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DER BÄUMCHENSCHMÜCKER 1984, als 14-Jähriger, verzierte Robert Anthamatten den Tannenbaum, der im «Last Christmas»-Video zu sehen ist. Hier posiert er vor dem nächtlichen Saas-Fee mit Bäumchen und Wham-Platten-Cover. Es gibt kein Entkommen. Man liebt oder hasst den Song. Vor 29 Jahren wurde in Saas-Fee das Video zum WHAM-WEIHNACHTSHIT gedreht. Noch heute findet man im Dorf Spuren, Zeugen und Anekdoten. Kerzen an zum Krippenspiel aus der Föhn-Pop-Ära. «Last Christmas …» 50 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE WO WHAM WOHNTE Das Direktoren- Ehepaar Chantal, 50, und Beat Anthamatten, 55, in der Luxus-Suite des Hotels Ferienart Resort & Spa SaasFee, in der George Michael während der «Last Christmas»-Dreharbeiten logierte. DAS BERÜHMTE CHALET Philippe George Michael legte die Füsse aufs Armaturenbrett im Auto und rauchte Joints Zurbriggen, 57, war damals Chauffeur von George Michael. Er posiert mit Hund Bobby beim Chalet, vor dem die WhamMenschen im Video eine Schneeballschlacht machen. PHILIPPE ZURBRIGGEN TEXT MARCEL HUWYLER («‹Last Christmas› ist Lieben und Leiden im Advent.») FOTOS KURT REICHENBACH («Na ja, geht so; kaufen würde ich die Single nicht.») R obi Anthamatten ist zwölf Jahre alt, als ihn George Michael reich macht. Der Sänger von Wham, dieser Superstar mit der Lady-Diana-Frisur, den gletscherweissen Zähnen und den schnieke zurechtgezupften Augenbrauen, drückt ihm 52 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE als Trinkgeld eine Münze in die Hand: siebeneckig, silbern, mit der Queen darauf – bestimmt enorm wertvoll, feixt der Bub. Dabei hat er für diese Engländer doch nur einen Weihnachtsbaum geschmückt. November 1984 ist es, und die Wham-Crew dreht in Saas-Fee das Video zu ihrem Weihnachtshit «Last Christmas». Auch im Saal des Kulturzentrums wird gefilmt, eine Heiligabend-PartySzene samt dem von Robi geschmückten Christbaum. «Erst später merkte ich, dass mich George Michael mit einer 50-Pence-Münze abgespeist hat», erinnert sich Anthamatten («ich liebe den Song trotzdem»). Und noch etwas gab ihm der Softpopgott damals: ein Autogramm, direkt auf Robis Daunengilet. «Das Teil wäre heute für Wham-Fans Gold wert», seufzt der 43-Jährige, dem in Saas-Fee Hotel, Shop, Bar und Club der Popcorn-Gruppe gehört. Blöd nur, dass Robis Mutter das Gilet mit dieser Kritzelei drauf als « kaputtgemacht» taxierte und in die Altkleidersammlung spedierte. Seit 29 Weihnachtsfesten zuckert uns «Last Christmas» zu – und ist höchst umstritten. Man liebt oder hasst den Hoppel-Sound, er geht einem direkt ins Herz oder auf den Geist. Für Fans ist der Hit so kultig wie das Fondue chinoise an Heiligabend, während «Last Christmas»-Hasser bei dem Föhn-Pop leiden wie nach einem Besäufnis mit Glühwein. Genauso überspannt ist das Musikvideo zum Hit. Die Wham-Clique feiert, mit Schnee und Chalet, wobei Cheminéefeuer, Erotik und PolyesterSkianzüge gleichermassen knistern. Es ist das perfekte Krippenspiel der SyntiePop-Generation. Made in Saas-Fee. Philippe Zurbriggen war damals Chauffeur von George Michael. In seinem roten Nissan Patrol kutschierte er den Star für 300 Franken Tagesgage herum. Gut zwei Wochen lang sei er mit dem Sänger zusammen gewesen, erinnert sich Zurbriggen («ich mag den Song, sehr sogar»), der heute als Schnitzer arbeitet und den Souvenirshop Woodpecker führt. George Michael sei ein komischer Kauz gewesen, schweigsam, eher hochnäsig, «er legte seine Füsse auf mein Armaturenbrett, und seine Äuglein glänzten wie Christbaumkugeln». Was auch an den u SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 53 DIE SEILBAHN-STARS Die Gondelführer Erwin Anthamatten (l.) und Charles Schmidt sind die einzigen Einheimischen, die im «Last Christmas»-Video mitspielen und auch wirklich zu erkennen sind. Unten: ihr Auftritt im Wham-Musikvideo. DER MOONBOOTS-MANN Alle Wintersachen, die im Video zu sehen sind, kaufte die Wham-Crew damals im Sportgeschäft Intersport-Sportart von Stefan Zurbriggen, 55 («ich finde den Song noch heute super, Ehrenwort»). AUSGEGONDELT Die Kabine von damals (l.) ist heute im Skigebiet Saas-Fee ein Imbiss-Stand beim Hotel Waldesruh. u 25 Joints gelegen haben könnte, die der Wham-Man täglich paffte. Im Video ist Zurbriggen in der Eröffnungssequenz zu sehen mit seinem roten Nissan. Und er war dabei, als die Schneeballschlacht vor dem Chalet gefilmt wurde. Ach, das Chalet – der Petersdom jedes «Last Christmas»-Fans –, es existiert wirklich. Im Norden von Saas-Fee, am Schliechtenweg, steht das Holzhaus. Die einst sonnenverbrannte, schwarze 54 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE Holzfassade wurde renoviert, sonst sieht noch alles so aus wie im Video. Das Chalet mit der Nummer 18 gehört einem Deutschen, der in Kalifornien lebt und hier noch nie gesehen wurde. Verzückt wie ein erleuchteter Pilger schlurft man ins Dorf zurück und kommt an der Kapelle des heiligen Theodul vorbei. Und da drin, hell beleuchtet, diese geschnitzten Figürchen an einem Tisch versammelt, das ist doch, ist das …? Himmel! Diese Wham-Recherche verklebt einem die Sinne noch total. Jetzt hat man die Bibelszene von Jesu letztem Abendmahl doch glatt für die Partysequenz aus dem Musikvideo gehalten. Eher unchristlich ging es damals auch im Hotel Walliserhof zu und her, wo die Wham-Boys George Michael und der im Grunde unwichtige Andrew Ridgeley logierten. Heute heisst das Fünf-SterneHaus «Ferienart Resort & Spa», noch im- mer sind Beat und Chantal Anthamatten die Gastgeber. George Michael bewohnte die schönste, teuerste, grösste Suite, 457, zweigeschossig, mit Whirlpool und Sauna. Beat Anthamatten, 55, («ich höre den Song immer wieder gern») erinnert sich, wie die Engländer ziemlich wild feierten. Und Chantal Anthamatten, 50, («unser Personal singt an Weihnachten ‹Last Christmas› für die Gäste») erzählt, die beiden Stars hätten weit auseinanderlie- gende Suiten verlangt, «die Herren mochten sich nicht wirklich gut». Dafür kam sich die Filmcrew ziemlich nahe, jeden Morgen fischte das Hotelpersonal Badehosen und Bikinis aus dem Hallenbad. Die einzigen Einheimischen, die man im Video erkennt, sind die SeilbahnKabinenführer Erwin Anthamatten, 73, («das Lied ist nicht schlecht») und Charles Schmidt, 58 («ein schöner Song»). Sie öffneten und schlossen für Meine Tochter rief aus London an: «Vater, du bist hier in einem WhamVideo zu sehen» ERWIN ANTHAMATTEN die Wham-Schauspieler die Kabinentür, doch Erwin realisierte gar nicht, dass er gefilmt wurde. Seine Tochter machte 1984 ein Sprachjahr in London und rief im Dezember nervös zu Hause an. «Vater, hier in England bist du in einem HitVideo zu sehen!» Und Charles, ihm gehört heute das Micro-Bowling-Center Zum guten Keller, besitzt 8000 Schallplatten, «aber ausgerechnet die ‹Last Christmas›u Single fehlt in meiner Sammlung». SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 55 Ich sah George Michael übermüdet und ungeschminkt. Nicht sehr romantisch KAUM ZU GLAUBEN In diesem Saal im Saaser Kulturzentrum Steinmatte fand die lauschige Weihnachtsparty im Video statt (l.). Das Cheminée mit der Kupferhaube gibts noch heute. SYBILLE MEYER Seltsam ist, dass man in SaasFee die Wham-Sache touristisch nie gross ausgeschlachtet hat. Keine «Last Christmas»-Pizza im Restaurant (mit extraviel Schmalz), kein George-MichaelDrink an der Bar (sehr süss und mit blondem Schirmchen). Nahe der Kirche hat zwar ein Hausbesitzer die Fensterläden hellrosa gestrichen – was aber nichts mit Wham zu tun hat. Ebenfalls Fehlanzeige beim Mehrfamilienhaus mit dem Namen Adonis. Selbst im Saaser Museum findet sich kein WhamExponat, «nie von denen gehört», sagt der Leiter Thomas Kalbermatten («wie sagen Sie, soll dieser Song heissen?»). Das schönste Geschenk bekommt man an Heiligabend immer zuletzt. So auch hier, der grosse Moment ist da. Von aussen ist das Kulturzentrum Steinmatte ein schlichter Bau, aber das hier, das ist der Ort, die heilige Halle sozu sagen, wo im Video die Wham-Weihnachtsparty stattfindet, wo die schönen Menschen feiern, wo Robi Anthamatten damals den Christbaum für 50 Pence schmückte. Andächtig dreht man den Schlüssel, stösst die braune Holztür auf – Entsetzen! Es macht Wham im Gehirn. Was für ein öder, unromantischer u AM EMPFANG Die damals 20-jährige Sybille Meyer (heute Chefin der Elite Alpine Lodge) stand am Empfang von George Michaels Hotel – und schmachtete ihn an. Ein Bild des Stars hängt noch immer im Eingang des «Ferienart». Raum. Der Kupferkamin aus dem Video ist zwar klar zu identifizieren, doch a lles andere … trostlos. Es sieht aus wie bei der allerletzten Weihnacht. Mit Enttäuschungen Wham’scher Art kennt sich Sybille Meyer aus («ich höre den Song jedes Jahr wieder gern»). Sie stand, 20-jährig, an der Réception im «Walliserhof». Und schwärmte für George Michael, himmelte ihn an, wenn er vorbeitänzelte in seinen weissen, schneeuntauglichen Stiefelchen. Bis sie ihm eines Morgens begegnete, ungeschminkt war er, unfrisiert, übermüdet und mürrisch. «Glauben Sie mir, im Video sieht er besser aus als in natura.» Wie ein Mahnmal für den 80er-JahreZimtsternen-Sound hängt an der Ré ception ein Bild des Pop-Stars: George Michael mit offenem Mund und zementierter Frisur. Trotz dem Schock von damals hat sich Sybille Meyer ihr «Last Christmas»-Feeling nicht zerstören lassen. Song und Video sind und bleiben für jeden Fan eine wundervolle Illusion, ein Wintermärchen, ein Weihnachtstraum, ein Alle-Jahre-wieder-Gefühl. Darum werden auch «This Christmas» und «Next Christmas» und immer und ewig «Last Christmas» erklingen.