Das Fest der Fogaceiras
Transcription
Das Fest der Fogaceiras
Das Fest der Fogaceiras In Santa Maria da Feira gibt es jedes Jahr ein großes Stadtfest, das Fest der Fogaceiras, zu Ehren von São Sebastião – dem Heiligen Sebastian. Vor 510 Jahren, also im Jahre des Herren anno 1505, wütete das Gelbfieber in den Terras de Santa Maria. Die Stadtväter wandten sich in ihrer Not an São Sebastião. Sie legten ein Gelübde ab, daß sie zu seinen Ehren die Armen speisen würden, wenn sie von der Krankheit verschont blieben. So war es denn auch, daß das Fieber an der Vila da Feira vorrüberging. Seit einem halben Jahrtausend backen die Konditoren und die Bäcker der Stadt ein Zuckerbrot, die Fogaça, die dann in einer Prozession von den jungen Mädchen der Stadt in die Kirche getragen werden, um sie zu segnen. An jedem 20. Januar werden die, die weniger Glück im Leben hatten, mit der gesegneten Speise bedacht. Es sind die jungen Mädchen, die in traditioneller Kleidung die Fogaças auf ihren Köpfen vom Rathaus in die Kirche tragen. In all den Jahrhunderten fiel das Fest nur vier Mal aus. Man soll die Feste ja bekanntlich feiern, wie sie fallen. Tatsächlich sind die Stadtfeste meist im Sommer, doch Feira bildet dahingehend eine Ausnahme. Noch wurden die örtlichen Feiertage nicht abgeschafft, im Gegensatz zu einigen kirchlichen und nationalen Feiertagen, die auf Druck der Troika „vorübergehend“ ausgesetzt wurden. Allerseelen (11.1.) und der Tag der Republik (5.10.) sind nur zwei Beispiele. Aber die Stadtheiligen wie São João (Porto), Santo António (Lissabon) und São Pedro (Coimbra) sind dem Portugiesen so wichtig wie dem Brasilianer (und dem Rheinländer) der Karneval. Der Faschingsdienstag selbst ist zwar nicht „ausgesetzt“ worden, aber die „Brücke“ am Montag wurde im öffentlichem Dienst nicht gestattet. Die Karnevalhochburgen Ovar, Albufeira und Funchal und andere haben dagegen rebelliert und den Angestellten der Stadt den Urlaubstag genehmigt. Diese Feste sind nämlich, so die Bürgermeister, Lokalwirtschaft. ein wichtiger Antrieb für die Auch für Anta Maria da Feira ist das Fest der Fogaceiras – übrigens die Bezeichnung der Mädchen, die an der Prozession teilnehmen – ein wichtiger Faktor im Erhalt der Lokalwirtschaft. Mag ja sein, daß viele Geschäfte am 20. Januar schließen, doch die Bäcker machen genug Umsatz, um einen guten Start in das neue Jahr zu haben. In ganz Portugal und über die Landesgrenzen hinaus (besonders in Spanien) bekannt, ist das Fest eine weitere Tourismusattraktion der Stadt – neben Mittelalterfest, Straßentheater Festival, „Perlim – das Land der Träume“ (Weihnachtsthemenpark) und vielem mehr. Tausende Besucher kommen in die Stadt und spülen Geld in den Stadtsäckel. Da die Stadt immer mehr Bürgern finanziell helfen muss, ist das Geld auch nötig. Selbst die Restaurants, die Bäcker, die Konditoren und die Cafébesitzer können nach dem Fest wieder durchatmen. Denn sie hatten es in letzter Zeit nicht leicht. Rauchverbot bzw. einen Abzug einbauen, Preiserhöhungen von Strom, Gas, Wasser, eigentlich fast allem, Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf 23 Prozent und vor allem: Kunden, die ständig pleite sind und immer weniger konsumieren. Das Luxussegment ist das einzige, was sich noch hält. So ist alles, was diesem Volk etwas Freude macht, willkommen. Ebenso Arbeit ist sehr willkommen in einer Zeit, in der es eine massive Auswanderungswelle gibt. Der Herr Pinto, Besitzer des Cafés Renascer, hat die Tage alle Hände voll zu tun. Mit seiner Frau, seiner Tochter und einer weiteren Angestellten hält er den Laden über Wasser. Sie haben schon bessere Zeiten gesehen, aber er lässt sich nicht klein kriegen. Ich bekomme die Auswirkungen der Krise mit, da wir gut befreundet sind. So habe ich auch einen Blick in die Backstube werfen können, ja sogar das Geheimnis der Fogaça sehen dürfen. Nein, ich werde es nicht verraten. Nur so viel: Die vier Knubbel auf der Fogaça repräsentieren die 4 Türme der Burg von Feira. Eine Besonderheit in der Militärarchitektur des 12. Jahrhunderts. Die Fogaças gehen jedenfalls weg wie warme Semmeln. Pardon: wie warme Fogaças! Der Andrang im Café des Herrn Pinto wurde immer größer, und ehe ich mich versah, habe ich Fogaças eingepackt, die Backbleche zurück in die Backstube getragen, die nächste Fuhre gleich mit herausgebracht, und das Ganze ging wieder von vorne los. Gerade noch saß ich an seinem PC, tippte diesen Artikel und schon wurde ich zum Hilfskonditor gemacht. Ja, das Fest gibt den Leuten Arbeit und dadurch Geld. Die Mädchen sind ganz stolz auf ihre wichtige Aufgabe, die Mütter haben Tränen in den Augen, die Omis weinen direkt darauf los, und die Väter und Großväter sind die reinsten Nervenbündel. In der Kirche und im Rathaus werkeln Hunderte von Freiwilligen und bereiten emsig den großen Tag vor. Eine mittlere Fogaça (650 Gramm) kostet 5 €, eine große (1.500 Gramm) 10 €. Das ist viel Geld, beträgt der Preis für ein normales Frühstücksbrötchen doch nur 10 – 12 Cent. Man kann sich denken, daß sich die wenigsten ein so teures Gebäck leisten können. Aber einmal im Jahr? Das geht schon. Die, die es sich nicht leisten können, müssen aber nicht darauf verzichten, da die Tradition ja gerade für diese Menschen erschaffen. Nach der Messe werden die gesegneten Fogaças an alle verteilt, und die gesamte Gemeinde speist genüsslich das gesegnete Brot. Da es schon spät ist, und ich auch meine Scheibe abbekommen möchte, werde ich mich von Herrn Pinto verabschieden, und auch zu Ihnen, liebe Leser, sage ich: „Wir sehen uns in Santa Maria da Feira.“ Ihr Rui Filipe Gutschmidt