Übungen im Obligationenrecht AT II Fall 1 Lösungsskizze Frage 1 a

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Übungen im Obligationenrecht AT II Fall 1 Lösungsskizze Frage 1 a
Rechtswissenschaftliches Institut
Universität Zürich
Rechtswissenschaftliches Institut
Lehrstuhl von der Crone
Übungen im Obligationenrecht AT II
Fall 1
Lösungsskizze
Musterlösung
Frage 1 a)
Punkte
1. Ansprüche von A gegen L
A) Vertragliche Ansprüche von A gegen L
I. Zustandekommen und Qualifizierung des Vertrags zwischen A und L
Zustandekommen:
Nach Art. 1 Abs. 1 OR ist zum Abschluss eines Vertrages der Austausch gegenseitiger
1
übereinstimmender Willenserklärungen erforderlich. Wenn sich die Parteien übereinstimmend geäussert, verstanden, und in diesem Verständnis geeinigt haben, liegt ein tatsächlicher oder natürlicher Konsens vor.
1
Parteien des bestehenden Vertragsverhältnisses:
Gemäss SV kauft A die Lampe an der Kasse, die vom X, dem Angestellten der L AG bedient wird. Es stellt sich die Frage, ob der Angestellte X die L AG vertritt.
Stellvertretung
Es ist zwischen der zivilrechtlichen Stellvertretung (Art. 32 ff. OR) und der handels-
0.5
rechtlichen Stellvertretung (Art. 458 ff. OR) zu unterscheiden (HUGUENIN, Obligationen-
0.5
recht, N 1049 f.). Generell ist vorausgesetzt, dass der Stellvertreter urteilsfähig ist, Ver-
1+1
tretungsmacht hat und in fremdem Namen handelt.
1
Abgrenzung zwischen Art. 32 ff OR und Art. 458 ff. OR
Art. 462 OR erlaubt dem Prinzipal (dem Vertretenen) eine Kategorie von kaufmänni-
0.5
schen Stellvertretern einzusetzen, dies entweder für eine bestimmte Sorte von Geschäften (Spezialhandlungsvollmacht) oder für die Geschäfte des Betriebes überhaupt (Generalhandlungsvollmacht). Verkaufspersonal in Ladengeschäften haben gewöhnlich
Spezialvollmachten (BSK OR I-W ATTER, Art. 462 N 1). Die Zivilrechtliche Stellvertretung
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ist in ihrem Wesen eine sachbezogene, nicht generalisierte Vertretungsmacht (BUCHER,
0.5
OR AT, S. 605 f.). Welcher Grad an Bestimmtheit und Sachbezogenheit für die zi-
vilrechtliche Vollmacht erforderlich ist, ist nicht geklärt (BUCHER, OR AT, S. 606), was zu
einer unscharfen Abgrenzung zwischen den beiden Stellvertretungstypen führt.
Subsumption:
Mangels anderer Angaben im SV ist davon auszugehen, dass X urteilsfähig und vertretungsbefugt ist. An der Kasse handelt er auch für die L AG und handelt somit im fremden
0.5+0.5
0.5
Namen.
Da es sich vorliegend bei X um Verkaufspersonal im Ladengeschäft handelt, liegt eine
Handelsvollmacht nach Art. 462 OR vor. Die Vollmacht erstreckt sich nach Art. 462
0.5
Abs. 1 OR auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder
die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.
Fazit: Der Angestellte X ist zur Stellvertretung der L AG berechtigt. Schliesst er einen
1
Kaufvertrag im Namen der L AG ab, so wird diese gebunden.
Subsumption zum Zustandekommen des Vertrags:
Laut SV kauft A die Lampe im Laden an der Kasse beim Angestellten X. Wie bereits geprüft worden ist, ist dieser zur Vertretung der L AG befugt. Der Verkaufswille, den der An-
1
gestellte X kundgibt, entspricht folglich dem Willen der durch diesen vertretenen L AG.
Gemäss SV besteht ein gegenseitig übereinstimmender Wille über den Preis und den
Kaufgegenstand. Zwischen A und L AG ist ein Vertrag zustande gekommen.
Qualifizierung des Vertrags:
Kaufvertrag i.S.v. Art. 184 Abs. 1 OR: Verpflichtung zur Übergabe eines Kaufgegenstandes und Eigentumsverschaffung daran gegen Zahlung des Kaufpreises (essen-
1
1
tialia negotii).
Stückkauf oder Gattungskauf:
Gattungskauf:
Ein Gattungskauf zeichnet sich im Gegensatz zum Stückkauf dadurch aus, dass der Verkäufer keine vertraglich individualisierte, sondern eine nur der Gattung nach bestimmte
1
Sache schuldet (BGE 121 III 453).
Begriff der Gattung: Es gilt ein relativer Gattungsbegriff, welcher sich nach der Umschreibung der geschuldeten Sache im Kaufvertrag richtet, wobei dieser – wenn ein
tatsächlicher übereinstimmender Parteiwille nicht feststeht - nach dem Vertrauensprinzip
festzulegen ist (BGE 121 III 452 E 4a).
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Stückkauf:
Beim Stückkauf wird eine vertraglich individualisierte Sache geschuldet
1
Subsumption:
Der Kaufgegenstand besteht vorliegend in einer Lampe der Reihe Lumière Royal X20.
Die geschuldete Sache wurde gemäss SV nicht individualisiert. Es wurde lediglich ein
Lampe aus einer bestimmten Reihe vereinbart. Folglich liegt ein Gattungskauf vor. Die
Gattung stellt die bestimmte Lampenreihe Lumière Royal X20 dar.
1
II. Erfüllung
Erfüllung bedeutet die Befriedigung des Gläubiger durch den Schuldner mittels Vornah-
1
me der geschuldeten Leistung. Die richtige Erfüllung führt zum Erlöschen der Obligation
(Art. 114 OR).
Rechtsfolgen bei Schlechterfüllung:
1
-Art. 197 ff. OR
-Alternativ: Art. 97 Abs. 1 OR, wobei beim Vorliegen eines Kaufvertrags die speziellen
kaufrechtlichen Bestimmungen auch hier Anwendung finden.
I.c. ist der Erfüllungsgegenstand fraglich.
Bei der Gattungsschuld ist die geschuldete Sache nicht individuell, sondern lediglich nach
Art und Zahl bestimmt. Die geschuldete Gattungsart ergibt sich aus dem Vertrag.
1
Subsumption:
Vereinbart wurde eine Lampe der Gattung Lumière Royal X 20. Ein Objekt dieser Gattung
1
wurde auch geliefert.
Fazit:
I.c. wurde richtig erfüllt. Eine Schlechterfüllung und die daraus folgenden Rechtsfol-
1
gen sind somit ausgeschlossen.
Zu prüfen ist, ob ein Willensmangel beim Käufer vorlag und der Vertrag somit nicht gültig
ist.
III. Gültigkeit des Vertrags
Der Vertrag ist ungültig, wenn bestimmte Willensmängel vorliegen oder eine Formvor-
1+1
schrift verletzt wurde.
Subsumption:
Der Kaufvertrag unterliegt keiner besonderen Formvorschrift (Art. 11 OR).
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Liegen Willensmängel vor, so ist der Vertrag ungültig (siehe Grundlagenirrtum ff.)
Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR)
Zu prüfen ist, ob der Vertrag mit einem Willensmangel behaftet ist. In casu ist ein Grundlagenirrtum (wesentlicher Motivirrtum) über die Gattungsart zu prüfen.
1. Motivirrtum
1
Motivirrtum ist ein Irrtum in der Willensbildung. Der Irrende geht von einer falschen
1
Vorstellung über die Wirklichkeit aus.
Subsumption:
Im vorliegenden Fall geht A davon aus, dass er eine Lampe einer Gattung kauft, die als
Bildlampe geeignet ist. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Gattung von Lam-
1
pen, die nicht für die Beleuchtung von Gemälden geeignet ist. Es liegt folglich ein Motivirrtum vor.
2. Wesentlichkeit:
2.1 Subjektive Wesentlichkeit:
Der Sachverhalt ist für den Irrenden subjektiv wesentlich, wenn dieser bei einer richtigen
1
1
Einschätzung des fraglichen Sachverhalts den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.
Subsumption:
A hat die Lampe der Gattung Lumière Royal X 20 gekauft, weil er der Ansicht war, sie
könne sich als Bildlampe für die Beleuchtung seines Gemäldes eignen. In Kenntnis der
1
wahren Sachlage (schädigende Auswirkung auf das Gemälde) würde er die Lampe nicht
kaufen. Subjektive Wesentlichkeit ist gegeben.
2.2 Objektive Wesentlichkeit:
1
Der Irrtum betrifft einen SV oder einen Sachverhaltsaspekt, der nach „Treu und Glauben
im Geschäftsverkehr“ als eine notwendige Vertragsgrundlage betrachtet werden darf
1
und muss.
Subsumption:
Die Eignung eines Leuchtmittels für einen spezifischen Einsatz zählt, soweit es sich nicht
1
um eine „exotische“ Verwendung handelt, nach Treu und Glauben zum Kreis der objektiv
wesentlichen Sachverhaltsaspekte.
3. Erkennbarkeit:
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In der Rechtsprechung und Lehre ist umstritten, ob die Gegenpartei die Bedeutung des
1
Sachverhalts, über den der Irrende geirrt hat, hätte erkennen können müssen oder nicht.
Subsumption:
Der Einsatz einer Leuchte zur Beleuchtung eines Kunstwerks entspricht der typischen
Nutzung eines solchen Gegenstandes. Die Verkäuferin muss deshalb auch dann, wenn
1
sie den konkret vorgesehenen Verwendungszweck der Leuchte nicht hat erkennen können, gegen sich gelten lassen, dass die falsche Vorstellungen des Käufers im konkreten
Fall einen objektiv wesentlichen Aspekt des Sachverhaltes betreffen.
4. Erklärung, den Vertrag nicht halten zu wollen:
1
Zur Geltendmachung des Irrtums bedarf es einer Willenserklärung, die ausdrücklich
1
oder stillschweigend geäussert werden kann. Der Grund braucht aus der Erklärung nicht
hervorzugehen.
Frist (Art. 31 OR)
1
-1 Jahr seit Entdeckung des Irrtums
1
-Verwirkungsfrist: Nichteinhaltung der Frist bedeutet stillschweigende Genehmigung des
1
Vertrags.
Subsumption:
A muss den Willensmangel mit einer stillschweigenden oder ausdrücklichen Erklärung in-
1
nert eines Jahres seit Erkennung des Irrtums geltend machen.
Fazit zum Grundlagenirrtum:
Die Voraussetzungen für Grundlagenirrtum sind gegeben.
1
Rechtsfolgen bei Bejahung des Grundlagenirrtums:
Solange die irrende Partei den Vertrag weder genehmigt noch für ungültig erklärt, bzw.
auch die Frist zu einer Abgabe der Ungültigkeitserklärung noch nicht abgelaufen ist, befindet sich der Vertrag in einem Schwebezustand. Über die Rechtslage während des
0.5
Schwebezustands sind sich Lehre und Rechtsprechung uneinig (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 564; KOLLER, OR AT, § 14 N 267). Es werden im Wesentlichen vier Theorien vertreten; die Ungültigkeitstheorie, die Anfechtungstheorie und die Theorie der geteilten
0.5+0.5
Ungültigkeit. Macht der Irrende den Willensmangel erfolgreich geltend, ist der Vertrag in
+0.5
der Regel ganz oder zum Teil ungültig. Die Ungültigkeit erfasst den Vertrag grundsätzlich
mit Wirkung ex tunc (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 562). Allenfalls schulden die Par-
0.5
teien einander Schadenersatz. Der Irrende, wenn er den Irrtum fahrlässig verursachte, der
Irrtumsgegner, wenn er die Entstehung des Willensmangels verursachte (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 562). Eine neuere Lehrmeinung nimmt entgegen der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 137 III 243 E. 4.4.3) die Umwandlung in ein verSeite 5/27
0.5
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tragliches Rückabwicklungsverhältnis an (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 583, 1821
m.w.H.).
Ungültigkeitstheorie:
Aufgrund des Irrtums ist der Vertrag von Anfang an ungültig. Mit der Geltendmachung
des Irrtums wird der Vertrag nicht genehmigt.
1
1
Anfechtungstheorie:
Der Vertrag ist zunächst gültig, er fällt mit der Anfechtung jedoch ex tunc dahin
1+1
(GAUCH/SCHLUEP, N 680).
Theorie der geteilten Ungültigkeit:
Der Vertrag ist für die irrende Partei von Anfang an ungültig. Für die andere Partei gilt
1
er hingegen bis zur Erklärung der Unwirksamkeit als wirksam.
1
Umwandlungstheorie:
Das Verhältnis wird in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt
1
(Art. 109 OR analog), obwohl kein gültiger Vertrag zustande gekommen ist. Aufgrund
1
dieses dogmatischen Widerspruchs wird diese Theorie von der Rechtsprechung (BGE
137 III 243) und einem Teil der Lehre verneint (KOLLER, OR AT, § 14 N 281).
Fazit zur Gültigkeit des Vertrags:
Der Vertrag ist ex tunc ungültig, sofern A den Grundlagenirrtum geltend macht. Nach der
1
Umwandlungstheorie ist der Vertrag ebenfalls ungültig, doch das Verhältnis der Parteien
1
wird so behandelt, wie wenn ein bestehender Vertrag rückabgewickelt werden müsste
(Umwandlung in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis).
Fazit zu vertraglichen Ansprüchen von A gegen B:
A hat keine vertragliche Ansprüche gegen B.
1
B) Ansprüche von A gegen L aus der Konversion in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (Umwandlungstheorie)
Die Umwandlung in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis ist entsprechend der
1
Rechtsprechung zu verneinen (BGE 137 III 243). A hat folglich keine Ansprüche gegenüber B aus dem vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis.
C) Anspruch von A gegen L auf Rückerstattung des Kaufpreises aus Art. 62 OR
1. Fehlender Rechtsgrund
Indem der Vertrag wegen des Grundlagenirrtums dahingefallen ist, fehlt es an einem
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Rechtsgrund (causa) für den Geldbetrag in Höhe von Fr. 400, welchen L von A im Zusammenhang mit dem Kauf der Lampe erhalten hat.
2. Bereicherung
1
Die Bereicherung manifestiert sich beim Bereicherten in einem Vermögensvorteil. Dieser
berechnet sich als Differenz zwischen dem gegenwärtigen und dem hypothetischen
1
Vermögensstand, der ohne das bereichernde Ereignis vorliegen würde (Differenzhypothese) (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 1776).
In Abweichung von der traditionellen, am Vermögen des Bereicherten orientierten Differenzhypothese vertritt eine andere Lehrmeinung eine gegenständliche Betrachtungsweise
der Bereicherung (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 1777, m.w.H.). Anknüpfungspunkt ist
nicht die abstrakt ermittelte Vermögensdifferenz, sondern der konkrete Gegenstand der
1
Bereicherung.
Subsumption:
Nach beiden Ansichten ist die Bereicherung bei L im Umfang des Kaufpreises von Fr. 400
1
gegeben.
3. Entreicherung
1
Gemäss Art. 62 Abs. 1 OR muss die auszugleichende Bereicherung «aus dem Vermögen
eines anderen» stammen. Ein Ausgleich soll nur stattfinden, wenn mit der Bereicherung
eine korrespondierende Entreicherung in der Vermögensmasse des Anspruchsbe-
1
rechtigten eintritt.
In der neueren Lehre und Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es, wenn die Bereicherung «auf Kosten eines anderen» eintritt, d.h. auch wenn der Anspruchsberechtig-
1
te nicht entreichert wird.
Subsumption:
A ist aus dem Vermögen des B bereichert, da der Rechtsgrund (Kaufvertrag) entfallen ist.
1
4.1. Relative Verjährungsfrist:
1
Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf eines Jahres, nachdem der Verletzte
1
von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat. Der Anspruchsberechtigte kennt seinen
Anspruch, wenn er über so viele Informationen und Unterlagen über den Sachverhalt
1
verfügt, dass ihm die gerichtliche Geltendmachung vernünftigerweise zugemutet
werden kann (BGE 129 III 503 E. 3.4; BGE 127 III 421 E. 4b; BGE 109 II 433 E. 2).
Subsumption
Gemäss SV erfährt A am 2. November 2013, dass er sich im Irrtum befand. Die relative
Verjährungsfrist fängt frühestens ab diesem Zeitpunkt an zu laufen.
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4.2. Absolute Verjährungsfrist:
Die absolute Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre seit Entstehen des Anspruchs
1
1
(Art. 67 Abs. 1 OR).
Entstehung des Bereicherungsanspruchs / Beginn der absoluten Verjährungsfrist:
Wann der Bereicherungsanspruch entsteht und damit die absolute Verjährungsfrist beginnt, beantwortet sich unterschiedlich, je nach dem welcher Theorie (siehe oben) gefolgt
0.5
wird. Dabei fragt sich, ob der Anspruch eine Nichtschuld oder eine Leistung aus einem
0.5
nachträglich weggefallenem Rechtsgrund betrifft, weil im ersten Falle die absolute Ver-
0.5
jährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Leistung, im zweiten aber mit dem Wegfall des
0.5
Rechtsgrundes beginnt (Art. 62 Abs. 2 OR; BGE 114 II 131 E1a).
Ungültigkeitstheorie :
Nach der Ungültigkeitstheorie betrifft der Bereicherungsanspruch eine Nichtschuld, weshalb die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen beginnt.
1
Das Bundesgericht vertritt ebenfalls die Ansicht, dass die absolute Verjährung im Zeitpunkt der Leistung beginnt (BGE 114 II 131, Reg. Ziff. 4).
1
I.c. fängt die absolute Verjährungsfrist mit der Zahlung an der Kasse am 1. November 2013.
0.5
Anfechtungstheorie:
Bei der Anfechtungstheorie ist man sich hinsichtlich des Beginnes der absoluten Verjährungsfrist uneinig (HUGUENIN, N 574) .
a) Nach der einen Meinung fängt die Frist erst mit der Anfechtung zu laufen, da der Ver-
1
trag bis zur Anfechtung gültig ist und erst mit der Anfechtung der Rechtsgrund entfällt
(HUGUENIN, N 574; BUCHER, OR AT, S. 699; BSK OR I-SCHWENZER, Art. 23 N 9)
b) Nach der zweiten Meinung fängt die Frist im Zeitpunkt der Leistung an zu laufen, da
1
die Anfechtung bewirkt, dass der Vertrag ex tunc ungültig ist und entzieht der Leistung
von Anfang an die Gültigkeit (KOLLER, OR AT, § 14 N 304; BGE 114 II 131 E. 3b).
Nach der Meinung a) beginnt die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Anfechtung des Vertrages, d.h. mit der Geltendmachung des Irrtums; Nach der Meinung b) beginnt sie bereits
0.5
mit der Leistung an zu laufen, d.h. am 1. November 2013.
0.5
Theorie der geteilten Ungültigkeit:
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Nach der Theorie der geteilten Ungültigkeit erweist sich der Anspruch für den Irrenden als
Leistung einer Nichtschuld, für den Vertragspartner aber als Leistung aus nachträglich
1
weggefallenem Grund.
I.c. fängt für den irrenden A die absolute Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Zahlung
an der Kasse an, d.h.am 1. November 2013.
0.5
Subsumption:
Sowohl die relative als auch die absolute Verjährungsfrist ist noch nicht abgelaufen, unab-
1
hängig welcher Theorie gefolgt wird. Massgebend ist i.c. die Ansicht des Bundesgerichts,
wonach die absolute Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Leistung beginnnt.
Subsidiarität:
Bereicherungsansprüche sind zu vertraglichen Ansprüchen subsidiär. Da vorliegend kei-
1
ne vertraglichen Ansprüche mangels einer vertraglichen Grundlage geltend gemacht werden können, können Bereicherungsansprüche geltend gemacht werden.
0.5
Fazit:
A hat einen Anspruch gegenüber L aus ungerechtfertigten Bereicherung in Höhe von
1
Fr. 400.
2. Ansprüche von L gegenüber A
A) Vertragliche Ansprüche von L gegen A
I.c. Ficht A den Vertrag wegen Grundlagenirrtums an. Damit entfällt die vertragliche
1
Grundlage, so dass die Parteien keinerlei vertragliche Ansprüche ableiten können. Daher
hat auch L keine Vertraglichen Ansprüche gegenüber A.
B) Ansprüche von A gegen L aus der Konversion in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (Umwandlungstheorie)
Die Umwandlung in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis ist entsprechend der
Rechtsprechung zu verneinen (BGE 137 III 243). A hat folglich keine Ansprüche gegenüber B aus dem vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis.
C) Anspruch von L gegenüber A auf Rückgabe der Lampe (Vindikation)
Anspruch aus Rei Vindicatio (Art. 641 Abs. 2 ZGB)
1
1
Vindikation ist nicht Gegenstand des Vorlesungsstoffes.
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Der Vindikationsanspruch geht dem Kondiktionsanspruch vor (BGE 110 II 228 E.
7d). Gemäss SV war L Eigentümerin der Lampe. Sofern sie immer noch Eigentümerin der
Lampe ist, kann sie die Lampe vindizieren. Zu prüfen ist, ob das Eigentum an der Lampe
nicht an A übergegangen ist.
Zur Übertragung des Eigentums an einem Fahrnis (mobiler Gegenstand) bedarf es einer
Causa (Rechtsgrund) und der Übertragung des Gegenstandes (Traditio).
Mit der Anfechtung des Vertrages wegen Willensmängeln fällt der Vertrag ex tunc dahin,
womit auch die Causa entfällt. A wurde die Lampe folglich ohne Rechtsgrund übertragen.
Die Voraussetzungen zum Eigentumserwerb sind in Bezug auf A nicht erfüllt. Folglich ist
L Eigentümerin der Lampe geblieben.
Fazit: L kann die Lampe vindizieren.
D) Einrede aus Art. 82 OR Analog
-Einrede des nicht erfüllten Vertrags (Art. 82 OR)
-Zweiseitiger Vertrag, der "Zug um Zug" zu erfüllen ist
1
1
-Analoge Anwendung auf gesetzliche Verhältnisse, z.B. Vindikation und Kondiktion bei
einem wegen Willensmängeln angefochtenen Vertrag
-Der Schuldner kann die fällige Leistung zurückbehalten, wenn der Gläubiger diese von
1
ihm fordert, ohne bereits seine Gegenleistung erbracht oder ordnungsgemäss angeboten zu
haben.
Subsumption:
1
Die Einrede i.S.v. Art. 82 OR kann analog geltend gemacht werden.
Fazit:
1
L kann die Einrede aus Art. 82 OR geltend gegenüber A geltend machen. Demnach muss L
dem A solange nicht den Kaufpreis rückerstatten bis A die Rückgabe der Lampe anbietet.
E) Anspruch von L gegenüber A auf
Schadenersatz aus fahrlässigem Irrtum (Art. 26 OR)
Art. 26 OR stipuliert eine Schadenersatzpflicht des fahrlässig Irrenden, sofern der Erklä-
1
rungsgegner den Irrtum nicht gekannt hat und auch nicht hätte kennen müssen.
1. Schaden:
1
Schaden ist eine unfreiwillige Vermögensverminderung, die in einer Verminderung der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder im entgangenen Gewinn besteht, und entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den
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das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte.
Subsumption:
L hat Anspruch die Lampe zurückzuerhalten. Der Sachverhalt äussert sich nicht über den
1
Zustand der Lampe. Da sie bereits ausgepackt und montiert wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Lampe nach einer Demontage nicht mehr zum Neuwert weiterverkauft
werden kann. Der Schaden würde sich i.c. in der Differenz zwischen dem ursprünglichen
Neuwert und dem aktuellen verminderten Wert ergeben.
2. Kausalzusammenhang:
1
Nach Art. 26 Abs. 1 OR ist der aus dem Dahinfallen des Vertrags erwachsene Schaden zu
ersetzen. Zwischen dem Dahinfallen des Vertrags und dem Schaden muss somit ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang bestehen.
1
Natürlicher Kausalzusammenhang: Das Dahinfallen des Vertrags muss für die entstandene Schadenszuführung eine conditio sine qua non sein.
Adäquater Kausalzusammenhang: Zwischen dem Dahinfallen des Vertrags und dem
Schaden muss in der Weise ein Zusammenhang bestehen, dass die Vertragsanfechtung
1
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet
ist, einen Schaden in der Art des eingetretenen herbeizuführen.
Subsumption:
Würde A den Vertrag nicht anfechten, so bliebe es beim Verkauf der Lampe an A zum
1
vollen Preis. L würde somit keinen Schaden erleiden. Das Dahinfallen des Vertrags ist eine conditio sine qua non für den zugefügten Minderwert und nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahren ist sie auch geeignet, einen derartigen Schaden herbeizuführen.
3. Fahrlässigkeit:
1
Fahrlässigkeit bedeutet die Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Nach
1
herrschender Lehre und Rechtsprechung ist von einem objektivierten Fahrlässigkeits-
0.5
begriff auszugehen. Das in Frage stehende Verhalten wird verglichen mit jenem Verhalten, das nach der Rechtsordnung unter den gegebenen Verhältnissen von einem Durch-
0.5
schnittsmenschen erwartet werden durfte.
Subsumption
Eine vernünftige und sorgfältige Person in der Situation des A, die eine Lampe zur Beleuchtung eines besonders wertvollen Bildes suchen würde, würde sich besonders gut
über die verschiedenen Bildlampen erkundigen. Insbesondere würde sie nicht auf eine
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Beratung im Geschäft verzichten. Durch die Erkundigung müsste sie herausfinden, dass
die Lampe aus der Reihe Lumière Royal X20 nicht für die Beleuchtung von Bildern geeignet ist. A hat auf eine Beratung verzichtet und hat folglich fahrlässig gehandelt.
4. Haftungsausschluss:
1
Der fahrlässig Irrende ist zum Ersatze des aus dem Dahinfallen des Vertrags entstandenen Schaden verpflichtet, es sei denn, dass der andere den Irrtum gekannt habe oder
1
hätte kennen sollen (Art. 26 Abs. 1 in fine OR). Erkennbarkeit des Irrtums liegt vor, wenn
dieser den Irrtum hätte erkennen müssen, wenn er beim Vertragsabschluss die den Umständen angemessene Sorgfalt beachtet hätte (REISER, Fahrlässiger Irrtum, § 5 N 87,
1
Art. 3 Abs. 2 ZGB).
Subsumption:
Da A eine ihm vom X angebotene Beratung abweist, kann X nichts von seinen Absichten
1
über den Verwendungszweck der Lampe wissen. Indem X dem A eine Beratung anbot,
wandte er jedenfalls die angemessene Sorgfalt an. Der Irrtum war für X nicht erkennbar,
auch hätte er nach der angemessenen Sorgfalt, die er beachtet hatte, den Irrtum nicht erkennen können.
Fazit: A hat den Irrtum seiner Fahrlässigkeit zuzuschreiben und macht sich für einen ggf.
1
entstandenen Schaden haftbar.
Rechtsfolgen:
1. Negatives Vertragsinteresse:
Nach Art. 26 Abs. 1 OR haftet der Irrende für das negative Vertragsinteresse. Nach die-
1
sem ist der Irrtumsgegner so zu stellen, wie wenn der Vertrag nie zustande gekommen
1
wäre.
Subsumption:
Hätte L den Vertrag nicht mit A abgeschlossen, so hätte er die im verkaufsfähigen Zustand verpackte Lampe auf seinem Lager, die er zum Neuwert veräussern könnte bzw. er
hätte sie einem Kunden bereits zum Vollpreis verkauft. Mit dem Dahinfallen des Vertrags
erhält er die Lampe zurück, allerdings hat sie einen niedrigeren Wert als vorhin. Das negative Interesse stellt folglich die Differenz zwischen dem Einkaufswert und dem aktuel-
1
len Wert.
2. Positives Vertragsinteresse:
Nach Art. 26 Abs. 2 kann der Richter auf Ersatz des positiven Vertragsinteresses erken-
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0.5
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nen, wo es der Billigkeit entspricht. Der Irrtumsgegner ist so zu stellen, wie wenn der
0.5
dahingefallene Vertrag erfüllt worden wäre (HUGUENIN, Obligationenrecht, § 5 N 593; §
8 N 942; KOLLER, OR AT, § 14 N 140). Dies ist ein richterlicher Ermessensentscheid und
kommt selten vor.
Subsumption:
Ein positives Interesse entspräche i.c. dem Verkaufspreis von Fr. 400. Dieser Schadener-
1
satz kann ausnahmsweise vom Richter aus Billigkeitsgründen gesprochen werden. I.c.
würde ein Richter den Billigkeitsentscheid eher nicht fällen.
3. Verjährung:
1
Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Haftung aus Art. 26 OR der einjährigen Verjährungsfrist nach Art. 60 OR oder der zehnjährigen Frist gemäss Art. 127 OR unterliegt.
0.5+0.5
Art 26 OR ist ein gesetzlich konkretisierter Anwendungsfall der culpa in contrahendo
0.5
(HUGUENIN, Obligationenrecht, N 593, N 1524 ff.). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil der Lehre richtet sich die Verjährung von Ansprüchen aus culpa in
contrahendo nach Art. 60 OR (BGE 134 III 390). Infolgedessen wird teilweise auch bei
Art. 26 OR von der Geltung der kürzeren Verjährungsfrist nach Art. 60 OR ausgegangen
(BSK OR-SCHWENZER, N 9 zu Art. 26 OR). Nach einem anderen Teil der Lehre unterliegt
die Haftung des fahrlässig Irrenden der allgemeinen zehnjährigen Frist nach Art. 127 OR.
Die Frist beginnt mit der Geltendmachung des Irrtums zu laufen (BSK OR- SCHWEN-
0.5
ZER, N 9 zu Art. 26 OR).
Subsumption:
Wird der Irrtum heute geltend gemacht, beginnt die Frist ab heute zu laufen. In beiden
1
Fällen ist sie noch nicht verjährt.
Fazit:
L hat Anspruch gegenüber A auf Schadenersatz in der Höhe des negativen Interesses.
Dieses entspricht der Differenz zwischen dem Neuwert der Lampe und dem aktuellen Gebrauchswert.
F. Verrechnung (Art. 120 OR)
Aufgrund der Unwirksamkeit des Kaufvertrages schuldet L dem A den Kaufpreis von
Fr. 400. Demgegenüber hat L gegenüber A wegen dessen Fahrlässigkeit einen Anspruch
auf Ersatz des negativen Interesses, ggf. könnte sie sogar Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses haben. Zu prüfen ist ob, L ihre Forderung auf Schadenersatz mit der Forderung des A verrechnen kann.
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1. Bestand der Forderung:
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Sowohl der Verrechnende als auch der Verrechnungsgegner müssen über eine wirksame
1
und gültige Forderung verfügen.
Subsumption:
L hat Anspruch gegenüber A auf Schadenersatz aus Art. 26 OR. Die Forderung ist gültig
1
und wirksam seit dem Zeitpunkt des Dahinfallens des Vertrags. A hat wiederum eine gültige und wirksame Forderung gegenüber L auf Rückerstattung des gezahlten Betrags in
Höhe von Fr. 400.
2. Fälligkeit der Verrechnungsforderung:
1
Die Forderung des Verrechnenden muss fällig sein, Hauptforderung (die Forderung des
0.5
Verrechnungsgegners) muss nur erfüllbar sein. Fälligkeit bedeutet, dass der Gläubiger
0.5
die Erfüllung der Forderung verlangen darf (BGE 129 III 535 ff.). Die Erfüllbarkeit beant-
0.5
wortet die Frage, ob der Schuldner seine Leistungen erbringen darf (HUGUENIN, Obligati-
0.5
onenrecht, § 7 N 707). Wo keine spezielle Regelung besteht, gilt Art. 75 OR, wonach die
0.5
Vermutung der sofortigen Fälligkeit und Erfüllbarkeit gilt.
Subsumption
I.S.v. Art. 75 OR ist die Forderung von L gegenüber A (Verrechnungsforderung) sofort,
also mit der Entstehung seines Schadenersatzanspruchs fällig. Dieser entsteht im Zeit-
0.5
punkt des Dahinfallens des Vertrags. Die Forderung des A gegenüber L (Hauptforderung)
auf Rückzahlung des Kaufpreises ist i.S.v. Art. 75 OR sofort erfüllbar, also seit dem Zeitpunkt des Dahinfallens des Vertrags. Da der Vertrag ex tunc dahinfällt, ist die Fälligkeit
0.5
der Verrechnungsforderung und die Erfüllbarkeit der Hauptforderung zum jetzigen Zeit-
0.5
punkt gegeben.
3. Gegenseitigkeit der Forderungen:
1
Der Verrechnende muss Gläubiger der Verrechnungsforderung und der Verrechnungsgegner Gläubiger der Hauptforderung sein (Art. 120 Abs. 1 OR).
1
Subsumption
L als die verrechnende Partei ist Gläubigerin der Verrechnungsforderung (Schadenersatz-
1
forderung), die von A geschuldet wird. Dieser ist wiederum Gläubiger der Hauptforderung
(Kaufpreis in Höhe von Fr. 400), die vom L geschuldet wird. Die Gegenseitigkeit ist erfüllt.
4. Gleichartigkeit der Forderungen:
1
Die zu verrechnenden Summen müssen Geldsummen oder zumindest «ihrem Gegenstand nach» gleichartig sein (Art. 120 Abs. 1 OR).
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1
Rechtswissenschaftliches Institut
Subsumption
Vorliegend handelt es sich bei der Verrechnungs- und Hauptforderung um Geldsummen.
1
Die Gleichartigkeit ist somit gegeben.
5. Kein Ausschluss der Verrechnung durch Vertrag oder Gesetz:
Die Verrechnung kann vertraglich ausgeschlossen werden (Art. 126 OR). Gesetzliche
1
0.5+0.5
Ausschlussgründe sind in Art. 125 OR aufgezählt.
Subsumption
Vorliegend sind keine gesetzlichen Ausschlussgründe relevant. Der SV schweigt über ei-
1
nen Ausschluss der Verrechnung. Folglich ist davon auszugehen, dass zwischen den Parteien kein Ausschluss vereinbart wurde.
6. Ausdrücklich oder stillschweigende Verrechnungserklärung:
1
Der Schuldner muss dem Gläubiger ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen geben, dass er von seinem Verrechnungsrecht Gebrauch macht (Art. 124 Abs.1 OR).
Subsumption
Damit L die Verrechnung geltend machen kann, muss er dies zumindest stillschweigend
1
dem A zu erkennen geben.
Fazit: Die Verrechnungsvoraussetzungen sind erfüllt. Damit L die Verrechnung geltend
1
machen kann, muss er diese noch dem A zumindest stillschweigend zu erkennen geben.
Frage 1 b)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der Käufer bei falschen Angaben
0.5
oder Zusicherungen über eine Kaufsache grundsätzlich entweder auf Gewährleistung
0.5
klagen oder den Vertrag wegen eines Willensmangels anfechten (BGE 114 II 131).
0.5
Anfechtung des Vertrags wegen Willensmängeln (Grundlagenirrtum)
2
Bei der Anfechtung des Vertrags wegen Willensmängeln stellt sich das Problem der Verjährung des Bereicherungsanspruchs. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
fängt die absolute Verjährungsfrist von Art. 67 OR im Zeitpunkt der Leistung der Nichtschuld zu laufen. I.c. würde die absolute Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Zahlung der
Nichtschuld beginnen. A hat das Bild vor 15 Jahren gekauft. Dies bedeutet, dass die absolute Verjährungsfrist bereits verstrichen ist. Macht A einen Willensmangel wegen
Grundlagenirrtums oder Täuschung geltend, ist sein Bereicherungsanspruch bereits verjährt.
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2
Gewährleistungsklage / Ansprüche aus Schlechterfüllung
2
Alternativ kann A auf dem Vertrag bestehen. In diesem Falle kann er die Ansprüche aus
Sachgewährleistung (Art. 197 ff. OR) geltend machen. Beim Stückkauf hat er die Wahl,
die Minderung (Kaufpreisherabsetzung) oder die Wandlung (Rücktritt vom Vertrag) geltend zu machen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stehen die Sachmängelansprüche in alternativer Konkurrenz zu den Ansprüchen aus Schlechterfüllung (Art. 97 OR), wobei bestimmte Voraussetzungen für die Sachgewährleistung (Art. 201 OR, Verwirkung und Verjährung gemäss Art. 210 OR, Haftungsausschluss gemäss Art. 199 OR) auch für die Ansprüche aus Art. 97 Abs. 1 OR statuiert werden ( BGE 133 III 335 E. 2.4.1;HUGUENIN, Obligationenrecht, § 28 N 2695 f.).
Gemäss Art. 210 Abs. 2 OR gelten für Kulturgüter i.S.v. Art. 2 des Kulturgütertransferge-
1
setzes (KGTG) besondere Verjährungsfristen; Die relative Frist beträgt ein Jahr seit der
Entdeckung des Mangels, die absolute Frist beträgt 30 Jahre seit dem Vertragsabschluss.
Unter Kulturgüter fallen unter anderem für die Kunst bedeutende Güter vom künstlerischen Interesse, wie Bilder, Gemälde etc., die ausschliesslich von Hand auf irgendeinem Träger in irgendeinem Material angefertigt sind (Art. 2 Abs. 1 KGTG i.V.m. Art. 1 lit.
3
g) i) UNESCO Konvention ; SIEHR, in FS Rey 2003, 127 ff.) oder Bilder, die mehr als
hundert Jahre alt sind (BSK OR I- HONSELL, Art. 210 N 4a i.V.m. Art. 196a N 1).
Subsumption:
Das Bild fällt unter den Begriff des Kulturgutes, da es sich um ein für die Kunst bedeuten-
1
des von Hand angefertigtes Objekt handelt. Dazu ist es über 100 Jahre alt. Gemäss SV
hat A die Fälschung, welche ein Original sein sollte, vor 15 Jahren erworben. Die absolute
Frist ist folglich nicht verstrichen. Kenntnis über die Unechtheit des Bildes hat er gemäss
SV in November 2013 erlangt. Damit ist auch die relative Verjährungsfrist heute noch
nicht verstrichen. Dieselbe Frist ist auch zu beachten, wenn sich der Kläger auf die alternative Anspruchsgrundlage aus Art. 97 f. OR bezieht.
Fazit:
Da die Bereicherungsansprüche bereits verjährt sind, hat A bessere Aussichten, wenn er
1
die kaufrechtlichen Sachgewährleistungsansprüche oder alternativ die Ansprüche aus der
Schlechterfüllung geltend macht, wobei hier die Regeln aus dem Kaufrecht (Rügeoblie-
2
Die Gewährleistungsansprüche nach Art. 197 ff. OR sind nicht Gegenstand des Vorlesungsstoffes.
3
SR 0.444.1
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genheit gemäss Art. 201 OR, Verwirkung und Verjährung gemäss Art. 210 OR) ebenfalls
Anwendung finden.
Frage 2
1. Ansprüche des A gegen B
A) Vertragliche Ansprüche des A gegen B
I. Zustandekommen und Qualifizierung des Vertrages zwischen A und B
Zustandekommen:
Nach Art.1 Abs. 1 OR ist zum Abschluss eines Vertrages der Austausch gegenseitiger
1
übereinstimmender Willenserklärungen erforderlich. Wenn sich die Parteien übereinstimmend geäussert, verstanden, und in diesem Verständnis geeinigt haben, liegt ein tatsächlicher oder natürlicher Konsens vor.
1
Subsumption:
Laut SV hat A vor fünfzehn Jahren dem B sein Bild verkauft. Ein gegenseitiger und über-
1
einstimmender Konsens lag vor, der Vertrag ist zustande gekommen.
Qualifizierung des Vertrags:
Kaufvertrag i.S.v. Art. 184 Abs. 1 OR: Verpflichtung zur Übergabe eines Kaufge-
2
genstandes und Eigentumsverschaffung daran gegen Zahlung des Kaufpreises.
Subsumption:
A hat sich mit B geeinigt, diesem ein Gemälde zum Wert von Fr. 5‘000 zu Eigentum zu
1
übertragen. Es liegt folglich ein Kaufvertrag vor.
II. Gültigkeit des Vertrags
Der Vertrag ist ungültig wenn bestimmte Willensmängel vorliegen oder eine Formvor-
0.5
schrift verletzt wurde
0.5
Subsumption:
Der Kaufvertrag unterliegt keiner besonderen Formvorschrift (Art. 11). Eine Verletzung ei-
1
ner Formvorschrift liegt somit nicht vor.
Zu prüfen ist, ob der Vertrag nicht mit Willensmängeln behaftet ist.
1. Absichtliche Täuschung (Art. 28 OR)
1. Täuschendes Verhalten:
Das täuschende Verhalten muss sich auf Sach- bzw. Rechtsverhalte beziehen (HUGUENIN,
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1
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Obligationenrecht, § 5 N 537). Ein täuschendes Verhalten ist auch passiv bei Verschwei-
0.5
gen vorhandener Tatsachen gegeben, sofern der Vertragspartner eine Aufklärungs-
0.5
pflicht hat.
a) Verschweigen vorhandener Tatsachen
Tatsache ist, dass es sich beim vorliegenden Bild nicht um ein Werk eines Schülers von
1
Rembrandt handelt, sondern um ein Werk von Rembrandt.
Subsumption:
B kennt diese Tatsache und verschweigt sie.
1
b) Aufklärungspflicht
Nach Treu und Glauben besteht eine erhöhte Aufklärungspflicht bei starker Information-
1
sasymmetrie bei den Parteien (BGE 4C.26/2000 E. 2a bb; HUGUENIN, Obligationenrecht,
§ 5 N 539). Eine Aufklärungspflicht ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Vertragspartner erkennt oder erkennen muss, dass sich sein Gegenüber in einem wesentlichen
Irrtum befindet (BGE 117 II 218 E. 3b).
Subsumption:
Zwischen A und B besteht eine starke Informationsasymmetrie. B ist in der Kunstbranche
1
tätig und verfügt infolgedessen über mehr Kenntnisse über den Kaufgegenstand als A.
Dazu hat er gemäss SV sogar erkannt, dass A über den echten Autor des Bildes im wesentlichen Irrtum liegt (dazu siehe unten)
2. Täuschungsabsicht
Der Täuschende muss darum wissen oder zumindest in Kauf nehmen, beim Irrtums-
1
0.5+0.5
gegner durch sein täuschendes Verhalten einen Irrtum hervorzurufen oder einen beste-
0.5
henden Irrtum - trotz Aufklärungspflicht - aufrechterhalten zu haben. Die Absicht muss
0.5
sich auch auf die Kausalität beziehen. Der Täuschende muss zumindest in Kauf nehmen,
0.5
dass der Getauschte bei fehlerfreier Willensbildung gar keine oder eine andere Willenserklärung abgegeben hätte (FURRER/MÜLLER-CHEN, Obligationenrecht AT, Kap 17 N 19;
HUGUENIN, Obligationenrecht, § 5 N 540).
Subsumption:
B weiss, dass A hinsichtlich des Autors des Bildes im Irrtum liegt. Mit seinem Schweigen
lässt er den Irrtum aufrechterhalten. Da die verschwiegene Tatsache einen wesentliche
Einfluss auf den Wert des Bildes hat, ist es offensichtlich, dass der A bei Kenntnis der
wahren Sachlage den Vertrag nicht oder nicht zu den gegebenen Konditionen geschlossen hätte; insbesondere hätte er den Kaufvertrag zu einem erheblich höheren Wert abgeschlossen. Dieser Umstand muss für B erkennbar sein.
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3. Kein Rechtfertigungsgrund
1
Absichtliche Täuschung ist nicht gegeben, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (z.B.
1
erlaubte Falschaussage, siehe HUGUENIN, Obligationenrecht, § 5 N 542).
Subsumption:
I.c. ist kein Rechtfertigungsgrund ersichtlich.
1
4. Motivirrtum
1
Motivirrtum ist ein Irrtum in der Willensbildung. Der Irrende geht von einer falschen Vor-
1
stellung über die Wirklichkeit aus.
Subsumption:
Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ging A davon aus, dass es sich lediglich um ein Bild
1
eines Schülers von Rembrandt handle. Tatsächlich stammt das Bild von Rembrandt. A
ging somit von einer falschen Vorstellung über die Wirklichkeit aus. Ein Motivirrtum ist gegeben.
5. Subjektive Wesentlichkeit
1
Der Sachverhalt ist für den Irrenden subjektiv wesentlich, wenn dieser bei einer richtigen
1
Einschätzung des fraglichen Sachverhalts den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.
Subsumption:
Unter Kenntnis der Tatsache, dass es sich um ein Original handelt, hätte A den Vertrag
1
entweder nicht abgeschlossen oder diesen zu einem erheblich höheren Verkaufspreis geschlossen.
6. Erklärung, den Vertrag nicht halten zu wollen:
1
Zur Geltendmachung des Irrtums bedarf es einer Willenserklärung, die ausdrücklich
1
oder stillschweigend geäussert werden kann. Der Grund braucht aus der Erklärung nicht
vorzugehen.
Frist (Art. 31 OR)
1
-1 Jahr seit Entdeckung des Irrtums
1
-Verwirkungsfrist: Nichteinhaltung der Frist bedeutet stillschweigende Genehmigung des
1
Vertrags.
Subsumption:
A hat am 20. Januar 2014 erfahren, dass er ein Original verkauft hatte. In diesem Zeitpunkt könnte es für ihn klar sein, dass er von B getäuscht wurde. Die Verwirkungsfrist
fängt ab diesem Zeitpunkt an zu laufen.
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Rechtsfolgen:
Siehe oben, Rechtsfolgen beim Grundlagenirrtum.
Fazit:
Die absichtliche Täuschung ist gegeben. Die Erklärung muss innert der Jahresfrist erfol-
1
gen.
2. Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 2 Ziff. 4 OR)
1. Motivirrtum:
1
Motivirrtum ist ein Irrtum in der Willensbildung. Der Irrende geht von einer falschen
1
Vorstellungüber die Wirklichkeit aus.
Subsumption:
A geht davon aus, dass er lediglich ein Bild eines Schülers von Rembrandt im Wert von
1
Fr. 5‘000 verkauft; dabei handelt es sich um ein Original von Rembrandt. A geht somit von
einer falschen Vorstellung der Wirklichkeit aus.
2. Wesentlichkeit:
2.1 Subjektive Wesentlichkeit:
1
Der Sachverhalt ist für den Irrenden subjektiv wesentlich, wenn dieser bei einer richtigen
1
Einschätzung des fraglichen Sachverhalts den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.
Subsumption:
In Kenntnis der wahren Sachlage hätte A das Bild entweder gar nicht veräussert oder
1
nicht zu Fr. 5‘000.
2.2 Objektive Wesentlichkeit:
1
Der Irrtum betrifft einen SV oder einen Sachverhaltsaspekt, der nach „Treu und Glauben
im Geschäftsverkehr“ als eine notwendige Vertragsgrundlage betrachtet werden darf
1
und muss.
1
Subsumption:
Nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr ist die Echtheit oder Unechtheit des Bildes
1
eine notwendige Vertragsgrundlage, da sie eine unmittelbare Auswirkung auf den Preis
hat. I.c. war der irrtümlich vorgestellte SV, nachdem es sich nicht um ein Original handelte, eine notwendige Vertragsgrundlage für den günstigen Verkauf des Bildes zu Fr. 5000.
3. Erkennbarkeit:
1
In der Rechtsprechung und Lehre ist umstritten, ob die Gegenpartei die Bedeutung des
1
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Sachverhalts, über den der Irrende geirrt hat, hätte erkennen können müssen oder nicht.
Subsumption:
Für B muss die Bedeutung, die der irrtümlich vorgestellte Sachverhalt für A hat, erkennbar
1
sein. Es ist ihm auch klar, dass B in Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag nicht zum
vereinbarten Preis abgeschlossen hätte.
5. Erklärung, den Vertrag nicht halten zu wollen:
1
Zur Geltendmachung des Irrtums bedarf es einer Willenserklärung, die ausdrücklich
1
oder stillschweigend geäussert werden kann. Der Grund braucht aus der Erklärung nicht
vorzugehen.
Frist (Art. 31 OR)
1
-1 Jahr seit Entdeckung des Irrtums
1
-Verwirkungsfrist: Nichteinhaltung der Frist bedeutet stillschweigende Genehmigung des
1
Vertrags.
Subsumption:
1
A muss den Willensmangel mit einer stillschweigenden oder ausdrücklichen Erklärung innert eines Jahres seit Erkennung des Irrtums geltend machen.
Fazit zum Grundlagenirrtum:
Die Voraussetzungen für Grundlagenirrtum sind erfüllt.
1
Rechtsfolgen:
Siehe oben, Rechtsfolgen beim Grundlagenirrtum.
Konkurrenz:
Sind sowohl die Voraussetzungen der absichtlichen Täuschung als auch jene des Grund-
1
lagenirrtums erfüllt, besteht Anspruchskonkurrenz. Wird im Prozess beides geltend gemacht, so geht die Unverbindlichkeit wegen absichtlicher Täuschung vor, da Art. 28 OR
einen weitergehenden Schutz gewährt (BSK OR I-SCHWENZER, Art. 28 N 22; BGE 40II
538).
3. Übervorteilung (Art. 21 OR)
1. Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung:
1
Zur Feststellung des Missverhältnisses sind alle Leistungen nach dem objektiven Wert
1
sowie die Rechte und Pflichten der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
gegeneinander abzuwägen (CH OR - KUT, Art. 21 N 9; HUGUENIN, Obligationenrecht, § 5
N 456). Der objektive Wert ist der Marktpreis oder das übliche Entgelt. Offenbar ist das
Missverhältnis, wenn «in die Augen fällt», d.h., wenn es deutlich ist (BSK OR-HUGUENIN,
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Art. 21 N 5).
Subsumption
Das Missverhältnis ist deutlich am Marktpreis erkennbar. Während A ein Bild, welches ei-
1
nen echten Marktpreis von Fr. 20 Millionen hat, dem B gibt, leistet dieser dem A als Gegenleistung lediglich Fr. 5‘000.
2. Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit beim Übervorteilten
1
Vorausgesetzt wird ein die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigender Schwächezustand
beim Übervorteilten. Der Schwächezustand ergibt sich aus der Notlage, der Unerfahren-
1
heit oder des Leichtsinns der übervorteilten Partei (Art. 21 Abs. 1 OR), wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist.
Unerfahrenheit ist gegeben, wenn dem Unerfahrenen die Sachkenntnis fehlt, um die
1
Tragweite und Bedeutung des infrage stehenden Rechtsgeschäfts richtig einzuschätzen
(BGE 92 II 168 E. 5a).
Subsumption:
Gemäss SV fehlt dem A offensichtlich die Sachkenntnis, um die Originalität des Bildes
1
richtig einzuschätzen. A ist unerfahren.
3. «Ausbeutung» der Situation durch die Übervorteilende
1
Unter Ausbeutung wird das bewusste Ausnützen der Ausnahmesituation des Ver-
1
tragspartners mit dem Zweck, den Vertragsabschluss mit dem für die Übervorteilende
vorteilhaften Leistungsversprechen herbeizuführen, verstanden (BGE 92 II 168 E. 5b;
BK OR - KRAMER, Art. 21 N 33; HUGUENIN, Obligationenrecht, § 5 N 462).
Subsumption:
Gemäss SV nützt B die Unkenntnis des A bewusst aus, damit er das Originalbild zu einem
1
erheblich niedrigen Preis erwerben kann. Die «Ausbeutung» ist i.c. erfüllt.
4. Frist (Art. 21 OR):
1
Gemäss Art. 21 Abs. 1 OR kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den
1
Vertrag nicht halte, damit er das schon Geleistete zurückverlangen kann. Die Jahresfrist
beginn mit dem Abschluss des Vertrages (Art. 21 Abs. 2 OR).
Subsumption:
Der Vertrag wurde am 5. Januar 2008 geschlossen. Die Jahresfrist wurde nicht eingehal-
1
ten.
Fazit: A hat gegenüber B keine Ansprüche aus Übervorteilung, da diese aufgrund der
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1
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Nichteinhaltung der Jahresfrist i.S.v. Art. 21 Abs. 2 OR bereits verjährt sind.
4. Prüfung der Nichtigkeit des Vertrags wegen Sittenwidrigkeit (Art. 20 Abs.1 OR)
Ein Vertrag ist sittenwidrig, wenn er gegen sozial (moralisch-ethische) Werte verstösst, die
1
nach allgemeiner Auffassung der Vertragsfreiheit und der Vertragstreue überzuordnen
sind.
Leistungsinäquivalenz als Sittenwidrigkeit
1
Das offenbare Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung wird grundsätzlich in
1
Art. 21 OR geregelt (BGE 115 III 232). Ausnahmsweise wurde vom Bundesgericht bei
überhöhten Darlehenszinsen eine sittenwidrige Vereinbarung angenommen (BGE 93 II
189 ff.). Nach einem Teil der Lehre soll die Sittenwidrigkeit bei «besonders krasser
Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung» greifen (BK-KRAMER, Art. 19-20 N 205;
SCHWENZER, OR AT, N 32.32).
Subsumption:
I.c. liegt ein besonders krasses Missverhältnis vor; ein Bild im Wert von Fr. 20 Millionen
1
wird lediglich für Fr. 5'000 verkauft. Nach einem Teil der Lehre ist der Vertrag folglich sittenwidrig.
Fazit: Folgt man dem einen Teil der Lehre, so ist der Vertrag zwischen A und B aufgrund
1
des besonders krassen Missverhältnisses nichtig.
Nach der herrschenden Meinung führt ein krasses Missverhältnis indessen nicht zur
1
Nichtigkeit des Vertrags.
Fazit zu A: Da kein gültiger Vertrag zustande gekommen ist, kann A gegenüber B keine
vertraglichen Ansprüche ableiten.
B. Anspruch von A gegen B auf Herausgabe des Bildes (Vindikation)
Anspruch aus Rei Vindicatio (Art. 641 Abs. 2 ZGB)
4
Der Vindikationsanspruch geht dem Kondiktionsanspruch vor (BGE 110 II 228 E.
7d). Gemäss SV war A Eigentümerin des Bildes. Sofern er immer noch Eigentümer des
Bildes ist, kann er das Bild vindizieren. Zu prüfen ist, ob das Eigentum an dem Bild nicht
an B übergegangen ist.
Zur Übertragung des Eigentums an einem Fahrnis (mobiler Gegenstand) bedarf es einer
4
Vindikation ist nicht Gegenstand der Prüfung.
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Causa (Rechtsgrund) und der Übertragung des Gegenstandes (Traditio).
Mit der Anfechtung des Vertrages wegen Willensmängeln fällt der Vertrag ex tunc dahin,
womit auch die Causa entfällt. A wurde die Lampe folglich ohne Rechtsgrund übertragen.
Die Voraussetzungen zum Eigentumserwerb sind in Bezug auf B nicht erfüllt. Folglich ist
A Eigentümer des Bildes geblieben.
Fazit: A kann das Bild vindizieren.
2. Ansprüche des B gegen A
A) Vertragliche Ansprüche von B gegen A
I.c. fehlt es an einer vertraglichen Grundlage, wenn A den Willensmangel geltend macht.
1
Folglich lassen sich aus dem Verhältnis zwischen A und B keine vertraglichen Ansprüche
ableiten. B hat keinen Vertraglichen Anspruch gegenüber A.
B) Anspruch von B gegen A auf Rückerstattung des Kaufpreises (Art. 62 OR)
1. Fehlender Rechtsgrund
1
Indem der Vertrag wegen Grundlagenirrtums dahingefallen ist, fehlt es an einem Rechts-
1
grund (causa) für den Geldbetrag in Höhe von Fr. 5‘000, welchen A von B im Zusammenhang mit dem Kauf des Bildes erhalten hat.
2. Bereicherung
1
Die Bereicherung manifestiert sich beim Bereicherten in einem Vermögensvorteil. Dieser
berechnet sich als Differenz zwischen dem gegenwärtigen und dem hypothetischen
1
Vermögensstand, der ohne das bereichernde Ereignis vorliegen würde (Differenzhypothese) (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 1776).
In Abweichung von der traditionellen, am Vermögen des Bereicherten orientierten Differenzhypothese vertritt eine andere Lehrmeinung eine gegenständliche Betrachtungsweise
der Bereicherung (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 1777 m.w.H.). Anknüpfungspunkt ist
nicht die abstrakt ermittelte Vermögensdifferenz, sondern der konkrete Gegenstand der
1
Bereicherung.
Subsumption
Nach beiden Ansichten ist die Bereicherung bei A im Umfang des Kaufpreises von
1
Fr. 5‘000 gegeben.
3. Entreicherung
Gemäss Art. 62 Abs. 1 OR muss die auszugleichende Bereicherung «aus dem Vermögen
eines anderen» stammen. Ein Ausgleich soll nur stattfinden, wenn mit der Bereicherung
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eine korrespondierende Entreicherung in der Vermögensmasse des Anspruchsbe-
1
rechtigten eintritt.
In der neueren Lehre und Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es, wenn die Bereicherung «auf Kosten eines anderen» eintritt, d.h. auch wenn der Anspruchsberechtig-
1
te nicht entreichert wird.
Subsumption:
A ist aus dem Vermögen des B bereichert, da der Rechtsgrund (Kaufvertrag) entfallen ist.
1
4.1. Relative Verjährungsfrist:
1
Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf eines Jahres, nachdem der Verletzte
1
von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat. Der Anspruchsberechtigte kennt seinen
Anspruch, wenn er über so viele Informationen und Unterlagen über den Sachverhalt
1
verfügt, dass ihm die gerichtliche Geltendmachung vernünftigerweise zugemutet
werden kann (BGE 129 III 503 E. 3.4; BGE 127 III 421 E. 4b; BGE 109 II 433 E. 2).
Subsumption:
B muss mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vertrags durch A Kenntnis über
1
seinen Bereicherungsanspruch haben. Ab diesem Zeitpunkt sollte die Verjährungsfrist beginnen zu laufen. I.c. ist sie noch nicht verstrichen.
4.2. Absolute Verjährungsfrist:
1
Die absolute Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre seit Entstehen des Anspruchs.
1
Entstehung des Bereicherungsanspruchs / Beginn der absoluten Verjährungsfrist:
Wann der Bereicherungsanspruch entsteht und damit die absolute Verjährungsfrist beginnt, beantwortet sich unterschiedlich, je nach dem welcher Theorie (siehe oben) gefolgt
0.5
wird. Dabei fragt sich, ob der Anspruch eine Nichtschuld oder eine Leistung aus einem
0.5
nachträglich weggefallenen Rechtsgrund betrifft, weil im ersten Fall die absolute Ver-
0.5
jährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Leistung, im zweiten aber mit dem Wegfall des
0.5
Rechtsgrundes beginnt (Art. 62 Abs. 2 OR; BGE 114 II 131 E1a).
Ungültigkeitstheorie (BGE 114 II 131):
Nach der Ungültigkeitstheorie betrifft der Bereicherungsanspruch eine Nichtschuld, wes-
1
halb die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen beginnt.
I.c. beginnt die absolute Verjährungsfrist mit der Zahlung am 5. Januar 2008 an zu laufen.
Anfechtungstheorie:
Bei der Anfechtungstheorie ist man sich hinsichtlich des Beginnes der absoluten Verjährungsfrist uneinig (HUGUENIN, N 574)
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0.5
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a) Nach der einen Meinung fängt die Frist erst mit der Anfechtung zu laufen an, da der
1
Vertrag bis zur Anfechtung gültig ist, und erst mit der Anfechtung der Rechtsgrund entfällt
(HUGUENIN, N 574; BUCHER, OR AT, S. 699; BSK OR I-SCHWENZER, Art. 23 N 9)
b) Nach der zweiten Meinung fängt die Frist im Zeitpunkt der Leistung an zu laufen, da
1
die Anfechtung bewirkt, dass der Vertrag ex tunc ungültig ist und entzieht der Leistung von
Anfang an die Gültigkeit (KOLLER, OR AT, § 14 N 304; BGE 114 II 131 E. 3b).
Nach der Meinung a) beginnt die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Anfechtung des Vertra-
0.5+0.5
ges, d.h. mit der Geltendmachung des Irrtums ; Nach der Meinung b) beginnt sie bereits mit der Leistung an zu lafuen, d.h. am 5. Januar 2008.
Theorie der geteilten Ungültigkeit:
Nach der Theorie der geteilten Ungültigkeit erweist sich der Anspruch für den Irrenden als
1
Leistung einer Nichtschuld, für den Vertragspartner aber als Leistung a.us nachträglich
weggefallenem Grund.
I.c. fängt für den irrenden A die absolute Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Zahlung
0.5
an, d.h. am 5. Januar 2008.
Subsumption:
Die relative sowohl als auch die absolute Verjährungsfrist ist noch nicht abgelaufen, unab-
1
hängig von welcher Theorie gefolgt wird. I.c. ist der Ansicht der Bundesgerichts zu folgen,
wonach die absolute Verjährung mit der Leistung der Nichtschuld beginnt.
Kondiktionssperre (Art. 63 und 66 OR):
Freiwillige Leistung einer Nichtschuld:
1
Der Bereicherungsanspruch ist ausgeschlossen für den Fall einer freiwilligen und irrtumsfreien Zahlung einer Nichtschuld (Art. 63 Abs.1 OR)
Nach der Zweikondiktionentheorie ist bei zwei sich gegenüberstehenden Bereiche-
1
rungsansprüchen jede Forderung für sich alleine zu betrachten.
Demgegenüber vertritt die neuere Saldotheorie die Ansicht, dass die Leistungen im Ge-
1
samtzusammenhang zu betrachten sind. Danach ist derjenige bereichert, der «per Saldo» mehr erhalten hat (HUGUENIN, Obligationenrecht, N 1817 m.w.H.)
Die herrschende Lehre vertritt die Ansicht, dass bei der Ungültigkeit eines synallagmatischen Vertrags entgegen Art. 63 Abs. 1 OR auch eine freiwillige und irrtumsfreie Leistung zurückverlangt werden könne (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 1577 ff.; BGE 115 II 28 E.
1a).
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Subsumption:
Die Anfechtung des Vertrages wegen Willensmängeln führt zur Ungültigkeit des Vertrages
mit Wirkung ex tunc. B hatte somit am 5. Januar 2008 mit der Zahlung von Fr. 5000 an A
1
eine Nichtschuld geleistet. Diese Leistung erfolgte von B freiwillig. Gemäss SV wusste er,
dass sich A im Irrtum befand. Somit ging er von der anfänglichen Ungültigkeit des Vertrages aus.
Fazit:
Da es sich i.c. um die Ungültigkeit eines synallagmatischen Vertrags handelt, kann B
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den an A geleisteten Betrag zurückverlangen, auch wenn es sich um eine freiwillige und
irrtumsfrei geleistete Nichtschuld handelt. Zum selben Resultat kommt man nach der Sal-
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dotheorie. Anders wäre es nach der Zweikondiktionentheorie, wonach B den gezahlten
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Betrag nicht zurück verlangen könnte.
Umfang der Leistung (Art. 66 OR)
Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn die Vermögensverschiebung in der Absicht,
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einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, vorgenommen wurde
(HUGUENIN, Obligationenrecht, N 1811 m.w.H.)
Die herrschende Lehre schränkt den Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf den
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Gaunerlohn ein, d.H. für Leistungen, die der Belohnung eines rechts- oder sittenwidrigen
Handelns des Bereicherten dienen.
Der SV passt nicht in den eingeschränkten Anwendungsbereich des Art. 66 OR. I.c. han-
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delt B zwar sittenwidrig, indem er Tatsachen trotz Aufklärungspflicht verschweigt, doch es
handelt sich um einen Gaunerlohn.
Fazit: Der Betrag von Fr. 5000 soll im vollen Umfang rückerstattet werden.
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Fazit zum Bereicherungsanspruch:
B hat Anspruch gegenüber A aus ungerechtfertigten Bereicherung in Höhe von Fr. 5000.
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Subsidiarität:
Bereicherungsansprüche sind zu vertraglichen Ansprüchen subsidiär. Da vorliegend kei-
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ne vertraglichen Ansprüche mangels einer vertraglichen Grundlage geltend gemacht werden können, können Bereicherungsansprüche geltend gemacht werden.
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