Mieterfragebögen: Was darf gefragt werden?

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Mieterfragebögen: Was darf gefragt werden?
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Stand: 04/2010
Mieterfragebögen: Was darf gefragt werden?
Wohnungssuchende werden vor Abschluss eines Mietvertrages häufig damit
konfrontiert, dass sie in einem standardisierten Fragebogen detailliert Auskunft
über persönliche Informationen geben sollen. Unser Merkblatt zu Mieterfragebögen ist ein Leitfaden für Wohnungssuchende ebenso wie für Vermieterinnen und
Vermieter, Wohnungsbaugesellschaften sowie Maklerinnen und Makler. Wir erläutern, welche personenbezogenen Daten vor Abschluss des Mietvertrages von
den Mietinteressierten erhoben werden dürfen.
Grundsätzlich hat die Wohnungswirtschaft ein berechtigtes Interesse, sich vor
Mietausfällen zu schützen. Dazu darf sie sich auf der Grundlage verschiedener
Daten ein Bild über die Bonität und Zuverlässigkeit der Mietinteressierten verschaffen, um deren Zahlungsfähigkeit und -willigkeit einschätzen zu können.
Die Befugnis zur Datenerhebung für diesen Zweck besteht allerdings nicht unbegrenzt. Die schutzwürdigen Belange der Mietinteressierten sind zu berücksichtigen. In deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird umso stärker
eingegriffen, je weitreichender die Erhebung und anschließende Speicherung
ihrer Daten ist. Welche Informationen konkret erhoben werden dürfen, kann
nach einer Abwägung des berechtigten Interesses am Schutz vor Mietausfällen
mit den schutzwürdigen Belangen der Mietinteressierten entschieden werden.
Die folgenden Ausführungen erläutern, auf welcher rechtlichen Grundlage eine
solche Datenerhebung und -verarbeitung erfolgen kann, welche Fragen im Rahmen von Mieterfragebögen datenschutzrechtlich zulässig sind und welche Fragen
auf datenschutzrechtliche Bedenken stoßen.
I.
Rechtsgrundlage
Gemäß § 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder die betroffene
Person eingewilligt hat.
Im Zusammenhang mit der Bewerbung um eine Mietwohnung scheidet eine
wirksame Einwilligung als Rechtsgrundlage für die Datenerhebung deswegen
aus, weil die Betroffenen regelmäßig keine freie Entscheidung treffen. Sie müssen davon ausgehen, dass die weitere Berücksichtigung ihrer Bewerbung um die
Wohnung von der Preisgabe der verlangten Daten abhängig ist und eine Auskunftsverweigerung die Erfolgsaussichten der Mietbewerbung zunichte macht.
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Den Mietinteressierten bleibt nichts anderes übrig, als die erbetenen Auskünfte
zu erteilen, weil sie sonst nicht in die weitere Auswahl gelangen. Damit fehlt es
mangels Handlungsalternative an der in § 4 a Abs. 1 Satz 1 BDSG vorausgesetzten Freiwilligkeit. Deshalb ist eine Befragung auf der Grundlage einer Einwilligung datenschutzrechtlich unzulässig.
Als Rechtsgrundlage für solche Auskunftsverlangen kommt daher nur § 28 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 BDSG in Betracht. Nach dieser Bestimmung ist eine Datenerhebung und -verarbeitung für eigene Geschäftszwecke zulässig, wenn dies für ein
rechtsgeschäftliches oder rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis mit den Betroffenen erforderlich ist.
II.
Welche Daten dürfen wann zulässigerweise erhoben werden?
Die Beurteilung, welche Daten erforderlich sind, richtet sich danach, ob die Betroffenen zunächst im Rahmen von Wohnungsangeboten nur Interesse an einem
Besichtigungstermin haben oder ob sie nach einem solchen Besichtigungstermin
ein konkretes Interesse an einer Wohnung äußern und dementsprechend den
Abschluss eines Mietvertrages wünschen. Es ist deshalb zwischen dem vorvertraglichen Anbahnungsverhältnis und der Phase des konkreten Vertragsschlusses zu unterscheiden.
Leider werden zunehmend bereits zur Wohnungsbesichtigung von den Mietinteressierten im Vorhinein die für einen Vertragsabschluss relevanten Daten abgefragt. Damit werden unzulässigerweise Daten auf Vorrat erhoben, die nicht erforderlich sind, wenn bereits nach Besichtigung des Mietobjektes kein Interesse
mehr an einer Anmietung besteht.
1.
Wenn der Mietinteressierte zunächst nur einen Besichtigungstermin
anstrebt, also der Abschluss eines Mietvertrags nicht unmittelbar bevorsteht, dürfen nur die folgenden Angaben erhoben werden:
•
•
•
•
Identifikations- und Erreichbarkeitsdaten (Name, Telefonnummer; die Frage nach der E-Mail-Adresse sollte hingegen als freiwillige
Angabe gekennzeichnet werden);
Vorliegen eines Wohnberechtigungsscheins (wenn für die angebotene Wohnung erforderlich);
Anzahl der einziehenden Personen (Erwachsene/Kinder);
Vorhandensein von Haustieren.
Zusätzliche Angaben über Art, Größe und Ausstattung der gewünschten Wohnung oder die Höhe der Mietkosten, die Mietinteressierte zu leisten bereit sind,
dürfen gestellt werden, wenn die Mietinteressierten die Vermittlung weiterer
Wohnungsangebote wünschen.
Eine Erhebung darüber hinausgehender Daten, insbesondere zur Bonität der
Mietinteressierten, ist zu diesem Zeitpunkt unzulässig. Solange die Bewerberin
oder der Bewerber noch keine Anmietung beabsichtigt, besteht auch noch kein
berechtigtes Interesse an der Kenntnis solcher Daten. Fragen nach der Bonität
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und der Zuverlässigkeit der Betroffenen sind daher in diesem Stadium unzulässig.
2.
Steht der Mietvertragsabschluss unmittelbar bevor, ist eine umfassendere Erhebung von Daten der Mietinteressierten gemäß § 28 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 BDSG insoweit zulässig, als die Daten für den Abschluss des
Mietvertrages erforderlich sind. Das heißt, die Daten müssen bei objektiver Bewertung und unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der
Mietinteressierten geeignet und notwendig sein, eine Entscheidung der
Vermieterin oder des Vermieters über den Abschluss des Mietvertrages
herbeizuführen. Zu den einzelnen Daten ist Folgendes zu beachten:
a)
Familienstand
Der Familienstand (ledig, verheiratet, in Lebenspartnerschaft lebend, verwitwet,
getrennt lebend, geschieden) ist für die vorgesehene Wohnungsnutzung grundsätzlich ohne Relevanz und daher weder für das vorvertragliche Anbahnungsverhältnis noch für die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages
erforderlich. Eine entsprechende Frage ist daher unzulässig.
b)
Angaben zu den im Haushalt lebenden Personen
Während die Frage nach der Anzahl der in die Wohnung einziehenden Erwachsenen und Kinder zulässig ist, dürfen weitergehende Daten zu diesen Personen
(etwa zu den Einkommensverhältnissen) nicht erhoben werden, es sei denn,
diese Personen selbst sollen Mietvertragsparteien werden. Allenfalls bei Kindern
könnte die Frage nach dem Alter gerechtfertigt sein, da dies Art und Umfang der
Wohnungsnutzung berühren kann.
c)
Staatsangehörigkeit
Die Frage nach der Staatsangehörigkeit ist nur in bestimmten Fällen gerechtfertigt. Die Ausnahmeregelung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
lässt eine unterschiedliche Behandlung von Wohnungsinteressierten zur Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen sowie ausgeglichener
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zu (§ 19 Abs. 3 AGG). Dies
gilt insbesondere für Wohnungsgesellschaften, die mehr als 50 Wohnungen
vermieten, wenn die Auswahlkriterien (zum Beispiel Herkunft, Alter, Behinderung) gerade der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen
dienen. Allerdings muss hier das Verbot einer Benachteiligung aus Gründen der
ethnischen Herkunft oder der Rasse berücksichtigt werden (§ 19 Abs. 2 AGG).
Eine regelmäßige Abfrage der Staatsangehörigkeit ist dagegen unzulässig. Daher ist die generelle Aufnahme dieser Frage in einen Fragebogen nicht zu empfehlen. Stattdessen könnte gegebenenfalls ein entsprechendes Leerfeld genutzt
werden, in das eine speziell als notwendig erkannte Frage gesondert eingetragen werden kann.
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d)
Aktuelle oder frühere Vermieterinnen oder Vermieter
Auch die Frage nach Name und Telefonnummer der aktuellen oder früheren
Vermieterinnen oder Vermieter ist nicht zulässig. Die Frage kann nur bezwecken, bei diesen Auskünfte über die Bewerberin oder den Bewerber einzuholen.
Ein solches Vorgehen stellt jedoch einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 BDSG
dar, wonach personenbezogene Daten bei der betroffenen Person zu erheben
sind. Dass im Zusammenhang mit einer Mietbewerbung regelmäßig Umstände
auftreten, die im Rahmen des § 4 Abs. 2 Satz 2 BDSG ausnahmsweise eine Datenerhebung ohne Mitwirkung der betroffenen Person zulassen, ist nicht ersichtlich. Außerdem kann ein schutzwürdiges Interesse der Bewerberinnen und Bewerber schon daran bestehen, dass ihren gegenwärtigen Vermieterinnen und
Vermietern die Bewerbung um eine andere Wohnung nicht bekannt wird.
e) Grund des Wohnungswechsels
Die Frage nach dem Grund des Wohnungswechsels ist unzulässig, da Angaben
hierzu kaum überprüfbar und deshalb als Entscheidungsgrundlage für den Abschluss eines Mietvertrages grundsätzlich ungeeignet sind.
f) Kopien von Ausweispapieren
Der Vermieter kann für die Identitätsprüfung keine Kopie, sondern nur die Vorlage von Ausweispapieren verlangen. Denn mit der Kopie eines Ausweises würden auch Daten erhoben und gespeichert, die für ein Mietvertragsverhältnis
nicht erforderlich sind.
Um bei Meldebehörden Auskunft über die gegenwärtige Anschrift von Mieterinnen oder Mietern zu erhalten, wenn diese die Wohnung mit einem Mietrückstand
verlassen haben und sich an einem anderen Wohnsitz aufhalten, benötigt eine
Vermieterin oder ein Vermieter nach den melderechtlichen Vorschriften weder
Personalausweis- noch Passnummer. Auch für eine gegebenenfalls erforderliche
Einleitung gerichtlicher Maßnahmen werden die weitergehenden Ausweisdaten
nicht benötigt.
g)
Beruf, Arbeitgeber und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses
Zur Entscheidung über einen konkreten Vertragsschluss kann nach dem Beruf
und dem Arbeitgeber als Kriterium zur Beurteilung der Bonität der Bewerberin
oder des Bewerbers gefragt werden. Demgegenüber bietet die Dauer der Beschäftigung in einer mobilen Wirtschaftsgesellschaft keine Gewissheit über die
Fortdauer und Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses und ist daher ungeeignet, das Sicherungsbedürfnis der Vermieterinnen und Vermieter zu erfüllen. Eine entsprechende Auskunft darf daher nicht verlangt werden.
Die Frage nach der Telefonnummer des Arbeitgebers verbietet sich generell –
auch unmittelbar vor Vertragsschluss. Die Telefonnummer wäre nur für eine
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weitergehende unzulässige Datenerhebung unmittelbar beim Arbeitgeber nützlich, wenn Erkundigungen nach dem Arbeitsverhältnis beabsichtigt sind. Hiermit
wäre jedoch eine Erhebung personenbezogener Daten bei Dritten verbunden,
die ohne Mitwirkung des Betroffenen gemäß § 4 Abs. 2 BDSG unzulässig ist. Im
Übrigen darf der Arbeitgeber keine Beschäftigtendaten an Vermieterinnen oder
Vermieter übermitteln.
h)
Finanzielle Verhältnisse
Vermieterinnen und Vermieter dürfen als Entscheidungsgrundlage für einen
konkreten Vertragsabschluss nach den für ein künftiges Mietverhältnis relevanten Einkommensverhältnissen sowie nach dem Betrag fragen, der nach Abzug regelmäßiger monatlicher Belastungen zur Begleichung der Mietkosten
zur Verfügung steht. Die Frage nach Schulden ist allerdings nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen zulässig, die auch an die Zulässigkeit von Abfragen bei Auskunfteien zu stellen sind (hierzu mehr unter „i) SCHUFA/Auskunfteiinformationen“). Darüber hinaus darf sich die Vermieterin oder der
Vermieter danach erkundigen, ob ein Eintrag in einem bei einem Amtsgericht
geführten Schuldnerverzeichnis besteht (zum Beispiel eidesstattliche Versicherung), ein Räumungstitel ergangen, eine einstweilige Verfügung in
Mietsachen erfolgt und ob die Bewerberin oder der Bewerber von einer Privatinsolvenz betroffen ist. Erst nach Auswahl der Bewerberin oder des Bewerbers
kann vor Abschluss des Mietvertrages ein geeigneter Nachweis über die finanziellen Verhältnisse verlangt werden (zum Beispiel eine Lohn- oder Gehaltsabrechnung, ein Kontoauszug oder der Einkommenssteuerbescheid – jeweils
unter Schwärzung nicht erforderlicher Angaben).
i)
SCHUFA-/Auskunfteiinformationen
Das Abfragen von Bonitätsinformationen über Mietbewerberinnen und Mietbewerber bei Auskunfteien wie zum Beispiel SCHUFA oder Creditreform sind nur
unter strengen Voraussetzungen und auch nur in eingeschränktem Umfang zulässig.
Nur dann, wenn der konkrete Abschluss eines Mietvertrages mit Mietinteressierten nur noch von dem positiven Ergebnis einer Bonitätsprüfung abhängt, dürfen
Vermieterinnen und Vermieter Bonitätsinformationen bei Auskunfteien einholen.
Zulässig sind hierbei jedoch ausschließlich Auskünfte über solche Daten, die Informationen aus öffentlichen Schuldner- und Insolvenzverzeichnissen enthalten,
sowie sonstige Daten zu negativem Zahlungsverhalten, bei denen
• die dem Eintrag zugrunde liegende Forderung noch offen ist oder – sofern
sie sich zwischenzeitlich erledigt hat – die Erledigung nicht länger als ein
Jahr zurückliegt und
• eine Bagatellgrenze von 1.500 € überschritten wird.
Der Vermieter oder die Vermieterin muss ein berechtigtes Interesse an den Bonitätsinformationen zuvor gegenüber der Auskunftei glaubhaft darlegen. Die Übermittlung von Bewertungen aus einer statistischen Analyse (Scorewerte) ist
unzulässig, sofern andere als die zulässigerweise beauskunfteten Daten Grund-
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lage dafür sind. Nähere Informationen zu diesen Zulässigkeitskriterien und deren Hintergrund enthält der Beschluss "Bonitätsauskünfte über Mietinteressenten nur eingeschränkt zulässig" der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im
nicht-öffentlichen Bereich vom 22. Oktober 2009.
Da Selbstauskünfte, die Mietinteressierte bei den Auskunfteien selbst einholen
können, wesentlich mehr Angaben über die finanziellen Verhältnisse der Betroffenen enthalten, als sie etwa den Vermieterinnen oder Vermietern als Vertragspartei der Auskunfteien mitgeteilt würden, ist es unzulässig die Vorlage einer
solchen Selbstauskunft zu verlangen. Ebenso unzulässig ist es, von den Mietinteressierten eine Einwilligung in die Einholung einer Bonitätsauskunft zu verlangen, da diese Einwilligung aufgrund der Zwangslage der Betroffenen regelmäßig
nicht freiwillig erteilt werden kann und damit unwirksam ist.
III.
Auskunftsrecht der Betroffenen
Die Betroffenen (Mietinteressierte, Mieterinnen und Mieter) können von den
Stellen, die Daten über sie verarbeiten, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BDSG grundsätzlich Auskunft verlangen
•
•
•
über die zu ihrer Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die
Herkunft dieser Daten beziehen,
über Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden, und
über den Zweck der Speicherung.
Gemäß § 34 Abs. 6 BDSG ist die Auskunft auf Verlangen in Textform zu erteilen,
soweit nicht wegen der besonderen Umstände eine andere Form der Auskunftserteilung angemessen ist.
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