Sportwetten - sportrecht.org
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Laura Meyer Wunsiedler Str. 1 95659 Arzberg Universität Bayreuth Matrikelnr.: 1204177 Fachsemester: 7 E- Mail: [email protected] Sportwetten Seminar zum Sportrecht Bei Prof. Dr. Peter W. Heermann Im Wintersemester 2013/ 2014 Gliederung I. Einleitung 1 II. Der neue Glücksspielstaatsvertrag 2012 2 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen und europarechtliche Sicht des Glücksspielstaatsvertrags 3 2. Ziele des Glücksspielstaatsvertrags, § 1 GlüStV 2012 4 3. Sportwetten, §§ 3 I 4, 21 GlüStV 2012 5 4. Experimentierklausel, § 10a GlüStV 2012 6 5. Werbung, § 5 GlüStV 2012 8 III. Neuer Straftatbestand zum Schutz vor Wettmanipulation 1. Verbandsstrafen a. Spielmanipualtion, § 6a RVO b. Verstoß gegen das Sportwettenverbot, § 1 Nr. 2 RVO iVm. § 1 Nr. 4 RVO c. Beweisproblematik 2. Bisherige Straftatbestände a. Vorteilsannahme, § 331 StGB/ Bestechung, § 334 StGB b. Unerlaubtes Veranstalten von Glücksspielen, § 284 StGB/ Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel, § 285 StGB c. Betrug, § 263 I StGB 9 9 9 9 10 10 10 11 11 3. Vergleich mit anderen Ländern 15 4. Frühwarnsysteme zum Schutz vor Wettmanipulation 15 5. Vorschlag § 6 Bundesschutzgesetz 17 IV. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung 19 I Literaturverzeichnis Ahrens, Peter: Haft für Hoyzer: Ein Urteil, auf das niemand gewettet hätte http://www.spiegel.de/sport/fussball/haft-fuer-hoyzer-ein-urteil-auf-das-niemandgewettet-haette-a-385504.html Anker, Jens: Hoyzer zerstört Topmüllers Karriere http://www.welt.de/sport/fussball/article5933223/Hoyzer-zerstoerte-ToppmoellersKarriere.html Bosch, Nikolaus: Sportwettenbetrug Anmerkungen zum Urteil BGH von 15.12.2006- 5 StR 181/06, JA 2007, 389–391 Bremer, Henrik: Wann ist welche Werbung erlaubt?, SPONSORs 4/2013, 32–33 Dietlein, Johannes/Hecker, Manfred/Ruttig, Markus (Hrsg.): Glücksspielrecht Kommentar, München, 2. Auflage 2013 Feinedegen, Markus: Sportwettenbetrug durch Spielmanipulation – Fußballwettskandal Anmerkungen zum BGH Urteil vom 15.12.2006- 5 StR 181/06, NJW 2007, 782–788 Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetzte Kommentar, München, 61. Auflage, 2014 Fried, Isabelle: Die neue Werberichtlinie zum Glücksspielstaatsvertrag – Eine verwaltungsrechtliche „Mogelpackung“?, MMR 2013, 483–486 Giebel, Christoph: Strafrechtlicher Schutz für die Lauterkeit des Sports in Deutschland, Causa Sport 2011, 254–256 Hecker, Anno/Reinsch, Michael: „Den Straftatbestand Sportbetrug halte ich für sinnvoll“ http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/hans-peter-friedrich-im-gespraech-denstraftatbestand-sportbetrug-halte-ich-fuer-sinnvoll-12211205.html II Hecker, Manfred: Quo vadis Glücksspielstaatsvertrag?, WRP 2012, 523–532 Heeg, Volker/Leyermann, Thore: GlüStV 2012 – Marktöffnung oder Scheinliberalisierung?, MMR 2012, 726–730 Infantino, Gianni/Kleiner, Jan: Der Kampf der Verbände gegen Spielmanipulation aus der Sicht der UEFA, in: Kainz, Florian/Scherrer, Urs/Werner, Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Schriftenreihe Causa Sport Band 6, 2012, 109–117 Jäger, Christian: Wettbetrug – Nicht nur ein Schaden für en Sport, sondern auch für das Vermögen!, Anmerkung zum BGH Urteil vom 20.12.2012- 4 StR 55/12, JA 2013, 868–871 Joecks, Wolfgang: Strafgesetzbuch Studienkommentar, München, 10. Auflage, 2012 Kainz, Florian/Scherrer, Urs/Werner, Christian: Sportfinanzierung und Sportwetten Schriftenreihe Causa Sport Band 6, Schulthess Juristische Medien, Zürich, 2012 Koch, Rainer: Sport-Schiedsgerichtsbarkeit national, in: Lentze, Gregor/Stopper, Martin; Handbuch Fußball-Recht, Berlin, 2012, 925–964 König, Peter: Sportschutzgesetz – Pro und Contra, Pro: Argumente für ein Sportschutzgesetz, SpuRt 2010, 106–107 Kudlich, Hans: Sportschutzgesetz – Pro und Contra, Contra: Argumente gegen ein Sportschutzgesetz, SpuRt 2010, 108–109 Kuske, Tobias: Staatsvertrag verfehlt Ziele, http://www.sponsors.de/index.php?id=71&tx_ttnews[tt_news]=32718 Kuske, Tobias/Hartmann, Kathrin: Schleswig-Holstein tritt Glücksspielstaatsvertrag bei, http://www.sponsors.de/index.php?id=71&tx_ttnews[tt_news]=31153 III Lackner, Karl/ Kühl, Kristian (Hrsg.): Strafgesetzbuch Kommentar, München, 27. Auflage, 2011 Leipold, Klaus/Beuckelmann, Stephan: Das Strafrecht und die Lauterkeit des sportlichen Wettbewerbs, NJW Spezial 2010, 56–57 Lentze Gregor: Marketing-Rechte, in: Lentze, Gregor/ Stopper, Martin (Hrsg.), Handbuch Fußball-Recht, Berlin, 2012, 71–106 Mintas, Laila: Das Dilemma um das Sportwettenrecht in Deutschland, Causa Sport 2012, 214–218 Mintas, Laila: “Match Fixing” – Klare Abseitsposition des deutschen Gesetzgebers, in: Kainz, Florian/ Scherrer, Urs/ Werner, Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Schriftenreihe Causa Sport Band 6 2012, 97–101 Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch: Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus (Hrsg.), München, 2006 Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch: Kindhäuser, Urs/Neumann, Ulfrid/Paeffgen, Hans- Ulrich (Hrsg.), Baden- Baden, 3. Auflage, 2012 Pagenkopf, Martin: Der neue Glücksspielstaatsvertrag – Neue Ufer, alte Gewässer, NJW 2012, 2918–2924 Petropoulos, Vasileios/Morozinis, Ioannis: Der Sportwettenbetrug durch Manipulation zu Lasten des Wettveranstalters oder des Wettenden, wistra 2009, 254–261 Saliger, Frank/Rönnau, Thomas/Kirch- Heim, Claudio: Täuschung und Vermögensschaden beim Sportwettenbetrug durch Spielteilnehmer – Fall „ Hoyzer“, NStZ 2007, 361–368 Satzger, Helmut Schmitt, Bertram/Widmaier, Gunter (Hrsg.): Strafgesetzbuch Kommentar, Köln, 1. Auflage 2009 IV Schiemann, Anja: Sportwettenbetrug durch Spielmanipulation – Schadensermittlung Anmerkung zum BGH Urteil vom 20.12.2012- 4 StR 55/12, NJW 2013, 883–888 Schönke, Adolf/Schröder, Horst (Hrsg.): Strafgesetzbuch Kommentar, München, 28. Auflage 2010 Wegmann, Henning: Entwurf zum Sportschutzgesetz: ja – aber richtig!, Causa Sport 2010, 242–246 Windoffer, Alexander: Die Neuregelung des Glücksspielrechts vor dem Hintergrund unionsund verfassungsrechtlicher Rahmenbedingungen, DÖV 2012, 257–265 Thaysen, Maren: Sportwetten in Deutschland, Baden Baden, 2009 Unbekannter Verfasser: DFB Boss Zwanziger begnadigt Skandal-Schiri Hoyzer, http://www.welt.de/sport/fussball/article13163445/DFB-Boss-Zwanziger-begnadigtSkandal-Schiri-Hoyzer.html Unbekannter Verfasser: Europol deckt gewaltigen Wettbetrug auf, http://www.sueddeutsche.de/sport/manipulation-im-fussball-europol-decktgewaltigen-wettbetrug-auf-1.1590936 Villiger, Marco: Der Kampf der Verbände gegen Spielmanipulation, in: Kainz, Florian/ Scherrer, Urs/ Werner, Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Schriftenreihe Causa Sport Band 6, 2012, 119–137 Zenglein, Detlev: Möglichkeiten und Grenzen von Überwachungssystemen zur Sicherung der Integrität des Sports, in: Kainz, Florian/ Scherrer, Urs/ Werner, Christian (Hrsg.), Sportfinanzierung und Sportwetten, Schriftenreihe Causa Sport Band 6, 2012, 171–179 V I. Einleitung Im Jahr 2005 gestand der Schiedsrichter Robert Hoyzer, bewusst Fußballspiele manipuliert zu haben. Damit wurde einer der bedeutungsvollsten Wettskandale bekannt. Hoyzer begann mit 15 Jahren bei seinem Lieblingsverein Hertha BSC als Schiedsrichter. Dort machte er schnell Karriere, denn mit 22 Jahren war er der jüngste Schiedsrichter in der Zweiten Bundesliga.1 In einer Sportlerkneipe in Berlin lernte er die kroatischen Brüder Sapina kennen, die ihren Lebensunterhalt mit Sportwetten verdienen. Einer der Brüder machte ihm deshalb im Mai 2004 ein Angebot: Hoyzer sollte 8000 € erhalten, wenn er die Partie Paderborn-Chemnitz zugunsten Paderborns ausgehen ließ. Hoyzer nahm es an, dennoch endete das Spiel anders als geplant, weshalb er den Betrag nicht behalten durfte. Dieser Versuch ein Spiel zu manipulieren war nicht der letzte. In den folgenden Monaten erhielt Hoyzer weitere Geldangebote der kroatischen Brüder.2 Unter anderem schied deshalb der Hamburger SV im DFB Pokal gegen den Drittligisten Paderborn aus.3 Wegen häufig kritischen und umstrittenen Entscheidungen rutschte Hoyzer in dem DFB Ranking der Schiedsrichter immer weiter ab. Außerdem lebte er über seine Verhältnisse und machte gegenüber seinen Freunden immer wieder Andeutungen. Deshalb offenbarte der befreundete Schiedsrichter Zwayer mit einem weiteren Schiedsrichter seine Zweifel und Vermutungen dem Dekan der Berliner Schiedsrichter und dem DFB. Bereits fünf Tage später gestand Hoyzer, bewusst Spiele beeinflusst zu haben und dafür Geld entgegen genommen zu haben. Dabei handelte es sich um 23 Spiele, die im Jahr 2004 manipuliert wurden oder zumindest versucht wurden zu manipulieren.4 Im drauffolgenden Prozess wurde Hoyzer zu zwei Jahren und fünf Monaten ohne Bewährung wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt.5 Mittlerweile hat Hoyzer seine Haftstrafe abgesessen und hat sich bei dem DFB-Präsident Theo Zwanziger persönlich entschuldigt. Er spielt nun auch wieder in einem Amateurverein 1 Anker, „Hoyzer zerstört Topmöllers Kariere“, http://www.welt.de/sport/fussball/article5933223/Hoyzerzerstoerte-Toppmoellers-Karriere.html; letzter Zugriff am 11.11.2013. 2 Anker, „Hoyzer zerstört Topmöllers Karriere“, http://www.welt.de/sport/fussball/article5933223/Hoyzerzerstoerte-Toppmoellers-Karriere.html; letzter Zugriff am 11.11.2013. 3 LG Berlin, Urteil vom 17.11.2005-(512) 68 Js 451- 05 Kls (42/05) (zitiert nach juris) 4 Anker, „Hoyzer zerstört Topmöllers Karriere“, http://www.welt.de/sport/fussball/article5933223/Hoyzerzerstoerte-Toppmoellers-Karriere.html; letzter Zugriff am 11.11.2013. 5 LG Berlin, Urteil vom 17.11.2005-(512) 68 Js 451- 05 Kls (42/05) (zitiert nach juris); Ahrens, „Haft für Hoyzer: Ein Urteil auf das niemand gewettet hätte“, http://www.spiegel.de/sport/fussball/haft-fuer-hoyzer-einurteil-auf-das-niemand-gewettet-haette-a-385504.html; letzter Zugriff am 11.11.2013. 1 auf Landesverbands-Ebene Fußball. Nur ein Amt im DFB, in dessen Mitgliedsverbänden und in deren Vereinen bleibt ihm auf Dauer verwehrt.6 Dieser Wettskandal ist leider nicht der Einzige. Erst im Februar 2013 deckte Europol Manipulationen bei Sportwetten in ganz Europa auf.7 Dabei stellt sich die Frage, was dagegen unternommen werden kann. Dies ist auch ein Grund, warum es in Deutschland den Glücksspielstaatsvertrag gibt, der im Nachfolgenden im Hinblick auf Sportweten genauer erläutert wird (II.). Desweiteren wird die Notwendigkeit eines Straftatbestand zum Schutz vor Wettmanipulation diskutiert (III.). II. Der neue Glücksspielstaatsvertrag 2012 Schon im Dezember 2011 wurde der „Erste Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland“8 von allen Ministerpräsidenten, mit Ausnahme des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, unterschrieben.9 Allerdings musste dieser Staatvertrag in jedem beteiligten Bundesland erst noch ein Ratifizierungsverfahren bis zum 30.06.2012 durchlaufen. Problematisch wurde dabei, dass der Landtag in NordrheinWestfalen im März 2012 aufgelöst wurde und dennoch das Verfahren bis Ende Juni abgeschlossen sein musste. Außerdem sollte der Staatvertrag erst nach einer Stellungnahme der EU-Kommission, die ebenfalls im März erfolgte, den Landtagen zugesandt werden.10 Zudem konnte die EU-Kommission aufgrund mangelnder Informationen seitens der einzelnen Bundesländer keine abschließende Bewertung abgegeben, weshalb auch durch Auslegung keine Vereinbarkeit des Glückspielstaatsvertrags mit dem europäischen Recht herbeigeführt werden konnte.11 Dennoch trat der neue Glücksspielstaatsvertrag am 01.07.2012 in allen Bundesländern mit Ausnahme Schleswig-Holsteins in Kraft.12 Im Januar 2013 ist nunmehr auch Schleswig-Holstein diesem Vertrag beigetreten.13 6 Unbekannter Verfasser, „DFB- Boss Zwanziger begnadigt Skandal- Schiri Hoyzer“, http://www.welt.de/sport/fussball/article13163445/DFB-Boss-Zwanziger-begnadigt-Skandal-SchiriHoyzer.html; letzter Zugriff am 11.11.2013. 7 Unbekannter Verfasser, „Europol deckt gewaltigen Wettbetrug auf“, http://www.sueddeutsche.de/sport/manipulation-im-fussball-europol-deckt-gewaltigen-wettbetrug-auf1.1590936; letzter Zugriff am 11.11.2013. 8 Dietlein in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Einf, Rn. 1. 9 Dietlein in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Einf, Rn. 1; Hecker, WPR, 2012, 523. 10 Hecker, WPR, 2012, 523 (524). 11 Mintas, Causa Sport 2012, 214 (218). 12 Pagenkopf, NJW 2012, 2918. 13 Kuske/Hartmann, „Schleswig-Holstein tritt Glücksspielstaatsvertrag bei“, http://www.sponsors.de/index.php?id=71&tx_ttnews[tt_news]=31153; letzter Zugriff am 13.09.2013. 2 1. Verfassungsrechtliche Grundlage und europarechtliche Sicht des Glücksspielstaatsvertrags Das Bundesverfassungsgericht erklärte in seinem Urteil vom 28.03.2006, dass das staatliche Veranstaltungs- und Vermittlungsmonopol von Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar sei, solange damit nicht konsequent das Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren gefördert werden kann.14 Unter den Schutzzweck des Art. 12 I GG15 fällt unter anderem auch, einen Beruf frei zuwählen. Dadurch werden das Vermitteln und Veranstalten von Sportwetten als berufliche Tätigkeit von diesem Grundrecht geschützt.16 Desweiteren werden die vom Staat veranstalteten Wetten über gewerbliche (private) Annahmestellen vertrieben, was dafür spricht, dass die Vermittlung nicht dem Staat vorbehalten ist.17 Aufgrund des Ausschlusses gewerblicher Wettveranstaltungen durch private Unternehmen und des Ausschlusses der Vermittlung von Wetten, deren Veranstalter nicht der Staat ist, liegt ein ungerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 I GG vor.18 Dieser Eingriff kann nur durch das gewichtige Gemeinwohlziel der Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht gerechtfertigt werden.19 Allerdings genügen die bisherigen Vorgaben aus dem in Bayern geltenden Staatslotteriegesetz nicht, um dieses Ziel zu erreichen.20 Deshalb wurde in diesem Urteil der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.12.2007 die Sportwetten hinsichtlich dieser verfassungsrechtlichen Probleme neu zu regeln,21 weshalb alle Bundesländer, außer Schleswig-Holstein, den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) vom 01.01.2008 unterzeichneten. Dieser Vertrag sollte für vier Jahre gelten und automatisch mit Ende des vierten Jahres wirkungslos werden, falls nicht mindestens 13 der Ministerpräsidenten bis zum Ablauf des vierten Jahres für ein Fortgelten gestimmt hätten,22 was aber rechtzeitig der Fall war und deshalb am 01.07.2012 der neue Glücksspielstaatsvertrag 2012 in Kraft trat. In diesem ersten Vertrag aus 2008 wurde der Eingriff in Art. 12 I GG durch das Sportwettenmonopol gerechtfertigt, indem der Vertrag konkrete Regelungen zur Bekämpfung 14 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006- 1 BvR 1054/ 01(zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261. Römische Zahlen nach dem § geben den Absatz und arabische Zahlen den Satz an. 16 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006-1 BvR 1054/ 01, Rn. 81 (zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261 (1262). 17 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006-1 BvR 1054/ 01, Rn. 89 (zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261 (1262). 18 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006-1 BvR 1054/ 01, Rn. 92, 119 (zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261 (1263f.). 19 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006-1 BvR 1054/ 01, Rn. 97f. (zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261 (1265). 20 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006-1 BvR 1054/ 01, Rn. 122 (zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261 (1265). 21 BVerfG, Urteil vom 28.03.2006-1 BvR 1054/ 01, Rn. 142ff. (zitiert nach juris) = NJW 2006, 1261 (1267). 22 Pagenkopf, NJW 2012, 2918. 15 3 von Spiel- und Wettsucht beinhaltet und damit ausreichend stark am Gemeinwohlziel orientiert ist.23 Weiter beurteilte jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2010 in zwei Urteilen das deutsche Glücksspielmonopol als mit dem Europarecht unvereinbar.24 In diesen Urteilen beschäftigt sich der EuGH vor allem mit der Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols, welches nur für manche Glücksspielarten wie zum Beispiel für Sportwetten gilt. Solch ein Monopol ist grundsätzlich zulässig. Jedoch könnte dadurch die Kohärenz des staatlichen Monopols in Frage gestellt werden, wenn das verfolgte Ziel der Bekämpfung der Spielsucht nicht mehr ausreichend verfolgt wird und das Monopol somit auch nicht mehr durch Art. 49 EG-Vertrag gerechtfertigt werden kann. Deshalb wurde das auf Suchtbekämpfung gestützte Sportwettenmonopol in Deutschland zunehmend als unionswidrig erklärt.25 2. Ziele des Glücksspielstaatsvertrags, § 1 GlüStV 2012 In § 1 GlüStV 2012 werden ausdrücklich die Ziele dieses Vertrags genannt, welche alle gleichrangig sind.26 Eines der Ziele ist nach § 1 Nr. 1 GlüStV 2012 das Verhindern der Entstehung von Glücksspielsucht und Wettsucht. Dabei wird das vom BVerfG für ein staatliches Monopol geforderte Ziel der Suchtbekämpfung bereits durch die Verhinderung der Entstehung verschärft und kann den Eingriff in Art. 12 I GG rechtfertigen.27 Außerdem sollen nach § 1 Nr. 1 Alt. 2 GlüStV 2012 Voraussetzungen geschaffen werden, die eine wirksame Suchtbekämpfung ermöglichen sollen. Ein weiteres Ziel ist es, durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellenden Glücksspielangebot den natürlichen Spielbetrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in den Schwarzmärkten entgegenzuwirken, § 1 Nr. 2 GlüStV 2012. Zudem soll gemäß § 1 Nr. 3 GlüStV 2012 der Jugend- und Spielerschutz gewährleistet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen vor allem die Vertriebswege des Glücksspiels genau ausgewählt werden. Problematisch ist dabei das Internet oder der Fernseher als Vertriebs- und Werbemittel.28 23 VGH München, Beschluss vom 02.06.2008-10 CS 08.1008 (zitiert nach juris) = BeckRS 27985, Rn. 20; Thaysen, Sportwetten, S. 55. 24 EuGH, Urteil vom 08.09.2010-C 316/ 07, Markus Stoß (zitiert nach juris); EuGH, Urteil vom 08.09.2010-C 46/ 08,Carmen Media (zitiert nach juris) = SpuRt 2010, 243. 25 Hecker, WRP, 2012, 523 (525). 26 Hecker, WRP, 2012, 523 (526). 27 Dietlein in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 1 GlüStV, Rn. 11. 28 Dietlein in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 1 GlüStV, Rn. 14. 4 Viertes Ziel ist es nach § 1 Nr. 4 GlüStV 2012 sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt werden und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt wird. Als abschließendes und erstmaliges Ziel wird in § 1 Nr. 5 GlüStV 2012 festgelegt, dass Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen ist. Immer häufigere Manipulationsfälle, wie zum Beispiel der Fall Hoyzer verdeutlichen die Notwendigkeit dieses Ziels.29 Gerade bei Sportwetten können hohe Beträge eingenommen sowie auch als Gewinn ausgezahlt werden, weshalb dabei eine erhöhte Gefahr für Betrug oder andere Straftaten besteht.30 Eine neue Studie des Beratungsunternehmens Goldmedia belegt allerdings, dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht alle der genannten Ziele erreicht. Durch die Sportwetten konnte im Jahr 2012 ein Umsatz von 6,8 Milliarden Euro erwirtschaftet werden, wovon aber nur 245 Millionen auf dem regulierten Markt erzielt wurden. Der Studie zu Folge werden auch 2017 immer noch 70 Prozent der Umsätze von unregulierten Unternehmen erwirkt. Außerdem sei mit einem generellen Umsatzrückgang zu rechnen, der auf einen wachsenden Schwarzmarkt zurückzuführen sei. Dadurch würde das Ziel aus § 1 Nr. 2 GlüStV 2012 verfehlt werden. Hans-Jörn Arp, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion in SchleswigHolstein, sieht darin schon das Scheitern des Glücksspielstaatsvertrags.31 3. Sportwetten, §§ 3 I 4, 21 GlüStV 2012 Sportwetten sind Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen, § 3 I 4 GlüStV 2012. Diese Sportwetten können nach § 21 I GlüStV 2012 als Kombinationswetten oder Einzelwetten getätigt werden. Als bewettbare Sportereignisse kommen vor allem Veranstaltungen in Betracht, deren Gegenstand von der Rechtsprechung oder durch anerkannte europäische Interessenverbände als „Sport“ eingestuft wurden. Bezüglich einzelner Sportarten gibt es keine gesetzlichen Beschränkungen.32 Am häufigsten werden Einzelwetten abgegeben. Dabei wettet man auf den Ausgang eines konkreten Wettkampfs, wobei auf Sieg, Niederlage, Unentschieden oder auf ein 29 Pagenkopf, NJW 2012, 2918. EuGH, Urteil vom 08.09.2009- C 42/07, Rn. 63, Liga Portuguesa (zitiert nach juris) = NJW 2009, 3221 (3224). 31 Kuske, „Studie: Staatsvertrag verfehlt Ziele“, http://www.sponsors.de/index.php?id=71&tx_ttnews[tt_news]=32718, letzter Zugriff am 20.11.2013. 32 Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 21 GlüStV, Rn. 17,19. 30 5 entsprechendes Ergebnis getippt werden kann.33 Neben der Einzelwette gibt es noch die Kombinationswette. Bei dieser Art von Wetten wird der Gewinn nur ausgezahlt, wenn sich eine vorher festgelegte Anzahl von mehreren getippten Ergebnissen als richtig erwiesen hat.34 Verboten sind sogenannte Ereigniswetten. Darunter fallen Wetten auf einzelne Ereignisse wie zum Beispiel auf den nächsten Einwurf, den nächsten Platzverweis oder das nächste Tor.35 Ebenfalls unzulässig sind Handicapwetten. Bei diesen Wetten gibt der Wettanbieter eine fiktive Torvorgabe vor, die eine Handicap für eine der beiden Mannschaften darstellt. Am Ende wird diese Torvorgabe mit dem Endergebnis addiert, woraus das Ergebnis der Handicapwette resultiert.36 Desweiteren sind Live-Wetten nach § 21 IV 2 GlüStV 2012 ebenfalls verboten. Bei Live-Wetten werden die Wetten erst während des Verlaufs eines Sportereignisses gesetzt, weshalb die Wettquoten laufend verändert und angepasst werden.37 Live-Wetten sind nur zulässig, wenn sie Wetten auf das Endergebnis sind, § 21 IV 3 GlüStV 2012. 4. Experimentierklausel für Sportwetten, § 10a GlüStV 2012 Eine wesentliche Neuerung ist die Einführung der Experimentierklausel, die zur besseren Erreichung der Ziele aus § 1 GlüStV 2012 dienen soll, § 10a GlüStV 2012. Der Gesetzgeber wollte damit vor allem eine Alternative zum Schwarzmarkt bieten und durch hohe Auflagen sowie durch staatliche Kontrollen Straftaten vorbeugen.38 Diese Norm gilt für die Dauer von sieben Jahren ab dem 01.07.2012.39 Aufgrund der Experimentierklausel können Konzessionen für private Sportwettenanbieter vergeben werden. Solch eine Konzession erteilt eine Behörde für alle Länder, § 4a II 1 GlüStV 2012. Das Erteilungsverfahren ist in § 4b I-IV GlüStV 2012 geregelt.40 Jedoch ist die Anzahl der Konzessionen auf 20 begrenzt,41 weswegen § 4b V GlüStV 2012 Auswahlkriterien bei mehreren geeigneten Bewerbern beinhaltet. Danach ist entscheidend, wer am besten für die Erreichung der in § 1 GlüStV 2012 genannten Ziele geeignet ist, wer eine effektive Kontrolle durch die Behörde gewährleisten kann, wer eine 33 Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 21 GlüStV, Rn. 32. Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 21 GlüStV, Rn. 30. 35 Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 21 GlüStV, Rn. 24. 36 Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 21 GlüStV, Rn. 23; Kunz/Scherrer/Werner, Sportfinanzierung und Sportwetten, Anahng 1 S. 225. 37 Kunz/Scherrer/Werner, Sportfinanzierung und Sportwetten, Anahng 1 S. 226. 38 Hecker, WRP 2012, 523 (530). 39 Heeg/Levermann, MMR 2012, 726 (727). 40 Windoffer, DÖV 2012, 257 (259). 41 Heeg/Leyermann, MMR 2012, 726 (727). 34 6 nachhaltige finanzielle Leistungsfähigkeit und eine Wirtschaftlichkeit seines Betriebs nachweisen kann sowie wer den Abgabepflichten nachkommt.42 In § 10a III GlüstV 2012 ist die Anzahl der Konzessionen zwar beschränkt, diese kann aber aufgrund von § 4a III 2 GlüStV 2012 erhöht oder verringert werden, wenn neue Erkenntnisse für eine bessere Erreichung der genannten Ziele vorhanden sind.43 Um nachzuvollziehen warum gerade die Höchstzahl von 20 Konzessionen gewählt wurde, forderte die EUKommission die Bundesländer auf, entsprechende Nachweise zu liefern, weshalb eine Beschränkung der Lizenzen für die Zielerreichung erforderlich ist. Solch eine Untersuchung ist aber bisher nicht vorgelegt worden.44 Möglicherweise werden durch die quantitative Begrenzung ebenso viele private Anbieter vom Sportwettenmarkt ausgeschlossen wie durch ein staatliches Monopol. Dies könnte vor allem im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV problematisch werden.45 Dennoch erscheint die Höchstzahl von 20 Konzessionen als ausreichend. Denn in Frankreich wurden zum Beispiel bis zum Juni 2010 gerade 17 Sportwettenlizenzen an elf Anbieter erteilt, wobei davon nicht alle Lizenzinhaber auch Gebrauch machen.46 Grundsätzlich ist das Veranstalten und das Vermitteln von Sportwetten im Internet verboten, § 4 IV GlüStV 2012. Durch die Experimentierklausel ist es aber Konzessionsnehmern gestattet, Sportwetten im Internet zu veranstalten sowie zu vermitteln, § 10a IV GlüStV 2012.47 Es ist dafür keine zusätzliche Erlaubnis erforderlich.48 Die Konzession ist allerdings auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und der Staaten, die die deutsche Erlaubnis für ihr Hoheitsgebiet anerkennen, beschränkt, § 10a IV 2 GlüStV 2012. Zudem schreibt § 10a V GlüStV 2012 vor, dass jeweils die Länder die Zahl der Wettvermittlungsstellen zur Erreichung der Ziele aus § 1 GlüStV 2012 begrenzen und regeln. Desweiteren geht aus § 10a V GlüStV 2012 hervor, dass für die Vermittlung von Sportwetten eine Erlaubnis notwendig ist. 42 Windoffer, DÖV 2012, 257 (259). Windoffer, DÖV 2012, 257 (259). 44 Mintas, Causa Sport 2012, 214 (215f.). 45 Hecker, WRP 2012, 523 (530). 46 Gebhardt in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 10a GlüStV, Rn. 21. 47 Mintas, Causa Sport 2012, 214 (216). 48 Gebhardt in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 10a GlüStV, Rn. 22. 43 7 5. Werbung, § 5 GlüStV 2012 Eine weitere Neuerung stellt die Regulierung der Werbung nach § 5 GlüStV 2012 dar. Im Vergleich zum starren Verbot des Glücksspielstaatsvertrags 2008 ist die jetzige Regelung eine Lockerung sowie ein zielorientierter Ansatz.49 In diesem Zusammenhang ist Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen mit einem gewissen Aufforderungs- bzw. Anreizmoment immanent zu fördern.“50 Geblieben ist aber, dass sich die Werbung nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten darf, § 5 II GlüStV 2012.51 Art und Umfang der Werbung für Glücksspiele sind an den Zielen aus § 1 GlüStV 2012 auszurichten, § 5 I GlüStV 2012. Zudem ist grundsätzlich Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten. Hinsichtlich der Sportwetten können die Länder jedoch für den Bereich des Internets und des Fernsehens eigene Regelungen treffen, falls sie dadurch die Ziele aus § 1 GlüStV 2012 besser erreichen, § 5 III GlüStV 2012. Solch eine Regelung findet sich in der Werberichtlinie (WerbeRL) vom 07.12.2012, die vom Glücksspielkollegium der Länder beschlossen wurde, um die Art und den Umfang der zugelassenen Werbung näher zu konkretisieren.52 Demnach ist auch das Werben für Sportwetten mit aktiven Sportlern sowie mit Funktionären verboten, § 5 Nr. 2 WerbeRL. Werbung auf den Trikots oder Banden in Form der Dachmarkenwerbung ist hingegen legal, § 12 I WerbeRL53 Unter das Werbeverbot per Telekommunikationsanlagen fällt auch die Kommunikation per EMail, sobald diese werblichen Charakter besitzt.54 Ebenfalls verboten bleibt Werbung für Sportwetten im Fernsehen unmittelbar vor oder während der Live-Übertragung von Sportereignissen auf dieses Sportereignis, § 5 III 3 GlüStV 2012. Das hingegen im früheren Staatsvertrag enthaltene Werbeverbot mittels Sponsoring ist nun weggefallen.55 Außerdem ist Werbung für unerlaubtes Glücksspiel verboten, § 5 V GlüStV 2012. 49 Heeg/Levermann, MMR 2012, 726 (728). BGH, Urteil vom 09.06.2005-I ZR 279/02 (zitiert nach juris) = NJW 2005, 3716. 51 Pagenkopf, NJW 2012, 2918 (2923). 52 Fried, MMR 2013, 483. 53 Bremer, SPONSORs 4/ 2013, 32 (33). 54 BGH, Urteil vom 04.03.2008-KZR 36/05,Rn. 47 (zitiert nach juris); Hecker, WRP 2012, 523 (529). 55 Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, § 5 GlüStV, Rn. 52. 50 8 III. Neuer Straftatbestand zum Schutz vor Wettmanipulation Schlagzeilen wie der Fall „Hoyzer“ sind leider keine Seltenheit, deshalb stellt sich die Frage, ob ein eigener und neuer Straftatbestand zum Schutz vor Wettmanipulation notwendig ist. 1. Verbandsstrafen Der DFB möchte sich auch auf verbandsrechtlicher Ebene vor Wettmanipulationen schützen. Deshalb finden sich in der Rechts- und Verfahrensordnung (RVO) sowie in der Satzung des DFB entsprechende Regelungen. a. Spielmanipulation, § 6a RVO Nach dieser Vorschrift verhält sich jeder regelwidrig, der es unternimmt auf das Ergebnis eines Fußballspiels und/oder den sportlichen Wettbewerb durch wissentlich falsche Entscheidungen oder andere unbefugte Beeinflussung einzuwirken in der Absicht, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen, § 6a Nr. 1 RVO. Die Bedeutung des Wortes „unternehmen“ lässt sich dabei von § 11 Nr. 6 StGB ableiten.56 Demnach ist die Vollendung, sowie auch der Versuch57 der Spielmanipulation unsportliches Verhalten. Dies ist von großer Bedeutung, da selten ein konkreter Nachweis der Spielmanipulation erbracht werden kann. Dabei fällt es oft schon schwer, überhaupt das für den Versuch erforderliche unmittelbare Ansetzen nachzuweisen. Ist eine Spielmanipulation dann dennoch nachgewiesen, wird sie als unsportliches Verhalten geahndet, § 6a Nr. 2 RVO. Die Strafen für unsportliches Verhalten finden sich in § 44 der Satzung des DFB. b. Verstoß gegen das Sportwettenverbot § 1 Nr. 2 RVO iVm. § 1 Nr. 4 RVO Nach § 1 Nr. 2 RVO ist es Spielern, Trainern und Funktionsträger von Vereinen untersagt, auf Gewinnerzielung gerichtete Sportwetten selbst oder durch Dritte auf den Ausgang oder den Verlauf von Fußballspielen, an denen ihre Mannschaften mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind, abzuschließen oder dieses zu versuchen. Außerdem dürfen sie auch Dritte nicht dazu anleiten oder dabei unterstützen, solche Wetten abzuschließen. Weiter sind sie verpflichtet sich auf solche Sportwetten beziehende nicht allgemein zugängliche Informationen oder ihr 56 57 Koch, Handbuch Fußballrecht, Kapitel 20, Rn. 34. Fischer, StGB, § 11, Rn. 28. 9 Sonderwissen nicht zur Verfügung zu stellen. Verstöße stellen eine Form von unsportlichem Verhalten dar und werden mit Hilfe des § 44 der Satzung des DFB bestraft, § 1 Nr. 4 RVO. c. Beweisproblematik Auch verbandsrechtliche Sanktionen sind nur anwendbar, wenn sie nachgewiesen werden können. Ausschlaggebend für einen Nachweis sind deshalb vor allem Aussagen von Beteiligten und Zeugen. Auch im Hinblick auf Geldtransaktionen scheitert es oft an der Nachweisbarkeit, denn diese sind oft wieder Vorgänge anderer Straftaten und erstrecken sich international.58 Um weitere Beweismittel zu sichern, fehlt es den Verbänden aufgrund ihrer privatrechtlich organisierten Institutionen an hoheitlichen Befugnissen. Zwangsmittel können sie nicht durchsetzen. Außerdem haben die Verbände kein Recht, Dinge zu beschlagnahmen, Herausgabe zu verlangen oder Zeugen verbindlich vorzuladen.59 2. Bisherige Straftatbestände Im Folgenden werden die bisherigen Straftatbestände im Zusammenhang mit Glücksspielen und Spielmanipulation und ihre Probleme hinsichtlich der Bestrafung bei Spielmanipulationen dargestellt. a. Vorteilsannahme, § 331 StGB/ Bestechung, § 334 StGB Nach § 331 I StGB ist ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter strafbar, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Voraussetzung dafür ist die Eigenschaft des Amtsträgers, die sich nach § 11 I Nr. 2 StGB bestimmt. Danach ist Amtsträger, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist oder in einem sonstigern öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht. Fußballspieler oder Schiedsrichter sind demnach keine Amtsträger, weshalb eine Strafbarkeit nach § 331 I StGB ausscheidet. Ebenfalls aufgrund der mangelnden Eigenschaft als Amtsträger können Dritte nicht bestraft werden, die dem Spieler oder Schiedsrichter Vorteile anbieten, weshalb auch § 334 StGB zu keinem Erfolg führt. 58 59 Villiger, Sportfinanzierung und Sportwetten, 119 (134). Villiger, Sportfinanzierung und Sportwetten, 119 (135). 10 b. Unerlaubtes Veranstalten von Glücksspielen, § 284 StGB/ Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel, § 285 StGB Gemäß § 284 I StGB ist strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtung hierzu bereitstellt. Auch hier leitet sich die Definition des Glücksspiels aus § 3 GlüStV 2012 ab.60 Demnach ist Glücksspiel ein nach vorbestimmten Regeln verlaufendes „Spielen“, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den Fähigkeiten und Kenntnissen, sondern überwiegend vom Zufall abhängt und es muss für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werden.61 Bei den Sportwetten handelt es sich um ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB.62 Strafrechtlich relevant wird ein Glücksspiel erst, wenn mit vermögenswerten Einsätzen gespielt wird.63 Der Einsatz ist jede nicht ganz unerhebliche Vermögensleistung, der auch in versteckter Form entrichtet werden kann, wie zum Beispiel durch den Erwerb von Eintrittskarten.64 Die Schwellenwerte liegen bei 0,50 € bis 20 €.65 Außerdem ist nach § 285 StGB strafbar, wer sich an einem öffentlichen Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB beteiligt. Beteiligt ist man, wenn man durch die nach den Spielregeln vorgegebenen Handlungen seine Gewinn- und Verlustchancen erhält.66 Danach ist strafbar, wer an einem unerlaubten Glücksspiel teilnimmt. Allerdings geschehen Wettmanipulationen auch bei Wetten, die legal angeboten werden, weshalb in diesen Fällen der Wettende nicht nach § 285 StGB strafbar ist. c. Betrug, § 263 StGB Desweiteren gibt es den Straftatbestand des Betrugs nach § 263 I StGB. Demnach ist strafbar, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Erstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Im Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen Spielmanipulation ergeben sich dabei Probleme bei den Tatbestandsmerkmalen Täuschung und Schaden. Die folgenden Ausführungen gelten für eine Manipulation des Wettenden zum Nachteil des Wettveranstalters. 60 Fischer, StGB, § 284, Rn. 4. Heine in Schönke/Schröder, StGB, § 284, Rn. 5; Fischer, StGB, § 284, Rn. 4. 62 Wohlers in NK, StGB, § 284, Rn. 14; Heine in Schönke/Schröder, StGB, § 284, Rn. 7; OLG München, Urteil vom 26.09.2006-5St RR 115/05, Rn. 2.1 (zitiert nach juris); Rosenau in SSW, StGB, § 284, Rn. 5. 63 Wohlers in NK, StGB, § 284, Rn. 12. 64 Rosenau in SSW, StGB, § 284, Rn. 6; Fischer, StGB, § 284, Rn. 5. 65 Heine in Schönke/Schröder, StGB, § 284, Rn. 6; Rosenau in SSW, StGB, § 284, Rn. 6. 66 Groeschke/Hohmann in MüKo, StGB, § 285, Rn. 5; Rosenau in SSW, StGB, § 285, Rn. 4. 61 11 Eine Täuschung ist jede Handlung mit Erklärungswert, die durch ihr Einwirken auf die Vorstellung eines anderen wirkt und bei diesem eine Irreführung hervorruft.67 Eine Täuschung kann ausdrücklich, konkludent oder auch durch Unterlassen geschehen.68 Schlüssig ist die Täuschung, wenn aus dem Gesamtverhalten des Täters nach Verkehrsanschauung eine Erklärung über Tatsachen hervorgeht.69 Dieses Verhalten wird als stillschweigende Erklärung angesehen.70 Gegenstand dieser Erklärungen kann auch sein, dass gerade etwas nicht geschehen sei (sog. Negativtatsache).71 Der BGH hat in seinem Urteil vom 15.12.2006 ausgeführt, dass der Wettende bei Abschluss des Wettvertrages stillschweigend dem Wettenanbieter erklärt, er habe den Wettgegenstand nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert.72 In dem Verschweigen wird eine konkludente Täuschung durch schlüssiges Handeln gesehen.73 Diese Ansicht bestätigte der BGH erst im Dezember 2012 erneut.74 Denn die Tatsache, dass der Wettende keinen Einfluss auf den Verlauf oder den Ausgang des gewetteten Spiels hat, gehört zur Geschäftsgrundlage der Wette, was eine Negativtatsache darstellt. Es ist nicht notwendig, dass der Wettende bereits konkret Einfluss auf das Spiel genommen hat. Seine Absicht, dies zu tun, genügt, da auch über innere Tatsachen, wie die fehlende Manipulationsabsicht, getäuscht werden kann,75 was aber nur schwer dem Beweis zugänglich ist. Die konkludente Täuschung führte bei den einzelnen Mitarbeitern des Wettanbieters zu einem entsprechenden Irrtum. Die Mitarbeiter schlossen den Wettvertrag mit der angebotenen Quote nur, weil sie davon ausgingen, zumindest in Form von sachgedanklichem Mitbewusstsein, dass das wettgegenständliche Risiko nicht zum Nachteil ihres Unternehmens aufgrund von Manipulationen verschoben wird.76 Der Irrtum beruht auch auf dem Inhalt der Täuschungshandlung, wodurch die entsprechende Kausalität begründet wird.77 Anders ist der Fall, wenn der Wettende erst nach Abschluss des Wettvertrages beschließt, das Sportereignis zu manipulieren, da hier eine konkludente Täuschung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht möglich ist. In Betracht komm ein Betrug durch Unterlassen. Dabei 67 Fischer, StGB, § 263, Rn. 14; Lackner/Kühl, StGB, § 263, Rn. 6. Hefendehl in MüKo, StGB, § 263, Rn. 78,85,135. 69 Joecks, StGB, § 263, Rn. 33. 70 Feinendegen, NJW 2007, 782 (788). 71 Fischer, StGB, § 263, Rn. 22; Bosch, JA 2007, 389 (390). 72 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06, Rn. 16 f. (zitiert nach juris); Bosch, JA 2007, 389 (390); Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254 (255). 73 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06, Rn. 22 (zitiert nach juris). 74 BGH, Urteil vom 20.12.2012,-4 StR 55/12, Rn. 19 (zitiert nach juris). 75 Bosch, JA 2007, 389 (390). 76 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06, Rn. 28 (zitiert nach juris); BGH, Urteil vom 20.12.2012-4 StR 55/12, Rn. 19 (zitiert nach juris) 77 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/ 06, Rn. 28 (zitiert nach juris); Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254 (255). 68 12 muss der Täter eine Aufklärungspflicht bezüglich vermögensrechtlicher Tatsachen bei falschen oder unvollständigen Vorstellungen des Opfers haben.78 Er muss somit verpflichtet sein, den Vermögensschaden des Wettanbieters abzuwenden.79 Solch eine Garantenpflicht ergibt sich aus Gesetz, aus Vertrag oder aus Ingerenz.80 Vorliegend genügt der Wettvertrag nicht für eine Garantenstellung, zumindest nicht soweit der Wettanbieter und der Wettende in keinem besonderen Vertrauensverhältnis zueinander stehen. Auch eine Aufklärungspflicht aus Ingerenz ist zweifelhaft, da durch das Vorverhalten eine Gefahrerhöhung hinsichtlich der nahe liegenden Gefahr des Erfolgseintritts herbeigeführt werden müsste.81 Dies ist zumindest vor der Vermögensverfügung abzulehnen.82 Somit ist der Spieler zum Zeitpunkt seiner Manipulationshandlung nicht strafbar. Erst wenn er mit seinem Wettschein zu dem Wettanbieter geht, um seinen Gewinn abzuholen, gibt er konkludent die Erklärung ab, keinen Einfluss auf den Ablauf oder den Ausgang auf das Sportereignis gehabt zu haben.83 Desweiteren ist für den Betrug eine Vermögensverfügung notwendig. Der BGH sah diese in seinem Urteil aus dem Jahr 2006 bereits bei Vertragsschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter, da die Wettanbieter bei Kenntnis der Manipulation nie den Vertrag abgeschlossen hätten.84 Eine andere Meinung sieht aufgrund des Vermögensbegriffs in der Vermögensverfügung grundsätzlich eine Minderung, die in Geld quantifizierbar ist. Diese würde dann nicht im Zeitpunkt des Vertragabschlusses, sondern erst nach dem Ende des Sportereignisses vorliegen, wenn der Gewinn ausgezahlt werden muss.85 Als weiteres Tatbestandsmerkmal des Betrugs ist der Vermögensschaden zu bestimmen. Dieser liegt vor, sobald das Vermögen durch die Verfügung des Getäuschten weniger wert ist als vor der Verfügung.86 Dabei werden nun die Fälle betrachtet, in denen es auch tatsächlich zu einer Gewinnauszahlung kommt. Die Täuschung wurde bereits bei Vertragsabschluss und somit beim Verpflichtungsgeschäft begangen. Die Gewinnauszahlung stellt das Erfüllungsgeschäft dar. Beide Geschäfte bilden eine Einheit und dadurch wird der Eingehungsbetrug nur als Durchgangsstadium zum Erfüllungsbetrug angesehen. Die Erfüllung vertieft lediglich den 78 Fischer, StGB, § 263, Rn. 38; Satzger in SSW, StGB, § 263, Rn. 48. Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254 (256). 80 Hefendehl in MüKo, StGB, § 263, Rn. 136. 81 Fischer, StGB, § 263, Rn. 27. 82 Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254 (256). 83 Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254 (256). 84 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06, Rn. 28 f. (zitiert nach juris). 85 Petropolous/Morozinis, wistra 2009 254, (256 f.). 86 Joecks, StGB, § 263, Rn. 101; Lackner/Kühl, StGB, § 263, Rn. 36. 79 13 bereits vorhandenen Schaden.87 In diesen Fällen liegt also ein Erfüllungsbetrug gemäß § 263 I StGB vor. Anders ist es, wenn zwar das Spiel manipuliert wurde, aber dennoch kein Gewinn ausgezahlt wurde. Auch hier sieht der BGH einen vollendeten Betrug in Form des Eingehungsbetrugs an.88 Allerdings nahm er 2006 in diesem Fall noch einen Quotenschaden an und verneinte die genaue Bezifferung des Schadens.89 Bei Wettverträgen mit festen Quoten ist diese berechnete Quote der „Verkaufspreis“ der Gewinnchance und durch sie wird ermittelt, mit welchem Faktor der Wetteinsatz im Falle eines Gewinns multipliziert wird. Durch die Manipulation von Spielen wird das Wettrisiko zum Vorteil des Wettenden verschoben und der Wettanbieter hat seine Quoten auf ganz anderen Grundlagen berechnet. Eine solche Steigerung der Gewinnchance ist mehr wert als der Wettende dem Anbieter für die Teilnahme an der unmanipulierten Wette gezahlt hat. Solch eine Quotendifferenz begründet einen Vermögensschaden bereits bei Vertragsabschluss.90 Eine genaue Bezifferung dieses Schadens ist nicht notwendig.91 Dass der „endgültige“ Schaden erst mit Gewinnauszahlung vorliegt, spielt nur eine Rolle bei der Strafzumessung.92 Die Annahme eines Quotenschadens kann aber dahingehend kritisiert werden, dass er nur schwer nachzuweisen ist. Außerdem ist der Quotenschaden auf konstruierten Werten und Wertverschiebungen begründet, die allerdings realitätsfern sind.93 Zum Beispiel setzt der BGH eine andere Berechnung der Quote voraus. Ein Wettanbieter bestimmt seine Quoten nicht nach der Wahrscheinlichkeit des Spielergebnisses, sondern legt die Quoten aufgrund des Wettverhaltens der Kunden so, dass er unabhängig vom Spielausgang noch einen Gewinn macht.94 Durch diese Kritik lehnte der BGH im Jahr 2012 den Quotenschaden ab. Die Möglichkeit der Vermögensminderung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschluss bejahte er aber dennoch, nur mit einer neuen Schadensbestimmung.95 Diese wird nun auf die Verlustwahrscheinlichkeit gestützt. Dabei kommt es auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr an. Ein Schaden ist gegeben, wenn ein ungewisser Vermögensabfluss droht und bereits eine Senkung des wirtschaftlichen Vermögens vorhanden ist. Um zu vermeiden, dass schon jede Möglichkeit eines Wertverlusts als Schaden angenommen wird, soll der Schaden 87 BGH, Urteil vom 20.12.2012-4 StR 55/ 12, Rn. 25 (zitiert nach juris); Jäger, JA 2013, 868 (870); Schiemann, NJW 2013, 883 (888). 88 Jäger, JA 2013, 868 (870); Schiemann, NJW 2013, 883 (888). 89 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06 (zitiert nach juris), Rn. 32ff; Jäger, JA 868 (869). 90 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06, Rn. 32 (zitiert nach juris). 91 BGH, Urteil vom 15.12.2006-5 StR 181/06, Rn. 33 (zitiert nach juris). 92 Bosch, JA 2007, 389 (391). 93 Saliger/Rönnau/Kirch- Heim, NStZ 2007, 361 (368). 94 Saliger/Rönnau/Kirch- Heim, NStZ 2007, 361 (367). 95 Jäger, JA 2013, 868 (869). 14 der Höhe nach beziffert werden und nachvollziehbar dargelegt werden.96 In der Realität dürfte es jedoch schwer sein, diese erforderlichen Größen genauer zu bemessen, deshalb kann die Bezifferung des Mindestschadens auch mittels einer tragfähigen Schätzung geschehen.97 3. Vergleich mit anderen Ländern Weltweit ist der Sport von wachsender Spiel- und Wettkampfmanipulation betroffen. Durch das Internet besteht die Möglichkeit, Sportwetten auf nahezu jede Sportart abzuschließen. Dabei ist es nicht selten, dass kriminelle Personen Wettkämpfe manipulieren, um so ihre Wette auf das richtige Ergebnis zu gewinnen.98 Einzelne Länder haben bereits konkrete Vorstellungen über einen eigenen Straftatbestand zum Schutz vor Wettmanipulation. In Italien gibt es bereits seit 1989 einen eigenen Straftatbestand für Sportbetrug, aber auch in Österreich, Polen, Portugal, Spanien sowie in Großbritannien existiert bereits solch ein Straftatbestand. In anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich wurde 2011 ein entsprechender Gesetzesentwurf entwickelt, obwohl es bis dahin noch keinen nachgewiesenen Sportbetrug gab.99 4. Frühwarnsysteme zum Schutz vor Wettmanipulation Eine andere Schutzmöglichkeit als der Straftatbestand ist die Überwachung der Sportwetten mit einem Frühwarnsystem. Die FIFA hat deshalb im Jahr 2007 die „Early Warning System GmbH“ (EWS) gegründet, welche bereits 2006 als Pilotprojekt agierte. Im Fokus dieses Überwachungs- und Frühwarnsystems stehen die wettrelevanten Nationalmannschaftsspiele, aber auch darüber hinaus ist die EWS auch für andere Sportverbände bereits tätig geworden. Aufgabe der EWS ist es, die FIFA möglichst frühzeitig über Auffälligkeiten bei konkreten Begegnungen zu informieren, damit diese genauere Untersuchungen und entsprechende Maßnahmen wie Sanktionen vornehmen kann.100 Bereits mehr als 400 Wettanbieter arbeiten mit der EWS zusammen und informieren diese, falls es bei ihnen Auffälligkeiten bei ihren angebotenen Wetten gibt. Diese Anbieter haben sich zu diesem Informationsaustausch freiwillig verpflichtet. Außerdem überwacht die EWS auch eigenständig Wettangebote. Dabei werden Quotenänderungen und Wettangebote kontrolliert. Allerdings kann mittels eines 96 BGH, Urteil vom 20.12.2012-4 StR 55/12, Rn. 35 f., 43 (zitiert nach juris); Schiemann, NJW 2013, 883 (888). Jäger, JA 2013, 868 (870); Schiemann, NJW 2013, 883 (888). 98 Infantino/Kleiner, Sportfinanzierung und Sportwetten, 109 (109 f.). 99 Infantino/Kleiner, Sportfinanzierung und Sportwetten, 109 (112.); Giebel, Causa Sport 2011, 254 (255). 100 Villinger, Sportfinanzierung und Sportwetten, 119 (123). 97 15 Frühwarnsystems eine Manipulation nicht bewiesen werden, sie dient lediglich als Hinweis, zum Beispiel, wenn besonders hohe Einsätze getätigt werden oder wenn sich besondere Auffälligkeiten hinsichtlich der Attraktivität der angebotenen Quoten ergeben.101 Ebenfalls mit Hilfe eines Frühwarnsystems, nämlich mit dem „Betting Fraud Detection System“, überwacht die UEFA Wettbewerbe. Auch für dieses System gilt, dass es zwar einen Anfangsverdacht liefert, aber dass dies noch nicht eine tatsächliche Manipulation nachweist.102 Grenzen und Schwierigkeiten eines solchen Frühwarnsystems ergeben sich bezüglich „LiveWetten“. Diese Wetten werden besonders schnell durchgeführt, weshalb eine Frühwarnung kaum mehr möglich ist. Gegen diese Wetten können die Sportverbände meist nur im Nachhinein vorgehen und ermitteln.103 Eine weitere Lücke solch eines Systems ist der Schwarz- bzw. Graumarkt, denn es können nur solche Wetten überwacht werden, die auf dem legalisierten Weg stattfinden. Außerdem muss die EWS oft mit mangelnden Informationen oder gezielten Fehlinformationen zurecht kommen.104 Um die Informations- und Wissenslücken so gering wie möglich zu halten, müssen Sportverbände und staatliche Stellen zusammenarbeiten. Dies betrifft nationale sowie auch internationale Behörden.105 Solch eine Zusammenarbeit kann auch in Form von Unterstützung von Projekten geschehen. Die FIFA veranstaltet beispielsweise das „FIFA Anti Corruption Training Wing“, welches in dem Schulungs- und Weiterbildungsgebäude der Polizeibehörde Interpol in Singapur stattfindet. Dieses Programm dient als Lern- und Aktionsplattform für alle Offiziellen, die unmittelbar oder mittelbar mit dem nationalen oder internationalen Fußball verbunden sind. Durch solche Maßnahmen soll präventiv der Korruption entgegengewirkt werden.106 Dabei sollten nicht nur Offizielle Zielgruppe der Prävention sein, sondern auch Spieler in den Jugendbereichen, damit diese frühzeitig vor den Gefahren der Korruption und der Spielmanipulation gewarnt werden.107 101 Zenglein, Sportfinanzierung und Sportwetten 171 (173 f.). Infantino/Kleiner, Sportfinanzierung und Sportwetten, 109 (113). 103 Villinger, Sportfinanzierung und Sportwetten, 119 (125). 104 Zenglein, Sportfinanzierung und Sportwetten, 171 (177). 105 Villinger, Sportfinanzierung und Sportwetten, 119 (124); Infantino/Kleiner, Sportfinanzierung und Sportwetten, 109 (114). 106 Villinger, Sportfinanzierung und Sportwetten, 119 (124). 107 Infantino/Kleiner, Sportfinanzierung und Sportwetten, 109 (114). 102 16 5. Vorschlag § 6 Bundessportschutzgesetz Im September 2006 wurde durch den Freistaat Bayern ein Entwurf eines Gesetztes zur Bekämpfung des Dopings in den Bundesrat eingebracht.108 Teil dieses Entwurfs zum Sportschutzgesetz ist unter anderem auch ein eigener Straftatbestand zur Bestechlichkeit und Bestechung im Sport. § 6 Bestechlichkeit und Bestechung im Sport (1) Wer als Teilnehmer, Trainer eines Teilnehmers oder Schiedsrichter eines sportlichen Wettkampfes (§ 1 Abs. 5) einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er das Ergebnis oder den Verlauf eines sportlichen Wettkampfes in unlauterer Weise beeinflusse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Teilnehmer, Trainer eines Teilnehmers oder Schiedsrichter eines sportlichen Wettkampfes (§ 1 Abs. 5) einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er das Ergebnis oder den Verlauf eines sportlichen Wettkampfes in unlauterer Weise beeinflusse. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Handlungen bei einem ausländischen Wettkampf. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn 1. sich die Tat auf einen Vermögensvorteil großen Ausmaßes bezieht oder 2. der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten zusammengeschlossen hat. Dieser Tatbestand ist dem § 299 StGB nachgebildet.109 Zudem soll durch ihn das Rechtsgut der Lauterkeit des sportlichen Wettbewerbs geschützt werden, was zugleich das Ziel dieses Gesetzes ist.110 Dieses Rechtsgut ist ein kollektives Rechtsgut, welches auch unabhängig von konkreten Verletzungen einzelner Interessen schutzbedürftig ist. Außer Fairness und Chancengleichheit soll auch das Vertrauen der Allgemeinheit in einen regelkonformen und unmanipulierten Ablauf des Wettkampfs gestärkt werden.111 Durch diese 108 Kudlich, SpuRt 2010, 108. Kudlich, SpuRt 2010, 108. 110 Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56. 111 Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56 (56 f.). 109 17 Rechtsgutszuordnung soll die Nachweisproblematik hinsichtlich der individuellen Rechtsgutsverletzung umgangen werden112 Dabei wird aber kritisiert, dass mittels dieses Rechtsguts eine weitreichende Vorfeldstrafbarkeit für ein Umfeld begründet wird, bei dem aufgrund der Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses des Sportereignisses noch kein schutzwürdiges Vertrauen auf die genaue Vorhersehbarkeit des Ausgangs bestehen kann.113 Zudem soll das Strafrecht nur als ultima ratio für die hoheitliche Regelung eines Lebensbereichs angewendet werden. Daher sollen nur besonders wichtige Güter geschützt werden, die für ein geordnetes Zusammenleben in der Gemeinschaft von Bedeutung sind. Dies ist zwar für den wirtschaftlichen Wettbewerb eindeutig zu bejahen, jedoch für die Lauterkeit des Sports zu bezweifeln.114 Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den sportlichen Wettkämpfen um Freizeitvergnügen handelt, die der Massenunterhaltung dienen und deshalb die Zuständigkeit der Verhinderung von Manipulationen bei den Sportverbänden liegt.115 Dieser Ansicht kann aber entgegengehalten werden, dass gerade den Sportverbänden meist die rechtlichen Instrumente zur wirksamen Bekämpfung fehlen.116 Desweiteren ist der Tatbestand unabhängig vom Nachweis eines konkreten Vermögensschadens erfüllt. Damit sollen die Probleme des Betrugstatbestandes nach § 263 I StGB hinsichtlich der Nachweisbarkeit des Vermögensschadens beseitigt werden.117 Durch die Vorverlagerung der Strafbarkeit, die bereits an die Manipulation als vorwerfbares Verhalten ansetzt, können mögliche „Strafbarkeitslücken“ beseitigt werden.118 Solche „Strafbarkeitslücken“ können entstehen, wenn manipulierte Fußballspieler oder Schiedsrichter strafrechtliche Randfiguren bilden, die bisher nur wegen Beihilfe zum Betrug bestraft werden können.119 Da aber immerhin eine Strafbarkeit begründet werden kann, ist nach einer Meinung der Betrugstatbestand ausreichend, er müsse nur konsequent angewendet werden.120 112 Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56 (57). Kudlich, SpuRt 2010, 108 (109). 114 Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56 (57). 115 Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56 (57). 116 Giebel, Causa Sport 2011, 254. 117 Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56 (57). 118 Mintas, Sportfinanzierung und Sportwetten, 97 (99). 119 Giebel, Causa Sport 2011, 254 (256); König, SpuRt 2010, 106 (107). 120 Giebel, Causa Sport 2011, 254 (256); Leipold/Beukelmann, NJW Spezial 2010, 56 (57). 113 18 Außerdem wird in diesem Gesetz der Begriff des sportlichen Wettkampfs so definiert, dass daran nur Sportler ihres Vermögensvorteils wegen teilnehmen. Somit ist der Tatbestand des § 6 dieses Gesetzes nur auf professionelle Sportler anwendbar. 121 Dabei erscheint es aber schwierig genau zwischen den Amateuren und den Profis zu trennen, da bereits auch in Wettkämpfen niederer Klassen eine Sieges- oder Torprämie gezahlt werden, die den Sportler motivieren.122 Hinter den einzelnen Wettskandalen lassen sich mafiaartige Strukturen erkennen, wobei hohe Summen eingesetzt werden. Durch die Spielleitungsübertragung an den Schiedsrichter ist er für hohe Vermögenswerte verantwortlich. Deshalb sollte die Lauterkeit seiner Entscheidungen auch durch das Strafrecht abgesichert werden. Zudem sollte die Glaubwürdigkeit des Sports nachhaltig gestärkt werden.123 Auch der Minister Friedrich und andere Politiker plädieren für die Einführung eines eigenen Straftatbestands zum Schutz vor Wettmanipulation.124 IV. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Am 01.07.2012 trat der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Dieser basiert auf dem BVerfG Urteil von 2006 und den EuGH-Entscheidungen aus 2010. Allerdings ist seine Vereinbarkeit mit dem Europarecht noch nicht vollständig geklärt. Die Ziele dieses Vertrags werden in § 1 GlüStV 2012 aufgezählt, wie unter anderem die Vermeidung von Wettsucht und die Bekämpfung einer bereits vorhandenen Spielsucht. Zudem enthält der Vertrag besondere Vorschriften für die Sportwetten, die in §§ 3, 21 GlüStV 2012 definiert werden. Sportwetten werden meist als Einzelwetten auf den konkreten Ausgangs eines Wettkampfs gesetzt. Desweiteren enthält der Glücksspielstaatsvertrag die sogenannte Experimentierklausel für Sportwetten, § 10a GlüStV 2012. Sie soll zunächst für sieben Jahre gelten und setzt fest, dass 20 Konzessionen nach Erfüllung bestimmter Vorgaben an private Unternehmen erteilt werden, die daraufhin selbst Wetten anbieten dürfen und somit das staatliche Monopol beendet ist. Den Konzessionsinhabern ist es auch gestattet, Wetten im 121 Wegmann, Causa Sport 2010, 242 (244). Leipold/Beukelmann, NJW Spezial, 56. 123 König, SpuRt 2010, 106 (107). 124 Hecker/Reinisch, „Ich halte den Straftatbestand Sportbetrug für sinnvoll“, http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/hans-peter-friedrich-im-gespraech-den-straftatbestand-sportbetrughalte-ich-fuer-sinnvoll-12211205.html; letzter Zugriff am 06.12.2013. 122 19 Internet zu vertreiben. Außerdem sind in § 5 GlüStV 2012 Regelungen bezüglich der Werbung enthalten, wodurch die Länder befugt sind, eigene Richtlinien für Sportwetten zu erlassen. Im zweiten Teil geht es darum, sich vor Wettmanipulationen zu schützen. Dafür gibt es zum Beispiel Verbandsstrafen. Der DFB regelt dies zum Beispiel über seine Satzung und seine Rechts- und Verfahrensordnung. Problematisch bei diesen verbandsrechtlichen Strafen ist meist die mangelnde Nachweisbarkeit. Den Verbänden als privatrechtlichen Vereinigungen fehlt es an rechtlichen Befugnissen und Durchsetzungsmöglichkeiten, damit sie Manipulationen beweisen können. Auch die bisherigen Straftatbestände zeigen Lücken. Die §§ 331, 334 StGB sind schon gar nicht anwendbar. §§ 284, 285 StGB verbieten zwar das Veranstalten und die Beteiligung an unerlaubten Glücksspielen, aber diese Tatbestände zielen nicht auf die Verhinderung einer Wettmanipulation ab. Weiter kommt noch der Betrug nach § 263 I StGB in Betracht. Dieser wurde zwar schon auf Manipulationsfälle angewandt, machte allerdings Schwierigkeiten im Hinblick auf die Täuschung und den Schaden. Deswegen haben in Europa schon Länder, wie zum Beispiel Österreich, Spanien, Italien und einige andere, einen eigenen Straftatbestand zum Schutz vor Wettmanipulation eingeführt. Als Alternative oder weitere Schutzmöglichkeit zu einem Straftatbestand gibt es noch die Frühwarnsysteme, wie sie die FIFA und die UEFA bereits haben. Frühwarnsysteme überwachen und kontrollieren die Wettquoten und die Wettangebote. Dabei können sie allerdings nur die legalen Wetten überwachen und haben keinen Einfluss auf den Grau- bzw. Schwarzmarkt. Zudem sind sie nicht bei Live- Wetten anwendbar. Um all den aufgeworfenen Problemen aus dem Weg zu gehen, brachte Bayern 2010 das Bundessportschutzgesetz in den Bundesrat ein. § 6 I dieses Gesetzes regelt ausdrücklich die Annahme von Geldern und § 6 II das Angebot von Geldern an Spieler, Schiedsrichter oder Trainer, um das Ergebnis oder der Ablauf des Wettkampfs zu beeinflussen. Auch wenn dieser Gesetzesentwurf nicht bei allen Begeisterung fand, besonders wegen des konstruierten Rechtsguts, ist deutlich geworden, dass die Notwendigkeit eines solchen Straftatbestands besteht. 20 Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Bayreuth, den 17.12.13 VI