Pro-Dialog_Studie_NPO-Kommunikation_2010-02
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Pro-Dialog_Studie_NPO-Kommunikation_2010-02
1 Eine Studie der Berlin, Februar 2010 2 Kurzzusammenfassung Der Erfolg von Non-Profit-Organisationen (NPO) hängt ganz maßgeblich von guter Kommunikation ab. Sie garantiert Aufmerksamkeit im steten Strom der Informationen und Meinungen, sie weckt das Interesse von Unterstützern und bindet sie an die eigene Organisation. Diese Erkenntnis ist der Ausgangspunkt für die vorliegende Studie „Blick in die USA: Erfolgreiche Non-Profit-Kommunikation“. Sie analysiert die Marketingstrategien von 14 ausgesuchten NPOs in den Vereinigten Staaten in drei zentrale Bereiche, den 3 Ms: Message (Botschaft) Money (Fundraising) Mobilization (Freiwilligenmanagement) Ziel der Studie ist es, als Impulsgeber für die Einführung von Innovationen im deutschen Non-Profit-Sektor zu fungieren. Illustriert wird sie durch eine Vielzahl von Best Practise-Beispielen in so unterschiedlichen Bereichen wie Branding, integriertes Marketing, Storytelling, Spendengewinnung, Spenderbindung und Freiwilligenmobilisierung. Das Ergebnis der Studie: Wer als Non-Profit-Organisation erfolgreich kommunizieren möchte, benötigt eine klare und konsistente Botschaft, ein ganzheitliches Marketingdenken, den direkten Dialog mit Spendern und Unterstützern, viel Emotion und einen langen Atem. 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ………………………………………………………… 5 2. Message – Botschaft ………………………………………….. 8 2.1 Branding ……………………………………………………………….. 8 2.2 Integration ……………………………………………………………... 11 2.3 Storytelling …………………………………………………………….. 15 3. Money - Fundraising ……………………………………………. 20 3.1 Spendengewinnung …………………………………………………… 20 So direkt wie möglich ……………………………………………….... 21 Machen Sie es konkret ……………………………………………….. 28 Jeder Unterstützer ist ein Botschafter ………………………………. 29 Win-Win-Situationen mit Unternehmen schaffen ………………….. 32 3.2 Spenderbindung ………………………………………………………. 34 Personalisieren ………………………………………………………… 34 Aufklären ……………………………………………………………….. 36 Involvieren ……………………………………………………………… 37 4. Mobilization – Freiwilligenmobilisierung ……………………… 39 4.1 Unterstützer rekrutieren ………………………………………………. 39 4.2 Unterstützer on- und offline mobilisieren …………………………… 42 5. Fazit ………………………………………………………………. 45 6. Glossar …………………………………………………………… 46 7. Weiterführende Literatur ……………………………………….. 48 8. Online-Ressourcen ……………………………………………... 49 4 1. Einleitung Die Erdbebenkatastrophe in Haiti hat einmal mehr gezeigt, wie elementar die Arbeit von Non-Profit-Organisationen (NPO) ist. Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen oder Bündnisse wie „Aktion Deutschland Hilft“ fungierten zunächst als Lebensretter, mittlerweile sind sie Aufbauhelfer. Ihre Arbeit bekommt sicher die meiste mediale Aufmerksamkeit, ist aber lediglich das öffentliche Aushängeschild für ein mittlerweile sehr vielfältiges Spektrum von Non-Profit-Organisationen in Deutschland. Zurzeit existieren über 250.000 gemeinnützige Vereine, Stiftungen und Initiativen, die einen substantiellen Beitrag zur Belebung der deutschen Zivilgesellschaft leisten. Von den mitgliederstarken Gewerkschaften, Unternehmer- und Sozialverbänden über Umweltschutz-, Bürgerrechtsund Hilfsorganisationen bis hin zu lokalen Sportvereinen, Bürgerstiftungen und Aktionsbündnissen. Die Initiative ProDialog hat im Januar 2010 ein repräsentatives Sample von 80 dieser NonProfit-Organisationen zu ihrer Arbeit und ihrem aktuellen Reformbedarf befragt. Das Ergebnis der ProDialog-Survey: NPOs in Deutschland üben ihre originären Tätigkeiten – z.B. die Durchführung von Hilfsprojekten, den Ausbau des Artenschutzes, die Organisation von Essenstafeln oder die Umsetzung von Jugendprojekten – mit viel Engagement und Professionalität aus. Verbesserungsbedarf besteht jedoch, wenn es um die Bereiche Marketing, Fundraising und Freiwilligenmanagement geht, die bisher allzu oft als „Sekundärtugenden“ vernachlässigt worden sind. Insbesondere die strategische Nutzung der modernen Onlinemedien und die Suche nach neuen Wegen des Spendensammelns stehen oben auf der Agenda. Um sich in diesen Bereichen zu verbessern, gaben 85% der befragten Non-Profit-Organisationen in Deutschland an, bereit zu sein, von den Strategien anderer Organisationen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu lernen. Der Bedarf an neuen Ansätzen ist offensichtlich groß. Aus diesem Grund hat sich die Initiative ProDialog entschlossen, den Blick in die USA zu richten, um dort die Kommunikation international erfolgreicher Non-Profit-Organisationen zu analysieren und sie als anschauliche Beispiele in die deutsche Debatte einzuführen. Im Mittelpunkt der Studie stehen die beiden zentralen Fragen: Was macht gute Kommunikation von Non-Profit-Organisationen aus? Was können wir von erfolgreichen NPOs in den USA lernen? Warum die Vereinigten Staaten? Zwei gute Gründe sprechen für den intensiveren Blick über den Atlantik. Zum einen ist die Zivilgesellschaft in den USA stärker ausgeprägt als in Deutschland. Die Konsequenz: Der Wettbewerb unter den Non-Profit-Organisationen ist 5 größer, der (Spender-)Markt umkämpfter, der Grad der Professionalisierung dadurch höher. Heute existieren in den USA mehr als 1,6 Millionen Non-Profit-Organisationen, je eine Organisation für 150 Amerikaner. Giving USA errechnete, dass US-Bürger im Jahr 2008 insgesamt 307,7 Mrd. Dollar an diese Organisationen spendeten. Dieser Betrag ist zwar im Vergleich zum Vorjahr um 6% gesunken - die Wirtschaftskrise lässt grüßen –, macht aber immer noch erstaunliche 2,2% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten aus. Kein Zweifel: Die USA sind das Land mit der lebhaftesten Zivilgesellschaft der Welt. Das zeigt sich auch, wenn es um den Umfang der ehrenamtlichen Tätigkeiten geht. Laut US Bureau of Labor Statistics engagierten sich im Jahr 2008 mehr als 61 Mio. Amerikaner ehrenamtlich, immerhin 26,4% der Bevölkerung. Zum anderen sind die USA das Musterland des modernen Marketings. Kaum ein Mediensystem ist so vielfältig und innovationsfreundlich wie das amerikanische. Zwei Beispiele: Jeder dritte Amerikaner ist mittlerweile Mitglied in einem sozialen OnlineNetzwerk, jeder fünfte amerikanische Internetuser nutzt Mikro-Blogging-Dienste wie Twitter. Tendenz steigend. Genau dieses Umfeld ist es, das es Unternehmen, aber auch Wahlkämpfern und Non-Profit-Organisationen ständig abverlangt, auf der Höhe der Zeit zu kommunizieren, Innovationen aufzunehmen und strategisch für sich zu nutzen. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Direkt- und Dialogmarketings, der in den USA bis heute erheblich professioneller ausgestaltet ist als in Europa. Diese beiden Punkte zeigen: Ein Blick in die USA lohnt sich. Allerdings sollte man nicht den Fehler begehen, Innovationen aus den Vereinigten Staaten eins zu eins auf Deutschland zu übertragen. Das wäre unseriös, weil es die soziokulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern negieren würde. Und dennoch: Die Initiative ProDialog ist davon überzeugt, dass sich der Non-Profit-Sektor in den Vereinigten Staaten dazu eignet, als Quelle der Inspiration, als Trendsetter und als Seismograph für die Analyse von Erfolgsfaktoren zu dienen, die NPOs in Deutschland für ihre tägliche praktische Arbeit nutzen können. Ziel der vorliegenden Studie ist mithin der Wissenstransfer zwischen den USA und Deutschland. Damit der Rahmen dieser Studie aber eingegrenzt bleibt, soll der Fokus auf die drei M´s gerichtet werden, in denen gute Kommunikation für Non-Profit-Organisationen am elementarsten ist: Message (Branding, Integration, Storytelling) Money (Spendengewinnung, Spenderbindung) Mobilization (Freiwilligenrekrutierung und -mobilisierung) Die vorliegende Analyse möchte nicht nur die zentralen Erfolgsstrategien im Bereich der NPO-Kommunikation vorstellen, sondern sie ist angereichert mit ganz konkreten Best- 6 Practise-Beispielen unterschiedlichster Non-Profit-Organisationen aus den USA, deren Spektrum von privaten Forschungseinrichtungen wie dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center über Natur- und Tierschutzorganisationen wie Humane Society oder PETA bis hin zu jüngeren erfolgreichen NPOs im humanitären Bereich wie Operation Smile und charity: water reicht. Mit ihren Vertretern wurden qualitative Interviews im Rahmen der jährlichen Konferenz der Direct Marketing Association (DMA) für Non-Profit-Organisationen geführt, die vom 27.29. Januar 2010 in Washington, DC stattfand. Nun aber viel Spaß und gute Einsichten bei der Lektüre! 7 2. Message - Botschaft Keine Kommunikation ohne Botschaft! So simpel dieser Satz ist, so wahr ist er auch. Sämtliche von uns befragten Non-Profit-Organisationen in den USA betonten, wie wichtig die richtige Botschaft für den eigenen Marketingerfolg ist. Aber welche Kriterien muss eine erfolgreiche Botschaft erfüllen? Aus Sicht der von uns interviewten NPO-Marketingexperten sind dies drei Dinge: Klarheit Sie ergibt sich durch eine aufgeräumte Markenführung gepaart mit einer prägnanten Dachbotschaft, die den Rahmen für die gesamte Kommunikation setzt. Stichwort: Branding. Konsistenz Wichtiger denn je ist das, was die Marketingexperten Integration nennen. Es bedeutet nichts weniger, als dass eine Botschaft einheitlich und aufeinander abgestimmt über alle Kanäle hinweg kommuniziert wird. So schafft man Wiedererkennungswert. Emotionalität Es geht nicht ohne Storytelling. Eine gute Botschaft ist verpackt in eine emotionale Geschichte. Non-Profit-Organisationen sind durch ihre gesellschaftsnahe Arbeit prädestiniert dafür, ihre Botschaft durch konkrete, prägnante und anschauliche Geschichten zu vermitteln. Diese drei Kriterien strukturieren den folgenden Abschnitt, der aufgeteilt ist in die Punkte: Branding, Integration und Storytelling. 2.1 Branding Die Wirtschaft gibt viel Geld aus, um Marken zu kreieren und zu führen. Mit Erfolg im Falle von Unternehmen wie Apple, Audi oder Harley Davidson. Diesen Marken ist gemein, dass sie ein positives, klares, vertrauensvolles Bild in den Köpfen der Konsumenten erzeugen und dadurch Orientierung und Bindung in einer mit Symbolen und Logos überfrachteten Medienwelt geben. Auch Non-Profit-Organisationen sind gut beraten, sich als Marken zu verstehen. Häufig lässt sich bei vielen NPOs aber ein Mangel an der Klarheit der Kernbotschaft erkennen. Das ist verständlich: Im Vordergrund steht für viele Organisationen die konkrete Arbeit an Projekten. 8 Selten bleibt die Zeit, einen Schritt zurück zu gehen und sich Gedanken darüber zu machen, was die Organisation aus- und besonders macht, was also ihre Kernbotschaft ist. Den Marketingexperten Andreasen und Kotler zufolge sollten sich Non-Profit-Organisationen drei Fragen stellen, um ihren Markenkern zu finden: Was ist die einzigartige Leistung, mit der unsere NPO die Gesellschaft bereichert? Was können wir den Menschen versprechen, die uns unterstützen? Welche Ziele und welche Mission haben wir? Geoff Peters, als Chef der Agentur CDR Fundraising Group einer der erfolgreichsten Fundraisingexperten für NPOs in den USA, ergänzte dazu im Interview: „Potentielle Spender halten nicht den ganzen Tag Ausschau nach der EINEN besten Organisation, die sie unterstützen können. Man muss sie in einem günstigen Moment erwischen. Und dazu gehört es, mit einem eindringlichen Design und zwei bis drei klaren Schlagwörtern ein positives Gefühl zu wecken.“ Ein Markendesign muss für Peters vor allem zwei Dinge vermitteln: Ziel und Einzigartigkeit der Organisation. Auf besonders gelungene Weise haben sich diesen Herausforderungen drei USamerikanische NPOs gestellt, die hier kurz vorgestellt werden sollen: Operation Smile Die 1982 von dem Ehepaar Dr. William and Kathy McGee gegründete Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern mit angeborenen Gesichtsdeformationen kostenlos Schönheitsoperationen zu ermöglichen. Operation Smile ist in über 50 Ländern vertreten und hat bereits mehr als 140.000 Kindern mit plastischer Chirurgie geholfen. Zu ihren Aufgaben gehört es allerdings nicht nur, Operationen zu finanzieren und durchzuführen. Die Non-ProfitOrganisation ist auf vielfältige und nachhaltige Weise in Entwicklungsländern aktiv. Sie bildet dort Krankenschwestern aus, leistet gesundheitliche Aufklärung und unterstützt die allgemeine medizinische Versorgung. Als es jedoch darum ging, den Markenkern der Organisation zu definieren, stellte Operation Smile seine wichtigen medizinischen Hilfsleistungen in den Hintergrund und fokussierte sich komplett auf die Kinder und den positiven, visuell deutlich sichtbaren Effekt der Operationen. Der Hintergrund: In Fokusgruppen stellten sich die Vorher-Nachher-Erzählungen der Kinder als die kraftvollste und effektivste Form der Kommunikation heraus. Name, Logo und Kommunikationslinie („One surgery. A lifetime of smiles.“) nehmen diesen Kerngedanken 9 perfekt auf. Insbesondere das Logo - gestaltet als Wort-Bild-Marke - ist klar und prägnant, in der Mitte mit einer handgezeichneten Weltkugel, deren Unterstrich ein Lächeln symbolisiert. Feeding America Feeding America ist die größte Organisation in den USA, die Essensausgaben für sozial Schwache organisiert. Jährlich unterstützt sie mit ihren 200 Tafeln über 37 Millionen Amerikaner - darunter 14 Millionen Kinder -, die nicht genug Geld haben, um sich ausreichend mit gesunden Nahrungsmitteln zu versorgen. Feeding America besteht als Organisation bereits seit über 30 Jahren. Allerdings firmierte sie lange unter dem missverständlichen Namen America´s Second Harvest und hatte dementsprechend mit einem geringen Bekanntheitsgrad und einem fehlenden Verständnis für ihre Arbeit in den USA zu kämpfen. 2008 entschied sich die Organisation für ein komplettes Re-Branding. Die Absicht: Der Name der Organisation sollte klarer und prägnanter ausdrücken, was die einzigartige Aufgabe der NPO ist. Das Resultat: Feeding America. Dabei besitzt das Wort feeding eine doppelte Bedeutung. Zum einen beschreibt es die Versorgung armer Menschen mit Lebensmitteln, zum anderen spielt es auf die Absicht an, Menschen die Grundlagen für die Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, um ihr Selbstbewusstsein wachsen zu lassen. Genau diese doppelte Bedeutung nimmt auch das Logo als Wort-Bild-Marke auf. Die beiden „I“ in Feeding und America wachsen als Getreidehalm aus dem Boden. 10 Defenders of Wildlife Defenders of Wildlife ist mit 150 hauptamtlichen Mitarbeitern und über 600.000 Mitgliedern eine der größten Umweltschutzorganisationen in den USA, die sich für die Bewahrung von bedrohten Tierarten und Naturschutzgebieten auf dem nordamerikanischen Kontinent einsetzt. Die Herausforderung für ihr Branding: In den Vereinigten Staaten existiert eine große Anzahl von bekannten Umweltschutzorganisationen wie z.B. der Sierra Club oder die League of Conservation Voters (LCV). Aus diesem Grund musste Defenders of Wildlife genau überlegen, wie sich ihre Marke von ihren Mitstreitern absetzen konnte. Ihre Lösung: Sie machte den Wolf, dessen Ansiedlung in Nationalparks sie aktiv unterstützt, zu ihrem Markensymbol. Karin Kirchoff, Leiterin der Fundraising- und Mitgliederabteilung bei den Defenders of Wildlife, sagte im Interview: „Der Wolf ist unser „poster animal“. Wir verwenden ihn in 90 Prozent unserer Kommunikation. Er hat den Wiedererkennungswert unserer Organisation nachhaltig gesteigert und macht unser Anliegen ganz konkret deutlich.“ Diese drei ausgewählten Beispiele zeigen, wie prägnantes Branding gelingen kann. Natürlich gehört mehr zur Markenbildung als „nur“ eine gute Corporate Identity zu haben. Marken entstehen in den Köpfen der Menschen durch eine Vielzahl von Eindrücken und Erfahrungen mit einer Organisation. Dennoch ist es gerade für Non-Profit-Organisationen elementar, eine prägnante Dachbotschaft und einen klares Markenimage zu finden, die den roten Faden für die gesamte Kommunikation bilden. 2.2 Integration Non-Profit-Organisationen steht heute genauso wie Unternehmen eine nahezu unerschöpfliche Auswahl an Medien zur Verfügung, mit der sie ihre Botschaft vermitteln können. Dazu gehören klassische massenmediale Kanäle wie TV, Radio und Anzeigen, aber auch dialogorientierte Medien wie Direct Mail, Telefon und Online-Kommunikation via Website, E-Mail, sozialen Netzwerken oder Twitter. Den richtigen Medienmix aus all diesen Angeboten zu finden, ist nicht einfach. Non-Profit-Organisationen in den Vereinigten Staaten setzen sehr stark auf die direkte Kommunikation mit ihren (potentiellen) Spendern und Unterstützern. Natürlich werden die Massenmedien genutzt, um Botschaften über klassische PR (earned media) oder gekaufte Werbezeit zu kommunizieren. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch darauf, Menschen so direkt, lebensnah und dialogorientiert wie möglich zu erreichen. 11 Im Mittelpunkt steht dabei weiterhin der Brief. Für erfolgreiche Organisationen wie das Krebsforschungszentrum Memorial Sloan Kettering Cancer Center, die Umweltschutzorganisationen Defenders of Wildlife und die Humane Society oder das American Red Cross ist und bleibt Direct Mail das Hauptkommunikationsmittel für Fundraising und Mitgliederkommunikation. Auch das Telemarketing behauptet seinen Platz im Medienmix, wird aber selten für Kaltanrufe genutzt, sondern zumeist als Kontaktkanal für bereits bekannte Spender und Unterstützer. Das größte Wachstum erfährt derzeit die OnlineKommunikation. Alle von uns untersuchten Non-Profit-Organisationen nutzen nicht nur die EMail als ihr Hauptinstrument der internetbasierten Kommunikation, sondern sind auf Plattformen wie YouTube, Facebook und Twitter aktiv. Gerade Organisationen mit jungen Unterstützern wie charity:water oder die Tierschutzorganisation PETA fokussieren ihre direkte Kommunikation mittlerweile nahezu komplett auf den Online-Bereich. Dementsprechend groß ist ihre Anhängerzahl in den sozialen Netzwerken (s. Tab. 1, S. 40). Einen wichtigen Tipp hatten aber fast alle befragten Vertreter von Non-Profit-Organisationen parat: Man sollte sich nicht zu sehr vom Hype der ständig unübersichtlicher werdenden Online-Welt verrückt machen lassen. Im Kern kommt es darauf an, nicht jedem Trend zu folgen, sondern ganz rational und analytisch darüber zu entscheiden, welche Instrumente des Web 2.0 wirklich für die Kommunikation mit den eigenen Zielgruppen Sinn machen. Und dennoch: Die Medienwelt wird zunehmend überfrachteter mit Informationen und Botschaften. Umso wichtiger ist es, nicht nur eine klare Markenstrategie zu haben, sondern die eigenen Botschaften über alle Kanäle hinweg so konsistent wie möglich zu vermitteln. Das Stichwort heißt: integrierte Kommunikation. Sie ist die Königsdisziplin des Marketings. Alle preisen sie, aber kaum jemand hat bisher den Schlüssel zu einer effektiven Integrationsstrategie gefunden. In der Regel besitzt message integration zwei Ebenen: eine kommunikative und eine organisatorische. Kommunikativ geht es um das Abstimmen der einzelnen Medienkanäle aufeinander. Dies bedingt jedoch zweitens, dass man innerhalb der eigenen Organisation vorher die Grundlagen für diese Form der Zusammenarbeit geschaffen hat. Experte Geoff Peters konnte die Bedeutung einer integrierten Kommunikationsstrategie im Interview nicht hoch genug einschätzen. Sie ist seiner Meinung nach die zentrale Herausforderung für Non-Profit-Organisationen in den kommenden Jahren. Warum? Weil die Vervielfachung der Kanäle ein Umdenken auf Seiten der Marketingverantwortlichen erfordert, die ihre Kommunikationsbemühungen konsequenter als zuvor an der Botschaft und nicht an einem einzelnen Medium ausrichten müssen. Diese „message first“-Philosophie sollte nach Peters eines gewährleisten: „Jedes Mal, wenn ein potentieller Unterstützer oder 12 Spender die Botschaft hört oder sieht - egal ob auf der Website, in einem Brief oder auf Facebook -, muss er sich in bekanntem Gelände aufhalten, sich wohl fühlen.“ Integriertes Marketing schafft aber noch mehr als das. Zahlreiche Studien haben bewiesen, dass die Bindung der Unterstützer an die eigene Organisation spürbar zunimmt, wenn sie über mehrere Wege – also via Brief, Telefon und Online – angesprochen werden. In den USA heißt diese Strategie: creating multiple touchpoints. Wie erfolgreich integrierte Kampagnen von Non-Profit-Organisationen sein können, zeigt das Beispiel der Kampagne „World Journey of Smiles“, mit der Operation Smile die Sichtbarkeit ihrer Organisation deutlich erhöhen konnte. Die Kampagne, im Rahmen derer in 10 Tagen 4.000 Kinder in 25 Ländern eine plastische Gesichtsoperation erhalten konnten, stellte nach Angaben von Kyla Shawyer, Leiterin der Abteilung für Direct Response, ein Novum dar. Die Botschaft sollte erstmals komplett integriert über alle Kanäle kommuniziert werden. Ausgangspunkt der Kampagne war die Produktion eines eigenen Direct Response TVProgramms (gestaltet als 30-Minuten Infomercial in Kabel-Spartenkanälen), das die Zuschauer für die Arbeit der Organisation gewinnen sollte und ihnen die Möglichkeit gab, eine Hotline-Nummer anzurufen, um direkt spenden zu können. Die Mitarbeiter in den (extern angemieteten) Call Centern waren speziell auf die Kampagne vorbereitet worden. Sie kannten sowohl die genauen Eckdaten der „World Journey of Smiles“ als auch die vorgestellten Kinder und Orte. So konnten sie sehr genau auf das eingehen, was die potentiellen Spender gerade visuell bewegt hatte. Integriert war auch die flankierende Direct Mail-Aktion. Die in den Briefen an potentielle Spender verwendeten Geschichten der Kinder waren dieselben wie im TV-Programm und fanden sich auch auf speziellen Landing Pages der Website wieder, zu deren Besuch die Leser des Briefes explizit aufgefordert wurden. Insgesamt war die Kampagne ein großartiger Erfolg für Operation Smile. Sie erreichte ihr ambitioniertes Ziel, in einundeinhalb Wochen 4.000 Kindern zu helfen. 13 Ein anderes Beispiel für gelungene integrierte Kommunikation ist eine Aktion von Defenders of Wildlife, mit der sie ihre Spender zu einer Verlängerung ihrer Mitgliedschaft aufforderten. Anstatt mit einem einzelnen Direct Mail nach einem sog. renewal zu fragen, wurde ein stufenintegriertes Vorgehen entwickelt. Zunächst bekam die Zielgruppe eine E-Mail, in der sie aufgefordert wurde, über das Foto abzustimmen, das den neuen Mitgliederausweis zieren sollte. Dieser Wettbewerb fand in einem gesondert gestalteten Bereich auf der eigenen Website statt. Erst nach dessen Abschluss erhielten die Spender einen persönlichen Brief mit dem Siegerfoto, indem sie aufgefordert wurden, ihre Mitgliedschaft zu erneuern. Spender hatten die Möglichkeit, per Brief, auf einer personalisierten Webseite oder per Telefon über einen gebrieften Call Center-Agenten zu antworten. Taten sie dies, so bekamen sie die neue Mitgliedskarte per Post zugeschickt. Mit dem Siegerfoto darauf, das einen Wolf in freier Wildbahn zeigte. Solche integrierten Kampagnen zu führen, erscheint auf den ersten Blick nicht allzu komplex. Sie scheitern aber immer wieder an organisatorischen Hürden, denn dort, wo viele unterschiedliche Abteilungen involviert sind, gibt es immer wieder Tendenzen zu Eitelkeiten („Wer bekommt Erfolge bzw. Niederlagen zugeschrieben?“) und zu einem ausgeprägten Denken in organisatorischen Säulen. Befragt man die Kommunikationsverantwortlichen der beiden hier vorgestellten Kampagnen, dann wird deutlich, dass der Integration der Botschaft zwingend eine Integration der 14 Organisation vorausgehen musste. Operation Smile brauchte fast zwei Jahre, um eine enge Koordination zwischen den einzelnen Abteilungen herzustellen. Für die Defenders of Wildlife war das Thema Integration ähnlich zeit- und arbeitsaufwändig. Heute funktioniert sie aber sehr gut, was laut Kommunikationschef Jeff Regen drei zentrale Gründe hat: Eine selbstbewusst agierende, gut integrierte Online-Kommunikationsabteilung Wöchentliche Treffen der Leiter aller kommunikationsbeteiligten Abteilungen, auf denen die Kernbotschaften besprochen werden Enge Kooperation der Abteilungen in Budgetfragen Integration ist das Schlüsselkriterium für eine erfolgreiche Kommunikation der Zukunft – nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Non-Profit-Organisationen. Denn wie es Geoff Peters ausdrückt: „Den Spender interessiert genauso wenig wie den Konsumenten, ob der Brief aus dem Fundraising, die E-Mail vom Online-Team oder die Anzeige aus der PR-Abteilung kommt. Ihn interessiert nur, ob die Botschaft für ihn Relevanz hat und er sie einordnen kann.“ 2.3 Storytelling Die Relevanz einer Botschaft hat auch mit der Art und Weise zu tun, mit der sie vermittelt wird. Hier gilt die simple Formel: Emotionen sind wichtiger als Fakten. In der Tat sind es die Einzelschicksale, die uns bewegen, nicht die zahlengeschwängerten Programm-Statistiken. Experimente aus der sozialpsychologische Forschung haben immer wieder bewiesen, dass Menschen dazu neigen, stärker auf das konkrete Leiden Einzelner zu reagieren als auf die abstrakte Benachteiligung einer Gruppe oder eines ganzen Erdteiles. Jüngst machte Nicholas D. Kristof in einem sehr lesenswerten Artikel in der New York Times auf dieses Phänomen aufmerksam. Er zitierte die Studie Experimental Approaches to the Study of Charitable Giving der Princeton University, im Rahmen derer Probanden gebeten wurden, fünf Dollar an eine von drei Spendenaktionen zu vergeben. Im ersten Fall sollte das Geld ganz allgemein für die Hungerbekämpfung in Entwicklungsländern gespendet werden, im zweiten Fall an das Hunger leidende, siebenjährige Mädchen Rokia aus Mali, in einem dritten Fall an Rokia, die als Opfer des globalen Hungers dargestellt wurde. Wenig überraschend spendeten die Testteilnehmer mehr Geld direkt an Rokia als an den anonymen Kampf gegen Hunger in der Welt. Interessant ist jedoch, dass sie auch deutlich weniger zu spenden bereit waren, wenn Rokia´s Schicksal mit Fragen des globalen Hungers verknüpft wurde. Non-Profit-Organisationen machen sich dieses Wissen mittlerweile zu Nutze, sind sie doch so prädestiniert dafür wie kaum eine andere Institution, persönliche Geschichten zu 15 erzählen, weil sie häufig im Grenzbereich zwischen Trauer und Freude, zwischen Schicksalsschlag und Erfolgsstory arbeiten. In der Tat nutzten alle von uns untersuchten Non-Profit-Organisationen die Technik des Storytelling auf intensive Weise. Dabei wird emotionalen Geschichten die Funktion des Türöffners zugeschrieben, die die Organisation für interessierte Spender oder Unterstützer attraktiv machen. Ist dieser Schritt erst getan, dann gilt es, sie über die volle Bandbreite der Aktivitäten zu informieren und sie an die Organisation zu binden. Entgegen manch vorschnellem Urteil ist die Technik des Storytelling nicht limitiert auf NPOs, die in den Bereichen humanitäre Hilfe, Gesundheit und Menschenrechte arbeiten. Jede Organisation hat die Möglichkeit, Storytelling anzuwenden, auch Umweltschutzverbände oder Bildungseinrichtungen. Geoff Peters: „Jede Organisation kann eine Geschichte erzählen. Sie muss sich nur ganz einfach fragen: Was ist der Sinn, der unserer Arbeit zugrunde liegt?“ Ein Meister des Geschichtenerzählens ist die christliche, weltweit arbeitende Hilfsorganisation World Vision, die Patenschaften für Kinder in Entwicklungsländern vermittelt. World Vision nutzt die Biografien der von ihr unterstützten Kinder auf sehr eindrucksvolle Weise. Allein der Blick auf die Webseite der amerikanischen Sektion zeigt, mit wie viel Emotion und Visualität die Non-Profit-Organisation arbeitet. Nicht nur werden die Geschichten einzelner Kinder wie Jean oder Sibebe auf der Slideshow in der Mitte der Seite vorgestellt, sondern es gibt die Unterseite MyStory, in der sie in kleinen Videosequenzen über ihre persönlichen Erlebnisse und Fortschritte berichten. Auf ähnlich eindringliche Weise nutzt March of Dimes das Storytelling. Die Stiftung, die sich um die gesundheitliche Aufklärung von Schwangeren und den Schutz von Neugeborenen kümmert, hat kürzlich Kelly´s Blog eingerichtet, auf dem eine junge Mutter sehr emotional und authentisch über den Verlust ihres Babys berichtet. Ziel ist es, junge werdende Mütter mit Kellys Geschichte zu mehr Achtsamkeit im Umgang mit ihren Säuglingen aufzufordern. 16 Aber auch die über 32.000 Nutzer der eCommunity von March of Dimes sind selbst aufgefordert, ihre Geschichte im Forum Share Your Story mit anderen zu teilen. Dass auch Tier- und Naturschutzverbände emotionale Geschichten erzählen können, zeigt die mitgliederstärkste Tierschutzorganisation in den USA, die Humane Society. Geoff Handy, stellvertretender Leiter für Marketing und Online-Kommunikation, betonte im Interview: „Jedes Mal, wenn wir Storytelling benutzen, resultiert dies in einer erfolgreicheren Kampagne.“ Dies zeigte sich zuletzt eindrucksvoll im Rahmen der Spendenkampagne zum Jahresende, in deren Mittelpunkt drei „Survivor Stories“ von Tieren standen, die schreckliche Misshandlungen erlebt hatten. Allen voran das Pferd Thistle, das vor dem Hungertod auf einer Ranch in Nebraska gerettet wurde. Jede Geschichte braucht einen Protagonisten oder eine Protagonistin. Diese müssen aber nicht zwangsläufig von Armut, Gewalt oder Hunger gezeichnete Opfer sein. Immer öfter lassen Non-Profit-Organisationen auch ihre Freiwilligen und Spender ihre authentische Geschichte erzählen. 17 So fordert etwa der Sierra Club seine freiwilligen Helfer in Workshops auf, ihre eigene Motivation zu beschreiben, die sie ganz persönlich zur Mitarbeit in der Organisation bewegt hat. Die Geschichten werden festgehalten und kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Freiwilligen ihre Mitmenschen vom Sierra Club überzeugen wollen – im persönlichen Gespräch mit Freunden oder Nachbarn, im Face-to-Face-Kontakt auf der Straße oder in sozialen Online-Netzwerken. Einen prominenten Platz nehmen die Freiwilligen auch in der Kommunikation von Feeding America ein. Unter dem Motto Real Stories teilen ehrenamtliche Helfer ihre (positiven) Erfahrungen mit den Lesern der Website. Ein sehr erfolgreiches Format, das nicht nur interessierte Unterstützer zur Freiwilligenarbeit ermutigen soll, sondern der Organisation ein sehr menschliches Gesicht gibt. In einem ähnlichen Stil ging kürzlich Oxfam America vor. Nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti nutzte die Hilfsorganisation den eigenen Blog, um ihre Mitarbeiterin Coco McCabe direkt aus dem Krisengebiet auf eine sehr persönliche Weise über die Hilfsmaßnahmen berichten zu lassen. Zusätzlich warben Mitarbeiter aus der Zentrale eindringlich mit handgefilmten Videos um Spenden. 18 Der neueste Trend ist es, auch die Spender von Non-Profit-Organisationen zu Wort kommen zu lassen, die die Beweggründe für ihre finanzielle Unterstützung in Direct Mails und/oder auf der Website mit anderen Lesern teilen. Extensiv wird diese Form des Storytelling vom American Red Cross genutzt, das nicht nur seine monetären Spender, sondern auch seine Blutspender auf originelle und erfrischende Art und Weise von ihren Erfahrungen berichten lässt. 19 3. Money - Fundraising Fundraising ist und bleibt DIE zentrale Aufgabe für Non-Profit-Organisationen, denn ohne Geld lässt sich auch das noch so sinnvollste Projekt nicht in die Tat umsetzen. Eine Sache kann man diesbezüglich gleich vorweg von den amerikanischen Non-Profit-Organisationen lernen: Sie zögern nicht, nach Geld zu fragen. Immer wieder tauchte dieser Tipp in den Interviews auf: „Don´t be shy to ask!“ Dass man in den Vereinigten Staaten nicht schüchtern ist, um Geld zu bitten, zeigt sich allein schon an dem enormen Spendenvolumen von 303 Mrd. Dollar (2008) für karitative Zwecke. Die mit Abstand größte Spendergruppe sind Einzelpersonen, die 2008 allein 229,3 Mrd. an gemeinnützige Einrichtungen gaben, gefolgt von Stiftungen (41,2 Mrd.) und Unternehmen (14,5 Mrd.). Spenden gehört in den USA in der Tat zum Alltag. Folgerichtig äußerten 70% der amerikanischen Haushalte gegenüber dem Pew Research Center, dass sie regelmäßig Geld an gemeinnützige Organisationen geben. Wiederum 41% der amerikanischen Mittelschicht sagten, dass Spenden und ehrenamtliche Tätigkeit für sie wichtig seien, 52% bezifferten sie sogar als sehr wichtig. Und auch wenn die Spendenbereitschaft von Großspendern in den USA in Zeiten der Wirtschaftskrise messbar abgenommen hat, so sind die Vereinigten Staaten weiterhin das Land der Philanthropie, in dem Großspender wie Bill und Melinda Gates, Brad Pitt oder George Soros Millionen von Dollar für gemeinnützige Zwecke spenden. Trotz dieses hohen Spendenaufkommens hat sich der Kampf um die monetären Mittel unter den amerikanischen Non-Profit-Organisationen in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. Dies hat zum einen mit der deutlich spürbaren Wirtschaftskrise zu tun. Zum anderen aber auch mit der ständig wachsenden Zahl von NPOs, die alle ihren Anteil am mittlerweile gesättigten Spendermarkt haben wollen. Eine ähnliche Situation erleben wir gerade auch in Deutschland. Aus diesem Grund soll der Blick in diesem Kapitel auf erfolgreiche Strategien im Bereich des Fundraising gerichtet werden, um sich das ein oder andere vom amerikanischen Non-Profit-Sektor abzuschauen. Er ist unterteilt in die beiden Abschnitte Spendengewinnung und Spenderbindung. 3.1 Spendengewinnung Viele der erfolgreichen Non-Profit-Organisationen verfügen über eine stattliche Datenbank mit Tausenden von Spendern. Dennoch verlieren sie pro Jahr bis zu einem Drittel ihrer Geldgeber. Die Gründe sind zahlreich: Desinteresse, Wechsel zu anderen Organisationen, Umzug, Krankheit oder Tod. Aus diesem Grund ist und bleibt die Gewinnung von neuen 20 Spendern ein ganz wesentlicher Teil der Kommunikationsbemühungen von NPOs. Die Literatur über die richtige Form der Spendenakquise ist mittlerweile sehr umfangreich. Wir wollen uns deshalb auf vier innovative Strategien beschränken, die Non-Profit- Organisationen in den USA zu einer erfolgreicheren Spenderansprache verhelfen. 1) So direkt wie möglich! Non-Profit-Organisationen in den Vereinigten Staaten verlassen sich bei der Akquisition von Spenden nahezu ausschließlich auf Instrumente des Direkt- und Dialogmarketings. Dieses Vorgehen macht Sinn, sind doch die Hauptadressaten des Fundraisings in den USA vorzugsweise Einzelspender, die so direkt und lebensnah wie möglich angesprochen werden sollten, und zwar über die folgenden Kanäle: Direct Mail Der Brief ist und bleibt das meist genutzte Medium für die direkte Ansprache von Spendern in den USA. Die Donor Centrics Benchmark Analysis 2008 ermittelte, dass 87% der Einnahmen von NPOs aus der Anfrage über Direct Mail resultieren, lediglich 9% aus der Online-Akquise. Dass der Abgesang auf das Instrument Direct Mail verfrüht ist, merkte selbst der Leiter der Online-Kommunikation bei der Humane Society, Geoff Handy, an: „Direct Mail ist nicht tot. Es bezahlt mein Gehalt.“ In der Tat macht die intensive Nutzung dieses Akquise-Kanals Sinn, sieht doch der typische Spender der meisten Non-Profit-Organisationen in den USA - wie auch in Deutschland - in etwa so aus: weiblich, über 60 Jahre alt, höher gebildet, wohlhabend. Umso entscheidender ist es, wie Direct Mail erfolgreich für die Kaltansprache von Spendern genutzt werden kann. Hier können Non-Profit-Organisationen in den USA als Vorbild dienen: Ein Prozess, kein Event: Die Spendenakquise über den Brief wird von NPOs als Türöffner für eine längerfristige Beziehung mit einem Spender verstanden. Deshalb sollte man nicht erwarten, dass man bei der Erstansprache über Direct Mail Dollar für Dollar (bzw. Euro für Euro) herausbekommt. Der echte Wert eines Spenders ergibt sich erst im Laufe der Beziehung, die er mit einer Organisation eingeht. Targeting: Es kann nicht häufig genug betont werden: Der Erfolg einer Kaltansprache über Direct Mail hängt ganz elementar davon ab, welche Zielgruppen man um eine Spende bittet. Die große Mehrzahl der NPOs in den USA nutzt für die direkte Spenderansprache in der Regel bereits bestehende Listen, die sie a) für eine 21 einmalige Nutzung mietet (list rental) oder sie b) mit anderen Organisationen tauscht (list exchange). Um den Kreis der Neuspender zusätzlich zu erweitern, werden immer häufiger auch Listen aus öffentlich zugänglichen Datenbanken zusammengestellt und mit Konsumentendaten angereichert. Durch dieses - modeling genannte - Verfahren versucht man, Menschen zu finden, die noch nicht gespendet haben, aber aufgrund ihres Lebensstilprofils als ein potenzieller Spender für die eigene Organisation infrage kommen. Testing: In den USA geht kaum ein Spendenbrief von Non-Profit-Organisationen heraus, dessen Effekte nicht vorher minutiös an einer Kontroll- und einer Testgruppe (Sample von 5.000 bis zu 50.000 Test-Mailings) ausprobiert worden sind. Direct MailExperte Mal Warwick sagte im Interview, dass es nichts gebe, das nicht auf seine Wirkung hin untersucht werde: Umschlag, Art und Farbe der Schrift, Höhe der Spendenbitte, Copy, Gimmicks usw. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, multivariate Tests durchzuführen, die unterschiedliche Test-Kriterien zueinander in Beziehung setzen. Art des Briefes: Welche Art von Direct Mail man für die Kaltakquise benutzt, hat klare strategische Implikationen. Die Responserate wird deutlich erhöht, wenn man hochwertige Briefe mit kleinen Geschenken (Premiums) verschickt. Sie kann dann bis zu 10% betragen. Nachteil ist hier jedoch, dass viele Spender nur einmal Geld geben, aber nicht längerfristig an die Organisation gebunden werden können. Genau anders herum verläuft der Effekt der Anfrage über einen „klassischen“ Spendenbrief. Er hat eine weit geringere Responserate (in der Regel zwischen 0,5% und 2%). Das Interesse der Spender an einer längerfristigen Bindung ist jedoch höher. Als Best Practise in diesem Bereich kann ohne Zweifel das Krebsforschungszentrum Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) gelten, das sich nahezu ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert. Es verschickte im Jahr 2009 mehr als 40 Millionen Briefe, davon allein ca. 30 Millionen zur Spendenakquisition. Das MSKCC ist damit der drittgrößte Direct Mail-Nutzer unter den Non-Profit-Organisationen in den USA. Die Leiterin des Direct Mail-Programmes, Kim Walker, betonte im Interview, dass das MSKCC die Spendergewinnung über den Brief als langfristige Investition betrachtet. Der durchschnittliche Betrag der Erstspende ist mit 14 Dollar verhältnismäßig gering, steigt aber bei den nachfolgenden Spenden auf bis zu 38 Dollar. MSKCC nutzt den Listentausch mit anderen Organisationen sehr intensiv, um Neuspender zu generieren, arbeitet aber zusätzlich an ausgefeilten Modeling-Verfahren mit ihrer Agentur Target Marketing Team, um 22 den Kreis der Einzelspender stetig zu erweitern. Kim Walker zufolge benutzt MSKCC dabei einen fein austarierten Mix aus exklusiven und „klassischen“ Briefen. In diesem Zusammenhang ist Testen für sie ganz entscheidend. Durch Tests entwickelte sie auch ihren bisher erfolgreichsten Brief, der eine Responserate von knapp 10% hatte. Das unerwartete Erfolgsrezept: Für die Zielgruppe (verheiratete Frau, zwischen 60 und 70 Jahre alt, höher gebildet, eigenes Haus) gab es als Geschenk Gartenhandschuhe. Telefon/SMS Das klassische Telemarketing wird von Non-Profit-Organisationen immer seltener als eigenständiger Akquise-Kanal genutzt. Vielmehr hat sich das Telefon zu einem Instrument entwickelt, das seine Wirkung vor allem in Kombination mit anderen Medien des Direktmarketings entfaltet. So zum einen als Inbound-Kanal für Response auf Direct Mails, zum anderen als erste Anlaufstelle für Zuschauer des in den USA beliebten Direct Response TV. Eine Organisation, die genau diese Kombination aus TV und Telefon perfektioniert hat, ist Operation Smile. Sie strahlt Informationssendungen von bis zu 30 Minuten Länge in zielgruppenaffinen Spartenkanälen aus und bittet die Zuschauer im Laufe des Programms, eine Spende über eine Hotline-Nummer zu tätigen. Jann Schultz, Leiterin der FundraisingAbteilung bei Operation Smile, betonte im Gespräch, wie wichtig in diesem Zusammenhang die Schulung der Mitarbeiter in den Call Centern sei, die genau über die Organisation, aber auch über die Inhalte des gesendeten TV-Programms informiert sein müssen. „Das Telefon stellt häufig den ersten und einzigen Kontakt des Spenders mit unserer Organisation dar. Deshalb sind Schulung und Motivation der Mitarbeiter in unseren Call Centern von enormer Bedeutung.“ Mindestens einmal im Vierteljahr besucht Jann Schultz die Call Center in den USA, Mexiko und in Großbritannien persönlich, um „die Philosophie von Operation Smile mit ihnen zu teilen.“ 23 Das Handy hatte sich in den USA lange Zeit nicht als effektives Spendeninstrument erwiesen. Nur einige wenige Non-Profit-Organisationen integrierten es in ihre Spendenakquisition, wie etwa die Humane Society, die 2009 großflächige Plakate (u.a. am Times Square in New York) nutzte, auf denen sie im Rahmen ihrer Spendenkampagne vor Weihnachten Passanten aufforderte, eine Spenden-SMS zu schicken. Der ROI war Geoff Handy zufolge äußerst gering. Ein wenig erfolgreicher verlief die SMS-Spendenkampagne von charity: water. Im Rahmen einer Lesetour des Bestseller-Autors Rob Bell forderte der Schriftsteller das Publikum auf, Text2Pledge an eine Nummer von charity: water zu senden. Knapp ein Viertel der Besucher spendeten einen Betrag von insgesamt 10.000 Dollar innerhalb von sechs Abenden. Der bahnbrechende Erfolg für die SMS-Spende kam aber - wie in Deutschland auch - erst im Zuge der jüngsten Erdbebenkatastrophe in Haiti. Das American Red Cross machte massiv im TV und im Internet Werbung für die schnelle Spende per Handy. Das Ergebnis: Die Hilfsorganisation nahm bis zum heutigen Tag mehr als 30 Millionen Dollar via SMS ein. Ein absoluter Rekord. Ähnlich erfolgreich war die private Hilfsorganisation YELE von Sänger Wyclef Jean, die Millionen von Dollar über SMS akquirierte – massiv unterstützt von den über 1,3 Millionen Followern des Künstlers auf Twitter, die Jean immer wieder zu einer SMS-Spende aufforderte. Diese Erfolge werden von vielen Non-Profit-Organisationen in den USA als Durchbruch im Bereich des SMS-Fundraising gesehen. Generell wird die Spende über das Handy als das next big thing des Non-Profit-Marketing in den Vereinigten Staaten verstanden. Online Alle für diese Studie befragten Non-Profit-Organisationen waren sich einig, dass OnlineFundraising für sie eine wachsende Bedeutung hat – auch wenn sie bisher nur knapp 10% ihres Spendenaufkommens über das Internet generieren. Die Fundraising-Daten aus den USA deuten jedoch auf ein rasantes Wachstum in diesem Bereich hin. Laut der Convio Holiday Giving Survey 2009, die das Spendenverhalten der Amerikaner in der 24 Vorweihnachtszeit analysiert, steigerten sich die online eingenommenen Spendengelder im Vergleich zum Vorjahr um 22,5% auf mehr als 4 Mrd. Dollar. 36% der befragten NPOs gaben dementsprechend an, ihre finanziellen Investitionen im Bereich des Online-Fundraising zu verstärken. Die Kraft, die das schnelle Spenden über das World Wide Web entfalten kann, zeigte sich wiederum im Falle der Erdbebenkatastrophe von Haiti. Allein in den ersten 24 Stunden nach dem Beben hatten das American Red Cross bereits 1 Mio. Dollar über ihre Website gesammelt, Oxfam America 800.000 Dollar und World Vision 700.000 Dollar. Entscheidend für die Spendengewinnung via Internet ist und bleibt die Website. Sie dient als zentraler Knoten- und Anlaufpunkt der verschiedenen Online-Akquise-Kanäle. Die oben zitierte Studie der Firma Convio ermittelte, dass mittlerweile 44% aller potentiellen NeuSpender die Websites einer Non-Profit-Organisation besuchen, bevor sie sich für oder gegen eine Spende entscheiden! Im Rahmen dieser Studie hat die Initiative ProDialog die Websites von 14 ausgewählten Non-Profit-Organisationen untersucht. Auf Basis dieser Analyse konnten drei Erfolgsstrategien für einen gut gestalteten Internetauftritt ermittelt werden: Visualität: Alle von uns untersuchten NPOs setzten sehr stark auf die Macht von Bildern und Videos auf ihren Seiten. Elementar ist mittlerweile ein zentral positioniertes Key Visual auf der Startseite, das als Slide-Show konzipiert ist, um Bewegung zu erzeugen. Aber nicht nur auf der Startseite, sondern auch auf den Unterseiten werden Texte zunehmend durch Bilder ersetzt. Aufgeräumtheit: Weniger ist mehr. Ein aufgeräumtes Design war auf allen analysierten Seiten dominierend. Dies ermöglicht eine gezielte und klare Führung des Nutzers zu den Punkten, die für NPOs entscheidend sind: Informationen, Aktionen, Spenden. Interaktivität: Viel Raum wird dem Anspruch der Nutzer nach Dialog und Interaktivität gegeben - von eCommunities über Weblogs bis hin zum Anklicken und Weiterleiten von Videos. Ziel muss es immer sein, die Nutzer in die Website hineinzuziehen und sie dort solange wie möglich zu halten. Hier zwei Beispiele von Webseiten, die diese Kriterien vorbildlich in die Gestaltung der Website aufgenommen haben: 25 The Nature Conservancy The Humane Society of the United States Eine Website kann allerdings nur dann ihre Kraft entfalten, wenn es überhaupt gelingt, Nutzer auf die Web-Plattform zu lenken. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen Non-ProfitOrganisationen in den USA im Wesentlichen drei Kanäle: E-Mail: Die elektronische Post ist weiterhin das Hauptinstrument für OnlineKommunikation, auch wenn es zunehmend von den sozialen Medien des Web 2.0 ergänzt wird. Für die Gestaltung der Fundraising-E-Mails gelten im Prinzip dieselben Regeln wie für die Konzeption der Websites, d.h.: visuell sein, wenig Text, Möglichkeiten der Verlinkung und Interaktion schaffen. 26 Suchmaschinenmarketing: Erfolgreiche Non-Profit-Organsiationen haben ihr Suchmaschinenmarketing und ihre Suchmaschinenoptimierung - bekannt unter den Kürzeln SEM/SEO - mittlerweile perfektioniert. Viele NPOs kaufen bis zu 10.000 Suchbegriffe, um die herum sie Werbung positionieren. Häufig erfahren sie dabei Unterstützung in Form von Google Grants, die der Suchmaschinengigant auch für ausgewählte Non-Profit-Organisationen in Deutschland bereitstellt. Social Media: Mittlerweile nutzen NPOs in den USA die Medien des Web 2.0 intensiv, um ihre Botschaften im Netz zu verbreiten und aktiv zu Spenden aufzurufen. Im Rahmen der Studie wurden die Auftritte der 14 ausgewählten Non-ProfitOrganisationen auf den Plattformen Facebook, Twitter und YouTube untersucht. Heraus stechen Organisationen wie PETA, charity: water, die Humane Society und der US World Wildlife Fund. Sie haben mittlerweile eine stattliche Zahl von Unterstützern im fünfstelligen Bereich gesammelt, die sie als Multiplikatoren im Netz nutzen können, um auf ihre Anliegen hinzuweisen (s. S.40). Als erfolgreichste Videos auf Online-Portalen wie YouTube oder vimeo stellten sich zwei Kategorien heraus: Kampagnenvideos mit Prominenten und kontroverse Enthüllungsdokumentation. Das meist angeklickte Video (879.032 Views) wurde allerdings von der Tierschutzorganisation PETA produziert. Es zeigte BackgroundSzenen des Foto-Shootings der ehemaligen Porno-Ikone Jenna Jameson für ein PETA-Werbevideo. Insgesamt äußerten sich die Kommunikationsverantwortlichen der interviewten Non-Profit-Organisationen verhalten zum Erfolg von Videos auf Online-Portalen. Kaum eine NPO hat es bisher geschafft, echte Viralität zu erzeugen. Die Views bleiben meist im vierstelligen Bereich. Unabhängig vom genutzten Online-Akquise-Kanal betonten die Gesprächspartner immer wieder die Bedeutung von gut gestalteten Landing Pages auf der eigenen Website, die den Nutzer mit dem Eindruck auffangen, mit dem ihn der Erstkontakt via E-Mail, Suchmaschine oder sozialem Netzwerk in die Spendenkampagne hineingezogen hat. Von Vorteil ist es, personalisierte URLs für jeden Nutzer anzulegen, um nachvollziehen zu können, über welchen Kanal die Besucher auf die Seite gekommen sind. Dass sich ein verstärktes und konsequentes Engagement in sozialen Netzwerken auszahlen kann, zeigt das Beispiel der Tierschutzorganisation Humane Society. Sie hat sich vor vier Jahren bewusst entschieden, den Web 2.0-Bereich auf- und auszubauen. Und siehe da: Mittlerweile sind Facebook und Twitter die Quellen, von denen aus die meisten Besucher auf die Website der Organisation gelangen. 27 2) Machen Sie es konkret! Egal, ob via Direct Mail, E-Mail oder Facebook: Der Erfolg von Spenderkampagnen erhöht sich spürbar, wenn man den Spendern ein klares, konkretes und anschauliches Ziel vorgibt, das es gemeinsam zu erreichen gilt. Ein Ziel zu kommunizieren, erhöht nicht nur die Motivation der Spender, sondern schafft gleichzeitig auch Transparenz (und Glaubwürdigkeit), denn es macht nachvollziehbar, wie viele Menschen sich mit wie viel Geld beteiligt haben. Eine Kampagne von Feeding America kann hier als ein anschauliches Best Practise-Beispiel dienen. Unter dem Motto „Fill the Fridge“ gab die Organisation 2008 das Ziel aus, den Kühlschrank von bedürftigen Menschen in den USA mit einer Million für Essen zu füllen. Die Spender konnten dabei auf einer Website ganz konkret angeben, wie viel Geld sie für Milch, Fleisch, Brot oder Gemüse spenden wollten. Je nach Höhe des Betrages wurde umgehend berechnet, wie lange sich eine Familie von den gespendeten Lebensmitteln ernähren konnte. So konkret und transparent wie möglich macht auch World Vision seine Spendenmöglichkeiten. In Direct Mails und auf ihrer Website listet die Hilfsorganisation nicht nur auf, für welchen Betrag man welches „Produkt“ erhält. Für 30 Dollar haben Spender beispielsweise die Möglichkeit, Kindern Kleidung zu kaufen, für 60 Dollar gibt es Medizin, für 16 Dollar zwei Fußbälle und für 1.862 Dollar eine komplette mongolische Jurte. Sie ordnet die Spendemöglichkeiten auch nach Preisen und nach Kategorien. Ähnlich wie beim OnlineShopping von Büchern oder Kleidung. 28 3) Jeder Unterstützer ist ein Botschafter! Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Spendenakquise ist das sog. Peer-to-Peer-Fundraising, das nach Einschätzung der befragten Experten in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Der Gedanke hinter dieser Strategie ist einfach: Die besten Botschafter für die eigene Organisation sind ihre Unterstützer. Nichts ist glaubwürdiger, als wenn ein Familienmitglied, Freund, Nachbar oder Kollege uns von einer guten Sache überzeugen möchte. Ihm oder ihr glauben wir deutlich öfter als allen anderen Informationsquellen, die wir nutzen. Für die Spendenakquise wird dieses Wissen seit vielen Jahren genutzt, und zwar bereits bevor die Online-Kommunikation das Peer-to-Peer-Fundraising neu für sich entdeckte. So berichtete Direct-Mail-Experte Mal Warwick, dass seine Firma seit langem ein erfolgreiches Friends & Family-Programm betreibt, im Rahmen dessen besonders aktive Unterstützer von Non-Profit-Organisationen angeschrieben werden, um neue Unterstützer anzusprechen. Per Post erhalten sie ein hochwertiges, personalisiertes Informationspaket, mit dem sie aufgefordert werden, zehn ihrer Freunde und/oder Familienmitglieder als neue Spender zu gewinnen. Genau dieses Konzept nutzte kürzlich die American Cancer Society, die ihre Mitglieder per Brief und Telefonanruf motivierte, von Haus zu Haus gehen, um Nachbarn und Freunde über ihre Arbeit zu informieren. Ziel der Aktion war es, das eigene soziale Umfeld in einem ersten 29 Schritt mit der American Cancer Society vertraut zu machen und sie danach zu einer Spende zu animieren. Einen deutlichen Schub hat das Peer-to-Peer-Fundraising jedoch vor allem durch die neuen Nutzungsmöglichkeiten des Web 2.0 bekommen. Der erste, der das Internet für diese Art der Spendengewinnung konsequent nutzte, war Barack Obama. Im Rahmen seines Grassroots Donor Programs bestand für die Mitglieder seiner Online-Gemeinde die Möglichkeit, eine eigene Fundraising-Website zu starten, auf der sie Spenden on- und offline einsammeln konnten – inklusive einem eigenen Profil und persönlichem Fundraising-Ziel. Durch das Programm nahm er allein in den letzten drei Monaten des Wahlkampfes 30 Mio. Dollar ein. Auch acht der von uns untersuchten Non-Profit-Organisationen bieten ihren Unterstützern bereits die Möglichkeit, selbst zum Fundraiser zu werden. Sehr erfolgreich funktioniert das Peer-to-Peer-Fundraising in Verbindung mit einem offline stattfindenden Ereignis. So nutzte etwa die Krebsaufklärungsorganisation Susan G. Komen for the Cure das Instrument, um rund um ihre jährliche Laufveranstaltung (Susan G. Komen Race for the Cure) die Läufer aufzufordern, ihre Freunde und Bekannten zu einer Spende zu motivieren. Der Verein nahm dadurch 1,2 Mio. zusätzliche Dollar ein. Ähnlich erfolgreich läuft mittlerweile die Online Red Kettle-Kampagne der Heilsarmee in den USA. Sie ergänzte ihre traditionelle vorweihnachtliche Spendensammelaktion, bei der Freiwillige gewöhnlich mit einer Glocke und einem roten Eimer in Einkaufszentren und Fußgängerzonen um Kleingeld-Spenden bitten, durch eine Online-Kampagne. Auf der Website der Salvation Army hatten Unterstützer die Möglichkeit, einen virtuellen roten Eimer anzulegen und zu befüllen. Die Aktion generierte 2009 mehr als zwei Mio. zusätzliche Dollar. 30 Ein weiteres positives Beispiel der kreativen Anwendung von Peer-to-Peer-Fundraising ist der Spay Day-Fotowettbewerb der Humane Society, der 2009 mehr als 400.000 Dollar an Spenden einbrachte. Die Idee der Tierschützer war simpel. Auf der Website sollte das süßeste Haustier der Unterstützer-Gemeinde auserkoren werden. Dazu konnten die Nutzer Fotos ihrer Haustiere hochladen und über sie abstimmen lassen. Um den Abstimmungsprozess zu beeinflussen, hatten sie die Möglichkeit, ihre Freunde zu bitten, eine Stimme für ihr Haustier abzugeben, die gekoppelt war an eine Online-Spende von einem Dollar. Am intensivsten und konsequentesten nutzt jedoch die junge NPO charity: water Mund-zuMund-Propaganda, um Spenden einzuwerben. Sie hat auf ihrer Website unter der Ägide ihres charismatischen Vorsitzenden Scott Harrison mittlerweile eine über 21.000 Mitglieder starke Community aufgebaut, die ein Ziel hat: Freunde und Bekannte über personalisierte Fundraising-Pages dazu zu motivieren, rund um persönliche Events wie Geburtstagspartys und Hochzeiten Geld an die Organisation zu spenden. Seit 2007 kamen so bisher 1,4 Mio. Dollar für Trinkwasserprojekte in Entwicklungsländern zusammen. Peer-to-Peer-Fundraising hat bisher noch einen geringen Anteil an den gesamten Spendeneinnahmen von Non-Profit-Organisationen. Die Beispiele zeigen aber, dass diese Art der Spendengewinnung eine der entscheidenden Strategien der Zukunft sein kann, um sich insbesondere neue Spendergruppen zu erschließen. Dass der Weg in diese Richtung geht, zeigt auch der Erfolg der Peer-to-Peer-Plattform Causes auf Facebook, über die NonProfit-Organisationen allein im Jahr 2009 14 Mio. Dollar für ihre Zwecke einnehmen konnten - ein Plus von 75% zum Vorjahr. Im Interview mit der Initiative ProDialog prognostizierte 31 Causes-Geschäftsführer Matt Mahon selbstbewusst, dass in zehn Jahren mehr als die Hälfte der Spenden von NPOs über Peer-to-Peer-Kommunikation eingenommen wird. Dies würde eine erhebliche Demokratisierung des Fundraisings bedeuten. 4) Win-Win-Situationen mit Unternehmen schaffen! Ein in den USA sehr weit fortgeschrittener und von den NPOs sehr professionell gehandhabter Bereich ist das Corporate Fundraising – das Eingehen von strategischen Spenden-Partnerschaften mit Unternehmen. Sie machten allein 2008 14,5 Mrd. Dollar der Spendeneinnahmen aus. Non-Profit-Organisationen haben eine Vielzahl von Instrumenten entwickelt, mit denen sie es Firmen so leicht wie möglich machen wollen, eine Spende zu tätigen. Das Arsenal reicht vom Spenden von Geld, Sachmitteln und Aktien über Stiftungsgelder bis hin zum Abtreten eines Anteils der Verkaufserlöse von Produkten. Zwei Strategien haben sich für Non-Profit-Organisationen aber als besonders erfolgreich im Umgang mit Unternehmen erwiesen. Der Weg über die Mitarbeiter Mitarbeiter sind das wertvollste Potenzial einer Firma. Sie sind aber auch für Non-ProfitOrganisationen ein sehr erfolgreiches Vehikel, um Mittel aus der Wirtschaft zu generieren. Zum einen kann dies über den Weg des Corporate Volunteering geschehen, der auch in Deutschland immer beliebter wird. In diesem Rahmen stellt das Unternehmen Mitarbeiter für einen oder mehrere Tage frei, um gemeinsam einer gemeinnützigen Tätigkeit in einem Verein oder einer Stiftung nachzugehen. Als effektiver hat sich in den USA jedoch das Instrument des Gift Matching erwiesen. Erklärt sich ein Unternehmen bereit, an einem solchen Programm teilzunehmen, verdoppelt es automatisch jede Spende, die einer ihrer Mitarbeiter an eine Non-Profit-Organisation tätigt. Der 2008 Corporate Giving Standard Survey zufolge, macht diese Form der gemeinsamen Unternehmen-Mitarbeiter-Spende bereits 10% der gesamten Spendentätigkeit von Firmen in den USA aus. Tendenz steigend. Mission Marketing Ziel des mission marketing ist es, die Ziele von Unternehmen und Non-Profit-Organisationen so geschickt zusammenzubringen, dass beide Partner von der Kooperation profitieren. Dieses Vorgehen bedarf eines Umdenkens auf Seiten der Non-Profit-Organisationen. Sie treten nicht mehr als Bittsteller auf, sondern als selbstbewusste Partner, die helfen, den Umsatz der mit ihnen kooperierenden Unternehmen zu verbessern. Fundraising-Experte 32 Geoff Peters, der eine eigene Firma (FirstDegree) nur für diesen Bereich gegründet hat, erklärt dieses Vorgehen: „Der Schlüssel des ´mission marketing` ist es, nicht einfach um Spenden von Firmen oder deren Stiftungen zu betteln, sondern die Marketing-Budgets der Unternehmen strategisch für gemeinsame Ziele zu nutzen.“ Nach Auffassung von Peters kann eine Non-Profit-Organisation einem Unternehmen zwei wichtige Dinge bieten: Markenstärkung: Das Unternehmen erfährt durch die Zusammenarbeit mit einer NPO einen nachhaltigen Imagegewinn, weil sie zeigen kann, dass ihr das Engagement für die Gesellschaft wichtig ist. Kundenbindung: Wird eine gemeinsame Aktion zwischen NPO und Unternehmen mit dem Verkauf oder der Einführung von Produkten verbunden, kann sie - wenn gut kommuniziert - die Kundenbindung zusätzlich stärken und dadurch den Absatz stimulieren. Aus diesem Grund lässt Peters seine Mitarbeiter ganz gezielt nach Unternehmen recherchieren, die ihr Marken- und Absatz-Potenzial noch nicht ausgeschöpft haben, um sie gezielt mit Non-Profit-Organisationen zusammenzubringen. Prämisse ist natürlich, dass die Bereiche, in denen Unternehmen und NPOs aktiv sind, zueinander passen und dass es auf beiden Seiten keine ethischen Bedenken gibt. Erfolgreiche Beispiele für gelungenes mission marketing gibt es viele. So etwa die Kooperation zwischen dem Kosmetikproduzenten Lush und der Tierschutzorganisation PETA. Um darauf hinzuweisen, dass die verkaufte Kosmetik umweltschonend und ohne Tierversuche produziert wird, wirbt Lush mit einer Art Gütesiegel von PETA. Im Gegenzug darf PETA in den Filialen um Mitglieder und Spenden werben. Erfolgreich verlief auch die Kooperation zwischen Microsoft und Operation Smile. Vermittelt über eine Unterstützerin taten sich der Softwarehersteller und die Hilfsorganisation zusammen, um parallel für die Einführung des neuen Chatdienstes Windows Live und den 25. Geburtstag von Operation Smile zu werben. Das Resultat war die „Share A Smile“Kampagne im Rahmen derer Microsoft-Kunden auf einer gemeinsamen Website ein Foto mit einem Lächeln von sich hochladen konnten. Die zweimonatige Aktion resultierte in einem Mosaik aus 700.000 Bilder-Uploads und generierte über 500.000 Dollar in Spenden für Operation Smile. 33 3.2 Spenderbindung Spender zu gewinnen ist das eine, sie nachhaltig an die eigene Non-Profit-Organisation zu binden das andere. Erfolgreiche NPOs wissen, dass es nicht nur darum geht, kurzfristig Einmalspenden einzuwerben, sondern eine langfristige Beziehung zum Spender aufzubauen und zu pflegen – also Beziehungsmarketing zu betreiben. In diesen Kontext passt eine Umfrage des Center on Philantrophy an der University of Indiana aus dem Jahr 2008. Sie befragte Geldgeber nach den Gründen für das Einstellen ihrer Spendentätigkeit. Der Hauptgrund: Sie fühlten sich nicht länger verbunden mit der Organisation und hatten den Bezug zu ihr verloren. Die Bindung von Spendern besitzt aber noch eine weitere Dimension. Es geht nicht nur darum, Verbundenheit herzustellen, sondern Spender ganz persönlich weiterzuentwickeln. Diese komplexe Aufgabe wird in Fundraising-Seminaren gerne durch die Spenderpyramide dargestellt, die den Weg des Spenders von der Erstspende über die Dauer- und die Großspende bis hin zur Erbschaftsspende exemplifiziert. Ganz so systematisch ist dieser Prozess in der Realität nicht, das wissen erfahrene Fundraiser. Dennoch symbolisiert die Pyramide, dass es elementar ist, den Kontakt zum Spender als langfristige, ausbaufähige Beziehung zu begreifen. Wie diese Beziehung geführt werden kann, ohne dass sie zu eng oder zu offen wird, zeigen erfolgreiche Non-Profit-Organisationen in den USA. Im Kern geht es um drei Dinge: Personalisieren, Aufklären, Involvieren. 1) Personalisieren Wichtig für die Spenderbindung ist: Im Mittelpunkt der Beziehung müssen die Wünsche des Spenders stehen, nicht die Belange der Organisation. Diese Sichtweise (donor-centric view) einzunehmen, ist nicht immer leicht, setzt sie doch einen fundamentalen Wechsel der Perspektive voraus. Mitarbeiter, die sich täglich mit der Non-Profit-Organisation beschäftigen und sie „leben“, müssen sich in Spender versetzen, die nur sporadisch mit ihr Kontakt haben. Das ist nicht einfach. Dennoch sind genau die NPOs am erfolgreichsten, die das beherzigen, was Fundraising-Experte Mal Warwick so beschreibt: „Der Schlüssel zum Erfolg ist einfach: Habe immer die Interessen des Spenders im Kopf, versetzt Dich in seine Situation.“ Für den Aufbau einer möglichst persönlichen Beziehung ist bereits der Folgekontakt nach der ersten Spende entscheidend. Die zweite Spende zu bekommen („to get the second gift“), stellt in der Tat eine wichtige Schwelle dar, zeigt sie doch an, ob sich ein Spender intensiver für die Organisation interessiert oder nicht. Um diese Schwelle zu überschreiten, ist es elementar, dem Erstspender so schnell wie möglich (Warwick: „innerhalb der folgenden drei 34 Tage“) einen Willkommensgruß per Direct Mail oder E-Mail zukommen zu lassen, um den Dialog aufrecht zu halten. An erster Stelle in diesem Willkommensgruß sollten zwei Wörter stehen: „Herzlichen Dank!“ Es klingt profan, aber viele Non-Profit-Organisationen vergessen es (oder sparen es schlichtweg ein), ihren Spendern regelmäßig zu danken. Dieses Verhalten verärgert viele Geldgeber, fühlen sie sich doch allzu schnell als cash cows, die einzig und allein aus monetären Beweggründen angeschrieben werden. Das „Danke sagen“ sollte deshalb zum Pflichtprogramm für NPOs werden. Eng mit dem Dank verbunden ist es auch, die Leistung von besonders aktiven Unterstützern gebührend anzuerkennen (donor acknowledgement). Viele NPOs in den USA sind hier gute Vorbilder. So erklärt das amerikanische Rote Kreuz seine treuen Spender z.B. zu Red Cross Champions, die Defenders of Wildlife machen monatliche Dauerspender zu Wildlife Guardians. Besonders intensiv nutzt diese Form der Spenderanerkennung das National Constitution Center (NCC) mit Sitz in Philadelphia. Der das Museum betreibende Verein, der sehr stark von Großspendern lebt, kümmert sich nicht nur in großen Teilen persönlich um die Wünsche der wichtigsten Geldgeber, sondern nimmt sie in den 1787 Circle auf, dessen Name sich auf das Jahr bezieht, in dem die amerikanische Verfassung ratifiziert worden ist. Die Mitglieder dieses Kreises bekommen private Führungen durch das Museum, haben exklusiven Zugang zu Veranstaltungen und zu politischen Persönlichkeiten, die das NCC zu Rednerabenden einlädt. Ein solches Privileg kann man sicher nicht allen Spendern zukommen lassen. Aber Dank moderner Datenbanken haben Non-Profit-Organisationen heute die Möglichkeit, auch ihren Kleinspendern mehr persönliche Aufmerksamkeit als noch vor einigen Jahren zuteil werden zu lassen. In der Tat ist eine gut gepflegte und zentralisierte Datenbank der Schüssel zu einer intensiven Spenderbindung oder - um das Fachwort zu gebrauchen - zu einem professionellen Customer Relationship Management (CRM). Dazu ist es unabdinglich, jeden Kontakt zum Spender aufzuzeichnen und in die Datenbank einzupflegen. Nur so ergibt sich ein komplettes und vielfältiges Bild über den Status jedes einzelnen Unterstützers. Kirsten Kirchhoff von den Defenders of Wildlife machte diesen Punkt im Interview ganz unmissverständlich deutlich: „Man muss so viele Informationen sammeln wie man kann.“ Dazu gehört auch, die Mitglieder und Spender regelmäßig aktiv um ihre Meinung zu fragen. Die gesammelten Informationen kann man anschließend nicht nur als Feedback für die eigene Arbeit nutzen, sondern auch für die Ergänzung der persönlichen Daten in der eigenen Datenbank. Komplett integrierte Datenbanken unterhalten u.a. die Defenders of Wildlife, Operation Smile Memorial Sloan Kettering und PETA, in die alle Information, die sowohl online als auch 35 offline gesammelt wurden, einfließen. Alle vier Organisationen verfügen über eigene Analysespezialisten, die die Datenbanken mit Hilfe von spezieller Software in kleinste Mikrosegmente unterteilen, um spezifische Spendergruppen herauszufiltern und sie persönlich anzuschreiben. Kriterien für diese Segmentierung sind z.B.: Spendenhäufigkeit, Höhe der Spendenbeträge, soziodemographische Daten wie Alter oder Wohnort, Themeninteressen, Kreditkarten- und E-Mail-Nutzung. Reichert man diese Daten im Zuge des modeling zusätzlich mit Konsumenten- und Lebensstildaten an, so lassen sich sogar Aussagen darüber treffen, welche Spender am wahrscheinlichsten zu einer weiteren Spende neigen und wie hoch diese sein können. Der Sinn all dieser Übungen ist klar: den Dialog mit jedem Spender so persönlich und lebensnah wie möglich zu führen. So bekommen Unterstützer stets das Gefühl, ernst genommen und dort abgeholt zu werden, wo sie sich gerade befinden. 2) Aufklären Beziehungen leben von Vertrauen - auch die zwischen Spender und Non-ProfitOrganisation. Um dieses Vertrauen zu stärken, ist es elementar, den Spendern so transparent wie möglich zu machen, wo und wann ihre Gelder eingesetzt werden. Diese Botschaft ist bei den NPOs in den USA mittlerweile unmissverständlich angekommen. In der State of the Nonprofit Industry Survey der Firma Blackbaud aus dem Jahr 2008 gaben zwei Drittel der befragten gemeinnützigen Organisationen an, dass es für sie wichtiger geworden sei, den Effekt ihrer Tätigkeit gegenüber ihren Spendern deutlich zu machen. In den USA bezeichnen die Experten diese Aufgabe als closing the loop. Es geht darum, den Kreis von der Spende bis zum letztendlichen Einsatzort zu schließen. Vorbildlich nutzt diese Technik March of Dimes. In Direct Mails und auf ihrer Website veranschaulicht die Organisation anhand des Babys Alex, wie die Mittel der Spender Säuglingen und Kleinkindern zugute kommen. Vorweg macht sie deutlich, dass sie 76% der Spendengelder direkt für die Gesundheitsvorsorge von Babys bzw. die Aufklärung von Müttern und Vätern verwendet. Wenn man anschließend etwa das Auge des Babys klickt, erscheint der Text: „Wir entwickeln Therapien, um Augenkrankheiten zu behandeln.“ 36 Noch vorbildlicher zeigt die NPO charity: water die Effekte ihrer Arbeit. Die 2006 gegründete Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen in Entwicklungsländern lokale Brunnenprojekte zu finanzieren, um sie nachhaltig mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Eines ihrer Markenzeichen ist das Versprechen, 100% ihrer Spenden direkt in Wasserprojekte zu investieren. Dieses hält sie ein, indem sie ein schlankes Team unterhält, dessen Gehälter hauptsächlich durch die Erlöse aus der alljährlichen Charity Gala in New York bezahlt werden. Der Stand der bisherigen Arbeit und deren positiven Effekte auf lokaler Ebene werden nicht nur in Form von persönlichen Berichten (field notes) und visuell eindrucksvoll aufbereiteten Bildern der Mitarbeiter vor Ort, sondern auch mit einem GPSProgramm kommuniziert, das auf Google Earth basiert. Dieses Programm ermöglicht dem Nutzer der Website, sich in die Kommunen hineinzuzoomen, in denen Wasserprojekte finanziert werden. Zusätzlich öffnet sich neben jedem Projekt-Icon automatisch ein Bild von Menschen, denen vor Ort mit dem Projekt geholfen wird. 3) Involvieren Non-Profit-Organisationen binden ihre Spender nach Einschätzung der US-Experten immer dann erfolgreich an sich, wenn sie sie auf vielfältige Weise in die Operation einbeziehen und sie über so viele Medien wie möglich erreichen, um ihre Kontaktpunkte mit der Organisation zu erhöhen. Zahlreiche Studien haben in der Tat gezeigt, dass die Spenderbindung und die Spendenhöhe messbar zunehmen, wenn Geldgeber über multiple Kanäle mit 37 unterschiedlichen Botschaften angesprochen werden. Kreative Möglichkeiten, Spender zu involvieren, gibt es viele. Wir haben drei für Sie zusammengefasst: Crowdsourcing: Nutzen Sie die Bereitschaft der Unterstützer, ihre Erlebnisse und Wünsche mit ihrer Organisation zu teilen. Dies kann eine Aufforderung zur Teilnahme an einem Foto-Wettbewerb sein, das Ausfüllen einer Umfrage zur Zufriedenheit mit der Arbeit der NPO oder eine Abstimmung über das neue Design. Immer intensiver nutzen Non-Profit-Organisationen in den USA zudem das „Share Your Story“-Prinzip, im Rahmen dessen Unterstützer per Brief oder E-Mail aufgefordert werden, ihre persönliche Geschichte mit anderen zu teilen (s. Kap. 2). Insider-Informationen: Spender sollten stets das Gefühl haben, Teil der Operation zu sein. Deshalb bietet es sich an, (vermeintliche) Insider-Informationen mit ihnen zu teilen, z.B. neue Projektideen, die neue Kommunikationsstrategie oder Informationen über den Stand von Protest- und Lobbyingaktionen. Dies kann über einen Brief des Vorsitzenden an die Spender genauso geschehen wie über ein per E-Mail verschicktes Video, in denen einzelne Mitarbeiter ein persönliches Briefing zur Strategie der NPO durchführen. Aufruf zur Aktion: Es gibt viele niedrigschwellige Aktionen, die Unterstützer für NonProfit-Organisationen machen können. Man kann sie auffordern, Petitionen zu unterzeichnen, Freunde zu einem Informationsabend über die NPO einzuladen oder sie bitten, Teil der Online-Gemeinde auf der eigenen Website oder in den sozialen Netzwerken zu werden. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Zu beachten ist bei all diesen Bemühungen: Die Unterstützer dürfen nicht überfordert werden. Die wohl dosierte Ansprache ist das A und O. Ansonsten erreicht man den gegenteiligen Effekt, der in einem verärgerten Anruf mündet oder sogar in der Aufkündigung der Unterstützertätigkeit. 38 4. Mobilization - Freiwilligenmobilisierung Non-Profit-Organisationen leben vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Freiwilligen. Sie sind es, die lokale Gruppentreffen und Diskussionsabende organisieren, sie stehen an Infoständen in Fußgängerzonen, helfen mit ihrer Expertise in Auslandseinsätzen, schreiben Blogs oder zeigen Gesicht auf Demonstrationen. Freiwillige zu rekrutieren und zu mobilisieren stellt viele NPOs in Deutschland vor enorme Schwierigkeiten - gerade in Zeiten der fortschreitenden Individualisierung unserer Gesellschaft, die dazu führt, dass eine wachsende Zahl von Menschen es ablehnt, sich fest an eine Organisation zu binden. Die Individualisierung der Gesellschaft ist in den USA auch weit fortgeschritten. Dennoch schaffen es viele Non-Profit-Organisationen dort besser als in Europa, gerade junge Freiwillige für ihre Arbeit zu mobilisieren. Dies hat zum einen mit der lebhafteren Zivilgesellschaft in den USA zu tun, zum anderen aber auch mit der flexibleren Ausrichtung des Freiwilligenengagements an konkreten Kampagnen. Sie sind der Kulminationspunkt der Mobilisierung und aus Sicht der Initiative ProDialog das Modell, von dem NPOs in Deutschland am intensivsten lernen können. Besondere Beachtung findet dabei die intelligente Verschränkung von Online- und Offline-Kommunikation, die es erlaubt, Unterstützer über das Internet für Aktionen in der realen Welt zu mobilisieren. 1) Unterstützer rekrutieren Für die Rekrutierung von neuen Unterstützern ist zunächst zentral, dass man jeden Kontaktpunkt nutzt, um die postalische Adresse, die Telefonnummer oder die E-MailAdresse von Sympathisanten zu gewinnen, um im Dialog mit ihnen bleiben zu können. Diese Strategie des Permission Marketing ist allein schon aufgrund des nötigen Opt-In-Verfahrens geboten, wird in vielen Non-Profit-Organisationen aber häufig nicht konsequent genug angewendet. Grundsätzlich ist das Gewinnen von Unterstützern und ihren Kontaktdaten ein langer und steter Prozess, in dessen Zentrum der behutsame Aufbau einer Freiwilligen-Datenbank steht. Er kann sich aber unter zwei Bedingungen rasant beschleunigen. Zum einen, wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein Thema richtet, das die Kernkompetenz der NPO berührt. Ein Beispiel dafür sind Naturkatastrophen wie kürzlich in Haiti. Zum anderen, wenn man Erfolg mit eigenen - zumeist kontroversen - Kampagnen hat, die Menschen emotional berühren und ihr Interesse für die NPO wecken. Genau für diese Momente ist es wichtig, alle 39 Kommunikationsinstrumente parat zu haben, die es ermöglichen, Unterstützer schnell und direkt an die Organisation zu binden – sowohl online als auch offline. Beginnen wir mit der Online-Akquisition von Unterstützern, in deren Mittelpunkt der Aufbau der E-Mail-Liste steht. Sie ist für nahezu alle Non-Profit-Organisationen weiterhin das zentrale Vehikel der Mitgliederkommunikation über das Web. Grundsätzlich lassen sich vier Strategien unterscheiden, um die eigene E-Mail-Liste wachsen zu lassen: Tell-A-Friend: Das erfolgreichste Instrument für den Ausbau der E-Mail-Liste ist die oben bereits angesprochene Peer-to-Peer-Kommunikation. Nahezu jede OnlineKommunikation von amerikanischen Non-Profit-Organisationen an ihre Unterstützer enthält die Aufforderung, die gerade erhaltenen Informationen an Freunde, Familie und Bekannte weiterzuleiten und sie so zum Sign-Up für den E-Newsletter zu bewegen. Website: Durch die konsequente Kommunikation der URL der Website in ALLEN Kommunikationsmitteln und -kanälen erhöht man die direkten Zugriffe auf die Website spürbar. Ist der Nutzer erst einmal auf der Seite, sollte er schnell und an prominenter Stelle die Chance haben, seine E-Mail-Adresse zu hinterlassen. Online-Marketing: Über bezahlte Werbung auf Suchmaschinen, Banner-Werbung und Profile auf sozialen Netzwerkseiten besteht die Möglichkeit, interessierte Nutzer auf die Arbeit der eigenen Non-Profit-Organisation aufmerksam zu machen und sie zum E-Mail-Sign-Up auf der eigenen Website zu leiten. Ankauf: Eine weitere Möglichkeit ist der Ankauf von E-Mail-Adressen. Zum Beispiel in Form eines E-Appends, im Rahmen dessen E-Mail-Adressen der eigenen Direct MailEmpfänger eingekauft werden, oder aber als Erwerb von Kontaktdaten, die MetaFundraising-Plattformen wie Care2.com oder betterplace.org generieren. Auch wenn sich trefflich über die Qualität der Kontakte streiten lässt, so bieten auch die sozialen Netzwerke wie Facebook oder der Mikro-Blogging-Dienst Twitter die Chance, Unterstützer für das eigene Anliegen zu gewinnen. Wie Tabelle 1 zeigt, sind die 14 von uns in ihrem Online-Verhalten analysierten NPOs allesamt auf diesen beiden Plattformen aktiv. Insbesondere die Non-Profit-Organisationen mit einer jüngeren Unterstützerklientel haben zum Teil erhebliche Unterstützerzahlen, die sie mit ihren Botschaften direkt und kostenlos erreichen können. So z.B. PETA mit 384.549, der World Wildlife Fund mit 289.176 oder die 40 Humane Society mit 176.186 Fans auf Facebook oder charity: water mit erstaunlichen 1,3 Mio. Followern auf Twitter. Schlüssel für die Rekrutierung von Unterstützern auf diesen beiden - in den USA zentralen Plattformen sind erstens eine stete Betreuung der Profile durch einen Mitarbeiter. Zum anderen eine stete Nutzung von aktivierenden Status-Updates (im Durchschnitt änderten die hier untersuchten NPOs ihren Status auf Facebook und Twitter einmal pro Tag), die auf die Community zugeschnitten sind und schnell an das Freunde-Netzwerk weitergegeben werden können. Tab. 1: Unterstützer von Non-Profit-Organisationen in ausgewählten sozialen Netzwerken Facebook Twitter (Fans) (Follower) American Red Cross 10.958 30.515 US Fund for Unicef 121.078 (international) 46.386 (international) Oxfam America 15.661 6.230 Feeding America 13.181 1.994 Charity: Water 46.576 1.300.365 The Nature Conservancy 39.185 19.742 PETA 384.549 51.416 World Wildlife Fund 289.176 21.892 Humane Society 176.186 21.525 Doctors Without Borders 71.446 1.412 March of Dimes 28.899 6.105 Operation Smile 2.813 5.322 World Vision USA 77.552 9.230 Defenders of Wildlife 51.202 5.558 Organisation Die Rekrutierung von Freiwilligen findet natürlich auch offline statt. Gerne über die in den Vereinigten Staaten sehr lebendigen Schüler- und Studentenclubs an High Schools und Colleges, aber auch über Face-to-Face-Kontakte auf der Straße und in Form von Hauspartys, in deren Rahmen die eigenen Unterstützer aufgefordert werden, ihre Bekannten, Nachbarn und Freunde mit ihrer NPO in Kontakt zu bringen. 41 Eine besondere Form der Rekrutierung von Unterstützern Hilfsorganisation hat Operation die Smile entwickelt. Sie nimmt mehrmals im Jahr eine bestimmte Stadt in den USA in den Fokus, um die Menschen vor Ort mit einer integrierten, sechswöchigen Kampagne auf die Arbeit der NPO aufmerksam zu machen. Diese 1.000 Smiles Campaign nutzt alle zu ihrer Verfügung stehenden Instrumente. Von klassischer PR mit lokalen Rundfunksendern und Zeitungen, über Direct Mailings, Plakate und Veranstaltungen bis hin zu Straßenaktionen der Schüler- und Studentenclubs von Operation Smile. Besonders erfolgreich verlief die Aktion kürzlich in Salt Lake City. Dort nutzte man die eigenen Freiwilligen als Werbeträger. Sie hatten sich nicht nur im Rahmen der Kampagne mit Fotos von lachenden Kindern in der Hand ablichten lassen, sondern erzählten medienwirksam, was sie persönlich zur Mitarbeit in der Organisation bewegt hatte. 2) Unterstützer on- und offline aktivieren Die Rekrutierung von Freiwilligen ist das eine, ihre Bindung an die Organisation und ihre Aktivierung für Kampagnen das andere. Für Geoff Handy von der Humane Society, die zurzeit 11 verschiedene Kampagnen unterhält, ist der Schritt vom anfänglichen Interesse der Unterstützer hin zur handfesten Aktion der schwerste. Als Orientierung dient ihm und vielen anderen NPOs die Theorie der „Leiter des Engagements“, die als Modell grob der Spenderpyramide ähnelt: Anspruch und Aktivität nehmen zu, je weiter man auf der Leiter nach oben steigt – von der anfänglichen Unterzeichnung von E-Petitionen über den Besuch von Veranstaltungen bis hin zur eigenen Rekrutierung von Freunden und Bekannten. Eine entscheidende Rolle bei der Aktivierung von Unterstützern spielt in diesem Zusammenhang eine intelligente Verschränkung von Online- und Offline-Instrumenten. Ziel ist es, die Freiwilligen über das Internet zu aktivieren, ihre Energie anschließend jedoch auf die Straße zu bringen – mit Aktionen, die ihre Wirkung in der realen Welt zeigen. Beginnen wir mit der Online-Aktivierung: Als ihr Hauptinstrument fungiert für Non-ProfitOrganisationen in den USA weiterhin die E-Mail. Sie wird extensiv genutzt, um Unterstützer für lokale Kampagnenaktionen zu mobilisieren. So sagte Lori Painter, Leiterin des Bereiches eMarketing bei PETA, dass ihre Unterstützer bis zu vier E-Mails in der Woche mit Aktionsvorschlägen bekommen würden. Ähnliches berichtete auch Geoff Handy von der 42 Humane Society. Seiner Ansicht nach sei aber nicht die Frequenz der E-Mails entscheidend, sondern deren Ausrichtung an der Lebenswirklichkeit der Unterstützer. Handy nennt dieses Konzept meMail. Es erfordert eine klare Segmentierung der E-Mail-Liste nach soziodemographischen Kriterien wie Alter und Wohnort, Zeit der Zugehörigkeit zur Liste, dem Spenderstatus und wichtig: den bisherigen Aktionen und Interessen der Unterstützer. Mit diesen Daten im Hintergrund lassen sich E-Mails zielgenau an feinste Segmente aus dem Unterstützerkreis schicken – z.B. an 2.000 ausgesuchte Freiwillige in der San Fransisco Bay Area (Ort), die aufgefordert werden, an einer lokalen Aktion gegen Robbenjagden (Thema) auf dem Campus der UC Berkeley (Alter und Status) teilzunehmen. Um die Möglichkeiten der Online-OfflineUnterstützung noch greifbarer zu machen, stellen mittlerweile untersuchten nahezu alle hier Non-Profit-Organisationen einen Instrumentenkasten mit konkreten Aktionsvorschlägen online auf ihrer Website bereit, die offline durchgeführt werden können. Der World Wildlife Fund bietet zum Beispiel die Sektion „5 Ways to Make a Difference“ an, im Rahmen derer er seine Unterstützer auffordert, Abgeordnete zu kontaktieren, sich an Boykottaktionen zu beteiligen, Freunde und Bekannte zu überreden, umweltgerecht gefangenen Fisch zu essen oder ein Tier zu adoptieren. Eine Organisation, die diese Online-Offline-Aktivierung perfektioniert hat, ist das linksprogressive Bündnis MoveOn.org, das mittlerweile auf einen Unterstützerkreis von 4,5 Mio. Mitgliedern zurückgreifen kann. Während des Präsidentschaftswahlkampfes zeigte sie ihre Kraft, als sie knapp eine Million Freiwillige für Barack Obama aktivierte, die über 20 Millionen Stunden ehrenamtlicher Arbeit leisteten, um dem demokratischen Kandidaten den Wahlsieg zu sichern. Die Unterstützer erhielten täglich E-Mails, die sie zu Aktionen aufforderten. Ein ausgewählter Blick in das Aktionspaket von MoveOn.org zeigt die Konsequenz, mit der sie Freiwilligenaktivierung als Online-Offline-Integration betreibt: Endorsement Vote: Um zu bestimmen, welchen Politiker MoveOn.org im Präsidentschaftswahlkampf unterstützen sollte, ließ die Organisation ihre Mitglieder im Februar 2008 online über mögliche Kandidaten abstimmen, um ihn oder sie dann offline zu unterstützen. Das Ergebnis: 70% sprachen sich für Obama aus. 43 Call for Change: Freiwillige von MoveOn.org riefen im Rahmen von phone parties mehr als 2,1 Mio. unentschlossene Wähler in umkämpften Bundesstaaten an. Die Telefonnummern konnten sie ganz einfach auf einem gesonderten Bereich auf der Homepage der Organisationen abrufen. Recruitment Engine: Bundesweit rief MoveOn.org seine Unterstützer auf, Freiwillige in bestimmten Staaten via Brief, Telefon und E-Mail zu rekrutieren, in denen Obama eine schwächere Organisationsdichte hatte. Bush-McCain Challenge: Bundesweit organisierten Unterstützer über 300 kreative Veranstaltungen, um medienwirksam auf die programmatische Nähe zwischen George W. Bush und dem republikanischen Kandidaten John McCain hinzuweisen – aktiviert über E-Mails. Ad Contest: Der Videowettbewerb „Obama in 30 Sekunden“ forderte die Unterstützer auf, einen Videospot zu drehen und online zur Abstimmung zu stellen. Den Gewinnerspot „Obamacan“ sendete MoveOn.org bundesweit im Fernsehen, mitten in der heißen Wahlkampfphase. Auch für Non-Profit-Organisationen in Deutschland steckt erhebliches Potenzial in einer konsequenten Verknüpfung von Online- und Offline-Kommunikation. Sie nutzt das Internet als virtuelles und kostengünstiges Organisationsinstrument, um gemeinsam in der realen Welt aktiv zu werden. 44 5. Fazit Was macht erfolgreiche Kommunikation von Non-Profit-Organisationen in der unübersichtlichen Medienwelt von heute aus? Das war die zentrale Frage, die den Ausgangspunkt der vorliegenden Studie darstellte. Die Praxis ausgewählter Non-ProfitOrganisationen in den USA - angereichert mit zahlreichen Best-Practise-Beispielen - zeigt, dass es fünf zentrale Erfolgsfaktoren für die Kommunikation von NPOs gibt: Klarheit: Kommunikation von Non-Profit-Organisationen braucht Klarheit und Transparenz. Dieses Postulat bezieht sich nicht nur auf einen ausdefinierten Markenkern, der die Dachbotschaft der NPO prägnant und einheitlich kommuniziert, sondern auch auf die wachsende Tendenz von Spendern und Unterstützern, die Arbeit der Organisation konkret nachvollziehen zu können. Closing the loop - den Kreislauf von der Spende bis zu ihrem letztendlichen Einsatzort zu schließen und ihn transparent zu machen, darum wird es in Zukunft immer öfter gehen. Dialog: Erfolgreiche Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sie basiert auf einem Dialog auf Augenhöhe zwischen NPO und Unterstützer. Gerade in einer mit Informationen überfluteten Welt kommt es wieder darauf an, so lebensnah, direkt und dialogorientiert wie möglich mit Menschen zu kommunizieren. Erst der persönliche Dialog mit Unterstützern und Spendern gewinnt sie für die Ziele der Organisation und bindet sie nachhaltig an sie. Integration: Je fragmentierter die Medienlandschaft, desto wichtiger wird die Integration der unterschiedlichen Kommunikationskanäle. Im Mittelpunkt steht die message first- Philosophie. Die zentrale Botschaft ist der Ausgangspunkt. Hat man diese erst einmal gefunden, dann kommt es darauf an, sie so konsistent und aufeinander abgestimmt wie möglich mit einem intelligenten Medienmix zu kommunizieren. Emotionalität: Emotionale Geschichten zu erzählen, ist das kommunikative Pfand von NonProfit-Organisationen. Diese Geschichten sind es, die als der Türöffner fungieren, mit dem potenzielle Unterstützer und Spender auf die NPOs aufmerksam gemacht werden. Zur Emotionalität gehört immer auch Visualität. Geschichten leben von eindringlichen Bildern und Videos, die einen schnellen Zugang zur Arbeit der Organisationen ermöglichen. Konsistenz: Gute Non-Profit-Organisation geben ihrer Kommunikation die Zeit zu wirken und zu wachsen. Diese Einsicht umfasst, Kommunikation als längerfristig geplanten Prozess zu verstehen, nicht als einmaligen Impuls, der sofort Effekte zeitigen muss. 45 6. Glossar Crowdsourcing Strategie, mit der man die Intelligenz, Authentizität und Kreativität der Unterstützer für die eigene Kommunikation nutzen kann. Customer-Relation-Management (CRM) CRM-Systeme helfen, alle anfallenden Daten zu erfassen, zu pflegen und zu organisieren. Sie ermöglichen das Nachvollziehen des kompletten Kommunikationsablaufs mit dem Spender/Unterstützer. Data Integration Integration aller im Rahmen der Kommunikationsbemühungen gesammelten Daten über Spender und Unterstützer in zentralen Datenbanken. Direct Mail Der klassische Brief bzw. die Postkarte. Integration Kombination verschiedener aufeinander abgestimmter Instrumente der direkten Ansprache, besonders die Verzahnung von Online- und Offline-Aktivitäten. Kaltansprache Erster Kontakt zu potenziellen Spendern und Unterstützern. Key Visual Zentrales Bildmotiv, das die Visualität (z.B. von Websites) grundlegend erhöht. On- und Offline-Verschränkung Kommunikationsstrategie, die das Internet nutzt, um Unterstützer zu aktivieren, um sie anschließend offline zu Aktionen aufzurufen. Opt-in-Liste Adressatenliste, bei der nur solche Adressaten aufgelistet sind, die vorher der Zusendung von Briefen, E-Mails usw. zugestimmt haben. Die Zustimmung muss grundsätzlich nicht im direkten Zusammenhang mit der Versendung stehen, sondern kann z.B. auch aus einem Gewinnspiel gewonnen werden. Peer-to-Peer-Kommunikation Kommunikation, die auf dem Prinzip der Mund-zu-Mund-Propaganda (word of mouth) basiert. Ziel ist es, Unterstützer als Multiplikatoren zu finden, die Botschaften an ihre Freunde, Familie und Bekannten weitergeben. Response-Element Format, welches dem Spender oder Unterstützer erlaubt, aktiv auf die Ausgangskommunikation zu reagieren. Wird das Response-Element, z.B. eine Antwortkarte oder ein Link, mit einem Code versehen, können die Daten bei einer Rücksendung direkt in eine Datenbank aufgenommen werden. SEM/SEO Teilgebiet des Online-Marketing. Search Engine Marketing (SEM) umfasst alle Maßnahmen zur Gewinnung von Besuchern für eine Webpräsenz über Suchmaschinen. Teil des SEM ist die Teildisziplin Suchmaschinenoptimierung (SEO), die dazu dient, dass Webseiten im Suchmaschinenranking auf höheren Plätzen erscheinen. 46 Social Networks Soziale Plattformen wie Facebook, studiVZ oder Xing, auf denen die Benutzer persönliche Profile unterhalten, sich austauschen und gemeinsam Inhalte erstellen und teilen. Targeting Adressgenaue Zielgruppenbestimmung mit der eine gesteuerte und individualisierte Ansprache der potentiellen Spender/Unterstützer möglich wird. Twitter Mikro-Blogging-Dienst, mit dem man Kurzmitteilungen über seinen aktuellen Status (max. 140 Zeichen) versenden bzw. Nachrichten von anderen Nutzern empfangen kann. Virales Marketing Marketingform, die Mundpropaganda (word of mouth) nutzt, um Informationen über ein Produkt oder eine Dienstleistung innerhalb kürzester Zeit gleich einem biologischen Virus von Mensch zu Mensch weiterzutragen. Web 2.0 Schlagwort für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets, kurz: für das MitMach-Netz. 47 7. Weiterführende Literatur ANDREASEN, Alan R./ KOTLER, Philip: Strategic Marketing for Non-Profit Organizations, Pearson: München, 2008. ANHEIER, Helmut K.: Nonprofit Organizations: Theory, Management, Policy, 2. Auflage, Routledge: New York, London 2010. BRONFMAN, Charles/ SOLOMON, Jeffrey R.: The Art of Giving: Where the Soul Meets a Business Plan, Jossey-Bass: San Francisco 2009. CLARKE, Cheryl A.: Storytelling for Grantseekers: A Guide to Creative Nonprofit Fundraising, Wiley: Hoboken, NJ, 2009. DRUCKER, Peter F.: Managing the Nonprofit Organization: Practices and Principles, Collins: London, 2006. DURHAM, Sarah: Brandraising: How Nonprofits Raise Visibility and Money Through Smart Communications, Jossey-Bass: San Francisco, 2009. FRANTZ, Christiane/ MARTENS, Kerstin: Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – ein Lehrbuch, VS Verlag: Wiesbaden, 2006. HART, Ted/ GREENFIELD, James M./ HAJI, Sheeraz D.: People-to-People Fundraising. Social Networking and Web 2.0 for Charities, Wiley: Hoboken, NJ, 2007. KLEIN, Kim: Reliable Fundraising: What Good Causes Need to Know to Survive and Thrive, JosseyBass: San Francisco, 2009. KLEIN, Simone/ SIEGMUND, Karin (Hrsg.): Partnerschaften von NGOs und Unternehmen: Chancen und Herausforderungen, VS Verlag: Wiesbaden, 2010. LEVY, Reynold: Yours for the Asking: An Indispensable Guide to Fundraising and Management, Wiley: Hoboken, NJ, 2008. LINDAHL, Wesley E.: Principles of Fundraising: Theory and Practice, Jones & Bartlett: London et al., 2009. PATTERSON, Sally J./ RADTKE, Janel M.: Strategic Communications for Nonprofit Organization: Seven Steps to Creating a Successful Plan, Wiley: Hoboken, NJ, 2009. SARGEANT Adrian/ JAY, Elaine: Fundraising Management: Analysis, Planning and Practice, Routledge: New York, London, 2009 SARGEANT, Adrian: Marketing Management for Nonprofit Organizations, Oxford University Press: New York, 2009. SCHILDT, Jochen: Das NGO-Handbuch: Non-Governmental Organisations, Greenpeace Media: Hamburg, 2007. URSELMANN, Michael: Fundraising: Professionelle Mittelbeschaffung für Nonprofit-Organisationen, Haupt: Bern, 2007. VOSS, Kathrin: Öffentlichkeitsarbeit von Nichtregierungsorganisationen: Mittel - Ziele - interne Strukturen, VS Verlag: Wiesbaden, 2007. WARWICK, Mal: Revolution in Your Mailbox: Guide to Successful Direct Mail Fundraising, Wiley: Hoboken, NJ, 2004. 48 8. Online-Ressourcen Empfehlungen www.philanthropy.iupui.edu Die Website des Center on Philantrophy mit aktuellen Studien zu den Themen Fundraising und Kommunikation von Non-Profit-Organisationen. http://philanthropy.com Der Chronicle on Philantrophy ist eines der wichtigsten Fachmagazine zum Thema Fundraising für Non-Profit-Organisationen mit vielen wichtigen Tipps und Artikeln. www.fundraisingsuccessmag.com Fundraising Success ist eines der wichtigsten Magazine für innovatives Marketing von Non-ProfitOrganisationen in den USA. http://www.charitynavigator.org Amerikas größte Informationsplattform für die Bewertung von Non-Profit-Organisationen. http://www.theagitator.net The Agitator – bester Weblog für Innovationen im Bereich Non-Profit-Marketing. http://www.care2.com Größte Fundraising-Plattform in den USA, die Non-Profit-Organisatonen die Möglichkeit bietet, online Geld für ihre Anliegen zu sammeln. Nach ähnlichem Prinzip arbeitet betterplace.org in Deutschland. www.people-press.org/ Seite des PEW Research Centers for the People and the Press. Bietet reichhaltige Umfrageergebnisse, Studien und Daten zur Zivilgesellschaft in den USA. Ausgewählte Websites – Best-Practise www.humanesociety.org Website der Tierschutzorganisation The Humane Society of the United States. www.redcross.org Website des Roten Kreuzes in den USA. www.operationsmile.org Website der Kinderhilfsorganisation Operation Smile. www.nature.org Website der Umweltschutzorganisation The Nature Conservancy. www.worldvision.org Website der amerikanischen Sektion der Kinderhilfsorganisation World Vision. 49 50