Automatenstreit Tactilo gegen Slot

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Automatenstreit Tactilo gegen Slot
Viele Hände mischen im Geschäft der Geldspielautomaten mit
Automatenstreit Tactilo
gegen Slot-Maschine
W
Wenn es um Milliarden geht, dann ist
jedes Mittel recht, sei es bei Mega-Fusionen von Firmen, sei es im Drogen- oder
Waffengeschäft, sei es bei der Geldwäscherei oder Schmiergeldaffären. Dann
wird auch sehr schnell eine Mafia zitiert,
auch wenn man nicht genau weiss, was
darunter zu verstehen ist. Auf jeden Fall
wird’s spannend! So auch im Glücksspiel. Und wenn es nur in der kleinen
Schweiz stattfindet. Auch hier wird von
mafiösen Zuständen gesprochen, ohne
dass ersichtlich ist, ob es nun um knallhartes Geschäft geht oder ob nur naive
Teilnehmer sich gegenseitig anschuldigen, ohne sich bewusst zu sein wovon
sie eigentlich sprechen.
Und so kommt es, dass dann auch mit
der Wahrheit nicht gerade zimperlich
umgegangen wird wie z.B. an der Sitzung im Grossen Rat des Kantons Bern
am 24. Juni 2004. Das Thema betraf eine
Motion, welche die Einführung von Geschicklichkeitsspielgeräten erlauben soll-
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te. Frau Regierungsrätin Andres eröffnete ihr Votum wie folgt: «Liebe Sportler, liebe Sportlerinnen, liebe Denkmalund Heimatschützer, liebe Kulturfreunde.» Warum diese Anrede? Nun, es ging
ihr um nichts anderes als um die Rechtfertigung der Tactiloapparate in den Restaurants als «harmlose» Lotteriespender
im Gegensatz zu den aus Sicht der Berner Regierung suchtgefährdenden Geschicklichkeitsspielgeräten – nicht etwa
den Glücksspielautomaten. Und da diese
harmlosen Lotterieautomaten Gutes tun
– Sport, Kultur, Soziales finanziell unterstützen – stellen sie für den Berner Regierungsrat überhaupt kein Problem dar. Oder
dann ist wohl die ESBK falsch informiert?
Sie ist nämlich der Ansicht, dass diese
Tactilogeräte eher den Glücksspielautomaten zuzuordnen sind und somit ausserhalb der Casinos verboten sein sollten.
Und dass die Suchtgefahr bei den Geschicklichkeitsspielgeräten der neuen
Generation nicht gegeben ist.
Zur Freude der Experten werden Studien in Auftrag gegeben, die das Pro und
Contra, das Legale und das Illegale auseinander halten und den Grabenkrieg mit
Überexpertisen endlich beenden sollten.
Dabei wäre die Sache ganz einfach zu lösen, indem der Focus anders gestellt würde. In einem Vergleich zu einem völlig anderen Gebiet sei dies veranschaulicht: es
gibt ein einziges Strassenverkehrsgesetz,
unabhängig davon, ob das Velo, das Motorrad, das Automobil mit 4-Zylinderkolben- oder Wankelmotor verwendet wird.
Die technischen Details sind sicher wichtig für die Zulassung der Gefährte, aber
völlig unwichtig für den Gebrauch, nämlich die Fortbewegung auf der Strasse und
die Gewährleistung der Sicherheit der
Verkehrsteilnehmenden. Es gilt für alle
das Strassenverkehrsgesetz, welches die
Regeln festlegt. Genauso sollte man auch
mit den Spielautomaten umgehen. Nicht
die Art des Aufbaus, sondern deren Anwendung entscheidet. Die Betrachtungs-
weise muss von den Spielenden aus vorgenommen werden: es wird gegen Geld
gespielt, der Zufall entscheidet über Gewinn oder Verlust, die Spielenden verlieren ihren Einsatz oder gewinnen ein
Mehrfaches. Je schneller das Spiel, desto
höher sind die Stundenverluste, desto
höher die Gefahr der Spielsucht und somit die damit verbundenen negativen
Folgen. Bekanntlich sind zwar die Auszahlquoten der Spiele um die 90%, was
aber am Schluss im Geldbeutel bleibt,
ist im Schnitt vielleicht 20%, meist jedoch nichts mehr. Das bedeutet doch
auch, dass es unerheblich ist, ob die
Spielenden am Tactilogerät oder an der
Slot-Maschine ihr Geld verspielen. Unter diesem Aspekt wäre es sinnvoll, nur
ein einziges Gesetz zu haben, ein Gesetz
über Glücksspiele, unabhängig von der
Technologie. Dies käme aber den Lotteriebetreibern und –Nutzniessern überhaupt nicht gelegen. Da das alte Lotteriegesetz aus dem Jahr 1923 stammt als
noch niemand von Automaten sprach,
bleibt der Interpretationsspielraum natürlich sehr viel grösser und kann nach
Belieben gebogen und genutzt werden.
Gerade hinsichtlich der Verwendung
des Ertrages besteht hier ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den CasinoGlücksspielen und den Lotterie-Glücksspielen. Die Casinos liefern einen grossen
Anteil dieses Ertrages an die Bundes- und
Kantonskassen, die Lotterien an Sportvereine, an soziale Institutionen, an Kulturvereinigungen, etc.. Somit scheint der
Kuchen gut verteilt zu sein. Wozu also
der Krieg? Nun, es gibt zwei kleine Unterschiede, die aber Millionen bedeuten:
Was ist eine Slot-Maschine?
Was ist ein Tactilo-Gerät?
Ein solcher Automat funktioniert
lokal und ist von anderen Geräten
unabhängig, d.h. der Entscheidungsmechanismus über Gewinn oder
Verlust befindet sich im Automaten selbst und nicht in einem zentralen System. Zwar hat er auch
einen «Gewinnplan» in sich, denn
sonst könnte ja keine Auszahlquote
garantiert werden. Der Unterschied
zum Tactilo ist aber, dass die einzelnen Spiele unabhängig voneinander sind, d.h. theoretisch könnte
mehrmals hintereinander der Höchstgewinn erreicht werden, was beim
Tactilo nicht möglich ist.
Ein Tactilo-Gerät ist ein elektronisches Terminal, welches von einem
zentralen Computersystem «Electronic Tickets» erhält, aus denen
ein Spieler eines oder mehrere zufällig auswählen kann und dann verliert oder gewinnt. Die Vorgehensweise ähnelt dem Kauf von Losen
an einer Tombola oder am Kiosk.
Die Gesamtmenge dieser verteilten Lose nennt man die Ziehung.
Diese hat eine ganz bestimmte Anzahl von Einzelgewinnen mit unterschiedlichen Beträgen und auch
eine bestimmte Anzahl von Nieten
(Nicht-Gewinnen), alles nach einem fixen Gewinnplan. Wenn alle
«Lose» gespielt wurden, wird eine
neue Ziehung durchgeführt.
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über die Berechnung der Abgaben und
über die Zuständigkeiten der Verteilorgane. Bei den Casinos wird der Bruttospielertrag zu einem vorgegebenen Prozentsatz versteuert, der gesetzlich vorgeschrieben ist (es gibt keinen Spielraum).
Kontrolliert wird alles durch die ESBK
und durch die Eidg. Steuerverwaltung.
Bei den Lotterien wird verteilt, was nach
Abzug aller «Unkosten» noch übrig bleibt,
und dies nach einem beliebigen Schlüssel an jede beliebige Institution. Zuständig
ist meist eine Person oder Institution: sie
bewilligt die Spielgeräte, sie definiert die
Unkosten, sie bestimmt die Geldempfänger und zu guter Letzt kontrolliert sie sich
selbst, ob alles korrekt ablief. Zwar hat
Bundesrat Blocher die Kantone angewiesen, ab diesem Jahr mehr Transparenz in die Sache zu bringen, vermied es
Was ist ein Geschicklichkeitsspielautomat?
Im Gegensatz zu einer Slot-Maschine, bei der die Entscheidung
über Gewinn oder Verlust nicht oder
nur geringfügig beeinflusst werden
darf, muss bei einem Geschicklichkeitsspielautomaten der Spielausgang zwingend beeinflusst werden
können, und zwar zu Gunsten des
Spielenden. Ein geschickter Spieler
gewinnt mehr als ein Ungeschickter, das Resultat der Lernfähigkeit
und die damit verbesserte motorische und mentale Geschicklichkeit
fliessen direkt ins Spiel und beeinflussen den Spielausgang.
aber, selbst aktiv zu werden und klar Stellung zu beziehen, warum auch nur; denn
schlussendlich profitiert auch die Bundeskasse stillschweigend von den Lotterien:
die nicht zurückgeforderten Verrechnungssteuerbeträge sollen pro Jahr Dutzende von Millionen betragen!
Nebst der finanziellen gibt es nun aber
immer noch die technologische Seite. Die
Automaten sind nach ganz spezifischen
Gesichtspunkten aufgebaut, welche die
unterschiedliche Betrachtungsweise Casino-Geräte und Lotteriespender charakterisieren. Aus historischen Gründen werden sie demzufolge durch die Behörden
auch unterschiedlich behandelt.
Um ein Glücksspielgerät in einem Casino aufstellen zu können, ist eine technische Prüfung erforderlich. Diese kann
nur durch ein akkreditiertes Prüfinstitut
durchgeführt werden, welches unabhängig
vom Hersteller und vom Aufsteller sein
muss. Geprüft werden die Automaten
nach den detaillierten Vorschriften der
Glücksspielverordnung (GSV) und dem
zugehörenden Certification Protocol der
ESBK. Insbesondere muss gewährleistet
sein, dass die Geräte nicht manipuliert
werden können. Der Sicherheitsgedanke
steht ebenso im Vordergrund wie die
korrekte Implementierung des Spiels.
Mittels einer speziell entwickelten Software werden die Automaten ohne Unterbruch überwacht und kontrolliert.
Die Tactilo-Geräte müssen nicht geprüft werden, es bestehen keine Vorschriften. Der Hersteller oder Betreiber
muss einfach glaubhaft machen, dass es
Unterschiede Lotterie –
Slot-Maschine
• Bei einer Lotterie werden eine
grosse Anzahl Spiele zu einer
Ziehung zusammengefasst – die
Slot-Maschinen bieten nur Einzelspiele an
• Die Ziehung einer Lotterie hat
ein Anfang und ein Ende – bei
der Slot-Maschine hat das Spiel
ein Anfang und ein Ende
• Die Verteilung der «Lose» wird
durch ein zentrales System durchgeführt – die Slot-Maschine ist ein
isoliertes System
• Bei einer Lotterie spielen die
Teilnehmenden gegeneinander –
bei der Slot-Maschine spielt ein
Spieler gegen die Maschine
eine «Lotterie» darstellt und die Kantonsvertreter überzeugen, dass alles beim Besten ist. Eine neutrale Überwachung der
Geräte in den Restaurants erfolgt nicht –
eine Schwachstelle par excellence. Und
dies bei Geräten, die Milliardenumsätze
generieren....
Wie können diese Ungerechtigkeiten
beseitigt werden? Nur durch eine Revision des Lotteriegesetzes. Nachdem aber
Bundesrat Blocher eine Gesamtrevision
sistiert hat, blieb noch die Möglichkeit,
eine Teilrevision zu initialisieren, was
Thema der letzten Dezember-Session des
Nationalrates war. Es standen nämlich
zwei Vorstösse zur Debatte: eine Parlamentarische Initiative von Alexander
J. Baumann und eine Motion der Rechtskommission des Nationalrates. Beide verlangen eine Teilrevision, sodass wenigstens einerseits der sicherheits-technologische Aspekt der Tactilos klar geregelt
und andererseits der Glücksspielsucht
Einhalt geboten wird, eine Sucht, der sowohl die Casino- als auch die elektronischen Lotterie-Automaten Spielenden
ausgesetzt sind. Die einschlägige Untersuchung des BASS (Büro für Arbeitsund sozialpolitische Studien) vom 14. November 2004 sagt deutlich, dass auch die
Lotteriespielautomaten ein hohes Suchtpotential aufweisen. Die Initiative Baumann wurde im Rat zurückgezogen und
die Motion der Rechtskommission des
Nationalrates überwiegend abgelehnt.
Somit bleibt vorläufig alles beim alten.
Nicht beantwortet wäre hingegen auch
mit einer der erwähnten Teilrevisionen des
Lotteriegesetzes die Abgrenzung Tactilo
– Slot-Maschine. Damit kommen wir zur
Frage der Betrachtungsweise zurück. Ist
es überhaupt relevant, welche Technik
angewendet wird? Soll ein Gerät vom
Spielenden aus, vom technologischen Aufbau oder von der Verwendung der Gewinne aus definiert werden? Ob es ein
Glücksspiel oder ein Geschicklichkeitsspiel ist, kann technisch analysiert werden, was die ESBK auch durchführt. Ein
Geschicklichkeitsspiel muss durch den
Spielenden dergestalt beeinflusst werden
können, dass er dank seiner Geschicklichkeit einen höheren Gewinn erreichen
kann. Ein Glücksspiel darf nicht beeinflusst werden können, d.h. die Entscheidung über Gewinn oder Verlust muss
zwingend durch den Zufall geschehen. In
diesem Sinne sind sowohl die Tactilos
als auch die Slot-Maschinen Glücksspiele
– sie sind immer im Vorteil gegenüber den
Spielenden und sie fördern dank dem
Als Projektleiter im Bundesamt für
Polizei war Dr. Jürg Weder in den
Jahren 1998 bis 2000 verantwortlich,
die Verordnungen zum Spielbankengesetz fristgerecht über die Bühne zu
bringen. Seine mathematische Ausbildung mit einer Dissertation in stochastischer Programmierung – einem
Spezialgebiet in Wahrscheinlichkeitstheorie und Operations Research –
erleichterte ihm die Beurteilung der
technischen Möglichkeiten und Grenzen des Glücksspiels. Heute arbeitet er
u.a. mit einer akkreditierten Prüfstelle
– der QUINEL AG in Zug – für Glücksspielautomaten zusammen, um diese
Automaten auf die konforme Funktionsweise nach den Vorschriften der
ESBK zu überprüfen.
sehr hohen Stundenverlust die Spielsucht.
Damit wäre auch eine Abgrenzung möglich: der maximale Stundenverlust entscheidet über Glücksspiel ja oder nein.
Eine weitere Unterscheidung ist durch
die Verwendung der Gewinne möglich:
Glücksspielgeräte aufgestellt in Casinos
generieren Gewinne für die Kantone und
den Bund, Glücksspielgeräte ausserhalb
Casinos generieren Gewinne für Lotteriegesellschaften, sofern sie eine technische
Durchführbewilligung haben von der
ESBK. Eine Gesamtrevision des Lotteriegesetzes darf somit nur mit einer gleichzeitigen Teilrevision des Spielbankengesetzes durchgeführt werden, alles andere
ist unsinnig. Mit diesem Vorgehen könnten dann sowohl die technischen als auch
die organisatorischen Probleme als einziges Paket gelöst werden.
___________________DR. JURG WEDER
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