Die Macht der Megatrends

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Die Macht der Megatrends
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Text ist kein Redemanuskript – jeder Vortrag ist anders und wird auf die jeweilige
Situation hin neu geschrieben. Es handelt sich hier lediglich um eine Zusammenfassung
der Grundthemen, die in diesem Referat behandelt werden.
Matthias Horx
Die Macht der Megatrends
Wie Globalisierung, Individualisierung und Alterung unsere Welt verändern werden
Was ist ein Megatrend?
Der Begriff der „Megatrends“ wurde im Jahre 1982 von John Naisbitt geprägt, der mit
seinen Welt-Bestsellern „Megatrends“ und „Megatrends 2000“ die Begriffswelt der
modernen Zukunftsforschung prägte. Im Unterschied zu kurzfristigen Mode- und
Konsumtrends oder soziokulturellen Trends, die maximal 5 Jahre Wirkkraft entfalten
können, stellen Megatrends die „Blockbusters“ der Veränderung dar. In ihnen bündeln sich
starke, auf ökonomischen und soziokulturellen Grundwellen basierende Veränderungskräfte. Naturgemäß sind Megatrends nicht sehr häufig, und auch nicht sehr „geheim“. In
der modernen Trend- und Zukunftsforschung arbeitet man heute mit etwa 15 Megatrends,
wobei die „Namings“ und Gewichtungen von Institut zu Institut leicht variieren können.
Vier Parameter gelten im Allgemeinen als Bedingungen für einen Megatrend:
• Impact: Ein Megatrend sollte mindestens über 30 Jahre Halbwertszeit verfügen, bis
er seinen Zenit erreicht.
• Ubiquität: Ein Megatrend bildet Signale in allen Lebensbereichen, er ist
„allgegenwärtig“ und entwickelt Signifikanten in Konsum, Ökonomie, Lebenswelt
etc.
• Universalität: Ein Megatrend hat einen grundlegend globalen Charakter, auch wenn
er sich in den verschiedenen Regionen und Kulturen unterschiedlich schnell
durchsetzt.
• Robustheit: Ein echter Megatrend verträgt auch Backlashs, also vorübergehende
Rückschläge, ohne seine Dynamik zu verlieren.
Megatrend Globalisierung
Globalisierung ist kein neuer Prozess. Die Menschheit ist vor 100.000 Jahren in Afrika
aufgebrochen, um den Planeten zu erwandern, der gesamte Prozess der Zivilisation ist in
gewisser Weise ein einziger Globalisierungsprozess. Die europäischen Eroberungen nach
dem 15. Jahrhundert markieren die erste dynamische Phase der Globalisierung, die zweite
Phase begann um 1900, mit dem Aufblühen des Welthandels. Heute sprechen wir von der
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dritten Phase der Globalisierung. Wir befinden uns wieder auf einem „level playing field“
mit anderen Nationen und Kontinenten. Dies führt zu einem rasch steigenden Wohlstand
in vielen Schwellenländern. Die rapiden Fortschritte in der Mobilitätstechnik – Passagierund Güterverkehr – und die explosionsartige Entstehung eines „Weltmediums“, dem
Internet, beschleunigen nun diese Prozesse weiter.
Globalisierung hat, wie alle Megatrends, eine mehrschichtige Bedeutung, die hier
allerdings besonders stark ausgeprägt ist. Ökonomisch bedeutet sie die Entstehung
„nahtloser“ Weltmärkte – trotz aller Handelsbeschränkungen. Durch Outsourcing, Open
Sourcing, Offshoring und Supply-Chaining bilden sich neue, globale Wertschöpfungsketten; die wirtschaftliche Macht wandert in die Hände der Global Player. SozioPOLITISCH
bedeutet dies ein Verblassen des Nationalstaates. Gleichzeitig werden die Bürger des
Westens immer mehr mit „Weltangelegenheiten“ konfrontiert – was zu einem starken
Evolutionsdruck auf die Weltorganisationen führt. UNO, NATO und andere GlobalOrganisationen (z.B. die NGOs) gewinnen langfristig stark an Bedeutung. Globalisierung
hat aber auch starke kulturelle Aspekte. Medien wie Fernsehen, Film und Musik werden
schon seit vielen Jahren globalisiert (Weltmusik, Hollywood, Bollywood, internationale
Fernsehformate). Gastronomie und Tourismus tragen weiter zu einer Vernetzung und
Multi-Kulturalisierung bei – allen Turbulenzen und zeitweisen Rückschritten zum Trotz.
Nicht zuletzt ist Globalisierung auch ein mentaler Prozess. Charles Darwin schrieb:
Während die Menschen in der Zivilisation fortschreiten, und kleine Stämme in größere
Einheiten verschmelzen, sagt ihnen die Vernunft, dass sie ihre sozialen Instinkte und
Sympathien auf alle Menschen ausdehnen sollten, selbst wenn sie persönlich nicht mit ihnen
bekannt sind.
Megatrend GloKALisierung
In der Globalisierung entsteht ein immanenter Gegentrend, der in anderem Kontext auch
Regionalisierung genannt wird. Dies ist jedoch eine unzureichende Bezeichnung,
denn es geht nicht um „Rückzug“ oder „Provinzialität“. Kenichi Ohmae formulierte:
In Zukunft werden Länder nicht mehr notwendigerweise florieren, weil sie große Landmassen
und reiche Bodenschätze besitzen. Kapital und Information überschreiten Staatsgrenzen. Die
Schlüsselindustrien jedes x-beliebigen Landes sind essentiell grenzenlos. Daraus erfolgt ein
strategisches Novum: das Entstehen regionaler Wirtschaftsräume und ein Trend zur
Formierung von Regionenbündeln für den Markt des 21. Jahrhunderts.
Die Wachstumszentren der industriellen Gesellschaft entstanden vor allem entlang der
Achsen „Rohstoffe und Schiffswege“. In der Wissensgesellschaft werden jedoch neue
Wachstumspotentiale jenseits der nationalstaatlichen Strategien möglich. Regionen
können und müssen Cluster bilden: Sich auf ihre jeweiligen Stärken orientieren, diese
konsequent ausbauen und im globalen Raum vermarkten und positionieren.
Dabei können folgende Faktoren eine herausragende Rolle spielen:
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• Lebensqualität: In der alternden Gesellschaft werden Lebensqualitäts-Motive für
viele Menschen zu Entscheidungskriterien für den Wohnort. Lebensqualität lässt sich
in Services, aber auch in Infrastrukturen darstellen; auch natürliche Ressourcen (und
ihre Erhalt) sind ein wichtiger Standortfaktor.
• Weltoffenheit, Kultur und Toleranz: Ein wichtiger Standortvorteil vor allem für die
Kreative Klasse, aber auch für die Gebildeten, die im 21. Jahrhundert die Mehrheit
darstellen werden, sind die kulturellen Leistungen einer Region.
• Technologie: High-Tech-Zentren in den Peripherien Europas (zum Beispiel Finnland)
zeigen, wie man durch Ansiedlung technologieintensiver Betriebe eine starke
Wachstums-Dynamik erzeugen kann.
Ein weiterer Aspekt der Glokalisierung besteht in der veränderten Marketing-Logik in
globalen Märkten. Ging es früher darum, ein Produkt in allen Ländern gleich zu
vermarkten und zu „branden“, gehen heute immer mehr globale Unternehmen zu einer
glokalisierten Strategie über: Sie vermarkten „kulturadäquat“, also jeweils nach regionalen
Gewohnheiten und Wertesystemen.
Megatrend Mobilität
Während in der agrarischen Kultur die Mehrheit der Menschen niemals ihre Region verließ,
nimmt seit der Industrialisierung die körperliche Mobilität der Weltbewohner ständig zu.
Doch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu jener „Massenmobilisierung“, die auch normale Bürger zu Weltreisenden machte. Seitdem steigen die
weltweiten Tourismuszahlen ständig: In nur 15 Jahren verdoppelte sich, trotz Terrorismus,
der weltweite Flugverkehr. Auch die Bewegungen von Automobilen und Zügen nehmen
ständig weiter zu. In den kommenden Jahrzehnten werden die Bewohner der „Climber
States“, der aufstrebenden Schwellenländer, mit dem Reisen beginnen: 20 Millionen
Chinesen wollen derzeit Europa bereisen, auch in Indien entwickelt sich ein kaufkräftiges
und reisewilliges Bevölkerungspotential.
Mobilität hat, neben ihrer Bedeutung für den weltweiten Tourismus, eine zweite, noch
wichtigere Dimension: Soziale Mobilität. Diese Entwicklung steht in starkem Zusammenhang mit den soziographischen Trends (Individualisierung, Frauen, Downaging) und mit
der Veränderung der Arbeits- und Bildungswelt. Höhere Alltags-Mobilität bedeutet: Mehr
Jobwechsel, mehr Wohnortwechsel, mehr Beziehungen im Leben, mehr Scheidungen; eine
generell höhere Lebens-Komplexität. Für diese META-Mobilität benötigen wir neue
soziale Fähigkeiten, aber auch neue Architekturen, Services und Produkte.
Megatrend Stadt
Die Prognose der Vereinigten Nationen besagt, dass im Jahre 2030 54 Prozent der
Weltbevölkerung, 3,9 Milliarden Menschen, in Ballungsgebieten leben werden – heute
sind es rund 48 Prozent. In den Schwellenländern entstehen derzeit rasch wachsende
Riesenstädte. In den westlichen Ländern, wo die Ballungsgebiete durch den
demographischen Faktor eher stagnieren oder gar schrumpfen, kommt es zu einer rapiden
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„Urbanisierung des Flächenraumes“. Technologien und verdichtete Verkehrsnetze führen
zu einer weiteren Ausbreitung der urbanen Kultur. Heute schon gelten bis zu 80 Prozent
der westeuropäischen Länder (z.B. Belgien, Schweiz, Holland) als „vollurbanisiert“. Dabei
hält die Landflucht weiter an: Gerade die gebildeten und aufwärtsmobilen Schichten, aber
auch die „Neuen Alten“, zieht es in den urbanen Raum.
Urbanität bedeutet mehr als nur das Entstehen von verdichteten SiedlungsKonglomeraten mit erhöhter sozialer Problematik. „Stadtluft macht frei“ – diese Parole gilt
auch im 21. Jahrhundert. Urbanität ist immer auch eine Verdichtung von Kultur: Höhere
Arbeitsteilung, komplexere Kulturformen, Multikulturalität. „Gelungene“ Großstädte sind
immer Schmelztiegel, in denen neue Kulturformen und soziale Aufstiege geformt werden.
Die Stadtplanung der Zukunft wird sich auf vielfältige Art und Weise der Problematiken der
Urbanisierung annehmen. In China und anderen Drittweltstaaten beginnt derzeit der Bau
so genannter NEO-CITIES: In ihnen werden Ökologie, Infrastruktur und Wohnformen auf
komplexere Weise integriert, als dies in der „industriellen Stadt“ (mit ihren Segregationen
in Wohnviertel/ Einkaufsviertel/ Industrieviertel) möglich war. In den europäischen Städten
beginnt eine ähnliche Entwicklung: Gewerbehöfe, Loft Living, intergeneratives Wohnen
führen zu einer Wiederbelebung des ursprünglichen urbanen Gedankens.
Megatrend Frauen
Die Kraft dieses Megatrends beruht nicht auf emanzipatorischen Gerüchten oder
Meinungen, sondern auf einer Umverteilung. Vor allem in den letzten 30 Jahren hat sich in
fast allen OECD-Ländern eine atemberaubende weibliche Bildungsrevolution entwickelt.
Der Anteil der Abiturientinnen stieg in Deutschland auf heute etwa 55 Prozent aller
Abiturklassen. In derselben Zeit stieg der Anteil der weiblichen Studierenden von 19 auf 52
Prozent, wobei in den Jahren 2000 bis 2002 die Anzahl der weiblichen Studienanfängerinnen die der männlichen zum ersten Mal überstieg. Dieser Prozess zu
„weiblichem Bildungsvorsprung“ lässt sich in allen europäischen, aber auch in vielen
Schwellenländern feststellen.
• Die weibliche und die männliche Erwerbskurve bewegen sich ständig aufeinander
zu. In manchen Ländern, wie etwa in Schweden, beträgt die Einkommens-Differenz
heute bereits weniger als 15 Prozent.
• Auf allen Kontinenten erhöht sich die weibliche Erwerbstätigkeit parallel zum
weiblichen Zugang zu sekundärer und tertiärer Bildung. Sie hat sich weltweit in den
letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt.
• In Deutschland stieg der Frauenanteil im Management zwischen 1995 und 1997 von
6,8 auf immerhin 11,4. In Frankreich, Großbritannien, Spanien und Belgien sind
jeweils über 30 Prozent der mittleren Leitungspositionen in Wirtschaft und Behörden
von Frauen besetzt. In den USA wurden in den letzten Jahren an die 10 Frauen an die
Spitze globaler Konzerne berufen.
• Als Faustregel gilt: Dort, wo die weibliche Erwerbstätigkeit hoch ist, steigt auch die
Geburtenrate! In Ländern wie Frankreich, Benelux, Großbritannien und Skandinavien,
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wo Ganztagsschulen, Dienstleistungen, flexiblere Karrieren und ein anderes
gesellschaftliches Wertesystem den Frauen Wahlfreiheit ermöglicht haben, liegt sie
bei 1,6 bis 2,05 Kinder pro gebärfähiger Frau (Frankreich 2006).
Diese Entwicklung hat starke Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik, Konsum und die
gesellschaftlichen Kontrakte. Beide Geschlechter haben nun Lust und Anspruch auf ein
Berufsleben. Beide kämpfen mit dem Problem der Work-Life-Balance, der Balance
zwischen der Karriere und der Familie. Die „Neuverhandlung“ zwischen Mann und Frau
wird uns die nächsten Jahre hindurch massiv beschäftigen – und unsere Lebenswelt
nachhaltig verändern.
Megatrend Individualisierung
In der traditionellen Gesellschaft ist der Einzelne von den Institutionen Kirche, Staat und
Familie vollständig definiert. Er wächst in traditionellen Rollen und lebenslangen SelbstDefinitionen auf. Durch Wohlstand, Bildung und Mobilität kommt es zu einer Erhöhung
der Wahloptionen, die dem Einzelnen zunehmende Selbstdefinitions-Macht geben.
Individualisierung lässt sich besonders gut an den Haushaltsstrukturen ablesen, die sich
immer weiter differenzieren. Im Jahre 1900 prägte die Großfamilie die Gesellschaft –
70 Prozent aller Menschen lebten in dieser Haushaltsform. In den 60-er Jahren bildete die
klassische Kleinfamilie eine gesellschaftliche Norm, in der die Mehrheit der Bevölkerung
lebte. In Zukunft wird es immer schwieriger, einen „Normhaushalt“ und eine
„Normbiographie“ zu definieren. Patchwork-Familien, Multigenerations- und Living-ApartFamilien sowie eine wachsende Anzahl von Alleinerziehenden ergänzen das traditionale
Familienmodell.
Individualisierung bedeutet aber auch eine erhöhte Werte- und Normenvielfalt in der
Gesellschaft, die zu einem generellen Werte-Wandel führt. Toleranz, Freundschaft und
Ehrlichkeit sind neue Leit-Werte in einem individualistischen Zeitalter. Für die Konsummärkte bedeutet die Individualisierung eine weitere Atomisierung der Märkte in immer
kleinere Segmente, das Ende der Massenmärkte – und ein Comeback des individualisierten
Produktes.
Megatrend (Down)Aging
Die durchschnittliche Lebenserwartung Europas lag vor 100 Jahren bei 43 Jahren, sie wird
im Lauf des 21. Jahrhunderts auf über 90 Jahre steigen. In allen Ländern der Erde, mit
Ausnahme einiger GUS-Länder und der Bürgerkriegsgebiete Afrikas, erweitert sich die
menschliche Lebensspanne im statistischen Durchschnitt um 6 bis 7 Wochen pro Jahr! Das
bedeutet, dass ein heute geborenes japanisches Mädchen im Schnitt 95 Jahre alt werden
wird.
Dieser Prozess führt aber nicht, wie das in den Medien zumeist dargestellt wird, zu einer
„Vergreisung“ der Gesellschaft. Es entwickeln sich vielmehr neue Lebensmuster, die eher
eine Verjüngung des Verhaltens, der Wertesysteme und der inneren Einstellung bedeuten.
Während im industriellen Zeitalter die meisten Menschen eine dreiteilige Biographie
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durchlebten, mit den rigiden Grenzen „23“ und „60“ (Heirat und Ruhestand), erweitern und
„fraktalisieren“ sich in der Wissensgesellschaft die Lebensläufe. Wir müssen (und können)
unser Leben viel bewusster gestalten als jemals zuvor.
• Postadoleszenz. Zwischen Jugend und den „Ernst des Lebens“ schiebt sich eine
Experimentierphase, in der man reist, sich selbst verwirklicht und beruflich und in
Sachen Bildung mehrfach umorientiert. Erlernt wird auch die „serielle Monogamie“
als Beziehungskonzept der modernen Gesellschaft – Treue zum Partner, aber
„hintereinander“.
• „Rush Hour“. Jener Lebensabschnitt, in dem der Konflikt zwischen Beruf und Familie
besonders verstärkt ist. Wir wollen nun gleichzeitig Karriere machen, aber auch
Männer möchten sich mehr um ihre Kinder kümmern. Das können wir in Zukunft
auch anders gestalten – durch bessere gesellschaftliche Kontrakte („work-lifebalance“), durch andere Arbeitsformen und eine zeitliche Entzerrung der Biographie
(die Kinder früher oder später bekommen).
• „Zweiter Aufbruch“. In einem Alter zwischen 50 und 60 kommt es zu einer Phase der
Neuorientierung und Re-Positionierung. Diese neue Phase ist ein Geschenk der
Alterung an uns alle, eine Gabe der kulturellen Evolution, die uns ermöglicht, ein
Leben mit anderen Horizonten und Chancen zu leben.
• Weisheitskultur. Wir können (und müssen) dem verlängerten Leben eine andere
Perspektive geben. „Weisheit“ wäre der sinnvolle Zentral-Wert für eine
Langlebigkeitskultur, in der wir unsere Persönlichkeiten auf ganz neue Weise
entwickeln und reifen lassen können.
Damit entsteht eine ganz andere Sichtweise auf die Biographie – eigentlich müssten wir,
um ihr verborgenes Muster zu erkennen, sie von rückwärts anschauen.
Donald Sutherland:
Das Leben sollte eigentlich mit dem Tod beginnen, und nicht anders herum. Zuerst gehst Du ins
Altersheim, wirst herausgeworfen, spielst ein paar Jahre Golf, kriegst eine goldene Uhr und
beginnst zu arbeiten. Anschließend gehst Du auf die Uni und genießt das Studentenleben mit
einem Haufen Lebenserfahrung. Nach der Schule spielst Du 5, 6 Jahre, dümpelst 9 Monate in
einer Gebärmutter und beendest Dein Leben als Orgasmus.
Megatrend Gesundheit
Gesundheit wird in der Zukunft eine völlig neue Bedeutung bekommen: Sie wird von einer
„Eigenschaft“ zu einer Ressource. Der krisengeschüttelte Gesundheits-Sektor wächst zum
Kern-Sektor der kommenden Ökonomie heran. Rund um einen erweiterten Gesundheitsbegriff entwickeln sich neue, expandierende Märkte und Produkt-Welten, vom HealthFood über Feng-Shui-Architektur bis zum neuen Fitness-Urlaub. Gleichzeitig wird der
Gesundheitsbegriff umgedeutet: Im Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft
wird Gesundheit von „Abwesenheit von Krankheit“ zu einer Metapher für die geistigphysische Integrität des modernen Individuums.
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Eine alternde Bevölkerung erzeugt einen Wertewandel hin zu mehr Gesundheitsvorsorge
und einem aktiveren körperlichen Verhalten. Neue Lebensqualitäts-Märkte entwickeln sich
rund um die existentiellen Fragen der Gesundheit und der seelischen Integrität.
Nach dem Wellness-Boom beginnt eine zweite Phase, in dem Wellness von der „passiven
Entspannung“ zum aktiven „Empowerment-Lebensstil“ wird. Nun wird „Selfness“ zum
zentralen Begriff: Die Ausweitung der eigenen Gesundheits-Potentiale als neue
Lebenskunst und Selbst-Kompetenz.
Die Alltagsmedizin erweitert ihren Raum durch die Integration von alternativen und
„magischen“ Heilmethoden in Richtung auf eine ganzheitlichere Sicht des Menschen.
In der staatlichen Gesundheitsversorgung beginnt ein harter Sanierungsprozess, der vom
professionalisierten Krankenhausmanagement schließlich zum generellen Health Care
Management führt.
Megatrend Spiritualisierung
Während die christlichen Traditionskirchen allen Medienberichten zum Trotz weiter an
Bindungskraft verlieren, blühen die Felder der Neuen Spiritualität. Glaube individualisiert
und fraktalisiert sich in hunderte von City-Religionen, in denen Motive des Christentums
und des Naturglaubens mit spirituellen und pseudomedizinischen Glaubenssystemen aller
Art kombiniert werden. Dabei ist im individualistischen Westeuropa besonders der
Vormarsch fernöstlicher Lehren (Zen, ganzheitliche asiatische Medizin, die verschiedenen
Varianten des Buddhismus) signifikant. In Deutschland vermuten 49 Prozent der Gläubigen
Gott in der Natur, 44 Prozent davon sind interessiert an Astrologie. In Schweden glaubt
nach einer Untersuchung, die an der Universität Uppsala durchgeführt wurde, jeder dritte
Gymnasiast an Gespenster und an die Möglichkeit, mit den Toten in Verbindung zu treten.
Nur 20 Prozent glauben hingegen an die Existenz eines persönlichen Gottes. In ganz
Europa erfreut sich inzwischen die hinduistisch-buddhistische Lehre von der Wiedergeburt
einer breiten Anhängerschaft – unter italienischen Katholiken ebenso wie unter deutschen
Protestanten.
Megatrend Wissensgesellschaft
Zwei Faktoren führen zu einem massiven Anstieg des Wissensanteils in der Wertschöpfung. Dies ist erstens die Technologie, die in immer neuen Innovationskaskaden die
Produktivität erhöht. Zweitens die Globalisierung, die zu einer Abwanderung einfacher
Produktionstätigkeiten in andere Länder führt. Dies erhöht den Druck auf die „Neuen
Ressourcen“ der Arbeit: Die Globalisierung treibt uns nicht aus dem Haus, sondern „die
Treppe hinauf“. Denn das Geld wird in Zukunft immer mehr mit Prozessen, Ideen,
„Designs“, Kreativität, Erlebnis verdient. Währenddessen verliert das physische Produkt an
Bedeutung; es wird zu einer „commodity“.
Wissensökonomie bedeutet in ihrem Kern, dass Kapital und Rohstoffe immer mehr durch
den Input von Wissen, Knowhow und Kreativität ersetzt werden. Dies hat erhebliche
Konsequenzen für unser gesamtes Kultursystem, unser Menschenbild. Es erfordert andere
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Arbeits- und Management-Prozesse, ein anderes Bildungssystem und einen anderen
BildungsBEGRIFF.
Megatrend New Work – die neue Arbeit
Das klassische Bild von Arbeit ist in unserem Kulturkreis durch die industrielle Arbeit
geprägt. Diese war von hochgradiger Arbeitsteilung, hierarchischer Kommandostruktur
und extremer Zeit-Disziplin geprägt. Standardisierung – Spezialisierung, Zentralisierung,
Synchronisierung (Alvin Toffler). Durch den immer höheren Anteil an Wissens- und
Schöpfungsarbeit erhebt sich nun die Arbeit von den Plätzen; sie wird „multimobil“ und
tritt aus dem Flussbett der alten Lohnarbeit hinaus.
Flexibilisierung: Arbeit verläuft in Zukunft nicht mehr in den Zeitschienen der
industriellen Fertigung, die auf garantierten Absatzbedingungen und „genormten“
Produkten basierte. Arbeit wird in der Zeitachse „schwingen“: Sowohl in der eigenen
Arbeitsbiographie, wo es zu unterschiedlichen zeitlichen Inputs im Verlauf der Biographie
kommt (siehe Downaging), als auch in der Arbeitsorganisation selbst, die sich zunehmend
den volatilen Marktbedingungen anpassen muss. Arbeitszeitkonten und individuelle ZeitVerträge werden in Zukunft selbstverständlich sein.
Prekarisierung: In der Arbeitswelt der Zukunft wird der Selbstständigenanteil auf
25 Prozent steigen. 35 Prozent werden als Job-Hopper arbeiten. Und nur die restlichen
40 Prozent arbeiten in 10 Jahren noch als Kernbelegschaften in traditionellen
„lebenslangen“ Arbeitsverträgen.
Diversity: Management-Entscheidungen sind in Zukunft von einer möglichst komplexen
Zusammensetzung des Management-Teams abhängig. Das Management differenziert sich
in den Achsen Mann/Frau, jung/älter (erfahrener), Mehrheit/Minderheit (sowohl ethnisch
als auch weltanschaulich).
Lebenswelt wird Arbeitswelt: Die Trennungen zwischen Leben und Arbeit werden diffus.
„Work becomes Home, Home becomes Work“ – das bedeutet, dass Arbeit einen höheren
Selbstverwirklichungscharakter aufweist, aber auch weniger Distanzierungmöglichkeit
zulässt.
Das Netzwerk-Prinzip: Die Organisationsform der Zukunft ist das Netzwerk. Das gilt
sowohl im privaten Bereich, als auch in den Firmenorganisationen: Wer sein Netzwerk hegt
und pflegt und es in seiner ganzen Komplexität und Dynamik, also auch in seiner
Humanität zu steuern vermag, der bewältigt sein Leben.
Kooperativer Individualismus: In der Wissenskultur brauchen wir in hohem Maße
Selfness, also Selbst-Kenntnis, Andersartigkeit und Kooperationsfähigkeit.
„Work in The Future is the Passion that can pay for itself!“
Charles Handy.
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Megatrend Bildung – das Neue Lernen
Die Technologie von morgen verlangt nicht Millionen von Leuten, die bereit sind, monotonmechanische Tätigkeiten auszuführen, sondern solche, die in der Lage sind, ihren Weg in einer
neuartigen Umwelt zu finden.
Dieses Zitat des Zukunftsforschers Alvin Toffler sagt eigentlich alles über die
Herausforderungen, die auf den Bildungssektor zukommen. Unsere Schulen sind auf die
Wissensgesellschaft nicht eingerichtet, sie „produzieren“ immer noch industriell, im Sinne
des „Skills“, die man im Industriezeitalter benötigte.
Der Historiker Karl Scholz:
Das Schulwesen trägt bis heute paramilitärische Züge. Das Prinzip der JahrgangsUnterrichtung – ein militärisches Einberufungsprinzip. Das Portionieren der Übungen,
50 Minuten Lernen, 5 Minuten Pause – das Prinzip militärischen Exerzierens. Dass die Karrieren
der Lehrer sich nicht dadurch entscheiden, wie sie mit Schülern und Eltern umgehen, sondern
im Arrangement mit der Obrigkeit – ein typisch militärisches Prinzip.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die wir (oder unsere Kinder) in der
Wissensgesellschaft benötigen?
• Eigenständigkeit
• Selbstkompetenz
• Teamfähigkeit
• Emotionale Intelligenz
• Kreativität.
Um diese Fähigkeiten zu fördern, benötigt es ein radikales Umdenken in der Pädagogik.
Die Rolle des Lehrers muss sich vom „Allwissenden“ zum Moderator wandeln. Das Lernen
selbst findet in Teams statt und wird vom „Selbstlernen“ strukturiert. Die starren Grenzen
der Unterrichtseinheiten lösen sich auf. Spielerische und experimentelle Elemente erhalten
auf breiter Front Einzug; die Grenzen der Schule öffnen sich nach außen. Statt
standardisierter Lernprogramme geht es vor allem um individuelle Förderung. Viele dieser
Elemente sind in neuen Schultypen bereits verwirklicht.
Wie viele Menschen können in einer Gesellschaft hoch gebildet sein? In Kanada,
Skandinavien und den USA studieren bereits 50 Prozent der Jüngeren, in Neuseeland fast
70 Prozent, in Deutschland machen nur 19 Prozent einen Abschluss! In Ländern wie
Schweden verfügen bereits an die 35 Prozent der Gesamtbevölkerung über einen
universitären Abschluss – hierzulande sind es kaum 10 Prozent. Finnland hat 91 Prozent
Abiturienten, 91 Prozent der 20jährigen haben eine Hochschulberechtigung in der Tasche.
Die Zukunft gehört der Hochbildungsgesellschaft. Aber Hochbildung in Zukunft heißt
eben nicht mehr der Besitz eines „Titels“ oder eines „Status’“. Die Hochbildung der Zukunft
befähigt zur permanenten Weiterentwicklung der Fähigkeiten, zur Ausbildung des
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eigenen Charakters. Es gilt, sich von der Idee der „AUS-Bildung“ und des AB-Schlusses“ zu
verabschieden. Und den Menschen als lernendes, neu-gieriges Wesen zu sehen.
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