen nationale Kontaktstellen sein. Doch damit nicht genug. Denn die EU-Kommission will mit dem Regelwerk zugleich die Modernisierung der Gesundheitssysteme vorantreiben. So sollen sich die Mitgliedsländer unter anderem dazu verpflichten, Standards für die Qualität und Sicherheit medizinischer Behandlungen zu erstellen. Die Kommission will es sich zudem vorbehalten, zusammen mit Vertretern der Länder eine Liste „stationärer und hoch spezialisierter sowie kostenintensiver“ Leistungen zu erstellen, für deren grenzüberschreitende Inanspruchnahme die Patienten möglicherweise eine Vorabgenehmigung einholen müssten. Auch soll die Richtlinie innova tiven Medizintechnologien und telemedizinischen Anwendungen zu mehr Akzeptanz verhelfen. Harmonisierung nein – Annäherung ja Dies alles soll nicht auf dem Wege der Harmonisierung geschehen, wie EU-Gesundheits- 4 kommissarin Androulla Vassiliou nicht müde wird zu betonen, wohl wissend, dass die EU damit ihren vertraglich festgeschriebenen Handlungsspielraum in der Gesundheitspolitik überschreiten würde. Zweifelsohne aber soll die Richtlinie dafür sorgen, dass sich die gesundheitlichen Versorgungsniveaus weiter annähern. Inwieweit es wirklich dazu kommt, lässt sich noch nicht absehen. Denn die von Europaabgeordneten und EU-Regierungen geäußerte Kritik, der Kommissionsvorschlag unterhöhle den Solidaritätsgedanken und gefährde die Stabilität der Gesundheitssysteme, lässt erahnen, dass die Mitgesetzgeber einige Vorschriften noch ab mildern werden. Ebenfalls zweifelhaft ist, ob das geplante Regelwerk die geforderte Rechtssicherheit bei Auslandsbehandlungen bringen wird. Details des Vorschlags, wie die geplante Definition stationärer Leistungen und die damit verbundene Option, Vorabgenehmigungen zu verlangen, könnten vielmehr zu neuen Rechtsunsicherheiten führen. „Am Ende muss wieder der EuGH entscheiden“, so Hans Stein. Es liegt nun an den europäischen Mitgesetzgebern, all dies klar zu regeln und dabei allzu starken Ambitionen der EUKommission, sich in einzel staatliche gesundheitspolitische Kompetenzen einzumischen, einen Riegel vorzuschieben. Der Versuch, den Zug in Richtung Angleichung der Gesundheitssysteme aufzuhalten, würde hingegen das weitere Zusammenwachsen der EU-Staaten in Frage stellen. Petra Spielberg, Fachjournalistin für Gesundheits- und Sozialpolitik Redaktion Wiesbaden/Brüssel E-Mail: [email protected] www.europa-transparent.eu Schwerpunkt Zur Behandlung ins Ausland? Möglichkeiten grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union Von Ewout van Ginneken und Prof. Dr. Reinhard Busse E ine von der Europäischen Kommission im Jahr 2007 in Auftrag gegebene Studie ergab: 53 Prozent der Einwohner der 27 EU-Staaten und 40 Prozent der Deutschen stehen einer Behandlung im Ausland offen gegenüber. Doch wie sieht die Praxis aus? Die Möglichkeiten für Patienten, sich in einem EU-Mitgliedsland behandeln zu lassen und die Kosten erstattet zu bekommen, sind in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet worden. Im Juli hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine neue Richtlinie zur „Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“ vorgelegt. Damit will sie einen verbindlichen Rechtsrahmen für die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen im europäischen Ausland schaffen. Als Gründe für die Bereitschaft, eine Behandlung im Ausland auf sich zu nehmen, wird angegeben, dass eine bestimmte Leistung im Heimatland nicht verfügbar ist, dass man sich von der Auslandsbehandlung eine bessere Qualität verspricht – wichtig vor allem für Bürger aus neuen Mitgliedstaaten wie der Slowakei, Polen und Bulgarien – oder dass man auf einen schnelleren Zugang hofft. Fünf Prozent der Deutschen gaben an, in den letzten 12 Monaten eine Behandlung im Ausland erhalten zu haben. Das ist ein Prozent mehr als im EU-Durchschnitt. Und für 61 Prozent der Deutschen könnte eine preiswertere Behandlung ein Grund sein, um sich im Ausland behandeln zu lassen. Durchschnittlich geben dieses Motiv nur 48 Prozent der EU-Bürger an. Man könnte den Deutschen daher ein hohes Interesse an grenzüberschreitenden Gesundheitsdienstleistungen unterstellen. ist. Die versicherte Person kann so von einem vereinfachten Vorgang der Leistungserbringung profitieren, ohne vorherige Genehmigung des Versicherers. Allerdings sind die Patienten nicht verpflichtet, die EHIC zu benutzen. Bedingungen für eine Behandlung im Ausland Auf der anderen Seite wird die EHIC noch immer nicht überall akzeptiert. Eine Umfrage der Techniker Krankenkasse von 2003 zum Beispiel zeigte, dass in Frankreich nur etwa 10 Prozent und in Österreich 30 Prozent der Techniker-Versicherten eine EHIC nutzen konnten – sei es, weil sie sie nicht mit hatten, sei es, weil sie nicht akzeptiert wurde. Es gibt außerdem Mitgliedsstaaten (z.B. die Niederlande), wo Versicherte nicht automatisch eine EHIC bekommen, sondern dafür einen gesonderten Antrag stellen müssen. Die Bedingungen, zu denen sich EU-Bürger im Ausland behandeln lassen können, sind in der Verordnung Nr. 1408/71 des Europäischen Wirtschaftsrates festgelegt und in folgende Fälle unterteilt: Akutversorgung, die während eines zeitlich begrenzten Aufenthalts notwendig wird und die eine Europäische Krankenver sicherungskarte (EHIC) erfordert. Sie hat den Auslandskrankenschein E111 ersetzt. Patienten werden behandelt, als wären sie in dem behandelnden Land versichert. Das heißt, es gelten der nationale Leistungskatalog, die nationalen Tarife, Qualitätsbestimmungen und Gewährleistungsprinzipien. Versorgung, die gezielt im Ausland geplant wird und die durch einen Auslandskrankenschein E112 vom nationalen Versicherer genehmigt werden muss. Auch hier gilt: Patienten werden behandelt, als wären sie in dem behandelnden Land versichert. Die EHIC soll es den Leistungserbringern erleichtern, möglichst schnell festzustellen, ob der Karteninhaber gesetzlich abgesichert 5 Will ein Patient eine geplante Behandlung gemäß der Verordnung 1408/71 im Ausland durchführen lassen, muss er eine Genehmigung in Form des europäischen Standardformulars E112 vorlegen. Mit diesem Schein bestätigt der Krankenversicherer, dass er die Kosten für die Behandlung übernehmen wird. Obwohl der E112-Schein in allen Ländern identisch ist, ist der Genehmigungsprozess auf nationaler Ebene geregelt. Dies hat zur Folge, dass Unterschiede im Prozess, der Anzahl genehmigter Behandlungen, der Entscheidungsebene, in den Fristen und in den Zielvorgaben auftreten. Die Genehmigung einer “geplanten” Behandlung ist MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt nwahrscheinlich, wenn die Beu handlung nicht im Leistungskatalog des Heimatlands enthalten ist und/oder deutlich teurer ist. Hierdurch können Patienten verleitet sein, einen Fall von Akutversorgung vorzutäuschen und Gebrauch von ihrer EHIC zu machen. Es existieren zum Beispiel Berichte über skandinavische „Touristen“, die unterwegs in Deutschland ein plötzlicher Zahnschmerz befiel und die so den aus ihrer Sicht großzügigen deutschen Leistungskatalog ausnutzten. Geplante Behandlung: Welche Wartezeiten im Heimatland müssen Patienten tolerieren? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass eine Behandlung im Ausland nicht verweigert werden darf, wenn sie im Heimatland zwar im Leistungskatalog enthalten ist, aber dort innerhalb eines „medizinisch vertretbaren Zeitrahmens“ nicht erbracht werden kann. Wie soll man aber den „medizinisch vertretbaren Zeitrahmen“ definieren? Aufsehen erregte im Jahr 2006 der Fall der Britin Yvonne Watts. Sie litt an Hüftarthrose und hatte dauerhaft Schmerzen. Sie wollte sich im Ausland behandeln lassen und suchte um Genehmigung nach. Die zuständige Krankenkasse lehnte ab, da sie der Meinung war, diese Operation selber „rechtzeitig“ erbringen zu können. Yvonne Watts ließ die Operation dennoch in Frankreich durchführen und forderte gerichtlich die Rückerstattung der entstandenen Kosten. Aus dem EuGH-Urteil im Fall Watts geht hervor, dass die Wartezeit eine medizinisch akzeptable Zeitspanne nicht überschreiten darf, die dem Zustand und den Bedürfnissen des Patienten Rechnung trägt. Keine konkrete Zeitangabe also, aber dennoch eine Wartezeit, die vom individuellen Zustand des Patienten abhängt. Dieses Urteil verursachte in manchen Mitgliedsstaaten einige MDK-Forum 3/2008 Turbulenzen, da Wartelisten, auch wenn sie eventuell national definierte Höchst-Wartezeiten beinhalten (wie im Fall Watts), vor Gericht kein Hindernis für die Genehmigung einer Behandlung im Ausland sind. Die Kosten müssen hierbei, unabhängig von ihrer Höhe, voll erstattet werden. Dies könnte künftig den positiven Effekt haben, dass diese Mitgliedsstaaten ihre Wartelisten-Problematik aktiver angehen. Der Fall Kohll/Decker und seine Folgen Lange Zeit wurde allgemein angenommen, dass die Verordnung 1408/71 den Zugang zu grenzüberschreitenden Gesundheitsdienstleistungen ausreichend reguliert. Dies erwies sich durch das EuGH-Urteil im berühmten Kohll/Decker-Fall von 1998 nachhaltig als Irrtum. Der EuGH bestätigte in seinem Urteil, dass das Recht auf freien Güter- und Dienstleistungsverkehr auch auf gesetzlich bezahlte Gesundheitsdienstleistungen und -waren Anwendung findet. Allerdings wurde dem Wesen der Gesund heitsdienstleistungen insofern Rechnung getragen, als dass Einschränkungen in diesem Bereich unter bestimmten Umständen berechtigt sein können. Die oben genannten EuGHUrteile schufen veränderte Rahmenbedingungen für die Ab sicherung im Ausland, die nicht mehr auf dem freien Personenverkehr (vgl. 1408/71), sondern auf dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr basieren. Gesundheitsdienstleistungen zählen somit als wirtschaftliche Aktivität – ohne Berücksichtigung der Einrichtung (Krankenhaus etc.) oder der Form des nationalen Systems (Rückerstattung oder Sachleistung). Urteile des EuGH im Überblick Zusammengefasst beinhalteten die Urteile des EuGH folgende Festlegungen: 6 Ambulante Dienstleistungen im Ausland werden auf das Niveau des Heimatlandes begrenzt und bedürfen keiner vorherigen Genehmigung. Die Notwendigkeit, das finanzielle Gleichgewicht oder die Qualität des Gesundheitssystems stabil zu halten, reicht nach Ansicht des EuGH als Argument für die Ablehnung von Auslandsbehandlungen nicht aus. Das Gericht begründete dies damit, dass der Versicherungsschutz auf das Niveau des Heimatlandes begrenzt ist. Damit sei die Wahrscheinlichkeit eines extremen Anstiegs der Grenzüberschreitungen für ambulante Dienstleistungen sehr gering. Der Zugang zu Krankenhausleistungen kann tatsächlich genehmigungspflichtig sein, damit die Mitgliedsstaaten ein ausgewogenes und zugängliches Krankenhaussystem aufrecht erhalten können. Hier gilt, dass eine Behandlung im Ausland nur verwehrt werden kann, wenn die gleiche oder eine vergleichbare Behandlung ohne unangemessene Verzögerung im Heimatland ermöglicht werden kann. Bezüglich stationärer Krankenhausleistungen akzeptierte der EuGH also Zugangsbeschränkungen für den Verkehr von Gesundheitsdienstleistungen. Weiterhin Probleme bereitet allerdings die Definition einer „unangemessenen Verzögerung“ oder des „medizinisch vertret baren Zeitrahmens“ für Krankenhausbehandlungen, die erheblich zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten variiert. Darüber hinaus sind die Begriffe „nicht-stationär“ oder „ambulant“ zum einen und „stationäre“ oder „Krankenhausversorgung“ zum anderen auf europäischer Ebene nicht eindeutig definiert. Es können daher nationale Unterschiede in der Interpretation der EuGHUrteile auftreten, die Patienten motivieren können, Genehmigungen für die Erstattung der Kosten auf dem Gerichtswege Schwerpunkt zu erstreiten, wenn die betreffenden Leistungen in ihrer Heimat nicht im Leistungs katalog enthalten sind. Die Kommission versucht Rechtssicherheit zu schaffen Daher hat die EU-Kommission Anfang Juli 2008 einen Richtlinienentwurf mit dem Ziel verabschiedet, den rechtlichen Rahmen grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung zu definieren. Dies geschah, nachdem der Versuch gescheitert war, Gesundheitsdienstleistungen in der allgemeinen Dienstleis- tungsrichtlinie von 2006 zu verankern. Zwar ändert die vorgeschlagene Richtlinie wenig an den bereits bestehenden Möglichkeiten. Aber sie versucht, bezüglich Rückerstattungen, Patientenrechten, Haftung und Verfahrensgarantien mehr Sicherheit zu schaffen. Ob dies eine höhere Patientenmobilität zur Folge hat, ist unklar (siehe Interview mit der Europareferentin Julia Schröder S. 9). Die neue Richtlinie erkennt ausdrücklich die parallel weiter existierende Verordnung 1408/71 an, und die Frage ist, ob die Patienten diesen Weg Der gesetzliche Rahmen für grenzüberschreitende Versorgung Der Einfluss der Europäischen Union auf die Gesundheitspolitik im Zuge der europäischen Integration hat nie eine wirklich wichtige Rolle gespielt. Wie im Artikel 152 des Europäischen Gründungsvertrags festgelegt, hat die Gemeinschaft die Verantwortlichkeit der Mitgliedsstaaten für die Organisation und Durchführung von Gesundheitsdienstleistungen und medizinischer Versorgung zu respektieren. An diesem Grundsatz haben auch die zurückliegenden Reformen nichts verändert. Zwar wurden im Vertrag von Maastricht (1992) die Kompetenzen der EU bezüglich der Gesundheitspolitik offiziell erweitert, indem ein Schutz der Gesundheit aller EU-Bürger auf hohem Niveau zugesichert wird. Trotzdem: Dieser Bereich ist nach wie vor vom Subsidiaritätsprinzip abgedeckt und geschützt (Artikel 5 des EG-Vertrags). Dennoch gibt es eine beträchtliche Summe europäischen Rechts ohne direkten Gesundheitsbezug, das aber erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung, Regelung und Erfüllung von Gesundheitsdienstleistungen in der EU hat. Auf Grund des Territorialprinzips war die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung traditionell auf die Grenzen des jeweiligen Landes beschränkt. Wenn eine Versorgung im Ausland benötigt wurde, galt dies als Privatangelegenheit und die Kosten waren individuell zu tragen. 1958 wurde dann eine Regelung getroffen, welche die Ansprüche auf soziale Sicherheit von Gastarbeitern und deren Familien innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums wahren sollte. Basierend auf dem Recht des freien Personenverkehrs wurde so ein Ausnahmefall vom Territorialprinzip geschaffen. Dieser Rahmen, später festgelegt in der Verordnung Nr. 1408/71 des europäischen Wirtschaftsrats (EWR), wurde im Laufe der Jahre auf nahezu alle EU-Bürger erweitert, da für einen gemeinsamen europäischen Markt auch ein gesamteuropäischer Arbeitsmarkt notwendig ist. 7 nicht bevorzugen werden (oder sollten). Aushandlung grenzübergreifender Verträge möglich Um die Palette komplett zu machen, muss noch eine dritte Möglichkeit erwähnt werden, wie Patienten Gesundheitsdienstleistungen im Ausland in Anspruch nehmen können und erstattet bekommen. Abseits der EWR-Verordnung 1408/71 können nämlich grenzübergreifende Verträge direkt ausgehandelt werden. In diesen Fällen sichert ein Kostenträger, z.B. eine Krankenkasse, eine Behandlung im Partnerland zu. Dabei wird in der Regel nicht das volle Leistungsvolumen, das von der EWR-Verordnung 1408/71 ab gedeckt ist, vereinbart, sondern ein begrenztes Leistungsprogramm zu einem vorher vereinbarten Preis und möglicherweise in einem begrenztem Zeitraum. Innerhalb dieser Verträge wird der Verwaltungsaufwand vom Kostenträger und Leistungserbringer getragen, wodurch sich der Patient lediglich noch in ein fremdes Land begeben muss. Anfang 2006 gab es 13 stationäre und fünf ambulante Zusammenarbeiten, in denen deutschen Patienten die Möglichkeit geboten wurde, im Ausland behandelt zu werden, vornehmlich in Österreich. Das ist das Ergebnis eines europäischen Forschungsprojekts am Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin aus dem Jahr 2006. In den Niederlanden, wo in der Vergangenheit öfter Wartelistenprobleme aufgetreten sind, gibt es relativ viele solcher Verträge, hauptsächlich mit deutschen und belgischen Leistungserbringern. Zur Behandlung ins Ausland: eine Zwischenbilanz Es gibt generell drei unterschiedliche Rahmenbedingungen, unter denen Behandlungen im Ausland erstattet werden können: MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt darstellt, bleibt fraglich, da die Benutzung der EHIC parallel möglich (und eventuell attraktiver) ist. In welchem Maße die neue EU-Richtlinie einen Anstieg der grenzüberschreitenden Versorgung bedeutet ist unklar. Seit dem 1. Juni 2004 ersetzt die Europäische Krankenversicherungskarte (European Health Insurance Card – EHIC) das zuvor gültige Formular E 111. Die Karte kann mittlerweile bei fast allen Krankenkassen – häufig auch online – angefordert werden. Die EHIC weist europaweit einheitliche Merkmale auf, zum Beispiel das EU-Emblem und die Anordnung der Textfelder. Die Vorlage der Karte reicht aus, um sich in allen EU-Staaten sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen und in der Schweiz im medizinischen Notfall ambulant oder stationär behandeln zu lassen. Wenn Versicherte sich aus bestimmten Gründen bewusst für eine Behandlung im Ausland entscheiden, muss mit der Krankenkasse zuvor geklärt werden, ob die Kosten hierfür übernommen werden. Dies gilt auch für Chroniker, wenn die Krankheit eine besondere medizinische Überwachung notwendig macht und den Einsatz besonderer Techniken oder Geräte erfordert (z.B. bei Dialysebehandlungen). 1. Die Verordnung 1408/71 (EHIC und E112): Patienten werden behandelt, als wären sie in dem behandelnden Land versichert. EHIC-Missbrauch könnte dazu führen, dass Ausländer den deutschen Leistungskatalog nutzen, um Behandlungen auf Kosten ihrer heimatlichen Krankenkasse erstattet zu bekommen. Dass dies umgekehrt stattfindet, ist eher unwahrscheinlich, da der deutsche Leistungskatalog relativ umfangreich ist. Für geplante Behandlungen ist eine Genehmigung nötig, die nicht verweigert werden darf, wenn die Behandlung im Leistungskatalog enthalten ist und eine unangemessene Verzögerung im Heimatland auftritt. In Deutschland, wo Probleme mit Wartezeiten im MDK-Forum 3/2008 Vergleich mit europäischen Nachbarstaaten eher selten vorkommen, ist nicht mit einem nennenswerten Anstieg der Patientenmobilität zu rechnen. Allerdings könnten Patienten die EHIC benutzen, um einer Zuzahlung für stationäre Behandlungen zu entgehen, wenn diese im Ausland nicht existieren. Diese Option gilt natürlich nur in Grenz nähe. 2. Das zweite Rahmenwerk wurde nach den Kohll/DeckerUrteilen (1998) geschaffen. Es vereinfacht vornehmlich die ambulanten Behandlungen, die ohne Genehmigung möglich sind. Inwiefern dieser Rahmen ein ausreichendes Regelwerk bezüglich Rechten, Haftung und Verfahrensgarantien 8 3. G renzübergreifende Verträge: Sie sind – wenn überhaupt vorhanden – ohne Frage die sicherste Wahl, aber beschränkt auf ein begrenztes Leistungsprogramm. Ein Mobilitätsanstieg auf Grund dieser Möglichkeit ist nicht zu erwarten. Die klaren Gewinner einer Stärkung der grenzüberschreitenden Versorgung sind die Bürger. Ob dies eine höhere Mobilität zur Folge hat und in welche Richtung sich diese bewegt (also ob aus Deutschland raus oder aus dem EU-Ausland nach Deutschland hinein), wird nicht zuletzt vom Angebot und der wahrgenommenen Qualität abhängen. Eine finanzielle Belastung ergibt sich allenfalls für solche Systeme, die von ihren Bürgern als schlecht wahrgenommen werden und/oder in denen lange Wartezeiten die Regel sind. Ein Ansporn also für das deutsche Gesundheitssystem, seinen Leistungskatalog weiter am aktuellsten evidenzbasierten medizinischen Stand zu orientieren, Wartezeiten gering zu halten und die Leistungen auf hohem Qualitätsniveau und großer Patientenzufriedenheit anzubieten. Dies erfordert aber auch, diese Dimensionen erstens zu messen und zweitens transparent darzustellen. Ewout van Ginneken Prof. Dr. Reinhard Busse Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen Technische Universität Berlin E-Mail: ewout.vanginneken@ tu-berlin.de Schwerpunkt „Letztlich entscheidet der Patient“ Interview mit Julia Schröder von der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung zur neuen EU-Richtlinie N eue Hüfte in Paris, Knie-OP in den Niederlanden? Eine neue EU-Richtlinie, die seit Juli 2008 als Vorschlag von der EUKommission vorliegt, will den Gang zum Arzt im Nachbarland einfacher machen. Julia Schröder, Referentin für europäische Gesundheitspolitik bei der Europavertretung der deutschen Sozialversicherung in Brüssel, hat dem MDK-Forum eine Einschätzung gegeben, wie sich die Richtlinie auswirken könnte. ? MDK-Forum: Erwarten Sie, dass sich künftig mehr Deutsche im Ausland behandeln lassen? ! Julia Schröder: In Deutschland gibt es nicht besonders viele Patienten, die sich im Ausland behandeln lassen. Auslandsbehandlungen machen gerade mal ? MDK-Forum: Frau Schröder, bietet die neue EURichtlinie ganz neue Wege für die Behandlung im Ausland? ! Julia Schröder: Nein. Im Grunde würde sich mit der EURichtlinie, zumindest für die deutschen Patienten, nicht viel ändern. Schon vor dem Entwurf der Richtlinie gab es die Möglichkeit, für eine Behandlung ins Ausland zu gehen. Neu ist, dass sich Versicherte stationäre Krankenhausaufenthalte nicht mehr vorher von der Krankenkasse genehmigen lassen müssen. Hierdurch ergeben sich jedoch auch Nachteile. Denn im Ausland wird der Versicherte als Privat patient behandelt und erhält die Kosten im Nachhinein unter Umständen nicht komplett zurück. Denn die Behandlungskosten werden von den Krankenkassen nur bis zur Höhe der deutschen Sätze erstattet. Das wissen viele nicht und bleiben eventuell am Ende auf hohen Eigenanteilen sitzen. Deshalb ist es ratsam, eine Behandlung vorher mit der Krankenkasse abzuklären – auf diese Weise lassen sich Kostenrisiken vermeiden. Julia Schröder, Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung ein Prozent aus. Hauptsächlich gibt es zwei Faktoren, die eine Behandlung in einem anderen Land attraktiv machen: Wenn die Qualität der Versorgung im eigenen Land nicht besonders gut ist oder wenn es lange Wartelisten gibt. Auf Deutschland treffen beide Faktoren nicht zu. Hinzu kommt, dass Sprachunterschiede häufig hohe Barrieren sind. Mehr Zuspruch findet die Auslandsbehandlung natürlich in Grenzregionen. Dort kommt es auch vor, dass Krankenkassen untereinander oder mit Krankenhäusern Verträge schließen. ? MDK-Forum: Kann denn das deutsche Gesundheitssystem von der neuen Patienten-Freiheit profitieren? Entsteht dadurch vielleicht ein neuer Wettbewerb? ! Julia Schröder: Vorteile könnten zum Beispiel die Krankenhäuser haben, weil sie mit aus- 9 ländischen Patienten die Bettenauslastung steigern könnten. Auch die Krankenkassen, die zu einem nicht unerheblichen Teil in die Krankenhausfinanzierung eingebunden sind, hätten natürlich ein Interesse daran. Auch hier ist jedoch kein großer Umschwung zu erwarten, außer vielleicht für wenige hochspezialisierte Kliniken. Einen verstärkten Wettbewerb erwarte ich daher nicht. Den Krankenversicherungen bringt es keine lohnenswerten Vorteile, Patienten ins Ausland zu „schicken“, weil die Preisunterschiede für eine qualitativ gleichwertige Versorgung nicht so groß sind und zusätzliche Kosten, wie beispielsweise Fahrtkosten hinzugerechnet werden müssen. Und letztendlich entscheidet der Patient immer selber, ob er sich im Ausland behandeln lassen möchte oder nicht. ? MDK-Forum: Wie geht es nun weiter mit der Richtlinie? ! Julia Schröder: Viele europäische Länder, insbesondere Staaten mit Wartelisten, werden Vorbehalte gegen die neue Richtlinie haben. Zudem sind viele Punkte noch nicht geklärt. So erlaubt die Richtlinie den Mitgliedsstaaten zum Beispiel, das System der Vorabgenehmigungen wieder einzuführen, wenn das finanzielle Gleichgewicht des Sozialversicherungssystems oder die Planbarkeit des Krankenhaussektors durch unkontrollierte Patientenströme gefährdet wird. Ob eine solche Entwicklung nachgewiesen werden kann und wie dies nachgewiesen werden muss, ist noch völlig unklar. Die Fragen stellte Friederike Geisler, MDK Niedersachsen MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt Schon bald mehr Pflegekräfte aus Osteuropa? Von Andrea Steidle G erade einmal ein Jahr ist es her, dass der Billiganbieter McPflege den deutschen Pflegemarkt aufmischte. Mit osteuropäischem Personal wollte das Unternehmen Pflegedienstleistungen anbieten. Nach zehn Tagen stellte es seine Arbeit wieder ein, doch die Debatte über ausländische Pflegekräfte wird nicht so schnell verstummen. Im kommenden Frühjahr steht die deutsche Bundesregierung erneut vor der Entscheidung: Die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die der EU im Jahr 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten aufheben – oder diese abermals um zwei Jahre (bis 2011) verlängern? Für den Pflegesektor könnte eine Aufhebung der Sperre spürbare Auswirkungen haben. Immer wieder gibt es beispielsweise Anfragen polnischer Pflegedienste, die gern auch in MecklenburgVorpommern oder anderen angrenzenden deutschen Regionen arbeiten würden. Generell ist der Aufbau einer Pflegedienst-Niederlassung in Deutschland zwar möglich. Polnische Bürger können jedoch bislang nur eingestellt werden, wenn sich für den angebotenen Arbeitsplatz kein deutscher Arbeitnehmer finden lässt. Grundlage dieser Regelungen ist das „Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung“ vom 23. April 2004. Durch eine bewusste Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit 2004 bereits ein Mal verlängert wurde, soll vor allem der Niedriglohnsektor in Deutschland geschützt werden. Zum Kabinettsbeschluss (Verlängerung der Beschränkung) erklär- MDK-Forum 3/2008 te im Jahr 2006 das Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Angesichts der Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt muss der Zugang von Beschäftigten aus den neuen EU-Ländern weiterhin gesteuert werden“. Kehrseite der Medaille: Vor allem im Niedriglohnsektor – egal ob auf dem Bau oder in der Pflege – boomt die Schwarzarbeit. Andere EU-Staaten sind hier deutlich offener und experimentierfreudiger: Großbritannien und Irland haben ihre Arbeitsmärkte nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik schon frühzeitig geöffnet. Mit Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft hat am 1. Juli 2008 auch Frankreich nachgezogen und die bislang bestehenden Barrieren fallen gelassen. Neben Deutschland hält innerhalb der EU lediglich Österreich an der Beschränkung fest. Gut ausgebildete Kräfte für den deutschen Pflegesektor? Mit einer verstärkten Zuwanderung von Pflegekräften aus den EU-Beitrittländern rechneten viele Experten 2004, dem Jahr der EU-Osterweiterung. „Da die Pflegekräfte aus diesen Ländern teilweise eine Ausbildung auf Hochschulniveau vorweisen können, wird die Plfege in Deutschland interessiert sein, diese gut ausgebildeten Mitarbeiter zu rekrutieren“, prognostizierte beispielsweise Ricarda Klein, Pflegedirektorin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Vorstandsvorsitzende des Verbandes der PflegedirektorInnen der Unikliniken, in einem Beitrag für die Zeitschrift „Heilberufe“. 10 Im Februar 2008 kamen in Hannover Experten zu einem „Europa-Forum“ mit dem Titel „Pflege grenzenlos in Europa – ausländische Arbeitnehmer zwischen Schwarzarbeit und Arbeitnehmerfreizügigkeit 2009“ auf Einladung des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) zusammen, um über die Europäisierung der Pflege und das Problemfeld Schwarzarbeit zu diskutieren. bpa-Präsident Bernd Meurer trat dafür ein, die bevorstehende Öffnung des Pflege-Arbeitsmarkt nicht nur negativ zu sehen (siehe Interview). Staatssekretär befürwortet Verlängerung der Beschränkung Momentan deutet alles auf eine voraussichtliche weitere Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit hin. Kajo Wasserhövel, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, warnte vor einer unbeschränkten Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes. Er vertrat auf dem „Europa-Forum“ die Ansicht, dass mit der Legalisierung illegaler Beschäftigungsverhältnisse längst nicht alle Probleme gelöst seien. Laut eines „Newsletters“ der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. plädiert Wasserhövel eindeutig für eine Verlängerung der Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit über 2009 hinaus. Ganz anders die Grünen: Sie sprachen sich in einem Positionspapier vom 23. August 2007 eindeutig gegen die weitere Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus, „um Missstände und illegale Praktiken bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern Schwerpunkt aus den neuen Mitgliedsstaaten zu vermeiden.“ Der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB), der 80 kommunale Träger von Einrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet mit über 21.000 Pflegeplätzen vertritt, will die Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländi- sche Pflegekräfte an bestimmte Bedingungen geknüpft wissen. Auf unsere Nachfrage sagte der Bundesvorsitzende Otto B. Ludorff: „Wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass die Schwarzarbeit zurückgedrängt wird und tarifliche Löhne gezahlt werden. Dies kann über eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung beispielsweise des Tarifvertrages Interview mit Bernd Meurer (bpa) MDK-Forum: Und welche Folgen hätte die Aufhebung der Beschränkung für den deutschen Pflegesektor? ? MDK-Forum: Herr Meurer, soll die Arbeitnehmerfreizügigkeit über 2009 hinaus beschränkt bleiben? Bernd Meurer: Der bpa hält einen Wegfall der Beschränkung der Freizügigkeit vorrangig aus zwei Gründen für erwägenswert: Einerseits gelingt es dem inländischen Arbeitsmarkt immer weniger, die erforderlichen Pflegefachkräfte und Pflegekräfte zur Verfügung zu stellen. Hier könnten ggf. zusätzliche Anreize und verbesserte Rahmenbedingungen deutlich zur Attraktivität der Berufe beitragen. Andererseits wird derzeit auf dem Wege gesetzeswidriger Konstruktionen die Einschränkung der Freizügigkeit ausgehöhlt und damit insbesondere der Schwarzarbeit in Haushalten mit Pflegebedürftigen Vorschub geleistet. Als Gefahren der Freizügigkeit werden ein befürchteter Lohnverfall und ein in den Herkunftsländern entstehender Pflegekraftmangel betrachtet. ? MDK-Forum: Wie muss man sich die Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte gegenwärtig vorstellen? ! Bernd Meurer: Hier sind drei Fallkonstruktionen zu unterscheiden: 1. Eine Pflegekraft wird als Einzelunter- Andrea Steidle ist Mitarbeiterin im Fachgebiet Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim MDS E-Mail: [email protected] ? Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste ! für den öffentlichen Dienst erfolgen. Anschließend können dann auch die Grenzen für Pflegekräfte geöffnet werden.“ Bernd Meurer, Präsident des bpa nehmer in der Bundesrepublik tätig. 2. Eine Pflegekraft wird für Arbeitgeber in der Bundesrepublik tätig. 3. Eine Pflegekraft wird von Unternehmen aus neuem EU-Staat entsandt. Im ersten Fall besteht gegenwärtig das Problem der Scheinselbständigkeit; häufig liegt eine wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit von einem Unternehmen aus dem neuen EU-Staat vor. Im zweiten Fall wird eine Arbeitsgenehmigung von der Bundesagentur für Arbeit erst nach einer Vorrangprüfung erteilt. Im dritten Fall stehen die Probleme der Dienstleistungsfreiheit, das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung und die Scheinselbstständigkeit im Vordergrund. Gerade in diesem Feld wird mit befristeten Werkverträgen gearbeitet, an deren Ende das Personal lediglich ausgetauscht wird. Alle drei möglichen Konstruktionen werden derzeit häufig missbräuchlich verwendet. Faktisch wird dabei versucht, Schwarzarbeit als legales Beschäftigungsverhältnis darzustellen. 11 ! Bernd Meurer: Dann könnten alle Kräfte, die bisher illegal in deutschen Haushalten mit Pflegebedürftigen beschäftigt sind, ganz legal bei Pflegeeinrichtungen angestellt werden. Für die Kräfte bedeutet das nicht nur eine erhebliche Risikoverminderung, sondern stellt vor allem einen ökonomischen Anreiz dar. Es wird zu einem Wettbewerb von legalen mit bisher illegalen Beschäftigungsverhältnissen kommen. Viele illegale Haushaltshilfen werden sich fragen, warum sie über eine Agentur für einen sehr geringen Verdienst ohne jegliche Absicherung illegal arbeiten sollen, wenn sie auch ganz legal mit sozialer Absicherung und besserem Verdienst beschäftigt sein können. Ein positiver Effekt dabei wird auch sein, dass die inländischen Pflegeeinrichtungen den Fachkräftemangel und den Hilfskräftemangel besser bewältigen werden können, weil auf entsprechende Arbeitskräfte aus den neuen EULändern zurückgegriffen werden kann. Deshalb hält der bpa eine gezielte Bekämpfung der Schwarzarbeit oder eine Aufhebung der Begrenzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vor 2011 für zweckdienlich. Die Pflegebedürftigen werden davon profitieren. Die Fragen stellte Andrea Steidle MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt Erstes europäisches Unikrankenhaus Kräfte bündeln zum europäischen Spitzenniveau Von Friederike Geisler E uropa verschmilzt – und das nicht nur politisch. Neben der einheitlichen Währung und der Abschaffung der Grenz kontrollen gibt es vielfältige Formen der europäischen Zusammenarbeit. Sehr konzen triert kommen diese Kooperationen in den so genannten „Euregios“ oder Europaregionen vor. In der „Euregio MaasRhein“ an der deutsch-holländischen Grenze entsteht zurzeit eine Kooperation der besonderen Art: Die beiden Unikliniken Aachen und Maastricht wollen das erste europäische Unikrankenhaus auf den Weg bringen. Schon seit langem arbeiten die beiden Häuser sehr eng zusammen. Beispielsweise leitet der Niederländer Michael Jacobs die Gefäßchirurgien beider Kliniken und pendelt zwischen den 30 Kilometer voneinander entfernten Standorten hin und her. sagt Prof. Henning Saß, Vorstandsvorsitzender der Uniklinik Aachen. Gemeinsam mit seinem niederländischen Kollegen Guy Peeters hat er die Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Auf dem Weg zur Fusion sind für die deutschen und niederländischen Kollegen noch einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen: „Durch die kulturellen und regionalen Unterschiede müssen viele Fragen geklärt werden“, erklärt Saß, „das betrifft zum Beispiel das Steuerrecht, das Entlohnungssystem oder auch das Arbeitsrecht. Hier gibt es zum Teil ganz unterschiedliche Regelungen. Da die Gesundheitsversorgung im Ausland jedoch rechtlich immer einfacher wird, werden unsere Patienten auch keine Probleme haben, sich auf der anderen Seite der Grenze behandeln zu lassen.“ Kooperation eröffnet mehr Möglichkeiten Durch die enge Kooperation und auch die angestrebte Fusion ergeben sich viele Vorteile, sowohl für die Kliniken als auch für die Patienten. Aachen und Maastricht wollen mit Hilfe der Kooperation die Kräfte beider Häuser bündeln und so europäisches Spitzenniveau erreichen. „Wir haben viel mehr Möglichkeiten, wenn wir zusammen arbeiten, allein schon, weil beiden Häusern dann mehr Mittel zur Verfügung stehen“, sagt Saß. „So können wir zum Beispiel teure medizinische Geräte leichter anschaffen und werden attraktiver für Spezialisten. Auch in die Forschung können wir dann intensiver investieren.“ Von den Verbesserungen pro fitieren letztendlich auch die Als ein Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger die Privatisierung einzelner Unikliniken in NRW ins Spiel brachte, warben die Protagonisten des Projekts mit Nachdruck um Unterstützung für die Zusammenarbeit – und bekamen grünes Licht aus Düsseldorf, die Sache weiter voranzutreiben. Dass der Plan umgesetzt werden kann, ergab eine Machbarkeitsstudie, die von den Kliniken in Auftrag gegeben wurde: „Die Studie hat uns bestätigt, dass die Union unserer beiden Häuser ökonomisch und rechtlich machbar ist“, MDK-Forum 3/2008 Prof. Henning Saß ist Vorstandsvorsitzender des Aachener Uniklinikums. Gemeinsam mit seinem niederländischen Kollegen Guy Peeters hat er die Zusammenarbeit der Krankenhäuser ins Leben gerufen 12 Kranken- und Pflegeversicherung Patienten. Sie erhalten eine ver besserte Versorgung, auch auf Spezialgebieten. In der deutschniederländischen Grenzregion nutzen die Patienten schon jetzt das Angebot der Klinik „auf der anderen Seite“. Im vergangenen Jahr kamen etwa 2.400 niederländische Patienten nach Aachen und ließen sich in der deutschen Uniklinik behandeln. Ein Partikel-Therapiezentrum auf der Grenze Künftig soll zwischen den beiden Häusern noch ein dritter Standort entstehen. Im Technologiepark Avantis, genau auf der deutsch-niederländischen Grenze, planen die Kooperationspartner ein Partikeltherapie zentrum. Mit Hilfe der Strahlen behandlung sollen dort in Zukunft Krebspatienten therapiert werden. Das Zentrum wird rechtlich gesehen eine Tochter der Gesellschaft und kostet zwischen 120 und 150 Millionen Euro. In vier Jahren sollen dort erstmals Patienten bestrahlt werden. Zu dem Partikeltherapiezentrum wird sich in einigen Jahren auch eine Herz-Gefäß-Klinik gesellen. Darüber müssen noch die Aufsichtsräte abstimmen. Für die Patienten würde das aber keinen längeren Anfahrtsweg bedeuten, erklärt Saß: „Die Patienten würden weiterhin in der Klinik ihrer Wahl versorgt, im Technologiepark würde es dann ein zusätzliches Angebot mit den Spezialkliniken geben.“ Durch den Standort auf der Grenze hat Avantis einen besonderen Status. In dem Gebiet gilt sowohl deutsches als auch niederländisches Recht, was den Bau eines bilateralen Zentrums erleichtern könnte. Friederike Geisler ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Unternehmenskommunikation beim MDK Niedersachsen E-Mail: [email protected] Grenzüberschreitende Gesundheitsangebote Chance für die europäische Integration „Die europäische Integration schaffen wir von den Rändern aus und nicht von den Zentren“, ist Martin Guillermo, Geschäfts führer der „Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen“ (AGEG) mit Sitz im westfälischen Gronau, überzeugt. Für den gebürtigen Spanier spielt die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Angefangen hat alles zwischen Enschede und Gronau. Dort wurde 1958 als erste Europaregion die EUREGIO gegründet. Dieser Kommunalverband umfasst das südwestliche Gebiet Niedersachsens, das Münsterland und Teile der östlichen Niederlande. Nach und nach kamen weitere Europaregionen entlang des Rheins mit deutscher Beteilung dazu; nach der Wiedervereinigung auch Verbünde mit Regionen in Polen, Tschechien und Slowenien. Insgesamt gibt es in Deutschland entlang der Grenzen heute 27 regionale Kooperationen mit Nachbarstaaten. Europaweit sind es insgesamt 115 formale Europa regionen, von denen 90 in der AGEG organisiert sind. „Grenzregionen haben eigene Probleme. Zum Beispiel gibt es dort in der Regel weniger Dienstleistungs- und also auch Gesundheitsangebote als in den Zentren“, beschreibt Guillermo die strukturellen Defizite der Randregionen. Natürlich soll durch die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung die Zusammenarbeit zwischen den Ländern gefördert werden. Ziel ist aber auch, so Guillermo, durch die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen und Ressourcen Synergieeffekte zu erzielen. Zugleich soll damit die Bevölkerung leichter Zugang zu hochwertigen Versorgungsangeboten erhalten. Und: „Damit halten wir die Bevölkerung in den Randregionen“, ist Guillermo sicher. „Die Zusammenarbeit der Krankenhäuser in Aachen und Maastricht ist ein gutes Beispiel für die Richtung, die diese Entwicklung nehmen kann“, sagt Guillermo. In der französisch-spanischen Grenzregion Cerdagne bzw. Cerdanya soll es 2010 sogar ein Krankenhaus geben, das von vornherein ein französisch-spanisches Kooperationsprojekt ist. Erst im Jahr 2006 wurde mit dem „Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ) auch der rechtliche Rahmen geschaffen, um solche grenzübergreifenden Kooperationen zu erleichtern. Der EVTZ setzt sich aus Mitgliedsstaaten, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und/oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts zusammen. Er besitzt Rechtspersönlichkeit und verfügt über Rechts- und Geschäftsfähigkeit. „Langfristig wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Grenzregionen zu einer Angleichung der medizinischen Versorgungsstandards in Richtung der höheren Standards führen und für die Bürger den Zugang zu Einrichtungen im Nachbarland erleichtern“, meint Guillermo. An eine vollständige Integration der Gesundheitssysteme glaubt er jedoch nicht, dazu seien die Systeme zu unterschiedlich. „Wenn es gelingt zum Nutzen der Bürger grenzübergreifende praktische Lösungen zu finden, ist dies aber auch nicht notwendig.“ (gr) 13 MDK-Forum 3/2008 Schwerpunkt Europaweite Standards für die Arzneimittelsicherheit D ie Regelungswut der Europäischen Union kennt kaum Grenzen. Von der Größe des Treckersitzes bis zum Krümmungsgrad der Banane – für alles gibt es Richtlinien oder Vorschriften. So ist es kaum zu verstehen, dass es bis heute keine verbindliche Richtlinie für den sicheren Umgang mit Medikamenten gibt. Der Europarat unternahm dazu einen ersten Vorstoß. Eine Schädigung des Patienten bei der Arzneimitteltherapie kann auf zweifache Weise eintreten. Zum einen sind dies unerwünschte Arzneimittel wirkungen (UAW), zum anderen die so genannten Arznei mittelirrtümer. Der Europarat hatte im Jahr 2004 ein interna tionales Expertenteam beauftragt, für die Europäischen Re gierungen Empfehlungen zur Vermeidung von Medikationsirrtümern und Gesundheitsschäden durch falsche Medikamentenanwendung zu erarbeiten. Ende 2007 legte der Sachverständigenrat zur Arzneimittel sicherheit des Europarates seine Ergebnisse vor. Einer der Experten war der Direktor der Krankenhausapo theke des Universitätsklinikums Jena, Dr. Michael Hartmann. „Unser Ziel war es, vorbeugende Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit bei der Arzneimittelanwendung zu empfehlen. Bei der Vermeidung von Medikations-Irrtümern gibt es an vielen Stellen noch Verbesserungsbedarf.“ Dem Europarat haben die Sachverständigen gleich an ganzes Bündel an praktischen Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Fehlern im Medikationsprozess empfohlen. MDK-Forum 3/2008 Konkrete Maßnahmen empfohlen „Es geht zum Beispiel darum, Medikamenten-Beipackzettel künftig verständlicher zu gestalten“, so Hartmann, „oder einer Verwechslung vorzubeugen, die sich durch die Verwendung stark ähnlicher Arzneimittelnamen ergibt.“ Hier bestehe großer Handlungsbedarf, da durch den weltweiten Vertrieb von Medikamenten sich die Arznei-Namen immer weiter angleichen, um in einer globalisierten Welt in allen Sprachen gleich gut verstanden werden zu können. Allein zwei Drittel aller Verschreibungsfehler könnten vermieden werden, wenn elektronische Verschreibungssoftware benutzt würde. Europäische Studien haben dies nachgewiesen. Werden Medikamente für jeden Patienten von der Apotheke individuell abgepackt (so genannte unit-doses), reduzieren sich die Medikamentenirrtümer. Diese Art der Arzneimitteldistribution ist in Deutschland und Europa noch nicht weit verbreitet. Besondere Aufmerksamkeit ist bei der Anwendung von Hochrisikomedikamenten erforderlich. Diese sollten auf einer Krankenhausstation nur in applikationsfertiger Form verabreicht werden. Zur Sicherheit erheblich beitragen können auch elektronische Kontrollsysteme wie Barcodes. Der Sachverständigenrat sprach sich auch dafür aus, klinische Pharmazeuten bei der Arzneimitteltherapie verpflichtend mit einzubeziehen. Während im europäischen Durchschnitt 0,93 Apotheker auf 100 Krankenhausbetten kommen, sind es hierzulande 0,3 Apotheker. 14 Medikamente – für jeden Patienten individuell abgepackt In nationale Standards umsetzen Der Europarat hat mittlerweile die Vorschläge des Sachverständigenrates seinen Regierungen zur Umsetzung empfohlen. „Wir hoffen, dass sich dies in den nächsten Jahren zu nationalen Standards entwickelt. In vielen Ländern gibt es schon eigene Initiativen, die Patientensicherheit auf diesem Gebiet zu erhöhen“, sagt Dr. Hartmann. Zum Beispiel seien in Spanien und Großbritannien Institute gegründet worden, die sich auf die Sicherheit der Arzneimitteltherapie konzentrierten. Arzneimittel sicherheit sei auch eine Frage der Sicherheitskultur und da habe Deutschland noch Nachholbedarf, meint Dr. Hartmann. Meldepflicht für unerwünschte Arzneimittelwirkungen Die EU-Kommission will die Arzneimittelsicherheit in Zukunft strikter überwachen, damit mögliche Risiken rasch erkannt und beseitigt werden könnten, kündigte der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen an. Schwerpunkt Was Verheugen vorhat, steht im Zusammenhang mit der Pharmakovigilanz, der Überwachung der Arzneimittelsicherheit in Bezug auf UAWs. „Das sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen, zum Beispiel gesundheitsschädliche und unbeabsichtigte Wirkungen eines Medikamentes, die in Dosierungen auftreten, welche beim Menschen zur Prophylaxe, Diagnostik oder Therapie üblich sind“, erklärt Dr. Hartmann. Noch werden in Europa Arzneimittelnebenwirkungen nicht einheitlich gemeldet und registriert. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) wurde eine EU-Datenbank für die Pharmakovigilanz eingerichtet. Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen sollen so schneller und einfacher registriert werden können. In mehreren Pharmakovigilanz-Zentren in Deutschland werden systematisch Patientenakten durchforstet, um auf Auffälligkeiten zu UAWs zu stoßen. Diese Auswertungen sollen zum Beispiel Medizinern Anhaltspunkte liefern, häufiger UAWs zu melden. Preise noch unterschiedlich Während das Zulassungsverfahren von Arzneimitteln in Europa schon seit langem einheitlich geregelt ist, gibt es bei den Preisen weiterhin Wildwuchs. „Wir haben in Europa ein völlig unterschiedliches Preisniveau.“ Das überrascht den Pharmazeuten aus Jena: „Seit Jahren gibt es den freien Warenverkehr und eine gemeinsame Währung, aber zu einer Preisanpassung hat das nicht geführt. Es lohnen sich immer noch Reimporte.“ (dt) Pharmakovigilanz: EU-Kommission will Arzneimittelsicherheit stärken Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie vorlegen, mit der das geltende System für die Arzneimittelüberwachung effizienter gestaltet und gestärkt werden soll. Bereits heute muss jedes EU-Mitgliedsland Berichte und Erkenntnisse über unerwünschte Nebenwirkungen von Arzneimitteln elektronisch an eine Datenbank bei der Europäischen Arzneimittel agentur (EMEA) weitergeben, die Eudravigilance. Die Datenbank zur Überwachung der Arzneimittel sicherheit (Pharmakovigilanz) ist in Deutschland beim Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) angesiedelt; eine weitere Datenbank existiert beim für Impfstoffe und Blutprodukte zuständigen Paul-Ehrlich-Institut. „Die pharmazeutische Gesetzgebung in der EU ist kompliziert. Das gilt auch für die laufende Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln“, sagt Dr. Ulrich Hagemann, beim BfArM zuständig für Pharmakovigilanz. „Das BfArM unterstützt deshalb die jetzt angestrebte Stärkung der Pharmakovigilanz ausdrücklich.“ Die unterschiedliche Umsetzung der Vorschriften in den Mitgliedsstaaten führt zu aufwändigen und uneinheitlichen Meldepflichten für die Hersteller. Außerdem sind die Entscheidungsverfahren auf EU-Ebene mehr als kompliziert. Richtlinien-Entwurf für Oktober 2008 angekündigt Ziel der aktuellen Reformbemühungen ist es daher, so Hagemann, bürokratische Hindernisse zu beseitigen und Aufgaben und Zuständigkeiten in der Pharmakovigilanz klarer zu fassen. Von ganz dringenden Fällen abgesehen dauere die Bewertung von Substanzen im Schnitt zu lange. Hagemann ist optimistisch, dass der von der EU-Kommission gemachte Verfahrensvorschlag mit arbeitsteiliger Herangehensweise und Vermeidung von Doppelbewertungen zur Beschleunigung beitragen kann. Außerdem sollen die Entscheidungsverfahren in der EU effizienter gestaltet werden, damit rasche und tragfähige Entscheidungen getroffen und für alle betroffenen Arzneimittel auf allen Märkten umgesetzt werden können. Trotz ausführlicher Studien vor der Zulassung lässt sich das Sicherheitsprofil eines neuen Arzneimittels nie vollständig ermitteln. Daher tauchen neue und andere Fragen auf, sobald ein Arzneimittel auf dem Markt und in den Versorgungsalltag eingeführt ist. Deshalb will die EU-Kommission in ihrem aktuellen Vorstoß auch einen klaren rechtlichen Rahmen schaffen, der Hersteller zu Arzneimittelsicherheitsstudien nach der Zulassung verpflichtet. Der Entwurf für die geänderte Richtlinie soll noch in diesem Herbst veröffentlicht werden. Dann müssen das EU-Parlament und der EU-Ministerrat zustimmen. Es wird nach Hagemanns Einschätzung voraussichtlich bis 2010 dauern, dass die nationalen Parlamente, hier also der Deutsche Bundestag, diese Richtlinie in nationales Recht überführt hat. (gr) 15 MDK-Forum 3/2008 Kranken- und Pflegeversicherung Psychotherapeutische Versorgung in Deutschland Trotz Verbesserungen noch Defizite Von Andrea Steidle I n der stationären und ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gibt es – trotz Ausbaus in den vergangenen zwei Jahrzehnten – weiterhin viel Handlungsbedarf. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des vom Robert Koch-Institut im Juli herausgegebenen Themenheftes „Psychotherapeutische Versorgung“ der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“. Die Autoren vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Holger Schulz, Dina Barghaan, Timo Harfst und Uwe Koch, nehmen die Versorgung psychisch Kranker in Deutschland unter die Lupe. Neben der Versorgung durch Ärzte und Therapeuten wurden auch die Angebote von Ambulanzen, psychotherapeutischen Beratungsstellen, Tageskliniken, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen analysiert. Positives Fazit: Die Versorgung psychisch Kranker in Deutschland ist deutlich besser geworden. Das liegt an der besseren Qualifikation der Fachärzte durch gestiegene Weiterbildungsanforderungen bzw. durch das Psychotherapeutengesetz bei Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Doch in der Gesamtsicht überwiegt die Kritik an der aktuellen Versorgungslage. Deutliches West-Ost- und SüdNord-Gefälle So zeigte sich in der Versorgungsdichte ein „eklatantes“ West-Ost-Gefälle, ebenso ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Außer in Berlin ist der Anteil an MDK-Forum 3/2008 Psychotherapeutinnen und -therapeuten in den neuen Bundesländern weniger als halb so groß wie im früheren Bundesgebiet. Auf 100.000 Einwohner über 18 Jahre kamen in Ost-Deutschland maximal neun Psychologische Therapeuten bzw. Therapeutinnen; zum Vergleich: In Berlin waren es 49,5 (Angaben aus dem Berichtsjahr 2004). Lediglich in der stationären Kinderund Jugendlichenpsychiatrie ist in den neuen Ländern die Bettendichte fast doppelt so hoch. Auch auf ein spürbares NordSüd-Gefälle macht das Institut aufmerksam: So gab es etwa in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen fast doppelt so viele ärztliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten wie in den nördlichen Bundesländern (Ausnahmen: Hamburg, Bremen und abermals Berlin). Den Großteil der Versorgung der GKV-finanzierten Psychotherapie nimmt die Gruppe der Psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten wahr, die auch rein statistisch überwiegt: Auf knapp 10.000 Ärztinnen und Ärzte, die über die Zusatzbezeichnung „Psychotherapie“ verfügen, kamen am 31.12.2004 bundesweit ca. 12.400 Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten (Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung). Interessantes Ergebnis bei den Behandlungsformen: Trotz nachgewiesener guter Wirksamkeit und gesundheitsökonomischer Effizienz in der ambulanten Psychotherapie konnte sich beispielsweise die Behandlungsform „Gruppentherapie“ bislang kaum etablieren. Das RKI vermutet, dass dies zum 16 In der ambulanten Psychotherapie konnte sich die Gruppentherapie bislang kaum etablieren Teil auf die bis vor kurzem noch inadäquate Honorierung ambulanter gruppentherapeutischer Leistungen zurückzuführen sei. Im stationären Bereich ist die Behandlungsform „Gruppentherapie“ hingegen Standard. Dünne Datenbasis erschwert gezielte Planung Bemängelt wird auch die bisherige Datenbasis zu wesentlichen versorgungsrelevanten Fragestellungen. Diese sei zurzeit nur „sehr eingeschränkt vorhanden“, resümieren die Autoren. So würden wichtige empirische Grundlagen für eine „rational begründete Versorgungsplanung“ im Bereich der Versorgung psychisch Kranker bislang fehlen. Das Themenheft Nr. 41 finden Sie im Internet unter www.rki.de/gbe Andrea Steidle ist Mitarbeiterin im Fachgebiet Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim MDS E-Mail: [email protected] Kranken- und Pflegeversicherung Die Haltestellen-Therapie Es fährt ein Bus nach Nirgendwo Von Friederike Geisler I n Langenhagen sitzen Demenzkranke an einer Haltestelle, an der nie ein Bus halten wird. Das Altenzentrum Eichenpark ist alles andere als eine langweilige verstaubte Unterkunft für alte Menschen. Eine ungewöhnliche Therapie hilft Bewohnern und Betreuerinnen bei der Bewältigung des Heim-Alltags. Helene B. sitzt auf der Bank neben dem Bushaltestellenschild. „Sonnenallee“ steht in großen weißen Lettern darauf geschrieben, unten an der Säule ist ein Fahrplan befestigt. Als es sich die 80-Jährige auf der Bank bequem gemacht hatte, stand die Sonne noch im Zenit – nun ist sie schon ein ganzes Stück gewandert, ein Bus ist jedoch weit und breit nicht in Sicht. Jeder andere hätte mittlerweile die Geduld verloren und sich wieder auf den Weg gemacht, Helene B. ist noch die Ruhe selbst – denn sie hat inzwischen wieder vergessen, warum sie auf dieser Bank sitzt. Und ein Bus wird nicht kommen. Haltestellen bringen Ruhe Die Bushaltestelle steht im Garten des Altenzentrums Eichenpark in Langenhagen bei Hannover. Sie dient nicht nur als Dekoration, sondern erfüllt einen therapeutischen Zweck für die demenzkranken Bewohner. Isabel Garcia, die Leiterin des Demenz-Wohnbereichs, hat sie als Spende erhalten, nachdem sie durch einen Zeitungsartikel auf die Idee ge kommen ist: „Darin wurde von dem erfolgreichen Einsatz solcher Haltestellen in Heimen berichtet und von der positiven Wirkung, die sie auf Demente haben.“ Der gewohnte Gang zum Bus Die Wirkung bezieht sich auf die deutliche Verhaltensänderung der Bewohner: „Die Demenzkranken in unserem Bereich kommen durch einen gerichtlichen Beschluss zu uns und viele wehren sich gegen die neue Umgebung. Es kam oft vor, dass Bewohner aggressiv gegen die Tür schlugen, weil sie nach Hause oder zum Bus wollten. Diese Unruhe überträgt sich natürlich auch auf die anderen.“ Mit Hilfe der Haltestellen können die Betreuer dieser Unruhe begegnen. Allein die Vorstellung, sie würden zum Bus gehen – so wie sie es gewohnt sind – nimmt ihnen die Unruhe und bietet ihnen eine sinnvolle Beschäftigung. „Dass kein Bus kommt, stört die Bewohner nicht weiter, sie haben es nach einer Weile durch ihre Krankheit vergessen, weil das Kurzzeitgedächtnis bei Demenz nicht mehr richtig funktioniert. An das, was längere Zeit zurück liegt, können sich Demente hingegen oft noch erinnern, das betrifft auch den Gang zur Bushaltestelle. Sie fühlen sich in diese Zeit zurück versetzt. Diese gewohnte Situation auf der Bank führt oft dazu, dass man sich ein bisschen unterhält und gemeinsam Zeit verbringt. Man merkt ihnen dabei richtig an, dass sie nicht mehr so aufgewühlt sind und sich entspannen“, sagt Garcia. Isabel Garcia und ihre Kolleginnen haben besonders gute Erfahrung mit der so genannten „Validation“ gemacht: „Es macht vieles einfacher, wenn man die Bewohner unterstützt, etwa wenn sie vorhaben für ihre Familie ein Festmahl zu kochen. Dazu kommt es letztendlich sowieso 17 Die Bewohner des Demenz-Bereichs haben Gefallen an den Pseudo-Haltestellen gefunden. Das Warten auf den Bus ist eine gewohnte Tätigkeit nicht und wenn ich anfange, ihnen zu erklären, dass ihre Familie nicht hier ist und sie besser keine gefährlichen Küchengeräte benutzen sollten, werden sie nur unruhig.“ Die Bewohner leben ein Stück weit in der Vergangenheit, auf diese Weise sind sie zufrieden und fühlen sich geborgen. Mit den Haltestellen-Attrappen verhält es sich ähnlich. Die Mitarbeiter der EichenparkDemenzabteilung sind von der Haltestellen-Therapie begeistert. Dass sie wegen der Bus-Schilder oft belächelt wird, stört Isabel Garcia nicht weiter: „Für uns und vor allem für die Bewohner sind die Haltestellen eine Bereicherung. Die Wirkung dieser Therapie ist deutlich sichtbar und das ist es, was zählt.“ Friederike Geisler ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Unternehmenskommunikation beim MDK Niedersachsen E-Mail: [email protected] MDK-Forum 3/2008 Kranken- und Pflegeversicherung Versandapotheken fürchten um ihre Zukunft Von Friederike Geisler I n den vergangenen Jahren hat sich der ApothekenMarkt stark gewandelt. Zu den klassischen Apotheken mit Verkaufsraum haben sich „virtuelle“ Arzneimittel-Händler gesellt, die ihre Waren über das Internet verkaufen. Diese Versandapotheken haben jedoch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil sich der Handel über das Internet vom Verkauf über die Ladentheke unterscheidet und viele Kritiker darin eine Gefahr sehen. Johannes Mönter, Inhaber von Sanicare, der größten Versand apotheke in Deutschland, erklärt das Dilemma: „Wir würden gerne expandieren und unseren Mitarbeiterstab von gut 760 weiter aufstocken, doch wir müssen abwarten, wie die Politik über unsere Zukunft entscheidet.“ Mit der Entscheidung meint er den aktuellen Vorstoß aus Bayern und Sachsen. Der bayerische Gesundheits- und Verbraucher- Im Lager einer Versandapotheke verpackt eine Mitarbeiterin die Arzneimittel MDK-Forum 3/2008 schutzminister Otmar Bernhard (CSU) möchte den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten verbieten, weil immer öfter über den Verkauf solcher Arzneimittel ohne Rezept berichtet würde. Zudem kommt Bernhard beim Internethandel die Beratung zu kurz: „Das Antibiotikum aus der Apotheke zusammen mit den Herztropfen aus dem Netz kann eine schwere Vergiftung verursachen.“ Versandapotheken von außereuropäischem Internethandel trennen Auf Sanicare träfen diese Anschuldigungen nicht zu, sagt Mönter: „Wir können unsere Kunden genauso beraten, wie die Apotheke vor Ort. Knapp 200 pharmazeutische Mitarbeiter stehen für Fragen bereit. Der Großteil unserer Kunden wendet sich mit chronischen Krankheiten an uns, wer kurzfristig Medikamente braucht, geht weiterhin zur klassischen Apotheke.“ Auch der Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne Rezept sei bei Sanicare ausgeschlossen: „Wir verlangen immer ein Rezept, das ist vorgeschriebener Standard. Außerdem stehen die Versand apotheken unter ständiger Beobachtung durch Aufsichtsbehörden, Krankenkassen und Verbraucher – ein illegaler Handel mit Medikamenten würde sofort auffallen.“ Mönter weist hierzu auf die klare Definition von Versandapotheken hin: „Deutsche Versandapotheken müssen sehr strenge gesetzliche Kriterien einhalten. Es sind öffentliche Apotheken mit einer speziellen Zusatzerlaubnis. Es 18 gibt im Ausland zweifelsohne auch dubiose Internet-Händler, die eine Gefahr für die Arzneimittelsicherheit bedeuten. Im Zusammenhang mit einer deutschen Versandapotheke ist allerdings noch nie ein Fall der Arzneimittelfälschung aufgetreten. Das bestätigt das BKA. Deutsche Versandapotheken werden von Kritikern gerne bewusst mit dubiosen Händlern in einen Topf geworfen – man muss da jedoch klar trennen.“ Krankenkassen stehen hinter den Versandapotheken Viele Krankenkassen arbeiten mittlerweile mit Versandapotheken eng zusammen. Wolfgang Schmeinck, Vorstandsvorsitzender des BKK-Bundesverbandes, hält den Versand von Arzneimitteln für eine sinnvolle und sichere Alternative. Seiner Auffassung nach müsse der Versandhandel schon deswegen erhalten bleiben, weil er Verbesserungen herbeigeführt habe. Am Ende hat der Patient die Entscheidungshoheit über den Medikamenten-Kauf. Ob die Gesetzesinitiative aus Bayern und Sachsen Erfolg hat, ist offen. Die SPD-geführten Bundesländer zeigen sich skeptisch und im Unionslager gibt es auch keine einheitliche Linie. Weitere Informationen zu Sanicare unter: www.sanicare.de Friederike Geisler ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Unternehmenskommunikation beim MDK Niedersachsen E-Mail: [email protected] Kranken- und Pflegeversicherung KKH und MDK starten das Projekt „Patientensicherheit“ D as Team steht im Operationssaal bereit. Doch bevor der Chirurg das Messer anlegt, geht er eine Liste durch: Stimmen Sie mir alle zu, dass es sich bei dem Patienten um Herrn Schmidt handelt? Stimmen Sie mir zu, dass wir einen Eingriff an seinem rechten Lungenflügel vornehmen wollen? Was vielleicht auf Außenstehende etwas ungewöhnlich wirkt, möchte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Standard im Krankenhaus einführen, um die Patientensicherheit zu erhöhen – Standards, die bei der Luftfahrt gang und gäbe sind. Risiko- und FehlermanagementSysteme, die dabei helfen sollen, Behandlungsfehler zu vermeiden, gibt es schon in vielen Kliniken. Ein wichtiger Faktor wird dabei jedoch außen vor gelassen: der Faktor Mensch. Die MDK Niedersachsen und Baden-Württemberg beschäftigen sich im Rahmen der Recherchen für das MDKForum schon seit einiger Zeit mit dem Thema Patientensicherheit und starten zusammen mit der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ein konkretes Projekt. Im Vordergrund dabei steht der Faktor Mensch bei der Fehlervermeidung. Medizin und Luftfahrt In der Luftfahrt spielt der „Human Factor“ was die Sicherheit angeht eine große Rolle. Bei der Fehler-Analyse haben die Akteure festgestellt, dass zum Beispiel die Kommunikation im Team bei vielen Vorfällen ausschlaggebend ist. Aus diesem Grund kommen die Teilnehmer des Projektes „Patientensicherheit“ auch aus der Luftfahrt: Hans Härting, Flugkapitän von Austrian Airlines, und Workshop am 2. Juli 2008 beim MDK Niedersachsen in Hannover. V.l. Mike Hänsel (ISIMED), Tobias Bansen (KKH), Dr. Boris Robbers (Niedersächsisches Sozialministerium), Hans Härting (Austrian Airlines), Daniela Friedrich (KKH), Dr. Viktor Oubaid (DLR) Prof. Norbert Pateisky vom Allgemeinen Krankenhaus in Wien beraten in ihrem Unternehmen „Assekurisk Kliniken“, indem sie die Sicherheitsmaßnahmen von Luftfahrt-Unternehmen auf die Medizin übertragen. Ein weiterer Partner im Projekt Patientensicherheit ist das Deutsche Luft- und Raumfahrtzen trum (DLR). Dr. Viktor Oubaid ist dort im Bereich Pilotenauswahl beschäftigt. Zusammen mit Mike Hänsel vom Interdisziplinären Simulatorzentrum Medizin (ISIMED) an der TU Dresden hat er bereits ein Projekt durchgeführt, bei dem die Personal-Auswahlverfahren der Luftfahrt auf die Medizin übertragen wurden und das OP-Team mit Hilfe eines Patientensimulators trainierte. Von der Theorie zur Praxis Unterstützt wird das Projekt vom Niedersächsischen Sozialministerium. Bei der ersten Sitzung der Projektgruppe Anfang Juli 2008 haben die Teilnehmer verabredet, zwei Modell-Krankenhäuser zu suchen, die ihre Maßnahmen der Patientensicherheit ausbauen wollen. Dazu ge- 19 hören professionelle Personalauswahl und Personalentwicklung mit den Instrumenten des DLR, die Arbeit an den Prozessen mit entsprechenden Trainings und anschließender Auditierung durch die Assekurisk und die Einbindung des Krankenhauspersonals in das Trainingsprogramm am Patientensimulator von ISIMED. Das Projekt steht noch in den Startlöchern. Über die Fortschritte wird weiterberichtet. (dt) Audio-Tipp Hans Härting, Flugkapitän bei Aus trian Airlines, überträgt die Methoden der Luftfahrt auf die Medizin. Zusammen mit Prof. Norbert Pateisky vom Allgemeinen Krankenhaus in Wien arbeitet er in Kliniken an Sicherheitsstandards. Hören Sie dazu ein Experten-Interview auf der Internetseite www.mdk-niedersachsen.de in der „Mediathek“. Der Audio-Beitrag hat eine Länge von 3 Min. 51 Sek. MDK-Forum 3/2008 Kranken- und Pflegeversicherung „Uniklinik auf hoher See“ Interview mit dem Schiffsarzt Dr. Werner Kalbfleisch D r. Werner Kalbfleisch, Jahrgang 1951, ist niedergelassener Allgemeinarzt in Staig bei Ulm. Der seit Jahren erfahrene und weit gereiste Schiffsarzt betreibt eine Agentur für die Vermittlung von Schiffsärzten und ist Konzessionär der medizinischen Einrichtungen auf Kreuzfahrtschiffen. diesem Fall eben auch für das Hospital. Das Hospital gehört normalerweise in die Regie der Reederei, weil es essentiell für den Schiffsbetrieb ist: Ab 75 Personen darf ein Schiff nur auslaufen, wenn ein Arzt an Bord ist. ? MDK-Forum: Herr Dr. Kalbfleisch, Sie sind Allgemeinarzt in einer großen Landpraxis. Wie wird man zum Schiffsarzt? Fernweh, Jugendträume? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Vor sechs Jahren gab es noch keine spezielle Ausbildung. Prinzipiell konnte jeder Arzt den Job übernehmen. Manche Reedereien ! Dr. Werner Kalbfleisch: Ich würde eher sagen Zufall. Es war Zufall, die richtigen Leute in einer tollen Umgebung bei einem interessanten Gespräch kennen zu lernen. Dabei bekommt man Informationen über Arbeitsplätze an Bord, wobei man zwangsläufig auch das Thema Schiffsmedizin streift. Dann kam die gezielte Frage, ob ich bereit wäre, auf einem Schiff als Schiffsarzt zu fahren. Mutig wie ich war habe ich natürlich zugesagt. Eines Tages kam das Fax, das mir die Leitung eines Hospitals auf einem Schiff übertrug. Ich bin das Risiko eingegangen, auch das materielle Risiko, man muss Material, Medikamente und so weiter einkaufen, man pachtet quasi das Hospital auf dem Schiff. ? MDK-Forum: Sie mussten als Schiffsarzt das Hospital pachten? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Ja, ein Schiff ist ein kompliziertes finanzielles Gebäude. Es gehört meistens einer Fondsgesellschaft, die es an eine Reederei verchartert oder verleast. Die Reederei vergibt dann Konzessionen z.B. für das Catering, die Restaura tion, für Beautysalons und in MDK-Forum 3/2008 ? MDK-Forum: Wie war Ihre Ausbildung zum Schiffsarzt? Sicherheit an Bord vermittelt werden. Dies beinhaltet außer dem Umgang mit Panik an Bord auch ganz profane Dinge, z.B. die Frage, aus welcher Höhe ich mit einer Schwimmweste ins Wasser springen kann, ohne mir das Genick zu brechen. ? MDK-Forum: Wie sah Ihre Jungfernfahrt als Schiffsarzt aus? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Auf meiner Jungfernfahrt hat mich gleich der stärkste Sturm des Jahrzehnts erwischt. Inklusive eigener Seekrankheiten habe ich dann alles en bloc erlebt. Während der ersten sechs Wochen an Bord habe ich begonnen, über das Forum „Reisemedizin“ Kollegen zu suchen, die Interesse an der Schiffsmedizin haben. Inzwischen verfüge ich über ein Netzwerk von 250 Ärzten, die ich gezielt einsetzen kann. Ich selbst bin mehr der Hintergrundmanager und gehe nur gelegentlich in einer Werft oder zwischendurch zur Supervision an Bord. ? MDK-Forum: Frage zur medizinischen Qualifikation: Wie sind die Voraussetzungen in Ihrer Agentur geregelt? Dr. Werner Kalbfleisch, Schiffsarzt haben völlig wahllos Ärzte eingestellt, weil sie froh waren, über haupt welche zu bekommen. In der Zwischenzeit hat sich viel getan, die Voraussetzungen und Kriterien sind klar definiert. Umfassendes medizinisches Wissen und entsprechende Erfahrungen, die auch das gesamte Spektrum der Notfallmedizin und der Zahnmedizin mit einschließen, sind Grundbedingungen. Zusätzlich benötigt man ein so genanntes Basic-Safety-Training, in dem die Grundbegriffe für 20 ! Dr. Werner Kalbfleisch: Ganz wichtig ist eine umfassende Fachausbildung, z.B. Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Anästhesie, denn Voraussetzung sind Kenntnisse im Bereich der Notfallmedizin. Man muss bedenken, dass ein Schiffshospital die Uniklinik auf hoher See ist. Es gibt keine andere medizinische Versorgungsstruktur im Umfeld und es gibt regelmäßig Notfälle an Bord, vom Herzinfarkt über Lungenembolie bis hin zu Polytraumen. Schiffsmedizin ist im Gegensatz zur Darstellung im Gesundheits- und Sozialpolitik Fernseher kein Repräsentationsjob sondern harte Knochenarbeit. Und schon gar kein Job, den man – wie manche meinen – noch übernehmen kann, wenn man sich aus dem Klinik- oder Praxis alltag zur Ruhe gesetzt hat. ? MDK-Forum: Wie sieht der Arztalltag an Bord aus? Ist er mit einer Allgemeinpraxis vergleichbar? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Er unterscheidet sich deshalb erheblich, weil an Bord kein materieller Druck auf dem Arzt lastet, kein Ärger mit Abrechnungen und sinkenden Punktwerten. Der Arzt an Bord muss zwei Sprechstunden abhalten, die sich am Tagesablauf der Passagiere einschließlich der Ausflüge orientieren. Es kann sein, dass an manchen Ausflugstagen die Morgensprechstunde bereits um sieben Uhr beginnt. Sind die Passagiere von Bord, hat man im Grunde genommen Freizeit mit Rufbereitschaft. Man kann auch Passagiere an Land begleiten, allerdings muss die medizinische Versorgung an Bord garantiert sein. Daher verbleibt an Bord immer eine ausgebildete Krankenschwester oder ein Rettungs assistent, der notfallmedizinisch fit ist. Dann gibt es eine stark in Anspruch genommene Nachmittags- oder Abendsprechstunde mit dem gesamten Spektrum der Allgemeinmedizin. ? MDK-Forum: Mit welchen Krankheitsbildern haben Sie es vornehmlich zu tun und sind schwerwiegende Notfälle die große Ausnahme? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Notfälle sind keineswegs die Ausnahme, sie sind sogar häufig. Man muss sich vorstellen, dass der Altersdurchschnitt an Bord inzwischen bei etwa 70 Jahren liegt. Auf einer meiner letzten Reisen war der Altersdurchschnitt bereits über 75. Sie haben quasi ein ganzes Dorf mit multimorbiden Menschen zu versorgen. Dass dann jeden Tag etwas passieren kann, ist selbstverständlich. Dazu kommt die Unvernunft mancher Menschen, die auch bei Sturm auf Stühle klettern, stürzen und sich die Knochen brechen. Viele Passagiere haben Diabetes und Bluthochdruck. Dann vergessen sie ihre Medikamente zuhause oder nehmen sie falsch. Es geht zu wie in einer Allgemeinpraxis. Ein Passagier kommt hustend an Bord und nach fünf Tagen hat man ein überdimensionales abgeschlossenes Wohnmobil mit einer Bronchitis-Endemie. Am schlimmsten allerdings sind Durchfallerkrankungen, an denen nach irriger Meinung von Passagieren immer das „Schiff“ schuld ist. Auch wenn die Passagiere sie vom Landausflug importieren. Alle Häfen haben das Schreckgespenst Norovirus und schauen deswegen genau auf die Listen mit Durchfallerkrankungen. Ist die Erkrankungshäufigkeit zu hoch, darf man gar nicht einlaufen, deswegen ist Durchfall an Bord fast schlimmer als ein Brand. ? MDK-Forum: Bewegen sich die Schiffe, die Sie versorgen, mehr in Küstennähe oder auch auf dem offenen Meer? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Es ist abhängig von der Saison. Im Frühjahr und Herbst ist es mehr der Küstenbereich. Aber es geht selbstverständlich auch immer wieder auf Weltreise und da kann es sein, dass man vier bis fünf Tage unterwegs ist, ohne dass man von außen Hilfe holen kann. Und dann ist immer noch abzuschätzen, ob die Versorgung im Schiffshospital nicht besser ist als in einem Buschhospital. Alle Kollegen an Bord haben die Mög lichkeit, mit mir über moderne Kommunikationsmedien Kontakt aufzunehmen, und ich wiederum habe Fachkollegen im Hintergrund, die entsprechenden konsiliarischen Rat geben können. 21 ? MDK-Forum: Wie sieht die finanzielle Situation für Schiffsärzte aus? Lohnt es sich oder ist es mehr als Hobby zu sehen? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Was mich betrifft, ist es äußerst lukrativ für mein Finanzamt. Generell ist es unterschiedlich zu sehen: Wenn Sie nur kurze Zeit – mindestens sechs Wochen – mitfahren, haben Sie freie Fahrt und Logis und können auch eine Begleitperson mitnehmen. Wenn Sie zu den Stammärzten gehören, die mehrere Monate an Bord sind, dann sind die Einkünfte frei verhandelbar. Diese Einkünfte sind dann vergleichbar mit denen eines Krankenhausarztes in entsprechender Position. ? MDK-Forum: Die Schiffe werden immer größer, das Publikum immer anspruchsvoller. Das jüngste Beispiel hierzu ist die Queen Mary II. Wie sieht die Zukunft für Schiffsärzte und Ihre Agentur aus? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Die Zukunft ist rosig, aber die Bettenkapazitäten steigen immer weiter ins Unermessliche. Ob es noch Spaß macht, auf einem Riesendampfer, der 250 Meter lang ist und 2.500 Passagiere beherbergt, zu fahren, sei dahin gestellt. Die medizinische Versorgung muss immer mehr auf den Massenbetrieb eingestellt werden. Neue Herausforderungen sind dies allemal. ? MDK-Forum: Ein Sprichwort besagt, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand sei. Wie ist Ihre Einschätzung hierzu? ! Dr. Werner Kalbfleisch: Ich würde allemal ein Schiff vorziehen, das von mir betreut wird. Die medizinische Versorgung an Bord hat heute einen Standard, der mit dem an Land unbedingt vergleichbar ist. Die Fragen stellte Dr. Uwe Sackmann MDK-Forum 3/2008 Gesundheits- und Sozialpolitik Kalkuliertes Schweigen Von Steffen Habit R uhe vor dem Sturm: Während die Spitzen der Großen Koalition ihren Sommerurlaub genossen, tüftelten Berlins Beamte fleißig an den Details der Gesundheitsreform. Hinter verschlossenen Türen. Bis zur Landtagswahl in Bayern Ende September soll die unliebsame Reform nicht in den Schlagzeilen auftauchen, heißt es aus den Parteizentralen in Berlin und München. Erst danach werden wohl weitere unangenehme Details wie die Höhe des Beitragssatzes ans Licht kommen – und damit endgültig die heiße Phase vor dem Start der Reform einläuten. Entspannt und erholt zeigte sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt kürzlich in München. Natürlich war die SPD-Ministerin nicht in die Isar-Metropole gekommen, um für die Reform zu werben. Bayern ist für Schmidt vermintes Gebiet – nicht nur wegen der CSU-Staatsregierung. Im Freistaat kämpfen selbst die Sozialdemokraten gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) gegen den Gesundheitsfonds. Statt über sperrige Begriffe wie den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich oder das neue Insolvenzgesetz der Kassen zu diskutieren, ließ sich die Ministerin lieber von KVB-Chef Axel Munte Projekte zur Qualitätssicherung präsentieren. Trotz der Differenzen entdeckten Schmidt und Munte schnell Gemeinsamkeiten. Mit der Qualitätsinitiative habe sich Munte bei den Medizinern sicher nicht nur Freunde gemacht, wollte Schmidt wissen. „Ach, bei vielen bin ich sowieso verhasst“, entgegnete Munte achselzuckend. Oh, das kenne sie, sagte die Ministerin und musste schmunzeln. MDK-Forum 3/2008 Wahlkampf-Getöse Später ging es dann doch kurz um die Reform. Lästige Journalistenfragen. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hatte Schmidt mal wieder Totalversagen bei den Vorbereitungen für den Gesundheitsfonds vorgeworfen – und mit dem Boykott der Reform gedroht. Nichts als Wahlkampf-Getöse, schließlich hat die CSU dem umstrittenen Projekt in Berlin zugestimmt. So beließ es Schmidt bei den üblichen Antworten: Die Vorbereitungen seien im Zeitplan, die bayerische Staatsregierung stets informiert worden – und natürlich werde die Zusage eingehalten, dass die Krankenkassen im Freistaat 2009 um maximal 100 Millionen Euro zusätzlich belastet werden. Wie die Konvergenzklausel konkret umgesetzt wird und wann das Gesundheitsministerium endlich handfeste Zahlen vorlegt – Schweigen. 22 Der Staat auf der Arbeitgeberbank der Ärzte Einen ersten Vorgeschmack auf die künftige Staatsmedizin in Deutschland bekamen die Krankenkassen trotz Sommerpause zu spüren. Gegen den erbitterten Widerstand der Vorstände setzte die Große Koalition eine kräftige Anhebung der Honorare für die niedergelassenen Ärzte durch. Rund 2,7 Milliarden Euro stehen den Medizinern im nächsten Jahr zusätzlich zur Verfügung. Das entspricht einem Plus von etwa zehn Prozent – manch Arbeitnehmer kann von einer solchen Gehaltserhöhung nur träumen. Die Krankenkassen waren bei den Verhandlungen nur Zuschauer. Auf der „Arbeitgeberbank“ saß quasi die Bundes regierung. Schon vor den Gesprächen hatten Gesundheitsministerin Schmidt und Ministerpräsident Beckstein Gesundheits- und Sozialpolitik den Ärzten großzügige Zusagen gemacht. Mindestens 2,5 Milliarden Euro müssten für die Mediziner herausspringen. Am Ende waren es sogar 2,7 Milliarden Euro. Mit dem Geldregen hat Schwarz-Rot wenige Monate vor dem Start der Reform die Ärzte milde gestimmt. Für die gesetzlich Versicherten wird der Abschluss jedoch teuer. Harmloser Morbi-RSA Der neue bundesweit einheitliche Beitragssatz wird 2009 auf mindestens 15,3 Prozent klettern – vermutlich sogar auf 15,5 Prozent. Derzeit liegt der Satz im Schnitt bei 14,92 Prozent. Kostentreiber ist neben den höheren Ärztehonoraren auch eine kräftige Finanzspritze für die klammen Krankenhäuser. Knapp drei Milliarden Euro hat Schmidt den Kliniken zusätzlich versprochen. Dazu kommt der Aufbau der neuen Finanzreserve für den Gesundheitsfonds. Gerade Versicherte günstiger Krankenkassen werden einen Schock bekommen, wenn sie im Januar ihre Lohnabrechnung in den Händen halten. Dabei ist es noch nicht lange her, dass Spitzenpolitiker der Großen Koalition Kassenbeiträge über 15 Prozent als „wilde Spekulation“ bezeichneten. Inzwischen hat die Realität die Aussagen eingeholt. Zu Recht wild spekuliert wird derzeit dagegen über die Auswirkungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA). Mitarbeiter des Bundesversicherungsamts in Bonn füttern seit Wochen Großrechner mit Diagnose-Daten von rund 70 Millionen Versicherten. Ziel ist es zu berechnen, wie viel welche Krankenkasse durch den geplanten Finanzsausgleich aus dem Gesundheitsfonds bekommt. Nach dem neuen Verfahren erhalten Kassen Zuschläge für Versicherte, die an bestimmten, fest definierten Krankheiten leiden. Ein entsprechender Katalog von 80 Krankheiten wurde nach monatelangem Streit festgelegt. Der neue Morbi-RSA soll einen gerechteren Ausgleich zwischen den Kassen gewährleisten. Kritiker bezweifeln dies: Sie fürchten, viele Kassen würden ihre Mitglieder für die Statistik bewusst als krank einstufen, um Zuschläge aus dem Fonds zu kassieren. Der Chef der Barmer, Johannes Vöcking, wies den Vorwurf vehement zurück: „Nach wie vor gilt, der Gesunde ist das bessere Risiko.“ Auch das Bundesversicherungsamt wird nicht müde zu betonen, dass das neue milliardenschwere Umverteilungsverfahren aus reichend gegen Manipulation geschützt sei. Weihnachtsgeld soll Kassenbilanzen retten Trotz Schweige-Gelübde – manch unliebsame Zahl ließ sich nicht unter den Tisch kehren. Anfang September musste Ulla Schmidt einräumen, dass die Kassen tief in den roten Zahlen stecken. Allein im ersten Halbjahr summierte sich das Defizit auf 940 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr erzielten die Kassen in den ersten sechs Monaten noch einen Überschuss von gut 300 Millionen Euro. Ende 2007 konnten sich die Vorstände über ein dickes Plus von 1,8 Milliarden Euro freuen. Die miserablen Halb jahreszahlen zeigen, dass die Sparbemühungen weitgehend ins Leere laufen: In allen Bereichen legten die Ausgaben stärker zu als die Einnahmen. Dies ist umso bedenklicher als die Beiträge aufgrund der günstigen Lohn- und Beschäftigungsentwicklung kräftig sprudelten. Viele Experten fragen sich daher besorgt: Was droht den Kassen, wenn auch noch der Wirtschaftsaufschwung im nächsten Jahr zusammenbricht? Bis Ende des Jahres sollen die Kassen wieder eine schwarze 23 Null schreiben. Das Wundermittel heißt Weihnachtsgeld. Es wird nicht lange wirken. Schon heute laufen den Kassen bei den Arzneimitteln die Kosten davon. Jetzt rächt sich, dass die Große Koalition bei der Reform fast ausschließlich die Einnahmeseite im Blick hatte. Wo und wie im Gesundheitswesen dagegen sinnvoll Geld gespart werden kann – vor dieser unliebsamen Aufgabe hat die Regierung kapituliert. Eigene Gesundheitsreform nicht verstanden? Stillschweigen um jeden Preis, lautete die Devise für den Sommer. Nicht jeder in der Koalition hat sich daran gehalten. Dies zeigen etwa die ungeschickten Äußerungen von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie empfahl im Interview, teure Kassen im nächsten Jahr zu boykottieren. Offenbar hat die Ministerin die Reform nicht verstanden – oder wollte sie nicht verstehen. Schließlich ist es die Bundesregierung, die künftig den bundesweit einheitlichen Beitragssatz festsetzt. Auch beim Zusatzbeitrag ist der Spielraum der Kassen aufgrund der komplizierten gesetzlichen Regelung minimal. Mit der Gesundheitsreform hat SchwarzRot die Kassen an die kurze Leine genommen. Die Verantwortung für die Beitragshöhe trägt die Politik. Die Ruhe vor dem Sturm ist Kalkül. Wichtige Details – und ihre vermutlich teils katastrophalen Auswirkungen – sollen möglichst spät bekannt werden. Damit vermeiden Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Kanzlerin Merkel lautstarken Protest – und die Gefahr, dass doch noch ein Bündnis der Kritiker die Reform auf den letzten Metern stoppt. Steffen Habit ist Politikredakteur beim Münchner Merkur MDK-Forum 3/2008 Gesundheits- und Sozialpolitik MDS fordert Register für Medizinprodukte Wenn die Hüfte nicht hält, was sie verspricht Von Caroline Jung W elcher Herzschrittmacher ist für diesen Patienten geeignet? Welches künstliche Kniegelenk nutzt dem Patienten am meisten? Welche Risiken bestehen bei welchem Produkt? Vor diesen Fragen stehen Ärzte und Patienten, wenn es um die Entscheidung für ein bestimmtes Implantat geht. Gesicherte Entscheidungsgrundlage? Fehlan zeige. Das könnte sich ändern, wenn es in Deutschland wie in anderen Ländern Register für Implantate gäbe. Über die Erfahrungen anderer Ländern mit Registern und die Möglichkeiten, sie auch hierzulande einzuführen, diskutierten Ärzte, Krankenkassen, Anbieter und Patienten beim Expertenforum „Moni toring von Medizinprodukten – Welchen Nutzen haben Register?“, zu dem der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS), am 25. August einge laden hatte. Dr. Peter Schräder von der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) stellte die Vorarbeiten zum deutschen Endoprothesenregister vor MDK-Forum 3/2008 Um die Qualität zumindest der häufigsten und wichtigsten Medizinprodukte unter Alltagsbedingungen zu erfassen, forderte Prof. Dr. Jürgen Windeler, Leitender Arzt des MDS, die Einführung von verbindlichen Registern: „Wir sind es den Patienten schuldig, dass wir auch bei Medizinprodukten den Sicherheitsstandard anstreben, den wir bei Arzneimitteln längst erreicht haben. Register können die notwendigen Daten liefern, um schnell und zuverlässig gefährliche Medizinprodukte zu identifizieren“. Marktzugang in Deutschland relativ einfach In Deutschland können Medizinprodukte wie etwa Herzschrittmacher oder künstliche Hüftgelenke vergleichsweise einfach auf den Markt gebracht werden. Ein Zulassungsverfahren wie bei Arzneimitteln, das die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit prüft, existiert für Medizinprodukte nicht. Voraussetzung für die Marktfähigkeit ist lediglich das CE-Kennzeichen. Dafür werden in erster Linie die technischen Eigenschaften der Produkte überprüft. Weiter gehende Regelungen gibt es für den Einsatz im Krankenhaus nicht; für die Verordnung durch den niedergelassenen Arzt gelten andere Regeln. „Bei der Einführung neuer Medizinprodukte weiß man über die Produkte, ihre Auswirkungen auf Patienten und mögliche Gefahrenpotentiale relativ wenig“, sagte Martin Stockheim, Fachgebietsleiter Medizinprodukte beim MDS. „Register erlauben es, Pro- 24 dukte unter Real-Life-Bedingungen zu verfolgen und so über belastbare Informationen zu Anwendung und Risiken dieser Produkte zu verfügen“. Er sprach sich dafür aus, Register vorrangig für höherklassige Medizinprodukte einzuführen. Das sind aktive Implantate oder Produkte, die 30 Tage oder länger im Körper verbleiben. Hierzu gehören z.B. Herzschrittmacher, Gelenkendoprothesen oder Intraokularlinsen. Jährlich werden etwa 1,1 Millionen dieser Implantate eingesetzt. Register müssen qualitative Mindestvoraussetzungen erfüllen Einig waren sich die Experten, dass Register ein nahezu ideales Instrument zur Erfassung der Versorgungsrealität sind. Als systematische Datensammlung könnten sie klinische Studien ergänzen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie bestimmte Anforderungen erfüllen. „Zu den Qualitätskriterien von Registern gehört zu allererst die Vollzähligkeit der Fälle. Darin unterscheiden sie sich von klinischen Studien, auch von prospektiven Langzeitstudien“, sagte PD Dr. Rolf Lefering, stv. Leiter am Institut für Forschung in der Operativen Medizin der Universität Witten/Herdecke. Weiter sollten die erhobenen Daten vollständig und richtig sein. „Eine unabhängige Trägerschaft muss ebenfalls als Qualitätskriterium angesehen werden“, so Lefering. Klar definierte Qualitätsricht linien für Register forderte Dr. Thomas Fetsch, Geschäftsführer Gesundheits- und Sozialpolitik des Instituts für klinisch-kardiovaskuläre Forschung in München aufgrund seiner Erfahrungen mit klinischen Registern in der Kardiologie. Patienten können in mehrfacher Hinsicht von Registern profitieren, ist Fetsch überzeugt. So erlaubten qualitativ hochwertige Register nicht nur Aussagen zu Effektivität und Sicherheit, sondern könnten auch Aussagen zur Anwendbarkeit eines Medizinprodukts in der klinischen Realität liefern und Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten erfassen. Register international bereits etabliert Die Erfahrungen aus anderen Ländern – etwa aus den USA oder aus Schweden – zeigen, dass Register einen direkten Einfluss auf die Versorgungsqualität haben. So sinkt in Schweden, das seit 1979 ein Endoprothesen-Register betreibt, seit Jahren die Anzahl der „Reparatureingriffe“ (Zweiteingriffe oder Revisionen) bei Hüftendoprothesen-Implantaten. Dr. Thomas Eisler vom Sahlgrenska University Hospital in Göteborg, zählt zu den Registererfolgen des Weiteren die Anerkennung von Risikofaktoren, einheitliche Operationstechniken und wenige, aber gut dokumentierte Implantate. Für Dr. Kalon Ho, Direktor für Qualitätssicherung in der Abteilung für Kardiologie des Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, der ausführlich die Regularien für Register in den USA vorstellte, ist es ein Erfolg, dass die Überwachung notfalls Rückrufaktionen ermöglicht, wenn Probleme mit einem Medizinprodukt auftauchen. Konzept für Endoprothesenregister steht Und in Deutschland? Im Jahr 2007 wurden hierzulande 152.338 Hüftgelenks-Totalendoprothesen bei Arthrose des Hüft- gelenks und 44.058 Endoprothesen bei Hüftgelenksfraktur implantiert. Außerdem wurden 136.262 Knie-EndoprothesenOperationen durchgeführt. Das geht aus den Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) in Düsseldorf hervor. Deshalb hat der Gemeinsame Bundesausschuss die BQS mit der Entwicklung eines Konzepts für ein deutsches Endoprothesen- Register beauftragt. Die Entwicklung dieses Konzepts sei bereits weit fortgeschritten, berichtete PD Dr. Peter Schräder, Leiter des Geschäftsbereiches Wissenschaft und Strategie der BQS. Ziel des Konzepts der BQS ist es laut Schräder, valide Aussagen über die Ergebnisse von Krankenhäusern, Operationstechniken und Endoprothesenkonzepten zu machen. Außerdem solle ein Frühwarnsystem zum Erkennen von Innovationsrisiken und nicht zufrieden stellenden Ergebnissen aufgebaut werden. „Patient und Produkt zusammenzuführen ist das Herzstück eines Medizinprodukte-Registers“, sagte Schräder. „Eigentlich liegen die meisten Daten, die wir benötigen, vor. Wir müssen sie bloß zusammenführen.“ Schräger zeigte sich optimistisch, dass noch in diesem Jahr die BQS dem Gemeinsamen Bundesausschuss ein Konzept zum Aufbau einer Endoprothesen-Referenzdatenbank vorlegen wird. Register sind sinnvoll Warum gibt es in Deutschland bislang Register zu Medizinprodukten – wenn überhaupt – nur regional und auf freiwilliger Basis? Patienten müssten sich bisher weitgehend darauf verlassen, dass das, was ihnen implantiert wird, schon in Ordnung sei, beschrieb Susanne Mauersberg von der Verbraucherzentrale Bundesverband die Situation der Patienten in Deutschland. Sie plädierte dafür, Patienten Zugang zu einem Register zu gewähren, um ihnen den Vergleich verschie- 25 dener Produkte zu ermöglichen. „Vielfalt ohne Transparenz nutzt nichts“, sagte Mauersberg. Überraschend positiv positionierte sich Björn Kleiner vom Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) zur Frage von Registern: „Wir setzen uns für ein Endoprothesenregister ein!“ Bislang sei das EndoprothesenRegister an Datenschutzproblemen gescheitert. Die Firmen wollten die Testung ihrer Produkte im Versorgungsalltag. Allerdings müsse man sorgfältig auswählen, für welche Produkte man Register auflegt. „Hier darf man nicht nach dem Gießkannenprinzip verfahren.“ Angesichts solcher Äußerungen muss die GKV fürchten, dass die Hersteller künftig weniger als bisher in valide Studien im Vorfeld von Markteinführungen investieren wollen. „Wir sind auch dafür, dass die Hürde bei der Nutzenbewertung höher gelegt wird“, unterstrich Dr. Axel Meeßen vom GKV-Spitzenverband. Er plädierte für eine „Optimierung mit Augenmaß“. Register seien ein Baustein in der sektorübergreifenden Qualitätssicherung neben anderen. „Ganz oben muss der Patientenschutz stehen“, betonte Jürgen Windeler (MDS). „Mit Registern könnten Sicherheit und Qualitätsstandards bei Medizinprodukten entscheidend verbessert werden.“ Er forderte darüber hinaus, alle Instrumente zur Bewertung von Wirksamkeit und Risiken konsequent auch bei Medizinprodukten einzusetzen. Diese Bewertung sollte möglichst schon vor der Markteinführung erfolgen. Nach der Markteinführung könne die Unbedenklichkeit eines Produktes mit Hilfe von Registern langfristig beobachtet werden. Caroline Jung Fachgebietsleiterin „Selbstverwaltungsangelegenheiten” beim MDS E-Mail: [email protected] MDK-Forum 3/2008 Gesundheits- und Sozialpolitik Deutscher Präventionspreis 2008 für Kindertagesstätten „Gesund aufwachsen“ Von Andrea Steidle G esund aufwachsen – Ganzheitliche Förderung der körperlichen, seelischen und sozialen Entwicklung von Vorschulkindern“, so hieß das Leitthema des diesjährigen Deutschen Präventionspreises. An der Ausschreibung beteiligten sich knapp 300 Bewerber – die meisten von ihnen Kindertagesstätten. Dreizehn Einrichtungen waren letztlich nominiert, doch nur sechs von ihnen wurden mit dem begehrten Preis ausgezeichnet. Der Deutsche Präventionspreis wird bereits seit 2004 jedes Jahr an vorbildliche Projekte und Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention vergeben. Träger war in diesem Jahr erstmals die Manfred Lautenschläger Stiftung gGmbH; bis einschließlich 2007 wurde der Wettbewerb noch gemeinsam getragen vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Bertelsmann Stiftung und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Prämiert wurden Betreuungs einrichtungen, denen es gelingt, die gesunde Entwicklung der ihnen anvertrauten 3- bis 6-jährigen Kinder ganzheitlich zu fördern und die Facetten „Bildung“ und „Gesundheit“ möglichst gut kombinieren. Wichtige Bewerbungskriterien waren auch: Niedrigschwellige Familienbzw. Elternarbeit, Vernetzung im Sozialraum und mit kommunalen Diensten sowie Aktivierung des ehrenamtlichen Engagements. „Beispielhafte Einzelinitiative“ Zu den Preisträgern 2008 gehört beispielsweise die Städtische Kindertagesstätte Sonnenhaus im westfälischen Hamm (in der Kategorie „Beispielhafte Einzelinitiativen“). Von den 76 Kindern der Einrichtung kommt knapp ein Drittel aus Familien Kindertagesstätte Sonnenhaus: Preis beflügelt und macht stolz Susanne Müller, Leiterin der ausgezeichneten KiTa Sonnenhaus in Hamm, sprach mit MDK-Forum über die Resonanz auf den Deutschen Präventionspreis 2008 und ihr individuelles Konzept. ? MDK-Forum: Frau Müller, Ihre Einrichtung hat in diesem Jahr den Deutschen Präventionspreis erhalten. Wie war die Resonanz darauf? ! Susanne Müller: Wir hatten reichlich Resonanz. Die Eltern haben uns beispielsweise stolz mit einem roten Teppich am Bahnhof empfangen. Es haben uns viele gratuliert, die unsere Arbeit kennen und sich mit uns über die Auszeichnung gefreut haben. Die Presse vor Ort hat es veröffentlicht und es gibt auch jetzt immer noch Gratulanten, auch von offizieller Seite. MDK-Forum 3/2008 ? MDK-Forum: Erhalten Sie nun mehr Anmeldungen als vorher? ! Susanne Müller: Unsere Einrichtung war bereits vorher stark frequentiert. Meist haben wir bis zu 100 Anmeldungen für ein KiTa-Jahr und konnten nur jeweils 15 bis 20 Kinder aufnehmen. Auffällig ist jedoch, dass sich die Bewerber für Praktika nun aufgrund der positiven Presse bewusst für unsere Einrichtung entscheiden. ? MDK-Forum: Bekommen Sie denn sonst nicht so viel Anerkennung? ! Susanne Müller: Die Elementarpädagogik hat in der breiten Öffentlichkeit ja nicht immer einen positiven Ruf. Dabei leisten wir mit unserer Bildungsarbeit Grundvoraus- 26 setzungen und eine gute Vorbereitung für die schulische Laufbahn der Kinder, geben elementare Kenntnisse für das Leben mit auf den Weg und sind für Familien unterstützend, begleitend und beratend tätig. ? MDK-Forum: Nicht jede KiTa hat einen eigenen Yoga-Kurs. Wie kam diese Idee und ihre Umsetzung zustande? ! Susanne Müller: Der Vater eines Kindes hat beruflich und privat viel mit Sport und Kindern zu tun. Er ist unter anderem PhysioFitness-Trainer und „Fit Kidz Instructor“. In diesem Rahmen hat er auch eine Ausbildung zum Yogalehrer gemacht und ein Konzept für Kinder entwickelt – das Bärenyoga. Für dieses Konzept waren wir das Erpro- Gesundheits- und Sozialpolitik in schwierigen Lebenslagen, 40 Prozent der Familien haben einen Migrationshintergrund. Da nicht wenige Kinder in instabilen Familienverhältnissen leben, bemüht sich das Sonnenhaus-Team ganz besonders um familienähnliche Strukturen in den insgesamt vier Gruppen. Das Ziel Gesundheitsförderung ist auch in der Konzeption der Einrichtung niedergelegt und so wird die Verpflegung der Kinder täglich selbst in der KiTa zubereitet. Die Kinder werden in alle hauswirtschaftlichen Belange, wie Tischdecken, Gestaltung des Frühstückstisches, Aufbau und Zubereitung des Buffets, mit einbezogen. Weitere Bausteine des gesunden Miteinanders: In der Turnhalle der Einrichtung lädt u.a. eine Trampolin-AG auch bei schlechtem Wetter zum Toben ein und die Kinder nehmen an Bambini- und Babyschwimmkursen teil. Am 12. Juni wurde die Kindertagesstätte Sonnenhaus bungsfeld. Nun hat das Angebot einen festen Platz bei uns und der Vater führt es ehrenamtlich ein Mal pro Woche mit unseren Kinder durch. ? MDK-Forum: Sie sagten, dass Ihre KiTa auch anerkannter Bewegungskindergarten ist. Welche Kriterien mussten Sie hierzu erfüllen? ! Susanne Müller: Bewegung ist seit Bestehen der Einrichtung ein wichtiger Bereich bei uns. Wir führen schon lange das Minisportabzeichen durch, besuchen wöchentlich die Turnund Schwimmhallen der benachbarten Grundschule und führen eigene Turntage durch. Neben vielen zusätzlichen Bewegungsangeboten (wie Trampolinschein, Rollbrettführerschein usw.) wollten wir diese Aktionen endlich unter einem adäquaten außerdem durch den Landes sportbund zum „anerkannten Bewegungskindergarten“ zertifiziert. Doch auch Ruhe und Entspannung kommen nicht zu kurz: Dazu trägt unter anderem ein spezieller Yoga-Kurs für Kinder bei. Detailliertere Informationen finden Sie im neben stehenden Interview der Leiterin der Kindertagesstätte Sonnenhaus. Hier die Preisträger des Jahres 2008 im Überblick – gegliedert nach Kategorien: „Kindertagesstätten mit besonderen kommunalen Bezügen“: • Städtische Tageseinrichtung für Kinder, Daimlerstraße, Stuttgart • Kindertagesstätte Stettiner Straße, Bremerhaven „Beispielhafte Einzelinitiativen“: • Städtische Kindertagesstätte Sonnenhaus, Hamm, Westfalen • AWO Kindertagesstätte und Familienzentrum Mittendrin, Aachen Begriff bündeln. Dazu fehlte uns allen nur die erforderliche Ausbildung. Schließlich haben sich alle Kolleginnen zu einer speziellen Ausbildung entschlossen, so dass wir nun 16 anerkannte Übungsleiter für das Kleinkind- und Vorschulalter sind. Zusätzlich mussten wir uns z.B. sportliche Kooperationspartner suchen, die mit uns einen Vertrag eingehen, um die Kinder für den Vereinssport und weitere Bewegungsangebote zu sensi bilisieren. Hiermit unterstützen wir die Erziehung zu einer dauerhaft gesundheitsbewussten Lebensweise. ? MDK-Forum: Wie hoch ist der Stellenwert von Gesundheit für die Kinder aus Ihrer Sicht? ! Susanne Müller: Sehr hoch! Wir sehen uns als gesundheitsprä- 27 Ehrenpreisträger: • Städtische Tageseinrichtung für Kinder, Plutostraße, Gelsenkirchen • AWO Kindertagesstätte, Rostock Weitere Informationen zum Präventiomspreis unter: www.deutscherpraeventionspreis.de Andrea Steidle ist Mitarbeiterin im Fachgebiet Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim MDS E-Mail: [email protected] ventive und -fördernde Kindertagesstätte in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Entspannung. Dies stets unter dem Aspekt der psychosozialen Gesundheitsförderung. Dieses Profil wollen wir auch in Zukunft erhalten. Denn das Motto ist: „ Wer Bildung will, muss Gesundheit fördern“. Nur so können wir in der jetzigen Zeit etwas bewirken – angesichts zunehmender Kinderarmut, zunehmender Stressbewältigung und Überforderung von Eltern. Die Kinder sollen sich den Herausforderungen ihres zukünftigen Lebens stellen können. Dazu gehört eine gesunde und positive Lebenseinstellung, bei der die Kinder spüren, was sie alles können und wie viel sie wert sind. Mit Susanne Müller sprach Andrea Steidle MDK-Forum 3/2008 Gesundheits- und Sozialpolitik Familienhebammen Hebamme und ein bisschen mehr von Friederike Geisler D ie Tätigkeit der Hebamme ist wahrscheinlich einer der ältesten Berufe überhaupt. Von der Unterstützung der Frau bei Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit wird schon im Alten Testament berichtet. Die Familienhebamme gibt es noch nicht ganz so lang. Doch gewinnt der Beruf zunehmend an Bedeutung, da ihr Aufgabenfeld über das einer normalen Hebamme weit hinausgeht und vor allem die psychosozialen Probleme junger Familien im Fokus hat. In Bochum versammelten sich im Juni 2008 über 100 Hebammen und Familienhebammen zur ersten Familienhebammen-Fachtagung. Organisiert wurde das Treffen unter anderem von der ersten Familienhebammen-Beauftragten des Landesverbandes der Hebammen in Nordrhein-Westfalen, Jennifer Jaque-Rodney, die zu den Pionierinnen des Berufs in NRW zählt. Zunächst klärten die Referenten der Tagung, die vom Vorstand des Landesverbandes der Hebammen in NRW, Angelika Josten und Agathe Blümer, moderiert wurde, das Berufsbild der Familienhebammen für die zum Teil fachfremden Zuhörer. Dabei wurde deutlich, dass die – hauptsächlich von Frauen ausgeführte – Tätigkeit zwar dem klassischen Hebammen-Beruf ähnelt, jedoch weitaus mehr bedeutet. Familienhebammen suchen zum größten Teil Familien oder alleinerziehende Mütter auf, die neben der Schwangerschaft noch mit psychosozialen oder medizinischen Problemen zu kämpfen haben. Beispiele dafür sind Teenager-Schwangerschaften, Suchtkranke, von Gewalt bedrohte Frauen oder auch durch eine Krankheit belastete Frauen. In den meisten Fällen suchen Betroffene von selbst die Hilfe der Familienhebamme, oft schaltet sich aber auch ein Amt ein. Bei der Betreuung arbeiten Familienhebammen eng mit ver- Familienhebammen begleiten werdende Mütter und junge Familien mit psychosozialen Problemen während der Schwangerschaft und ein Jahr nach der Geburt MDK-Forum 3/2008 28 schiedenen Partnern zusammen: dem Frauen- und Kinderarzt, den Ämtern und auch caritativen Einrichtungen. Sie unterstützen die Frauen von der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes. Sie sind Ansprechpartnerin, begleiten zu Behörden- und Arztbesuchen und helfen den Müttern nach der Geburt, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. „Die psychischen Probleme nicht unterschätzen“ Jennifer Jaque-Rodney wies in ihrem Vortrag auf den steigenden Bedarf an Familienhebammen hin: „Die zunehmende Verarmung, Isolierung und Auflösung der herkömmlichen Familienverhältnisse führt zu Problemen, die es früher nicht so häufig gegeben hat. Wenn man nicht schon im frühen Stadium an den Problemen arbeitet, kann das schwerwiegende Folgen für das Kind oder auch für die Mutter haben.“ Auch Prof. Adolf Windorfer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ stellte die Wichtigkeit der Betreuung belasteter Familien und Kinder in den Vordergrund: „Früher stand eher der gesundheitliche Aspekt im Mittelpunkt, heute wird auch die MutterKind-Bindung immer entscheidender. In den Medien werden hauptsächlich Fälle behandelt, die körperlich verwahrloste oder misshandelte Kinder zeigen. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die Fälle psychischer Vernachlässigung. Sie können schwere Schäden zur Folge haben, wenn das Kind heran- Gesundheits- und Sozialpolitik wächst. Genau an dieser Stelle kann die Familienhebamme hervorragend ansetzen.“ Wenig feste Stellen Ein Problem, mit dem Familienhebammen in ganz Deutschland zu kämpfen haben, ist die Sicherung ihrer Existenz. In NRW gibt es mittlerweile fast 100 vom Deutschen Hebammen Verband Interview mit Jennifer Jaque-Rodney Familienhebammen-Beauftragte des Landesverbandes der Hebammen in Nordrhein-Westfalen ? MDK-Forum: Oft wenden sich hilfebedürftige Frauen freiwillig an Sie, es kommt jedoch auch vor, dass Frauen von Ämtern oder caritativen Einrichtungen an sie verwiesen werden. Wie werden Sie von ihnen empfangen? ! Jennifer Jaque-Rodney: Es ist ganz unterschiedlich. Einige Frauen bringen mir anfangs sehr viel Skepsis entgegen. Sie können dann noch nicht richtig einordnen, was ich für eine Arbeit leisten kann zusammen mit ihr und ihrer Familie. Es kommt aber auch immer darauf an, wie man den Frauen begegnet: Zeigt man sich ihnen offen und kann auch eine persönliche Verbindung herstellen, gibt es in den meisten Fällen wenig Probleme. Oft stellt sich dann sogar ein freundschaftliches Verhältnis ein. Das ist für unsere Arbeit natürlich sehr förderlich. Was immer im Vordergrund stehen soll ist, dass wir professionell und fachlich arbeiten zum Wohle von Mutter, Vater und Kind. ? MDK-Forum: Was für Voraussetzungen muss eine Familienheb- ausgebildete Familienhebammen. Jedoch gibt es im Anschluss nicht genügend feste Stellen – die meisten arbeiten freiberuflich. „Die Politiker sehen die Wichtigkeit der Familienhebammen, bringen aber nicht genügend Mittel auf, entsprechende Stellen zu schaffen und zu sichern“, sagt JaqueRodney. „Um die Familien, Mütter und Kinder bestmöglich zu versorgen, muss es auch genü- gend qualifiziertes Personal geben. Das muss auf politischer Ebene wahrgenommen werden und zu entsprechenden Maßnahmen führen“. Friederike Geisler ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Unternehmenskommunikation beim MDK Niedersachsen E-Mail: [email protected] amme mitbringen? Nicht jeder ist geeignet für diese Arbeit, richtig? ! Jennifer Jaque-Rodney: Eine Familienhebamme muss sich ganz besonderen Herausforderungen stellen. Man braucht zwar auch das „Handwerkszeug“ einer Hebamme – das ist die Grundvoraussetzung, um einen Zugang zu den Frauen zu bekommen. Unsere medizinischen Kenntnisse sind ein sehr wichtiger Aspekt bei unserer Arbeit. Das allein reicht jedoch nicht. Genau wie jeder, der in einem sozialen oder betreuenden Beruf arbeitet, muss man eine gewisse emotionale Stärke besitzen, um die Frauen mit ihren Kindern langfristig gut begleiten zu können. Dazu gehören auch Einfühlungsvermögen und die Freude daran, anderen zu helfen. Wichtig ist es auch, dass man kommunikativ ist, weil Familienhebammen oft in einem Netz aus verschiedenen Akteuren arbeiten, mit denen man in engem Kontakt steht. ? MDK-Forum: Was sind die Probleme, mit denen die Familienhebammen zu kämpfen haben und was ist im Gegenzug das Schöne an der Arbeit? ! Jennifer Jaque-Rodney: Natürlich ist es nicht so schön, wenn uns eine Frau nicht an sich heran lässt. In manchen Fällen können wir einfach nicht viel machen, weil die Frau nicht offen für unsere Hilfe ist. 29 Jennifer Jaque-Rodney vom Gesundheitsamt Bochum setzt sich dafür ein, das Berufsbild der Familienheb ammen zu erhalten und auszubauen Schlimm ist es auch, wenn die Familie keine Fortschritte macht und die Frau zum Beispiel keine Bindung zu ihrem Neugeborenen herstellen kann oder von ihrem Partner nicht wahrgenommen wird. Im Gegensatz dazu gibt es natürlich auch viele schöne Momente, zum Beispiel wenn sich eine Frau mir gegenüber plötzlich öffnet, die vorher noch skeptisch war. Wenn ich merke, wie sehr sie mir vertraut und offen über ihre Probleme reden kann. Es ist auch ein tolles Gefühl, wenn ich sehe, wie eine Bindung zwischen der Mutter und ihrem Kind entsteht. Das ist es, was ich an meiner Arbeit liebe. Die Fragen stellte Friederike Geisler MDK-Forum 3/2008 Gesundheits- und Sozialpolitik Wahlkampf in den USA Eine Chance für die Reform des maroden US-Gesundheitssystems? Von Bettina Garber U mfragen zufolge ist die Gesundheitsversorgung das drittwichtigste Thema im Rennen um die Präsidentschaftswahl im November 2008 in den USA. Ein Fünftel der wahlberechtigten Befragten halten es für das wichtigste Thema. Unumstritten ist, dass in den USA dringender Handlungsbedarf besteht, das teure und lückenhafte Gesundheitssystem zu verbessern. Kein anderes Land der Welt gibt mehr für die Gesundheitsversorgung seiner Bürger aus. Das Jahresbudget der Vereinigten Staaten liegt bei über zwei Billionen Dollar oder 7.500 Dollar pro US-Einwohner. Dennoch belegen die USA nur Platz 37 im internationalen Leistungswettbewerb des Gesundheitswesens. Die Lebenserwartung der USBürger liegt im weltweiten Vergleich sogar nur an 45. Stelle. Unzureichender Versicherungsschutz Über 47 Millionen Amerikaner sind nicht krankenversichert – das bedeutet, dass jeder sechste US-Bürger ohne jegliche Krankenversicherung lebt. Ein Unfall, ein unvorhersehbarer Krankheits fall in der Familie – und die finan zielle Katastrophe nimmt ihren Lauf. Nicht mehr bezahlbare Arzt-, Medikamenten- und Krankenhausrechnungen werden zunehmend als Ursache für private Insolvenzen genannt. Sowohl der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Senator Barack Obama, als auch sein republikanischer Opponent MDK-Forum 3/2008 Senator John McCain haben das US-Gesundheitswesen als TopThema in ihre Wahlkampagne aufgenommen. Obamas Pläne Barack Obamas Ziel ist eine universelle, bezahlbare und hochqualifizierte Gesundheitsversorgung, ermöglicht durch einen Mix an privaten und erweiterten staatlichen Versicherungen (Medicare, Medicaid), die in einer Art nationaler Gesundheitsversicherungsbörse angeboten werden. Die Regierung übernimmt die Regulierung. Obama will keine grundsätzliche Pflichtversicherung, jedoch müssen Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr versichert sein. Arbeitgeber sollen ihren Mitarbeitern bezahlbare Versicherungen anbieten oder zumindest in einen gemeinsamen öffentlichen Versicherungsfonds einen entsprechenden Beitrag einzahlen. Zur finanziellen Unterstützung von Kleinunternehmen wird es spezielle Regelungen geben, um auch deren Mitarbeitern eine Krankenversicherung zu ermöglichen. Familien um 2.500 Dollar entlasten Obamas Ziel ist es, die Kosten für das Gesundheitssystem konsequent zu reduzieren. Jason Furman, Obamas Experte für Wirtschaftspolitik im Wahlteam, sagte gegenüber der New York Times, dass die Kosteneinsparungen konservativ geschätzt wurden und relativ kurzfristig umgesetzt werden können. Bereits nach vier Jahren oder nur wenig länger hält er Kostenreduzierungen von 30 Senator Barack Obama, Präsidentschaftskandidat der Demokraten durchschnittlich 2.500 Dollar im Jahr für eine Familienversicherung mit vier Personen für realistisch. Zur Finanzierung seiner Pläne will Obama auch die von Präsident Georg W. Bush eingeführten Steuerbegünstigungen von Gutverdienern ab einem Jahreseinkommen von 250.000 Dollar rückgängig machen. Neu – und ganz entscheidend: Obamas Gesundheitsreform verlangt, dass Versicherungsgesell schaften grundsätzlich Bewerber akzeptieren müssen, unabhängig von deren aktuellem Gesundheitszustand oder der früheren Krankheitsgeschichte. Gesundheits- und Sozialpolitik McCains Lösungsvorstellungen Die Schlüsselworte in McCains Gesundheitsplan lauten: Individuelle Entscheidungsfreiheit und individuelle Verantwortung sowie Kostenreduzierung. McCain sieht die Lösung für das marode USGesundheitswesen im klassisch konservativen Ansatz: Nicht der Staat, sondern jeder Einzelne ist als Zuschuss gedacht, um sich selbst eine passende Krankenversicherung zu suchen. Mehr Wettbewerb McCains Ziel ist es, den Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungsanbietern zu verstärken, um marktgerechte Preise zu erzielen. So soll zum Beispiel die bundesstaatliche regionale Begrenzung der Versicherungen wegfallen. Versicherungen und auch Ärzte könnten künftig ihre Leistungen USA-weit anbieten, nicht nur innerhalb eines Bundesstaates. Kritik auf beiden Seiten Senator John Mc Cain, Präsidentschaftskandidat der Republikaner für seine Krankenversicherung verantwortlich. Individuell angepasst am jeweiligen Lebensstil und der eigenen Einflussnahme auf die Verbesserung der Gesundheit soll jeder Amerikaner die Freiheit haben, eine auf die persönlichen Bedürfnisse maßgeschneiderte, passende Krankenversicherung zu wählen. McCain setzt auf Steuerverschiebungen. Statt Steuervergünstigungen bei den vom Arbeitgeber angebotenen Krankenversicherungen soll der Einzelne Steuergutschriften von jährlich 2.500 Dollar (für Familien 5.000 Dollar) erhalten. Dieses Geld ist Kritiker nennen Obamas Gesundheitsplan eine Vision. „Die Idee ist gut, aber wer soll dafür bezahlen?“, heißt es. Die Kosten zur Umsetzung seiner Gesundheitsreform werden von Obamas Team auf cirka 50 bis 64 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Experten gehen eher von jährlichen Ausgaben von 100 Milliarden Dollar aus. Obamas Motto im gesundheitspolitischen Wahlkampf lautet: “Krankenversicherung für alle bis 2012”. Das setzt enorme Vorab-Investitionen voraus, die erst durch langfristige Kosteneinsparungen abbezahlt werden können. Gesundheitsexperten bezweifeln, dass Einsparungen zur Kostenfinanzierung in nur vier Jahren realisiert werden können. Die New York Times bezog sich vor Kurzem in einem Beitrag dazu auf zahlreiche Analytiker, die selbst einen Zeitplan von 10 Jahren als noch nicht realistisch ansehen. Selbst wenn die Reform zügig greift, darf man nicht vergessen, dass auch in Zukunft Millionen Amerikaner voraussichtlich nicht krankenversichert sein werden Weiterhin viele Amerikaner nicht ausreichend versichert Die Finanzierungsfrage ist auch der wunde Punkt an McCains Vorstellungen. Die entscheidende 31 Frage lautet: Wie lässt sich durch die Steuervergünstigung für den Einzelnen bei Wegfall der Begünstigungen für den Arbeitgeber noch extra Geld abzweigen, um die Millionen Nicht-Versicherten einzuschließen? Des Weiteren erscheint die finanzielle Hilfe für eine Familie von 5.000 Dollar pro Jahr kaum ausreichend, wenn man berücksichtigt, dass die Kosten für eine durchschnittliche, vom Arbeit geber getragene Versicherung zurzeit schon etwa 12.000 Dollar im Jahr betragen. Eine bezahlbare Krankenversicherung für die meisten nicht ver sicherten Amerikaner wird auch bei McCains Ideen in noch weiter Ferne liegen. Gefahr für Ältere und chronisch Kranke Die von McCain angestrebte Flexibilität beim Angebot von Versicherungen könnte auch dazu führen, dass zukünftig eine noch größere Anzahl von Älteren und chronisch Kranken ohne Versicherungsschutz leben wird. Für diese „Risikogruppen“ werden deutlich höhere Prämien erwartet, als für Junge und Gesunde. Gesundheitsexperte Robert Laszewski sagt: „Bereits jetzt kostet eine Krankenversicherung für ein Ehepaar über 55 mehr als 10.000 Dollar im Jahr. Bei Herz- oder Diabeteserkrankungen eines Partners würde dieses Paar wohl kaum eine tragbare Versicherung finden.“ Amerika braucht dringend eine Gesundheitsreform. Selbst für Durchschnittsverdiener wird eine gute Gesundheitsversorgung immer weniger bezahlbar. Egal, wer Präsident wird, er sollte es nicht länger hinnehmen, dass in einem so wohlhabenden Land wie in den USA, fast neun Millionen Kinder ohne Gesundheitsversicherung aufwachsen und nur im Notfall medizinisch versorgt werden. Bettina Garber ist freie Journalistin in New York MDK-Forum 3/2008 Gesundheits- und Sozialpolitik „Juristischer Notfallkoffer“ G efahrentechnisch gilt ein Krankenhaus als Hochrisikobereich. Aber nicht nur medizinische Gefahren und Komplikationsmöglichkeiten lauern, auch juristische Fallstricke sind überall gespannt. Für die Bewältigung von juristischen Notfällen hat Dr. Leopold-Michael Marzi, Leiter der Rechtsabteilung im Allgemeinen Krankenhaus Wien, den „juristischen Notfallkoffer“ entwickelt. scher Notfallkoffer“ zu Recht trägt: Ein deutlich sichtbarer roter Koffer mit Paragraphen-Zeichen, in dem alle erforderlichen Informationen für die Handhabung eines juristischen Notfalls enthalten ist. Jeder Mitarbeiter hat zu jeder Tages- und Nachtzeit Zugang zum Koffer, auch an Wochenenden oder spät in der Nacht, und er kann den zuständigen Ansprechpartner zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen erreichen. Basisausstattung kann spezifisch erweitert werden Der Koffer enthält Informationen für die Handhabung eines juristischen Notfalls im Krankenhaus Juristische Vorgehensweise wenig bekannt Abteilungen und Krankenhäuser sind längst nach gängigen und anerkannten Verfahren zertifiziert, alle Prozesse sind beschrieben. Dennoch sind juristische Vorgehensweisen meist nur vage bekannt. Zwar gibt es Kladden, Notfallpläne und Dienstanweisungen, die – vielfach überaltert und längst nicht mehr gültig – in irgendeinem Ordner ein dunkles Dasein fristen. Oft tragen diese Ordner und Lose-Blatt-Sammlungen sogar die Aufschrift „Juristischer Notfallkoffer“. Für „sein“ Krankenhaus, das Allgemeine Krankenhaus in Wien, hat Dr. Marzi ein Werkzeug entwickelt, das den Namen „Juristi- MDK-Forum 3/2008 Jeder juristische Notfallkoffer enthält eine Basisausstattung, die von jeder Abteilung, von jeder Klinik noch mit speziellen Dingen ergänzt haben kann. Als Beispiel zeigt Dr. Marzi eine Checkliste über das Verhalten im Schadensfall: Wer wird verständigt? Wer ist zu informieren? Wie verhalte ich mich gegenüber dem Patienten? Und wie erreiche ich den Hausjuristen? Ein weiterer Inhalt ist ein Handbuch „Recht im Krankenhausalltag“, indem die allermeisten Fallszenarien abgedruckt sind. Ferner sind Meldeformulare vorhanden, Informationen zur optimalen Dokumentation eines Schadensfalles. Geplant sind auch Formulare zur Meldung von Arzneimittelzwischenfällen. 500 dieser Notfallkoffer sind im ganzen Allgemeinen Krankenhaus Wien positioniert. Die Grundregel heißt: Jeder Mit arbeiter hat von seinem Arbeitsplatz maximal eine Minute Gehzeit, um einen solchen Koffer zu erreichen. Alle Koffer sind leicht zugänglich und stehen nicht in verschlossenen Schränken. Die Akzeptanz hätte Dr. Marzi gerne noch etwas höher angesie- 32 delt, und er vermutet bei Ärzten Berührungsängste. Am größten ist die Akzeptanz beim Pflege personal. „Die schauen sehr oft in diesen Koffer, bevor sie ihn überhaupt brauchen. Ob sie interessierter sind, neugieriger, kann ich nicht sagen, ich habe noch keine schlüssige Begründung“. Sachverhalte richtig darstellen Einen Meilenstein der besonderen Art stellt dieser Notfallkoffer auch auf dem Weg zur Einführung eines umfassenden Risikomanagements dar. In der Vergangenheit traf Dr. Marzi oft auf zwei beinahe typische ärztliche Verhaltensweisen nach einem Schadensereignis, wenn entweder jegliche Beteiligung an einem möglichen Schaden vehement abgestritten wurde, oder – ganz im Gegenteil dazu – vorschnell Zugeständnisse an Patienten gemacht wurden. Mit dem juristischen Notfallkoffer ist es jetzt einfacher, einen Sachverhalt richtig darzustellen. Was danach aus dem Sachverhalt und aus den Daten gemacht wird, das sei dann Sache des Juristen und eventuell auch der Gerichte. „Nicht alles, was so aussieht, wie ein Behandlungsfehler, ist auch wirklich einer.“ Dr. Marzi hofft, dass auch dieses Werkzeug „Juristischer Notfallkoffer“ dazu beitragen wird, schwere und damit auch kostenintensive Zwischenfälle weiter zu reduzieren. Aufklärung und Unterstützung aller Mitarbeiter im Krankenhaus spielen dabei eine große Rolle. „Es gibt keine Berufe, die so viel Verantwortung für andere Menschen tragen und in der Regel so wenig Rechtsinformationen bekommen, wie in einem Krankenhaus!“ (sa) MDK im Dialog MDK Baden-Württemberg Stationäre Versorgung Früh- und Neugeborener Von Dr. Thomas Böhler, Dr. Beate Schaeff, Dr. Ingeborg Hornberg und Dr. Matthias Mohrmann O b ein Frühchen ein halbwegs normales Leben führen wird oder niemals laufen und sprechen lernt – das hängt entscheidend davon ab, in welchem Krankenhaus es zur Welt kommt und wie gut dieses auf seine Versorgung vorbereitet ist. Deshalb hat der Gemein same Bundesausschuss (G-BA) die Versorgung von Früh- und Neugeborenen 2005 neu geregelt. Kinder- und Geburtskli niken ordnen sich über eine Selbsteinstufung einer von vier Versorgungsstufen zu. Die Versorgungsstufe entscheidet darüber, welche Leistungen eine Kinder- bzw. Geburtsklinik erbringen und abrechnen darf. Ergebnisse des MDK BadenWürttemberg zeigen, dass ein hoher Anteil der Kliniken in Baden-Württemberg, die sich in das höchste Versorgungslevel eingestuft hatten, die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im September 2005 die „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen“ beschlossen. In ihr werden die Anforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der versorgenden Einrichtungen geregelt einschließlich der Kriterien für die Aufnahme. Vier neonatologische Versorgungsstufen Sie sieht vor, dass sich neona tologische Einrichtungen auf Grund ihrer Qualitätsmerkmale einer von vier Versorgungsstufen zuordnen: Perinatalzentren für Früh- und Neugeborene mit höchstem und hohem Risiko (Level 1 und Level 2), perina tale Schwerpunkte für Säug linge, bei denen absehbar ist, dass sie unmittelbar nach der Geburt eine Therapie benötigen (Level 3), und die Geburtsklinik ohne pädiatrische Abteilung (Level 4). Die Landesverbände der gesetzlichen Krankenversicherung in Baden-Württemberg hatten daraufhin die Träger der Kinder kliniken und Geburtskliniken im Land aufgefordert, eine Selbsteinstufung vorzunehmen. 23 von 31 Kinder- bzw. Geburts kliniken in Baden-Württemberg haben sich selbst als Perinatalzentrum Level 1 eingestuft. In einer ganzen Reihe von Fällen konnte der MDK Baden-Württemberg die Selbsteinstufung als Perinatalzentrum Level 1 nicht nachvollziehen. Um Früh- und Neugeborene mit höchstem und hohem Risiko zu versorgen, müssen Krankenhäuser bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen 33 Gründe für eine fehlende Nachvollziehbarkeit der Selbsteinstufung lagen (a) in nicht MDK-Forum 3/2008 MDK im Dialog ausreichenden baulichen und/ oder personellen Voraussetzungen für die geforderte Versorgungsqualität und (b) in nicht ausreichenden organisatorischen Voraussetzungen für die geforderte Versorgung mit Dienstleistungen insbesondere der Kinderchirurgie und Kinderkardiologie. Bauliche und personelle Voraussetzungen In vielen Fällen fehlte es an den erforderlichen baulichen und personellen Voraussetzungen. Auch wenn Kreißsaal und neonatologische Intensivstation im gleichen bzw. in miteinander verbundenen Gebäuden liegen (und die formalen Voraussetzungen des G-BA damit erfüllt sind), ist bei längeren Wegezeiten zwischen den Funktionsbereichen im Falle z.B. einer Erstversorgung im Kreißsaal oder einer Sectio-OP (Kaiserschnitt) mit langen Abwesenheitszeiten des diensthabenden Stations arztes der Neonatologie zu rechnen. Wenn dieser z.B. zu einer Notfallversorgung in den Kreißsaal abgerufen wird und gleichzeitig eine Komplikation bei einem schwer kranken Kind auf der Intensivstation auftritt, nimmt die Klink eine potentielle Schädigung des Kindes auf der Intensivstation in Kauf. Idealerweise sollten daher die Wegezeiten zwischen neona tologischer Intensivstation und Kreißsaal sowie zwischen neonatologischer Intensivstation und Sectio-OP unter einer halben Minute liegen. Eine permanente Arztpräsenz ist sicherzustellen und die fachliche Qualifikation der diensthabenden Ärzte der Kinderklinik muss formal und inhaltlich nachvollziehbar sein. Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen Die Versorgung kranker und sehr kleiner Früh- und Neugeborener erfordert in der ersten Zeit MDK-Forum 3/2008 im Krankenhaus in der Regel eine intensivmedizinische Behandlung. Daher ist es gerechtfertigt, die Qualitätsanforderungen für die Basisprozedur „Intensivmedizinische Komplexbehandlung im Kindesalter“ (898c) im Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS 2008) auch als Qualitätskriterien im Sinne der Vereinbarung des G-BA anzuwenden. Dies bedeutet, dass Dienstleistungen in der Kinderchirurgie und Kinderkardiologie unter fachlich kompetenter Leitung eines Kinderchirurgen bzw. Kinderkardiologen zu erbringen sind. Oder sie müssen so organisiert sein, dass von der neonatologischen Intensivstation jederzeit ein verantwortlicher Konsiliardienst mit kinderchirurgischer bzw. kinderkardiologischer Kompetenz angefordert werden kann. Dieser muss spätestens 30 Minuten nach Anforderung am Krankenbett zur Verfügung stehen und in der Lage sein – ggf. nach Konsultation eines Hintergrundsdienstes – die Indikation für diagnostische und therapeutische Interventionen einschließlich notfallmäßiger chirurgischer Eingriffe zu stellen. Insbesondere bei nicht transportfähigen Kindern müssen diese Eingriffe im Perinatalzentrum selbst durchgeführt werden, um eine belastende, potentiell lebensbedrohliche Verlegung zu verhindern. Eine vertragliche Verpflichtung von Kooperationspartnern zur Übernahme eines schwer kranken Kindes in die kooperierende Klinik ist hier nicht ausreichend. Entsprechende Regelungen wurden auch von der American Academy of Pediatrics – Committee on Fetus and Newborn – im Jahr 2004 für eine Einteilung der neonato logischen Versorgungsstufen in den USA empfohlen. Die Verfügbarkeit von Kinderchirurgen und Kinderanästhesisten am Zentrum oder in einer nahe gelegenen Einrichtung („on site or 34 at a closely related institution”) stellt in diesem Konzept ein wesentliches Merkmal für die höchsten Versorgungsstufen dar. Wirtschaftliche Anreize Um spezifische, relativ hochpreisige Fallpauschalen abrechnen zu dürfen, muss ein Krankenhaus die Qualitätskriterien des Perinatalzentrums Level 1 erfüllen. Dies bedeutet, dass der einmal zugesprochene Status die Zentren autorisieren wird, Behandlungen durchzuführen, die sie in der Vergangenheit im Rahmen der fachlich gebotenen, aber letztlich freiwilligen Regionalisierung in größeren Behandlungszentren haben durchführen lassen. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Selbstbeschränkung bestehen bleibt, wenn hohe Investitions- und Vorhaltekosten am Versorgungsmarkt refinanziert werden können. Planung statt Wettbewerb Deshalb ist aus unserer Sicht eine krankenhausplanerische Lösung (entweder durch das Landessozialministerium oder durch Absprachen der Kostenträger auf Landesebene) noch immer als die sinnvollste Vorgehensweise, um das System zur Versorgung kleiner Frühgeborener und kranker Neugeborener in Deutschland zu gestalten. Systematische Analysen der konkreten Versorgungssituation durch den MDK können die dazu notwendigen Daten liefern. Eine Vergütungszusage aufgrund einer Selbsteinschätzung der Leistungserbringer sollte, das zeigen die Ergebnisse des MDK Baden-Württemberg, noch einmal kritisch hinterfragt werden. Für das Autorenteam: PD Dr. med. Thomas Böhler Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Qualitätsmanagement beim MDK Baden-Württemberg E-Mail: [email protected] Menschen und Nachrichten Geschäftsführer-Wechsel beim MDK im Saarland Z um 1. Oktober gibt Dr. med. Gerhard Minkenberg seine Funktionen als Geschäftführer und Leitender Arzt des MDK im Saarland ab. Seine Nachfolge als Geschäftsführer übernimmt Jochen Messer, bisher stellvertretender Geschäftsführer beim benachbarten MDK Rheinland-Pfalz. Begonnen hat Dr. Minkenberg, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologe, seine Laufbahn beim Medizinischen Dienst bereits Anfang 1988 – noch beim Vorgänger des MDK, dem Vertrauensärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt für das Saarland. Am 1. Januar 1990 wurde er Leiter der Dienststelle Saarbrücken des MDK im Saarland, im Oktober 1994 vom Verwaltungsrat des MDK zum Geschäftsführer gewählt und zusätzlich mit der Funktion „Leitender Arzt“ betraut. In diese Zeit fallen unter anderem die Dienststellen- reformen des MDK im Saarland: So wurden ehemals neun Dienststellen in den Jahren 1995 und 2006/2007 auf eine Dienststelle in Saarbrücken zurückgeführt. Zu seinem Nachfolger hat der Verwaltungsrat des MDK im Saarland Jochen Messer gewählt. Messer ist als stellvertretender Geschäftsführer des MDK Rheinland-Pfalz seit Jahren ein „Insider“ des MDK-Systems. Messer, Jahrgang 1966, studierte in München an der Bundeswehr-Universität Staats- und Sozialwissenschaften. Als Zeitsoldat war er Offizier der Psychologischen Verteidigung und in mehreren Chefund Stabsverwendungen. Nach Beschäftigung und Studium in der Kreisverwaltung Kaiserslautern und der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Mayen ist er seit 1999 beim MDK Rheinland-Pfalz. Hier leitet er auch künftig in Personalunion als stellvertretender Geschäftsführer den Fachbereich Verwaltung. Messer absolvierte nebenberuflich das Master-Studium „Personalentwicklung“ und ist Total Quality Management Assessor der European Foundation for Quality Management. Nach etlichen kommunalen Führungstätigkeiten und Ratsmitgliedschaften fungiert er heute als Mitglied des gesundheitspolitischen Beraterkreises einer Landtagsfraktion. Jochen Messer ist verheiratet, hat zwei Kinder im Alter von 6 und 3 Jahren. Er liebt das Kochen und die Musik: Er erlernte die Klarinette am Südwestfunk und ist seit 15 Jahren Vorsitzender eines Musikvereins. Die Redaktion MDK-Forum wünscht Dr. Gerhard Minkenberg alles Gute für den Ruhestand und ihrem Redaktionskollegen Jochen Messer viel Erfolg in seinem neuen Amt! (se) Total E-Quality für MDK Rheinland-Pfalz A m 28. Mai nahmen der Geschäftsführer des MDK Rheinland-Pfalz, Dr. Gundo Zieres und Ute Hornuf, Mitarbeiterin im Referat Personal, das Prädikat Total E-Quality aus den Händen der Vorstandsvorsitzenden von TOTAL E-QUALITY Deutschland e. V. entgegen. Das Prädikat ist eine Auszeichnung für Organisationen, die sich nachweislich und langfristig in ihrer Personalpolitik für die Chancengleichheit von Frauen und Männern einsetzen. Dieses Ziel ist erreicht, wenn Begabung, Potenzial und Kompetenz der Geschlechter gleichermaßen (an-)erkannt, einbezogen und gefördert werden – ein hoher Anspruch, vor allem an die Personalpolitik. Bundesregierung und Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft em pfehlen ausdrücklich, die Ini tiative zu nutzen. Die Jury begründete ihre Entscheidung für den MDK Rheinland-Pfalz wie folgt: „Die Ansätze der familienbewussten Personalpolitik und deren systematisierte Umsetzung von Chancengleichheit sind beim MDK Rheinland-Pfalz sehr viel versprechend.“„Das Prädikat ist Bestätigung dafür, dass der MDK Rheinland-Pfalz auf dem richtigen Weg ist und gleichzeitig Ansporn, diesen 35 erfolgreichen Ansatz konsequent weiter zu verfolgen“, so MDK-Geschäftsführer Dr. Zieres. Der MDK Rheinland-Pfalz setzt sich seit vielen Jahren besonders für die Gleichbehandlung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Bereits 2005 erhielt er dafür die Zertifizierung „Audit Beruf und Familie“. Die Umsetzung zeigt sich in einer starken Mitarbeiterbindung und qualifizierten Mitarbeitergewinnung. Frank Jünger leitet das Referat Personal beim MDK Rheinland-Pfalz MDK-Forum 3/2008 Menschen und Nachrichten Buchbesprechung Gesundheitssicherung, Gesundheitsversorgung, Gesundheitsmanagement Grundlagen, Ziele, Aufgaben, Perspektiven Autor: Prof. Jens-Uwe Niehoff S tudiengänge für das Management der Gesundheitsversorgung (Leitung, Organisation, Steuerung der ambulanten und stationären Versorgung, der Rehabilitation und der Pflege) haben sich fest etabliert. Sie gelten heute als eine Voraussetzung für Berufskarrieren bei praktisch allen Akteuren des Systems. Das neue Buch von Jens-Uwe Niehoff ist meines Wissens der erste Versuch, für das Management von Gesundheitsdienstleistungen eben diese Grundlagen darzustellen. Frei von tages- und parteipolitischen Grabenkämpfen stellt Niehoff Management als die Bewältigung der Zukunft der Gesundheitsversorgung dar – und berücksichtigt dabei auch internationale Erfahrungen mit Konzepten, die in Deutschland eben erst versucht werden oder über die noch gestritten wird. Im Kern muss jeder Gesundheitsmanager, so der Autor, eine Grundfrage beantworten: Ist der Zugang zu notwendigen und erforderlichen Hilfeleistungen ein von sozialen, ethnischen, geschlechts- und altersspezifischen Fragen unabhängiges Grundrecht – oder soll dieser Zugang über die individuelle Kaufkraft reguliert werden? Das Werk nimmt zur Transformation der Gesundheitssicherung und -versorgung grundsätzlich Stellung und begründet diese als ein Konzept für die Lehre. MDK-Forum 3/2008 Dabei berücksichtigt der Autor sowohl die vielfältigen Facetten von Marktwirtschaft und Wettbewerb, von Managed Care und der Überführung von Hilfeleistung in frei handelbare Produkte. Aus Sicht des Autors sind wir derzeit Zeugen eines echten Systemwandels, an dessen Ende sich ein gänzlich neues System herausgebildet haben wird. Um diese zentrale These ordnet der Autor systematisch seine Lehrangebote. Sie umfassen • die Aufgaben des Gesundheitsmanagements, • die sozialmedizinischen Grundlagen • die gesundheitswissenschaft lichen Leitbegriffe für heutige, vor allem aber künftige Managementaufgaben, • eine knappe, vielleicht zu knappe, Darstellung sozialmedizinischen Elementarwissens für sozialwissenschaftliche und gesundheitsökonomische Gesundheitsmanager • die Besonderheiten des Managements von Hilfeleistungen speziell aus Sicht, • die Ideen- und Konfliktgeschichte des deutschen Gesundheitssicherungs- und -versorgungssystems sowie • eine profunde Auseinandersetzung mit den Gründen, Optionen, Interessen und internationalen Erfahrungen über solche Transformationen, hierunter den Erfahrungen aus den USA. Möglicherweise wird dieses Buch dem nicht helfen, der mor- 36 MWV–Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 262 Seiten, 34,95 Euro, ISBN 978-3-939069-48-5 gen so handeln möchte wie heute und gestern. Wer aber „seine“ Managementaufgabe als die Gestaltung der Zukunft der „Branche“ begreift und deshalb mehr als nur betriebswirtschaftliche und sozialrechtliche Kenntnisse verfügbar haben möchte, wird hier bestens bedient. Dem Buch ist größte Verbreitung unter allen, die das Gesundheitssystem gestalten, zu wünschen. Es ist als Wissensgrundlage auch allen zu empfehlen, die gern kontrovers diskutieren möchten. Für Mitarbeiter des MDK, die sich für gesundheitspolitische Zusammenhänge interessieren, ist das Buch ein Muss. Dr. Rolf-Gerd Matthesius ist Geschäftsführer des MDK Berlin-Brandenburg e.V. MDK-Gemeinschaft auf der MEDICA 2008 A uch in diesem Jahr nutzt die MDK-Gemeinschaft die Chance, sich im Rahmen der „Klinikinsel“ auf der Medizinmesse MEDICA als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Messetäglich wird die MDKGemeinschaft beim „Karriere forum“ des Deutschen Ärzteblattes über das Aufgabenspektrum und die Arbeitsbedingungen beim MDK informieren. Am MDK-Messestand können sich interessierte Medizinerinnen und Mediziner individuell über das Aufgabenspektrum eines Arztes im Medizinischen Dienst informieren. Darüber hinaus geben Experten aus der gutachterlichen Praxis des MDK in einem täglich wechselnden Vortragsprogramm Einblicke in die Aufgaben und Arbeitsweise des MDK. Außer- dem stellt der MDS das bundesweite Fortbildungsprogramm für Gutachterinnen und Gutachter vor, zu dem auch die E-LearningPlattform „MD-Campus“ gehört. Federführend für die Vortrags gestaltung und die Messestandbetreuung vor Ort werden in diesem Jahr Ärzte und Ärztinnen sowie Personalreferenten der MDK Bayern, Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie des MDS sein. Sie finden den Stand der MDKGemeinschaft auf der MEDICA von Donnerstag, 19.11.2008 bis Samstag, 22.11.2008 in der Halle 7.0 des Düsseldorfer Messegeländes. Sandra Henkel leitet das Fachgebiet Personal/Tarif beim MDS E-Mail: [email protected] Veranstaltungshinweise der MDK-Gemeinschaft 22. Oktober 2008 17. / 18. November 2008 Steuerung innovativer Arzneimittel und Methoden im Krankenhaus 5. Diskussionsforum 2008 der SEG 6 „Arzneimittelversorgung“ und SEG 7 „Methoden- und Produktbewertung“ im Hilton Hotel, Dortmund Die Zukunft ist chronisch – Systemberatung zur Versorgungsgestaltung Gemeinsame Veranstaltung der Kompetenz-Centren der MDKGemeinschaft bei der Kassenärztlichen Vereinigung im Ärztehaus Hamburg 12. November 2008 Versorgungsmanagement für pflegebedürftige Kinder Diskussionsforum 2008 der SEG 2 „Pflege / Hilfebedarf“ und der SEG 5 „Hilfsmittel und Medizinprodukte“ im Hotel Maritim, Gelsenkirchen 29. Januar 2009 Demenz in der aktuellen Versorgungslandschaft SEG 1 „Rehabilitation / Teilhabe“ Der Veranstaltungsort steht noch nicht fest 37 Impressum MDK-Forum · Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung Herausgeber: Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Ulf Sengebusch (se), MDK Sachsen Redaktion: Martin Dutschek (dt), MDK Niedersachsen Christiane Grote (gr), MDS Wolfgang Nafziger (na), MDK in Bayern Dr. Uwe Sackmann (sa), MDK Baden-Württemberg Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Bildredaktion: Elke Grünhagen, MDS Erscheinungsweise: vierteljährlich Layout: BestPage Kommunikation GmbH & Co. KG 45479 Mülheim an der Ruhr Druck: asmuth druck + crossmedia gmbh & co. kg 50829 Köln Redaktionsanschrift: Redaktion MDK-Forum MDS e.V. Martina Knop Lützowstraße 53 45141 Essen Telefon 0201 8327-111 Telefax 0201 8327-3111 E-Mail [email protected] Bildnachweis: Apotheke Uniklinik Jena: S. 14 bpa: S. 11 Dennis Brack/ IPN: S. 31 argus/Scholz: S. 8 Caro/Dr. Angerer: S. Caro/Hechtenberg: Titel, S. 2 Friederike Geisler, MDK Niedersachsen: S. 17, 19, 30 Globus Infografik: S. 22 Liesa Johannssen/phototek.net: S. 30 KITA Sonnenschein: S. 28, 29 MDS/bildschön: S. 26 Pressefoto Votara: S. Privat: S. 9, 20, 31 Klaus Rose/Das Fotoarchiv: S.16 Der Spiegel: S. 18 UKOM/Primoz Lavre: S. 4 Uniklinik Aachen: S. 12 MDK-Forum 3/2008 Die Medizinischen Dienste ISSN 1610-5346 Baden-Württemberg Nord Westfalen-Lippe MDK Baden-Württemberg Ahornweg 2 77933 Lahr Telefon: 07821 938-0 Telefax: 07821 938-200 Geschäftsführer: Karl-Heinz Plaumann E-Mail: [email protected] MDK Nord Hammerbrookstraße 5 20097 Hamburg Telefon: 040 25169-0 Telefax: 040 25169-509 Geschäftsführer: Peter Zimmermann E-Mail: [email protected] MDK Westfalen-Lippe Burgstraße 16 48151 Münster Telefon: 0251 5354-0 Telefax: 0251 5354-299 Geschäftsführer: Dr. Holger Berg E-Mail: [email protected] Bayern Nordrhein MD Bundeseisenbahnvermögen MDK Bayern Putzbrunner Straße 73 81739 München Telefon: 089 67008-0 Telefax: 089 67008-444 Geschäftsführer: Reiner Kasperbauer E-Mail: [email protected] MDK Nordrhein Bismarckstraße 43 40210 Düsseldorf Telefon: 0211 1382-0 Telefax: 0211 1382-330 Geschäftsführer: Wolfgang Machnik E-Mail: [email protected] Hauptverwaltung Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 2 53175 Bonn Telefon: 0228 3077-0 Telefax: 0228 3077-160 Geschäftsführer: Burkhard Nette E-Mail: [email protected] Berlin-Brandenburg Rheinland-Pfalz Knappschaft MDK Berlin-Brandenburg e. V. Konrad-Wolf-Allee 1-3 TH III 14480 Potsdam Telefon: 0331 50567-0 Telefax: 0331 50567-11 Geschäftsführer: Dr. Rolf Matthesius E-Mail: [email protected] MDK Rheinland-Pfalz Albiger Straße 19d 55232 Alzey Telefon: 06731 486-0 Telefax: 06731 486-270 Geschäftsführer: Dr. Gundo Zieres E-Mail: [email protected] Pieperstraße 14-18 44789 Bochum Telefon: 0234 304-0 Telefax: 0234 304-8004 Geschäftsführer: Dr. Georg Greve E-Mail: [email protected] Bremen Saarland MDS e. V. MDK im Lande Bremen Falkenstraße 9 28195 Bremen Telefon: 0421 1628-0 Telefax: 0421 1628-115 Geschäftsführer: Wolfgang Hauschild E-Mail: [email protected] MDK im Saarland Dudweiler Landstraße 5 66123 Saarbrücken Telefon: 0681 93667-0 Telefax: 0681 93667-33 Geschäftsführer: Jochen Messer E-Mail: [email protected] Lützowstraße 53 45141 Essen Telefon: 0201 8327-0 Telefax: 0201 8327-100 Geschäftsführer: Dr. Peter Pick E-Mail: [email protected] Hessen Sachsen MDK Hessen Zimmersmühlenweg 23 61440 Oberursel Telefon: 06171 634-00 Telefax: 06171 634-555 Komm. Geschäftsführer: Dr. Gert von Mittelstaedt E-Mail: [email protected] MDK im Freistaat Sachsen e. V. Bürohaus Mitte – Am Schießhaus 1 01067 Dresden Telefon: 0351 4985-30 Telefax: 0351 4963157 Geschäftsführer: Dr. Ulf Sengebusch E-Mail: [email protected] Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt MDK Mecklenburg-Vorpommern e. V. Lessingstraße 31 19059 Schwerin Telefon: 0385 7440-100 Telefax: 0385 7440-199 Geschäftsführer: Dr. Karl-Friedrich Wenz E-Mail: [email protected] MDK Sachsen-Anhalt e. V. Allee-Center, Breiter Weg 19c 39104 Magdeburg Telefon: 0391 5661-0 Telefax: 0391 5661-160 Geschäftsführer: Rudolf Sickel E-Mail: [email protected] Niedersachsen Thüringen MDK Niedersachsen Hildesheimer Str. 202 30519 Hannover Telefon: 0511 8785-0 Telefax: 0511 8785-91001 Geschäftsführer: Jürgen Vespermann E-Mail: [email protected] MDK Thüringen e. V. Richard-Wagner-Straße 2a 99423 Weimar Telefon: 03643 553-0 Telefax: 03643 553-120 Geschäftsführer: Kai-Uwe Herber E-Mail: [email protected] Die MDK-Gemeinschaft im Internet: www.mdk.de