PDF - Kölner Philharmonie
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Piano 1 Kristian Bezuidenhout Mittwoch 28. September 2011 20:00 11612_KM_28-09-11_d.indd U1 22.09.11 15:59 Bitte beachten Sie: Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses Franz Sauer aus. Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen. Sollten Sie einmal das Konzert nicht bis zum Ende hören können, helfen wir Ihnen gern bei der Auswahl geeigneter Plätze, von denen Sie den Saal störungsfrei (auch für andere Konzertbesucher) und ohne Verzögerung verlassen können. 11612_KM_28-09-11_d.indd U2 22.09.11 15:59 Piano 1 Kristian Bezuidenhout Hammerklavier Mittwoch 28. September 2011 20:00 Pause gegen 20:50 Ende gegen 22:00 19:00 Einführung in das Konzert durch Christoph Vratz 11612_KM_28-09-11_d.indd 1 22.09.11 15:59 PROGRAMM Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 Sonate für Klavier G-Dur KV 283 (189h) (1775) Allegro Andante Presto Präludium (Fantasie) und Fuge C-Dur KV 394 (383a) (1782) für Klavier Adagio – Andante Fuga. Andante Maestoso Menuett D-Dur (Fragment) KV 355 (576b) für Klavier (Ergänzt vermutlich von Maximilian Stadler) Kristian Bezuidenhout spielt das Menuett ohne das von Maximilian Stadler komponierte Trio Gigue G-Dur KV 574 (1789) für Klavier Allegro Fantasie d-Moll (Fragment) KV 397 (385g) (angeblich 1782) für Klavier Pause Wolfgang Amadeus Mozart Zwölf Variationen Es-Dur über die Romanze »Je suis Lindor« KV 354 (299a) (1778) für Klavier Thema. Allegretto Var. I–XII Sonate für Klavier B-Dur KV 333 (315c) (1783) (»Linzer Sonate«) Allegro Andante cantabile Allegretto grazioso 2 11612_KM_28-09-11_d.indd 2 22.09.11 15:59 ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS Lyrisches, Barockes, Geheimnisvolles und Spielerisches Zu Mozarts Klaviermusik Klaviersonaten G-Dur KV 283 und B-Dur KV 333 Wolfgang Amadeus Mozart schrieb 18 Klaviersonaten, die im Gegensatz zu Haydns und Beethovens Beiträgen zu dieser Gattung nicht experimentell, sondern eher Gelegenheitskompositionen sind, worauf auch ihre geringere Anzahl hinweist: Haydn schrieb über 60 höchst unterschiedliche Klaviersonaten, Beethoven 36. Bei Mozart zeigt sich eine gewisse normative Herangehensweise beim Komponieren: Alle seine Klaviersonaten sind dreisätzig, meist in der Abfolge schnell-langsam-schnell. Auch scheint bei ihm ein anderes Vorbild durch. Folgen Haydn und Beethoven nämlich dem schrofferen, kontrastierenden Sonaten- und Fantasiestil Carl Philipp Emanuel Bachs, schlägt sich in Mozarts Sonaten der kantablere, vorhaltsreiche lyrische Stil des »Londoner« Johann Christian Bachs nieder. Die Klaviersonate G-Dur KV 283 gehört zu den Jugendwerken Mozarts. Der 18-Jährige schrieb sie 1775 vermutlich in München, wo er sich für Probenarbeiten zu seiner neuen Oper La finta giardiniera aufhielt. Die G-Dur-Sonate scheint noch deutlich von Joseph Haydn inspiriert. Allen drei Sätzen liegt die Sonatenform und ihr rhetorischer Dreischritt von Exposition (Vorstellung kontrastierender Themen), Durchführung (Themenverarbeitung) und Reprise (variierte Wiederholung der Exposition) zugrunde. Originell sind vor allem die überraschenden harmonischen Wendungen in der Durchführung des sonst so schlichten C-Dur-Andantes. Der erste Allegro-Satz lebt vom Kontrast seines menuettartigen Hauptthemas und seiner an rhythmisch-metrischen Spielereien reichen Seitengedanken. Das Presto-Finale ist traditionell ein virtuos-heiterer Kehraus. Die Klaviersonate B-Dur KV 333, »Linzer Sonate« genannt, komponierte Mozart in seinen ersten Wiener Jahren, da er sich sowohl als Virtuose als auch als Instrumentallehrer in den Kreisen der Aristokratie und des gehobenen Bürgertums etablieren wollte. 3 11612_KM_28-09-11_d.indd 3 22.09.11 16:00 Sie entstand wahrscheinlich im November 1783 in Linz, wo das Ehepaar Mozart auf der Rückreise von Salzburg nach Wien Station machte. Das Werk besticht durch ausgeglichene Proportionen und eine abgerundete Melodik, die alle Sätze prägt. Eine »idyllische Naturschilderung«, die Darstellung einer »idealen Landschaft« erblicken viele Exegeten deshalb in diesem Werk. Die Sonatenform erfüllt sich in den ersten beiden Sätzen dementsprechend assoziativ, kantabel und fortspinnend, also nicht durch Prozess, Kontrast und Dramatik. Das Finale ist ein Rondo, dessen Besonderheit darin besteht, dass es als stilisiertes Konzertfinale gestaltet ist: Das »Orchester-Ritornell« steht den Episoden des »Soloinstruments« gegenüber, das sogar eine umfassende Solokadenz erhält. Zyklische Einheit schafft vor allem das für den Beginn der Sonate typische Vorhaltsmotiv in fallenden Sekunden, das alle Hauptthemen der Sonate kennzeichnet. Die helle, heitere Grundatmosphäre der Sonate geht Hand in Hand mit der Charakteristik seiner zugrunde liegenden Tonarten: B-Dur, das die beiden Rahmensätze prägt, stehe für »heitere Liebe, gutes Gewissen, Hoffnung, Hinsehnen nach einer bessern Welt«, so Christian Friedrich Daniel Schubart. Und über Es-Dur, der Tonart des Mittelsatzes, schreibt er: »der Ton der Liebe, der Andacht, des traulichen Gesprächs mit Gott«. Präludium und Fuge C-Dur KV 394, Menuett D-Dur KV 355 und Gigue G-Dur KV 574 Seit dem Frühjahr 1782 beschäftigte sich Mozart – inspiriert von Besuchen im Hause seines Freundes und Förderers Baron Gottfried van Swieten, der ihn mit entsprechenden Werken Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels bekannt machte – intensiv mit der höheren Kunst des Kontrapunkts: der Fugentechnik. Die erste Frucht seiner neuen kompositorischen Leidenschaft – Präludium und Fuge C-Dur KV 394 – schenkt er im April 1782 seiner Schwester Nannerl. Im beiliegenden Brief schreibt er: »Hier schicke ich Dir ein Präludio und eine dreistimmige Fuge […]. Die Ursache, daß diese Fuge auf die Welt gekommen, ist wirklich 4 11612_KM_28-09-11_d.indd 4 22.09.11 16:00 meine liebe Constanze. Baron van Swieten, zu dem ich alle Sonntage gehe, hat mir alle Werke des Händels und Sebastian Bach (nachdem ich sie ihm durchgespielt) nach Hause gegeben. Als die Constanze die Fugen hörte, ward sie ganz verliebt darein; sie will nichts als Fugen hören, besonders aber nichts als Händel und Bach. Weil sie mich nun öfters aus dem Kopfe Fugen spielen gehört hat, so fragte sie mich, ob ich noch keine aufgeschrieben hätte? Und als ich ihr nein sagte, so zankte sie mich recht sehr, daß ich eben das Künstlichste und Schönste in der Musik nicht schreiben wollte, und gab mit Bitten nicht nach, bis ich ihr eine Fuge aufsetzte, und so ward sie.« Mit barocken Formen beschäftigte sich Mozart immer wieder. So stellt etwa sein Menuett D-Dur KV 355, wahrscheinlich komponiert in Wien 1789 oder 1790, ein recht merkwürdiges Exemplar des historischen Tanzes dar. Zwar erklingen gelegentlich auch die erwarteten freundlich-heiteren Tonfälle, doch es dominieren düstere Farben und schmerzvolle Seufzermotivik. Typisch für den späten Stil Mozarts sind die dicht aufeinanderfolgenden chromatischen Wendungen und die oft krass dissonante Stimmführung. Auch das mehrmals erscheinende B-A-C-H-Motiv lässt vermuten, dass Mozart dieses Stück als Trauermusik für Carl Philipp Emanuel Bach komponiert hat, der am 14. Dezember 1788 gestorben war. Die dreistimmige Gigue G-Dur KV 574 dagegen verrät deutlich die Vorbilder Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel und ihre kunstvolle polyphone Aufwertung barocker Tänze. Mozart schrieb sie 1789 in Leipzig auf der Rückreise von Berlin dem Hoforganisten Karl Immanuel Engel ins Notenbuch. Aus dem Stegreif, versteht sich. Fantasie d-Moll KV 397 Mozarts d-Moll-Fantasie gibt auf allen Ebenen Rätsel auf, sowohl was ihre Entstehung und Überlieferung als auch ihren Inhalt betrifft. Eventuell entstand sie um 1782 in Wien, vielleicht aber auch erst in den Jahren 1786 bis 1788. Da kein Autograph und keine briefliche Äußerung Mozarts über dieses Werk überliefert sind, bleibt als einzige Quelle der Erstdruck, der 13 Jahre nach Mozarts 5 11612_KM_28-09-11_d.indd 5 22.09.11 16:00 Tod, wahrscheinlich auf Grundlage eines fragmentarischen Autographs oder einer unvollständigen Abschrift, erschien. Die letzten zehn Takte der heute üblichen Spielfassung wurden vom Verleger ergänzt, weswegen es im Dunkeln bleibt, welchen Umfang Mozart für das Werk tatsächlich vorgesehen hatte. Dem Fantasie-Stil verpflichtet, in dem sich der Gestus des Improvisierens widerspiegelt, weist das pianistische Kleinod alle Merkmale auf, wie sie von Carl Philipp Emanuel Bach in seiner Schrift Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen (1753/62) für die »Freie Fantasie« formuliert wurden: Häufung von Akkord- und Passagenwerk, die partielle Auflösung der Takteinteilung, plötzliche Tempo- und Affektwechsel, extreme Überraschungsharmonik, Rezitativmelodik und ein klagender Affekt in Adagio-Abschnitten. Der Fantasie-Stil rechtfertigt vor allem formale Ungeheuerlichkeiten wie das plötzliche Abbrechen musikalischer Gedanken und das Einbrechen von völlig Neuem, was in den anderen Instrumentalgattungen dieser Zeit gegen alle Regeln verstieß. In Mozarts d-Moll-Fantasie münden die präludierenden, gebrochenen Akkorde des Beginns direkt in den schwermütigen, dissonanzenreichen Adagioteil. Immer wieder werden die schmerzvollen Gedanken plötzlich unterbrochen von Presto-Läufen oder Generalpausen mit Fermaten. Völlig überraschend geht es dann abschließend in einen beschwingten und fröhlichen D-Dur-Teil. Die Ästhetik des schriftlich fixierten Fantasierens steht für die Selbst-Befreiung von Ordnung und Zwang im Dienste der Unmittelbarkeit des subjektiven Ausdrucks, weswegen diese Gattung dazu prädestiniert war, emotionale Befindlichkeiten auf das Papier zu bringen. So war die Fantasie im 18. Jahrhundert ein bevorzugtes Medium, um den Tod verstorbener Musiker zu betrauern. Carl Philipp Emanuel Bachs letztes Klavierwerk, seine fis-Moll-Fantasie Carl Philipp Emanuel Bachs Empfindungen aus dem Jahr 1787 soll sogar eine Trauermusik auf den eigenen Tod sein. Bei Mozart ist es der Adagio-Teil mit seiner trauermarschartigen Lamento-Begleitung, seiner Seufzer-Melodik und absinkenden Chromatik, der eine äußerst betrübte Stimmung vermittelt. Bleibt die Frage nach dem Anlass der Totenklage. Es kämen dafür je nach Datierung, so der Musikforscher Siegbert Rampe, drei Todesfälle 6 11612_KM_28-09-11_d.indd 6 22.09.11 16:00 in Frage: Johann Christian Bach (1782), Leopold Mozart (1787) oder Carl Philipp Emanuel Bach (1788). Vermutlich wird sich diese Frage aber niemals klären. Zwölf Variationen Es-Dur über die Romanze »Je suis Lindor« KV 354 Neben der Fantasie und der Klaviersonate gibt es zu Mozarts Zeit eine weitere sehr beliebte Gattung, die vor allem für Virtuosen eine große Rolle spielte: die Klaviervariation. Ein Thema – oft bekannt aus Opern oder als Lied – wird vorgestellt und dann in mehreren, möglichst originellen Variationen auseinandergenommen, verwandelt und durch eigene Reflexionen kommentiert: eine Technik, die neben der kontrapunktisch-fugenhaften und diskursiv-sonatenhaften Herangehensweise als ein drittes bedeutendes Prinzip der klassischen Themenverarbeitung angesehen werden muss. Für die Variationenfolge gilt: Es gibt kein Schema, an das man sich halten muss. Die Möglichkeiten reichen von lockerer Reihung bis zum kunstvoll durchgearbeiteten Zyklus. Mozarts zwölf Variationen über »Je suis Lindor«, eine damals in Frankreich offenbar sehr berühmte Romanze von Antoine-Laurent Baudron, komponiert als Bühnenmusik zu Pierre Augustin Caron de Beaumarchais’ 1775 uraufgeführter Komödie Le Barbier de Séville, die Mozart während seines Aufenthalts in Paris 1778 kennengelernt haben muss, sind ein Musterbeispiel der transparenten und spielerischen Variationskunst. Mozart soll diese Variationen unter anderem 1781 bei einem Wettstreit mit seinem Konkurrenten Muzio Clementi am kaiserlichen Hof in Wien gespielt haben, so heißt es in diversen Publikationen, wobei man einschränkend sagen muss, dass ein Improvisationsgenie wie Mozart sicherlich nichts zweimal genau gleich gespielt hat. Das Thema ist lapidar und eingänglich. Es steht in Es-Dur, das über den ganzen Zyklus beibehalten wird, sieht man von der MollVariation (Nr. 9) ab. Die Veränderung des Themas betreibt Mozart bis zum Finale systematisch und übersichtlich mit einer Fülle 7 11612_KM_28-09-11_d.indd 7 22.09.11 16:00 klarer, sparsam eingesetzter, mal rein virtuoser, mal den Charakter verändernder Mittel. Mal wird die Melodie virtuos in quirlige 16-tel-Bewegungen aufgelöst (Var. 1), dann die Bassstimme (Var. 2). Plötzlich verändert sich die Stimmung (Var. 3) oder die Melodie verflüssigt sich im Präludierstil (Var. 4). Oktavtremoli in der rechten Hand (Var. 5 und 10) und jeweils anschließend in der linken (Var. 6 und 11) sorgen für den virtuosen Drive. Und in Variation 7 wird Bach und seinem imitatorischen Inventionsstil gehuldigt. Als leise hinterfragendes Menuett mit anschließender fantasieartiger Öffnung gibt sich Variation 8. Variation 9 dagegen ist ein Trauergesang in Moll und Variation 12 ein sehr kunstvoll verziertes Molto Adagio. Verena Großkreutz 8 11612_KM_28-09-11_d.indd 8 22.09.11 16:00 Das Fortepiano als Garten Eden Diskographische Anmerkungen zu Mozarts Klaviersonatem Sie sind ein wenig wie Stiefkinder. Mancher Pianist, der Mozarts Klavierkonzerte liebt und munter aufführt, zuckt bei den Klaviersonaten zusammen. Wie, diese Vorstufen zu den großen Konzerten? Dabei hat jeder, der einmal Klavier gespielt hat, an einer von Mozarts Sonaten gesessen, gelitten, sich müde geübt; denn an diesen Werken mit ihrer apollinischen Klarheit und ihrer quecksilbrigen Leichtigkeit kann man sich leicht verheben. Die Zahl der Pianisten, die diese 18 Sonaten in ihrer Gesamtheit eingespielt haben, ist vergleichsweise klein. Selbst ein Nestor wie Alfred Brendel hatte bereits zwei Zyklen der Klavierkonzerte vorgelegt, als er sich erstmals, auf der Zielgeraden seiner aktiven Laufbahn, an eine Einspielung der Mozart-Sonaten wagte (Philips/Universal). Brendel zeigt sich keineswegs altersmilde, sondern spielt mit Größe, Witz und Schwung, in den langsamen Sätzen entfaltet er einen versonnenen Andante-Zauber. Transparenz durch Reifung. Auch Walter Gieseking hat erst in späteren Jahren, 1953/54 als knapp 60-Jähriger, die Mozart-Sonaten (im Rahmen einer Einspielung sämtlicher Solo-Klavierwerke) auf Schallplatte festgehalten (EMI). Seine Lesart hat nichts von ihrer Gültigkeit verloren, er spielt mit lateinischer Klarheit und Grandezza, lyrisch ohne jede Verzärtelung – frei von allen Sonderbarkeiten, die etwa die kauzigen GlennGould-Aufnahmen auszeichnen (Sony). Dennoch gelingt es Gould, etwa bei der oft belächelten »facile«-Sonate, dieses Stück zu enttarnen: als rätselhaft dürre Betrugsmusik für Klavierlehrer, die ihren Schülern das Schwerste als das Leichteste verkaufen wollen. Nicht so exzentrisch wie Gould, aber ebenfalls aus der Sicht eines Eigenbrödlers hat Friedrich Gulda die Sonaten auf alten Bändern festgehalten, die erst ein Vierteljahrhundert nach ihrer Entstehung 1980 in modernisierter Klangtechnik auf CD veröffentlicht werden konnten. Es ist der vielleicht härteste aller Mozart-Zyklen. Ein Mozart, der Kristallkugeln fliegen lässt. Bei Gulda steckt stets grimmiger Witz und lächelnde Gewalt drin – direkter, schonungsloser hat man die Sonaten wohl nicht wieder gehört. 9 11612_KM_28-09-11_d.indd 9 22.09.11 16:00 Wie Gieseking hat auch Carl Seemann Mozarts Sonatenwerk in den 50er Jahren komplett festgehalten (DG/Universal). Man mag im ersten Moment stöhnen: Ist das trocken. Doch Seemann bietet einen ungemein gradlinigen, schlanken, in mancherlei Ohren eben auch spröden Mozart. Doch sein Spiel lebt von einer versteckten Beredtheit, die Seemanns untrügliches Gespür für Rhythmus, Melodieformung sowie die Bedeutung der Begleitung in der linken Hand hervorhebt. Erstaunlich hoch ist die Quote der Pianistinnen, die sich an Mozarts Sonaten gewagt haben: Neben Mitsuko Uchida und Alicia de Laroccha haben Ingrid Haebler und Maria João Pires ihre Sicht auf Mozart jeweils zweimal festgehalten – Zyklen, die in ihrer späteren Variante in beiden Fällen einen geschärften Blick verraten, bei Haebler (1. Version Philips/Universal, 2. Version Denon) in Form von teils mutig gedehnten Tempi, überragend in der Formung der Linien, aber ohne Mozarts musikalische Hitze – ein bisschen vergleichbar mit Claudia Arrau; bei Pires (1. Brilliant, 2. DG/Universal) dank einer frischeren Bewusstseinsstufe, bei der sich alte Erfahrungen mit neuen Erkenntnissen mischen. Zu den Enzyklopädisten unter den Pianisten zählen auch Daniel Barenboim (EMI) und András Schiff (Decca/Universal), wobei letzterem unbedingt der Vorzug einzuräumen ist, obwohl er diese Werke heute, mehr als dreißig Jahre nach seiner Einspielung als junger Debütant bei einem großen Label, anders und kerniger spielen würde. In jüngster Zeit sind vermehrt Aufnahmen auf historischen Instrumenten in den Fokus gerückt. Ob sich Andreas Staiers bisherige Einspielungen (harmonia mundi) eines Tages zu einem Zyklus runden werden, bleibt abzuwarten. Siegbert Rampe jedenfalls hat den kompletten Mozart auf Cembalo, Clavichord und Fortepiano inzwischen abgeschlossen (MDG/codæx) – eine höchst beachtliche Aufnahme. Kristian Bezuidenhout hat die ersten zwei Folgen vorgelegt (harmonia mundi): hinreißend lebendige Interpretationen, bei denen das Fortepiano zum Garten Eden wird. Wer hörend durch diese Klangwelten spaziert, wird reichlich entlohnt. Christoph Vratz 10 11612_KM_28-09-11_d.indd 10 22.09.11 16:00 BIOGRAPHIE Kristian Bezuidenhout Kristian Bezuidenhout wurde 1979 in Südafrika geboren. Er begann sein Studium in Australien, beendete es an der Eastman School of Music in den USA und lebt nun in London. Nach seinem Klavierstudium bei Rebecca Penneys entdeckte er auch andere Tasteninstrumente für sich und studierte Cembalo bei Arthur Haas und Hammerklavier in der Klasse von Malcolm Bilson. Darüber hinaus arbeitete er eng mit Paul O’Dette zusammen. In dieser Zeit sammelte Kristian Bezuidenhout in den USA und in Europa in verschiedenen Barockopern wertvolle Erfahrungen als Continuospieler. Seine ersten bedeutenden Preise gewann er bereits mit 21, als er 2001 sowohl den Publikumspreis als auch den Ersten Preis beim Fortepiano-Wettbewerb in Brügge erhielt. Kristian Bezuidenhout gastiert regelmäßig bei Ensembles wie dem Freiburger Barockorchester, dem Orchestre des ChampsÉlysées, dem Orchestra of the 18th Century, Concerto Köln, dem Chamber Orchestra of Europe und dem Collegium Vocale Gent – oftmals auch als Leiter. Er arbeitete zusammen mit Künstlern wie Philippe Herreweghe, Frans Brüggen, Christopher Hogwood, Pieter Wispelwey, Daniel Hope und Viktoria Mullova. Darüber hinaus gibt er regelmäßig Lieder-Recitals unter anderen mit Carolyn Sampson, Mark Padmore und Jan Kobow. Neben seinen solistischen Auftritten engagiert sich Kristian Bezuidenhout auch in der Kammermusik und tritt bei Festivals in Barcelona, Boston, Brügge, Innsbruck, St. Petersburg, Venedig und Utrecht auf; außerdem gastiert er beim Festival de Saintes, beim Klavierfestival La Roque d’Anthéron, beim Chopin-Festival in Warschau, beim Musikfest Bremen, beim Tanglewood Festival und bei Mostly Mozart im Lincoln Center. Darüber hinaus spielt er in vielen der wichtigsten Konzertsälen weltweit, so unter anderem im Amsterdamer Concertgebouw, den Philharmonien in Berlin und Köln, der Suntory Hall Tokyo, dem Théâtre des Champs Élysées und der berühmten Carnegie Hall in New York. 11 11612_KM_28-09-11_d.indd 11 22.09.11 16:00 Zu seinen jüngsten Aufnahmen gehören eine CD mit Mozarts Sonaten für Violine und Klavier, eingespielt mit Petra Müllejans, und die ersten zwei von zehn geplanten CDs einer Serie mit Kompositionen Mozarts für Tasteninstrumente. Gleich die erste CD wurde als »Diapason Découverte« ausgezeichnet. Weitere Projekte beinhalten die Klavierkonzerte von Mendelssohn Bartholdy zusammen mit dem Freiburger Barockorchester und Schumanns Dichterliebe mit Mark Padmore. Große Anerkennung erhielt auch die CD mit Beethovens Sonaten für Violine und Klavier, die er zusammen mit Viktoria Mullova aufgenommen hat. Kristian Bezuidenhout ist Gastdozent an der Schola Cantorum in Basel und der Eastman School of Music in den USA. Außerdem berät er das Constellation Center in Cambridge in künstlerischen Fragen. 2007 wurde er mit dem Erwin-Bodky-Preis und dem Förderpreis des Deutschlandfunks ausgezeichnet. In der Kölner Philharmonie war Kristian Bezuidenhout zuletzt im April 2010 zu Gast. 12 11612_KM_28-09-11_d.indd 12 22.09.11 16:00 KÖLNMUSIK-VORSCHAU September SO 02 DO 29 18:00 Veronika Eberle Violine Rotterdams Philharmonisch Orkest Yannick Nézet-Séguin Dirigent 12:30 PhilharmonieLunch WDR Sinfonieorchester Köln Emilio Pomàrico Dirigent Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216 KölnMusik gemeinsam mit dem Westdeutschen Rundfunk Anton Bruckner Sinfonie Nr. 8 c-Moll WAB 108 Medienpartner Kölnische Rundschau Kölner Sonntagskonzerte 1 Eintritt frei MO DO 03 29 20:00 Tag der Deutschen Einheit 20:00 Karina Chepurnova Sopran Katarzyna Mackiewicz Sopran Oleg Korzh Tenor Aleksandr Trofimov Tenor Ton Koopman Cembalo, Orgel Tini Mathot Cembalo, Orgel Wolfgang Amadeus Mozart Adagio und Allegro f-Moll KV 594 Stück für ein Orgelwerk in einer Uhr Strauß Festival Orchester Wien Peter Guth Dirigent Sonate für Klavier zu vier Händen D-Dur KV 381 (123a) Glanzlichter der Wiener Operette und in Westeuropa nur selten zu hörende Evergreens russischer Operettenkultur stehen sich in diesem Programm gegenüber. Antoine Forqueray / Jean-Baptiste Forqueray Drei Sätze aus: Suite für Cembalo Nr. 1 d-Moll Operette und … 1 Johann Sebastian Bach Pièce d’orgue G-Dur BWV 572 Oktober Partite diverse sopra: »O Gott, du frommer Gott« BWV 767 SA Fuge g-Moll BWV 578 01 Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 20:00 »Wachet auf, ruft uns die Stimme« BWV 645 Abschlusskonzert mit Preisträgern des »Internationalen Musikwettbewerbs Köln« »Nun komm der Heiden Heiland« BWV 659 WDR Rundfunkorchester Köln Niklas Willén Dirigent Carl Philipp Emanuel Bach Fantasia fis-Moll Wq 67 Daniel Finkernagel Moderation Antoni Soler Konzert für zwei Orgeln G-Dur Wieder ist der Internationale Musikwettbewerb Köln ein Sprungbrett für die Newcomer der Klassik. Orgel plus … 1 KölnMusik gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem Westdeutschen Rundfunk 13 11612_KM_28-09-11_d.indd 13 22.09.11 16:00 MI SA 05 08 20:00 20:00 Lang Lang Klavier Alfred Brendel Vortrag und Klavier Königliches Concertgebouworchester Amsterdam Daniel Harding Dirigent Die Schule des Hörens - Teil 3: Licht- und Schattenseiten der Interpretation Franz Liszt Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur S 124 In seinen musikalischen Lectures, die Alfred Brendel gekonnt am Klavier kommentiert, schafft es der Meisterpianist, seine Zuhörer zu fesseln und bringt ihnen – auf ganz persönliche Art und Weise – die Musik, ihre inneren Beweggründe und auch sich selbst ganz nahe. So analytisch korrekt wie faszinierend anschaulich. Frédéric Chopin Grande Polonaise brillante précédée d’un andante spianato Es-Dur op. 22 für Klavier und Orchester Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica« Keine Pause | Ende gegen 21:15 SO DO 09 06 20:00 20:00 Takács Quartet Tinariwen Antonín Dvořák Streichquartett Nr. 10 Es-Dur op. 51 Tinariwen, das bedeutet soviel wie »Leerer Ort« – eine Anspielung auf die Wüste, den Lebensraum der Tuareg. Tinariwen wurde vor 30 Jahren in einem von Gaddafis Rebellen-Camps in Libyen gegründet. Seit dem Friedensabkommen von 1990 können sich die einstigen Tuareg-Kämpfer ganz auf das Musikmachen konzentrieren. Mit dem BBC World Music Award von 2005 begann für die Wüstensöhne eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Aus dem ursprünglich losen Musiker-Kollektiv um Ibrahim Ag Alhabib ist längst eine der umjubeltsten Bands Afrikas geworden. Ihre Musik lebt von der Inspiration durch die Tradition der Tuareg in Verbindung mit der Rock- und Popmusik des Westens. Joseph Haydn Streichquartett D-Dur op. 64,5 Hob. III:63 »Lerchenquartett« Béla Bartók Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello Nr. 5 B-Dur Sz 102 Quartetto 1 DO 13 12:30 PhilharmonieLunch Gürzenich-Orchester Köln Markus Poschner Dirigent KölnMusik gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester Köln Medienpartner Kölnische Rundschau Eintritt frei 14 11612_KM_28-09-11_d.indd 14 22.09.11 16:00 IHR NÄCHSTES ABONNEMENT-KONZERT MI DI 19 25 12:30 Filmforum Oktober 20:00 PhilharmonieLunch Kit Armstrong Klavier Marcus Richardt / Dario Aguirre Connected by Drums – ein Workshop mit Martin Grubinger & Friends (D, 2008), Dokumentarfilm, deutsche Fassung Johann Sebastian Bach / Franz Liszt Fantasie und Fuge für Orgel g-Moll BWV 542 Bearbeitung für Klavier S 463 (1869) Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e.V. Variationen über das Motiv von Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen BWV 12 und des Crucifixus der h-Moll Messe BWV 232 (1862) Bearbeitung für Klavier S 180 KölnMusik gemeinsam mit Stiftung Schleswig-Holstein Musk Festival Eintritt frei Johann Sebastian Bach Präludium und Fuge Fis-Dur BWV 858 MI Präludium und Fuge fis-Moll BWV 859 19 Präludium und Fuge G-Dur BWV 860 20:00 Präludium und Fuge g-Moll BWV 861 aus: Das Wohltemperierte Klavier I BWV 846 – 869 (1722) Martin Grubinger Schlagzeug Leonhard Schmidinger Schlagzeug Ferhan Önder Klavier Ferzan Önder Klavier Duette aus Klavierübung III BWV 802 – 805 (1739) Duett e-Moll BWV 802 Duett F-Dur BWV 803 Duett G-Dur BWV 804 Duett a-Moll BWV 805 Fazıl Say Variationen für zwei Klaviere und Schlagzeug op.32 Igor Strawinsky/Martin Grubinger sen. Le Sacre du printemps Bearbeitung für zwei Klavier und Schlagzeug Franz Liszt Allegro agitato molto f-Moll S 139,10. Appassionata aus: Etudes d’exécution transcendante S 139 (1851) Karlheinz Stockhausen Schlagtrio Nr. 1/3 für Klavier und 2 x 3 Pauken St. François d’Assise: la prédication aux oiseaux S 175,1 aus: Deux Légendes S 175 (1862/63) Béla Bartók Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug Sz 110 Johann Sebastian Bach Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 (1714/1730) Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e.V. 19:00, Einführung in das Konzert durch Christoph Vratz, Empore Portrait Martin Grubinger 1 Piano 2 DO 20 20:00 Chucho Valdés & Afro Cuban Messengers Chucho’s Steps Jazz-Abo Soli & Big Bands 2 15 11612_KM_28-09-11_d.indd 15 22.09.11 16:00 Philharmonie-Hotline 0221.280 280 koelner-philharmonie.de Informationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner Philharmonie! Kulturpartner der Kölner Philharmonie Herausgeber: KölnMusik GmbH Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Postfach 102163, 50461 Köln koelner-philharmonie.de 11612_KM_28-09-11_d.indd 16 Redaktion: Sebastian Loelgen Corporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbH Textnachweis: Die Texte von Verena Großkreutz und Christoph Vratz sind Originalbeiträge für dieses Heft. Fotonachweis: Marco Borggreve, S. 11 Gesamtherstellung: adHOC Printproduktion GmbH 22.09.11 16:00 Werke u.a. von Wolfgang Amadeus Mozart Johann Sebastian Bach Carl Philipp Emanuel Bach Ton Koopman Cembalo, Orgel Tini Mathot Foto: Volker Strüh Cembalo, Orgel koelner-philharmonie.de Roncalliplatz, 50667 Köln direkt neben dem Kölner Dom (im Gebäude des RömischGermanischen Museums) 11612_KM_28-09-11_d.indd U4 Neumarkt-Galerie 50667 Köln (in der Mayerschen Buchhandlung) Montag 03.10.2011 20:00 Philharmonie-Hotline 0221-280 280 Tag der Deutschen Einheit 22.09.11 16:00