Nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften: Das trojanische
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Nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften: Das trojanische
Nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften: Das trojanische Pferd der Befürworter einer Konsumsteuer von Wolfgang Wiegard Alle reden von der nachgelagerten Besteuerung. Und fast alle wollen sie. Bei dieser Form der Besteuerung von Alterseinkünften werden sämtliche Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und ggf. auch zur privaten Altersvorsorge aus unversteuertem Einkommen geleistet; im Gegenzug unterliegen spätere Rentenzahlungen in vollem Umfang, d. h. mit Kapitalrückfluss und Zins- oder Ertragsanteil der Einkommensbesteuerung. In den Steuerwissenschaften - der Finanzwissenschaft, der betriebswirtschaftlichen und der juristischen Steuerlehre - besteht eine seltene Einmütigkeit über die Notwendigkeit einer nachgelagerten Besteuerung. Auf Seiten der Finanzwissenschaft hat sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (1986) schon früh für eine nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften ausgesprochen. Der Sachverständigenrat hat sich dem in mehreren Gutachten angeschlossen (Jahresgutachten 1993, Ziffer 312; 1999, Ziffer 379). Prominente und einflussreiche Finanzwissenschaftler wie Andel, Rürup und viele andere haben wiederholt für diese Besteuerungsform plädiert. Dies gilt auch für die meisten Steuerrechtswissenschaftler wie Kirchof, Lang, Söhn oder Tipke und Vertreter der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Auch in der Politik ist die Forderung nach einer nachgelagerten Besteuerung populär. Vorbehaltslos wird sie von der FDP und den Grünen/ Bündnis 90 vertreten. Positiv hat sich ebenfalls der Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Merz geäußert. Zwar wurde dieser Vorschlag vom SPD-Parteivorstand als „Schnapsidee“ abgetan (FAZ, 4.4.2000, S. 4) und von führenden CSU-Vertretern als „verfrühter Aprilscherz“ (Handelsblatt, 3.4.2000, S. 3) bezeichnet. Aber das war im April diesen Jahres. Schon im Mai wankte die Front der Skeptiker. So hat Bundesfinanzminister Eichel Anfang Mai öffentlich bekundet, dass er einen Übergang zur nachgelagerten Besteuerung plant. Zu guter Letzt ist auf eine für Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verweisen, von der allgemein erwartet wird, dass sie dem Gesetzgeber eine nachgelagerte Besteuerung bei den Alterseinkünften vorgeben wird. 1 Wenn sich Wissenschaft und Politik einig sind - und das ist ja nun nicht gerade der Regelfall -, kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die steuerliche Behandlung von Alterseinkünften demnächst im Sinne einer nachgelagerten Besteuerung neu geregelt wird. Wovon allerdings nicht unbedingt ausgegangen werden kann ist, dass alle Beteiligten auch wissen, worauf sie sich da einlassen. Die Konsequenzen einer nachgelagerten Besteuerung sollen anhand eines kleinen Beispiels erläutert werden. Sämtliche Schlussfolgerungen bleiben auch unter realistischeren Annahmen gültig. Gerade deshalb genügt ein einfaches Beispiel. Der Lebenszyklus einer Person wird in drei Perioden gleicher Länge unterteilt. In den beiden ersten Perioden wird ein (Arbeits-)Einkommen von jeweils 100.000 DM bezogen. Der Einkommensteuersatz betrage 30 Prozent, der Beitragssatz zur Rentenversicherung 20 Prozent. Von einer progressiven Besteuerung wird (zunächst) ebenso abgesehen wie von einer Aufspaltung der Rentenbeiträge in einen Arbeitnehmer- und einen Arbeitgeberanteil. Bei der nachgelagerten Besteuerung (vgl. Spalte 1 der Tabelle, siehe S. 8) können die Rentenbeiträge in voller Höhe (jährlich 20.000 DM) von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abgezogen werden, so dass sich die Einkommensteuerschuld auf 24.000 DM pro Jahr beläuft (0,3 x 80.000 DM). Für Konsumzwecke verbleiben jährlich 56.000 DM. In der dritten, der Ruhestands-Periode kommt es zur Rentenauszahlung. Vereinfachend sei angenommen, dass sich die Rentenbeiträge mit 10 Prozent jährlich verzinsen. Dann belaufen sich die Rentenzahlungen auf 46.200 DM1, die in der Tabelle in einen Kapitalrückfluss- und einen Ertragsanteil aufgeteilt wurden. Die Rentenzahlungen unterliegen in vollem Umfang der Einkommensteuer, so dass 13.860 DM an Steuern abzuführen sind und 32.340 DM für den Kauf von Konsumgütern ausgegeben werden können. Das sind rund 58 Prozent der jährlichen Konsumausgaben während der Erwerbsphase. In der zweiten Spalte ist zum Vergleich die geltende steuerliche Behandlung von Beiträgen zur und Auszahlungen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung abgebildet. Man liegt wohl nicht allzu falsch mit der Annahme, dass etwa 75 Prozent der Beiträge zur GRV aus unversteuertem Einkommen stammen2. Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer während der Erwerbsphase beträgt dann 85.000 DM pro Jahr und die jährliche Steuerzahlung 25.500 DM. Von den Rentenzahlungen wird der Ertragsanteil besteuert, während der Kapitalrückfluss steuerfrei bleibt. In der dritten und vierten Spalte sind die entsprechenden Zahlungsströme für den Fall einer vorgelagerten Besteuerung ausgewiesen. Die Beitragsleistungen für die Altersvorsorge sind dann nicht abzugsfähig, so dass sich die jährliche Einkommensteuerschuld während der Erwerbsphase auf 30.000 DM beläuft. Der Kapitalrückfluss bleibt dann in jedem Fall unversteuert. Dies entspricht der vorgelagerten Form des sog. Korrespondenzprinzips, demzufolge intertemporale Einkommensübertragungen einmal, aber auch nur einmal besteuert werden dürfen. Die beiden Varianten des vorgelagerten Korrespondenzprinzips in den Spalten (3) und (4) der Tabelle unterscheiden sich nun danach, ob der Ertragsanteil der Rentenzahlung besteuert wird oder nicht. In der dritten Spalte 1 Sie berechnen sich über 20.000 x 1.1 + 20.000 x (1.1)2 = 46.200. Der Arbeitgeberanteil zählt zu den Betriebsausgaben und ist vollständig steuerfrei. Der Arbeitnehmeranteil kann nach § 10 Abs. 3 EStG im Rahmen bestimmter Höchstbeträge als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Der genaue Betrag hängt von Einzelfall ab. 2 2 ist dies der Fall mit einer Steuerzahlung von 1.860 DM. Bei einer Rentenbesteuerung nach dem vorgelagerten Korrespondenzprinzip mit Ertragsanteilsbesteuerung werden Ersparnisse für die Altersvorsorge genauso behandelt, wie alle übrigen Ersparnisse im geltenden Steuerrecht auch. In der vierten Spalte ist nun noch der Fall des vorgelagerten Korrespondenzprinzips bei gleichzeitiger Nichtbesteuerung auch des Ertragsanteils dargestellt. Sämtliche Rentenzahlungen bleiben also unversteuert. Diese Variante wird zwar von niemandem explizit gefordert, erweist sich aber für die spätere Argumentation als hilfreich. Ein sinnvoller Vergleich dieser vier Verfahren zur Rentenbesteuerung kann nur anhand der Barwerte von Steuerzahlungen und Konsumausgaben vorgenommen werden. Diese sind für einen Diskontsatz von 10 Prozent im unteren Teil der Tabelle angegeben. Dabei zeigt sich zunächst einmal der bekannte Sachverhalt, dass bei einem Übergang von der geltenden Rentenbesteuerung zur nachgelagerten Besteuerung zwar über einige Zeit mit geringeren Steuereinnahmen zu rechnen ist, dass der Fiskus insgesamt (d. h. in Barwerten) aber mit höheren Einnahmen aus der Einkommensteuer rechnen kann. Die während einer Übergangsfrist auftretenden Steuerausfälle könnten über eine Nettokreditaufnahme überbrückt werden, die dann problemlos aus den späteren Steuermehreinnahmen bedient und getilgt werden könnte. Derartige Zwischenfinanzierungen wären allerdings nicht möglich, wenn, wie gelegentlich gefordert3, eine Nettokreditaufnahme grundgesetzlich untersagt wäre. Aber das bedeutet nur, dass solche auf Randlösungen zielende Vorschläge nicht besonders sinnvoll sind. Der untere Teil der Tabelle zeigt aber auch, dass eine nachgelagerte Besteuerung in Barwerten völlig äquivalent ist mit einem von niemandem explizit geforderten (und von den meisten wohl eher abgelehnten) völligen Verzicht auf Besteuerung der Alterseinkünfte in Verbindung mit einer Nicht-Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen. Diese Form der Besteuerung entspricht einer vollständigen steuerlichen Freistellung von Zinseinkünften, also einer zinsbereinigten Einkommensteuer, wie sie auf Rat der Steuerexperten Rose, Wagner und Wenger in Kroatien eingeführt wurde und mit beträchtlicher Medienresonanz auch für Deutschland empfohlen wird. Tatsächlich plädieren Rose und seine Mitstreiter bei der Rentenbesteuerung nicht für eine Zins-, sondern eine Sparbereinigung4. Aber das ist nur ein anderer Ausdruck für eine nachgelagerte Besteuerung. Eine zinsbereinigte Einkommensteuer ist nun (in Barwerten) wiederum äquivalent zu einer Konsumbesteuerung. Und damit schließt sich der Kreis. Die nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften passt sich steuersystematisch nahtlos in ein Konsumsteuersystem ein, stellt aber im Rahmen der traditionellen Einkommensteuer nach der Reinvermögenszugangstheorie einen Fremdkörper dar. Der Sachverständigenrat scheint das anders zu sehen. In seinem jüngsten Gutachten weist er in der Ziffer 379 ausdrücklich darauf hin, dass beide Aspekte der Rentenbesteuerung, das (vor- oder nachgelagerte) Korrespondenzprinzip und die Ertragsanteilsbesteuerung, dem „System der Einkommensteuer“ entsprechen. Während das Korrespondenzprinzip im System der Einkommensteuer eine Besteuerung entweder der Bei3 4 Vgl. etwa Zimmermann (1999). Vgl. etwa Rose (1999, S. 109). 3 tragsleistungen (vorgelagert) oder der Beitragsrückflüsse (nachgelagert) erfordert, müssen die Ertragsanteile (Zinserträge) „im System der Einkommensteuer in jedem Fall besteuert werden“ (Ziffer 379). De facto entspricht die nachgelagerte Besteuerung aber einem vorgelagerten Korrespondenzprinzip mit steuerlicher Freistellung der Zinserträge. Wie das in ein System der klassischen Einkommensteuer passen soll, verstehe wer kann. Genauso missverständlich ist das immer wieder vorgebrachte Argument, dass die nachgelagerte Besteuerung keinerlei steuerliche Vergünstigung darstelle, sondern einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspreche. Auf dieses Argument wird noch zurückzukommen sein. Aber man muss sich schon entscheiden: Entweder verlangt eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine steuerliche Erfassung oder aber eine steuerliche Freistellung von Zinseinkünften. Für beide Ansichten gibt es gute Gründe. Wer im Lebenseinkommen einen geeigneten Indikator für die steuerliche Leistungsfähigkeit sieht, wird folgerichtig für eine Freistellung von Zinseinkünften und damit letztlich eine Konsumbesteuerung eintreten (müssen). Wer hingegen meint, dass sich Leistungsfähigkeit im jährlichen Einkommen manifestiert, hat keine andere Wahl als für eine Besteuerung von Zinseinkünften zu plädieren. Was allerdings ökonomisch nicht so recht zusammen passt, ist die oftmals von ein und demselben Politiker (oder auch Ökonomen) gleichzeitig aufgestellte Forderung nach einer konsequenten Besteuerung von Zinseinkünften und einer nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften. Dahinter müsste dann schon eine besonders trickreiche und geheimnisvolle Begründung stecken. Zu befürchten ist allerdings schlicht und einfach, dass die Konsequenzen einer nachgelagerten Besteuerung nicht von allen Befürwortern voll durchschaut werden. Im übrigen stellt die nachgelagerte Besteuerung im Rahmen des geltenden Steuerrechts nicht nur deshalb eine steuerliche Vergünstigung dar5, weil der Zinsanteil der Sparbeiträge zur Altersvorsorge de facto nicht besteuert wird. Bei einer progressiven Einkommensteuer vermindert sich der Barwert der gesamten Steuerzahlungen auch deshalb, weil durch die nachgelagerte Besteuerung Einkommen aus den Erwerbsjahren mit in der Regel hohen Grenz- und Durchschnittssteuersätzen in die Ruhestandsphase mit geringeren Einkommen und deshalb auch geringen Steuersätzen verlagert wird. Wenn dann noch für oberhalb des Grundfreibetrags liegende Geringverdiener ein Zulagensystem beim Aufbau einer privaten, nachgelagert besteuerten Altersvorsorge gefordert wird, impliziert das eine solch massive Förderung einer speziellen Sparform, dass die Lenkungswirkung der Kapitalmärkte erheblich beeinträchtigt werden dürfte. Bislang wurde nur auf einige Konsequenzen einer nachgelagerten Besteuerung hingewiesen, die zu ihrer Rechtfertigung vorgebrachten Argumente aber nur gestreift. Besonders klar ist die Begründung für eine nachgelagerte Besteurung in dem schon oben erwähnten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen dargelegt. Kernpunkt der Argumentation ist das Leistungsfähigkeitsprinzip. Sofern Beiträge zur Altervorsorge als Zwangsbeiträge erhoben werden, bewirkt dies eine Einschränkung der Verfügungsmacht der Beitragszahler und mindert ihre Leistungsfähigkeit. Diese erhöht sich dann erst bei Zufluss der späteren Rentenzahlung, die dement5 Noch einmal: Nur in einem generellen Konsumsteuersystem oder einem (äquivalenten) zinsbereinigten Einkommensteuersystem wäre die nachgelagerte (sparbereinigte) Besteuerung von Alterseinkünften nicht als Vergünstigung, sondern als systemgerecht einzustufen. 4 sprechend auch in vollem Umfang zu versteuern ist6. Eine solche Einschränkung der Verfügungsmacht sieht der Beirat auch bei solchen Aufwendungen zur Altersvorsorge, „für die ohne gesetzlichen Zwang eine soziale Verpflichtung zum Aufbau einer Grundsicherung für das Alter angenommen werden kann“ (1986, S. 11). Dies wird an späterer Stelle (S. 47) dahingehend konkretisiert, dass private Leibrentenversicherungen ebenfalls nachgelagert zu besteuern sind. Nun ist das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Finanzwissenschaft keineswegs unumstritten; bekanntlich hat es Littmann (1970) schon vor langer Zeit mit einem herzlichen Lebewohl verabschiedet. Hier soll aber akzeptiert werden, dass eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit „ein verfassungsrechtlich zwingendes Besteuerungsprinzip“ darstellt und „Verfassungsrecht ... strikten Vorrang vor jeder abweichenden ökonomischen Beurteilung/ Wertung“ hat (Söhn, 1994, S. 379). Dann kann man aber immer noch bezweifeln, dass Zwangsbeiträge zur Rentenversicherung die Verfügungsmacht oder Leistungsfähigkeit eines Beitragszahlers einschränken. Stellen wir uns dazu vor, dass es weder eine gesetzliche Rentenversicherung noch einen staatlichen Zwang für eine private Altersvorsorge gibt. Rationale Individuen werden dann freiwillig in ausreichendem Maße für ihr Alter vorsorgen. Angenommen eine Person spart aus freien Stücken pro Jahr 20.000 DM für ihren Alterskonsum. Warum sollte sich ihre Leistungsfähigkeit ändern, wenn der Staat sie plötzlich zwingt, genau diese 20.000 DM als Altersvorsorge zurückzulegen? Ihre Situation hat sich doch in keiner Weise geändert. Selbst wenn ihr der Gesetzgeber vorschreiben würde, statt 20.000 nunmehr 25.000 DM für die Altersvorsorge aufzuwenden, bedeutet das nicht notwendigerweise eine Minderung ihrer Leistungsfähigkeit. Bei vollkommenen Kapitalmärkten könnte sie jedes Jahr einen Kredit über 5000 DM aufnehmen und diesen dann später nebst Zinsen aus ihren unerwünscht hohen Alterseinkünften zurückzahlen. Nun sind gerade Geringverdiener aus mancherlei Gründen kreditrationiert und Rentenansprüche im allgemeinen nicht beleihbar. Warum allerdings eine nachgelagerte Besteuerung ein adäquates Instrument zur Korrektur von Unvollkommenheiten auf den Kreditmärkten sein soll, wurde bislang noch nicht überzeugend dargelegt. Zu prüfen bleibt dann noch das Argument, dass einzelne Individuen strategisch auf eine ausreichende Altersvorsorge verzichten und stattdessen auf die Beanspruchung von Sozialhilfe im Alter spekulieren. Hier hat jedoch Homburg (2000) in einem gerade erschienenen Aufsatz gezeigt, dass dies kein Grund für die Erhebung von Zwangsbeiträgen zur Sozialversicherung sein kann. Wir wollen jetzt trotzdem einmal akzeptieren, dass die Erhebung von Zwangsbeiträgen die Leistungsfähigkeit mindert und diese deshalb von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abzuziehen sind. Wenn man dann im Rahmen einer nachgelagerten Besteuerung eine zur klassischen Einkommensteuer passende Steuerbelastung und Steuerwirkung erreichen möchte, müssten nicht nur die Rentenzahlungen vollständig besteuert werden (also Beitragsrückfluss und Ertragsanteil), zusätzlich wäre der Ertragsanteil noch einmal gesondert der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen. Man könnte dies als die der Einkommensteuer immer wieder vorgeworfene Doppelbesteuerung der Sparerträge interpretieren. Aus der Tabelle wird die behauptete Äquivalenz ersichtlich, wenn die Steuerschuld bei der nachgelagerten Besteuerung um (0,3 x 6.200 =) 1.860 DM erhöht wird. In Barwerten würde die Einkommensteuerschuld einer nachgelagerten Be6 Dieselbe Argumentation findet sich auch in der juristischen Literatur; man vgl. etwa Seer (1996). 5 steuerung mit zweifacher Belastung des Ertragsanteils exakt mit derjenigen in der dritten Spalte übereinstimmen. Und wir hatten oben schon darauf hingewiesen, dass die Anwendung des vorgelagerten Korrespondenzprinzips mit Ertragsanteilsbesteuerung steuersystematisch der klassischen Einkommensteuer entspricht. Abschließend bleibt anzumerken, dass dieser Beitrag keinesfalls als Plädoyer gegen eine nachgelagerte Besteuerung aufgefasst werden sollte. Es sollte lediglich darauf hingewiesen werden, dass diese Form der Besteuerung von Alterseinkünften steuersystematisch zu einem Konsumsteuersystem passt, nicht aber in ein System der klassischen Einkommensteuer gehört. Nun gibt es allokationstheoretisch gute Gründe für den Übergang von einer Einkommensteuer zu einer Konsumbesteuerung. Letztere ist neutral im Hinblick auf die intertemporale Konsumallokation, während die traditionelle Einkommensteuer die intertemporale Konsumwahl verzerrt. Aber das gilt nur bei einem konsequenten Wechsel zu einem Konsumsteuersystem. Die Einführung einer nachgelagerten Besteuerung läuft hingegen auf eine unterschiedliche Besteuerung alternativer Sparformen hinaus, für die es keinen überzeugenden Grund gibt. Sparen für die Altersvorsorge wird durch eine de facto steuerliche Freistellung des Ertragsanteils gefördert; andere Sparformen unterliegen dagegen einem verstärkten steuerlichen Zugriff (etwa aufgrund der Halbierung des Sparerfreibetrags). Dabei ist die steuerliche Behandlung von Zinseinkünften schon jetzt das reinste Chaos; man vgl. nur die Übersicht bei Wagner (1999). Die Politik muss sich endlich entscheiden, ob eine traditionelle Einkommensteuer oder eine (heimliche) Konsumbesteuerung angestrebt wird. Zu befürchten ist, dass nicht immer klar genug gesehen wird, dass die nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte ein (weiterer7) Schritt in Richtung Konsumbesteuerung darstellt. Die Verfechter der klassischen Einkommensteuer sollten deshalb auf der Hut sein: Die nachgelagerte Besteuerung von Altersrenten ist das trojanische Pferd der gegenwärtig noch sieglosen Befürworter eines konsumorientierten Steuersystems. 7 Im geltenden Steuerrecht werden Zinserträge bei bestimmten Formen von Kapitallebensversicherungen und bei betrieblichen Pensionszulagen de facto nicht besteuert. Auch entspricht die Nicht-Besteuerung fiktiver Mieterträge bei selbstgenutztem Wohneigentum einer Konsumgutlösung. 6 Literatur Homburg, S. (2000), Compulsory Savings in the Welfare State, Journal of Public Economics 77, 233-239. Littmann, K. (1970), Ein Valet dem Leistungsfähigkeitsprinzip, in: H. Haller et al. (Hrsg.): Theorie und Praxis des finanzpolitischen Interventionismus. Fritz Neumark zum 70. Geburtstag, Tübingen, 113-134. Rose, M. (1999), Systematisierung der Gewinnbesteuerung, in: K. D. Henke (Hrsg.): Zur Zukunft der Staatsfinanzierung, Baden-Baden, 103-113. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1999), Jahresgutachten 1999/ 2000. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1993), Jahresgutachten 1993/ 1994. Seer, B. (1996), Die Besteuerung der Alterseinkünfte und das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), Steuer und Wirtschaft, 323-336. Söhn, H. (1994), Einkommensteuer und subjektive Leistungsfähigkeit, FINANZARCHIV 56, 104-135. Wagner, F. (1999), Die Integration einer Abgeltungssteuer in das Steuersystem – Ökonomische Analyse der Kapitaleinkommensbesteuerung in Deutschland und der EU, Der Betrieb, 1520-1528. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (1986), Gutachten zur einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften, Bonn. Zimmermann, H. (1999), Ökonomische Rechtfertigung einer kontinuierlichen Staatsverschuldung?, in: K.-D. Henke (Hrsg): Zur Zukunft der Staatsfinanzierung, BadenBaden, 157-171. 7 Tabelle 1: Alternative Formen der Rentenbesteuerung (2) (3) (4) (1) Nachgelagerte Besteuerung Geltendes Steuerrecht 100.000 20.000 24.000 56.000 100.000 20.000 25.500 54.500 100.000 20.000 30.000 50.000 100.000 20.000 30.000 50.000 100.000 20.000 24.000 56.000 100.000 20.000 25.500 54.500 100.000 20.000 30.000 50.000 100.000 20.000 30.000 50.000 46.200 40.000 6.200 13.860 32.340 46.200 40.000 6.200 1.860 44.340 46.200 40.000 6.200 1.860 44.340 46.200 40.000 6.200 – 46.200 Vorgelagertes Korrespondenzprinzip mit ohne Ertragsanteilsbesteuerung Periode 1 Lohneinkommen Rentenbeiträge Einkommensteuer Konsumausgaben Periode 2 Lohneinkommen Rentenbeiträge Einkommensteuer Konsumausgaben Periode 3 Renteneinkünfte Kapitalrückfluss Ertragsanteil Einkommensteuer Konsumausgaben Barwerte Einkommensteuer Konsumausgaben 57.272,73 133.636,37 50.219,01 140.690,08 58.809,92 132.099,18 57.272,73 133.636,37