3. KYOTO-VORLESUNG: TEMPUS, BESONDERS IN
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3. KYOTO-VORLESUNG: TEMPUS, BESONDERS IN
v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: 3. KYOTO-VORLESUNG: TEMPUS, BESONDERS IN INTENSIONALEN KONSTRUKTIONEN 1. 2. 3. Stoff .................................................................................................................................... 1 Tempus-Aspekt Systeme ..................................................................................................... 2 Das deutsche Auxiliarsystem ............................................................................................... 2 3.1. Syntax.......................................................................................................................... 2 3.2. Semantik...................................................................................................................... 4 4. Präsens und Futur ................................................................................................................ 5 5. Futur II-Lesarten von Perfektkonstruktionen........................................................................ 7 6. Bemerkung zum Partee-Problem: ........................................................................................ 9 7. Tempus von und unter Modalen......................................................................................... 10 8. Tempus in Konditionalen................................................................................................... 12 9. Nulltempus unter Einstellungen ......................................................................................... 15 10. Tempus in Relativsätzen: deiktisch und anaphorisch...................................................... 17 11. Consecutio: SOT vs. Nicht-SOT-Sprachen .................................................................... 19 12. Zitierte Literatur ............................................................................................................ 24 1. STOFF (Das folgende Material kann kaum in einer Vorlesung abgedeckt werden. Wir werden eine Auswahl treffen müssen.) Wir erklären was absolute und was relative Tempora sind. Neben dem Präsens (das eigentlich kein Tempus ist) hat das Deutsche ein absolutes Präteritum. Perfekt und Futur sind relative Tempora. Wir erklären, was Aspekt und Aktionsarten sind und welche Stellung sie im System haben. Wir betrachten vor allem das deutsche Tempussystem, streifen aber auch andere Sprachen, nämlich Englisch, Russisch, Japanisch. Eine erste Anwendung betrifft die Futurlesarten von Präsenskonstruktionen. Ein wichtiges Prinzip, das an sehr vielen Stellen benötigt wird, ist das folgende: über einen eingebetteten Infinitiv darf immer ein unsichtbarer Futuroperator FUT eingebettet werden. FUT steht im Deutschen auch optional unter Präsens. Dem koverten FUT-Operator kommt in unserem System eine wichtige Stellung zu. Es wird eine präzise Syntax und Semantik für das deutsche Auxiliarsystem eingeführt. Eine zweite Anwendung betrifft Mehrdeutigkeiten von Perfektkonstruktionen, insbesondere Futur II-Lesarten von Präsens-Perfekt Sätzen. Skopusinteraktionen des Perfekts mit Adverbien werden diskutiert (Rahmenadverbien und aspektuelle Adverbien). Es folgt eine Diskussion der Interaktion von Negation und Perfekt (Partee-Problem). Tempus von Modalen: Modale kontrollieren die Zeitvariable des eingebetteten Infinitivs. Über den Infinitiv darf immer ein kovertes Futur gestülpt werden. Konditionale (reale und irreale) sind spezielle Modalkonstruktionen. Wir sagen etwas zu ihrer temporalen Interpretation. Antezedens und Konsequens werden unabhängig von einander temporal interpretiert. Der Abschnitt über Komplementsätze motiviert, dass diese kein deiktisches Tempus haben können. Das morphologische Tempus wird als semantisch leeres Nulltempus interpretiert, welches ein Temporalabstrakt generiert. 1 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: Der Abschnitt über Tempus in Relativsätzen folgt im Wesentlichen der Theorie in (Kusumoto, 1999). Unser System ist etwas einfacher. Das Tempus im Relativsatz wird in der Regel unabhängig vom Tempus in der Matrix interpretiert. Unter Einstellungen und einem FUT-Operator kann ein Tempus aber auch gebunden gedeutet werden. Das Futur ist in der Lage eine Temporalvariable durch QR zu binden. Neben deiktischem Tempus und Nulltempus gibt es auch ein anaphorisches Tempus. Der letzte Abschnitt betrifft die Unterscheidung von „Sequence of Tense“ (SOT)Sprachen (Deutsch, Englisch) vs Nicht-SOT-Sprachen (Japanisch, Russisch). Nicht-SOTSprachen interpretieren die Tempora in Matrixsätzen und Komplementsätzen gleich, nämlich relativ. SOT-Sprachen interpretieren deiktische Tempora im Komplement als Nulltempus und brauchen spezielle syntaktische Regeln, die festlegen, wie das Nulltempus morphologisch realisiert wird. Weitere mögliche Themen: Durativadverbien, temporale Quantifikationsadverbien und temporale Adverbialsätze. 2. TEMPUS-ASPEKT SYSTEME Die (mir) bekannten TA-Systeme haben die folgende hierarchische Organisation: TP ( 1) deiktisches Tempus PerfP Perfekt AspP Perfektiv Progressiv ... VP Die Systeme unterscheiden sich dadurch: (a) wie die funktionalen Kategorien morphosyntaktisch realisiert sind: als Auxiliare, als Verbalmorphologie, beides, gar nicht (b) wie die Kategorien genau semantisch gedeutet werden. 3. DAS DEUTSCHE AUXILIARSYSTEM 3.1. Syntax Das folgende System hat sich für das Deutsche recht gut bewährt. (2) 2 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: TP SpecTP t i* past i ∅ T' T FUT, *präs wird,* präs VP V hat, *präs hatte, *past AspP Perfektiv Progressiv ... PartP NP Ede Part geschlafen, *perfekt Erläuterung: pasti und t*i Symbole vom Typ i der Zeiten, ein neuer Typ, sie sind Pronomina. ist ein semantisch leeres Pronomen ohne Typ, das sich wie Chomskys PRO verhält. heißt Nulltempus. pasti, bezeichnet eine durch den Kontext gegebene vergangene Zeitspanne, t*i bezeichnet die Sprechzeit, wenn frei. Sonst ist es eine gebundene Variable. Freies t*i und pasti sind die absolute Tempora. Absolute Tempora führen die so genannte Referenzzeit (Terminus von Reichenbach) ein. Absolute Tempora sind also definit, etwas wie Namen. Gebundenes t*i ist ein anaphorisches Tempus. Die Terminologie des Systems deckt sich kaum mit der klassischen Terminologie Reichenbach (1947). Die zunächst merkwürdige Dreiteilung ist prinzipiell motiviert. Es gibt zwei relative Tempora oder Temporaloperatoren nämlich PERF(ECT), ausgedrückt durch sein/haben und FUT(UR), ausgedrückt durch das Auxiliar werden oder das morphologische Präsens. Das Perfekt führt eine weitere Zeit vor der Referenzzeit ein und das Futur eine weitere nach der Referenzzeit. Diese Zeiten kann man Perfekt- und Futurzeit respektive nennen. Relative Tempora sind Existenzquantoren. Die Aspekte verbinden die Referenzzeit oder Perfektzeit. Das Standarddeutsche drückt Aspekte nicht morphologisch aus. Man kann sie frei wählen. Das Perfektiv sagt, dass die Ereigniszeit ganz in der Referenzzeit ist, das Imperfektiv sagt, dass die Referenzzeit in die Ereigniszeit fällt.1 Die VP drückt eine Aktionsart aus (accomplishment, achievement, activity, states). Wir nehmen an, dass States Eigenschaften von Zeiten sind, die anderen Aktionsarten dagegen Eigenschaften von Ereignissen. Der Ereignistyp ist v. Das Zusammenspiel von Morphologie und semantischen Tempora, Relativtempora und Aspekten wird durch Merkmale der * und gesteuert. * besagt, dass ein Merkmal vom Typ verlangt wird. Sowohl * und werden so lange projiziert, bis sie sich an Zweigen zweier Töchterknoten treffen. Dort werden sie gestrichen. Ein Merkmalsystem dieser Art gibt es schon in (Stechow and Sternefeld, 1988); es ist in (Sternefeld, 2000) genau ausgearbeitet. 1 Eine grobe Vereinfachung. Man braucht einen Modaloperator wie das Dowtysche Progressiv; (Dowty, 1979: chap. 3) 3 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: 3.2. Semantik Zunächst eine Zusammenstellung der Definitionen ohne Erläuterung. Das System passt gut zu (Kusumoto, 1999) und (Stechow, 2004a), ist aber technisch in mancher Hinsicht ungeschickt. Man wird letztendlich mit einem extensionalen System besser fahren. Die hier eingeführten Unterscheidungen sind aber in jedem Fall sinnvoll. Erweiterung unsers Typensystems um die Typen i (Zeitintervalle), v (Ereignisse), t Wahrheitswerte. Wir schreiben weiter p für den Typ (st). (3) Das erweiterte Typensystem Die Grundtypen sind e,s,t,i,v. Wenn a und b Typen sind, ist (ab) ein Typ. ( 4) Die semantischen Bereiche De = die Individuen Dt = {0,1} Ds = die Situationen,Welten Di = die Menge aller Zeitintervalle Dv = die Menge der Ereignisse Dab = die Menge der partiellen Funktionen von Da in Db (5) Kontexte bezeichnen wir durch c, c’,... ac ist der Sprecher von c, tc die Zeit von c usw. Die Interpretationsfunktion hängt sowohl von einer Belegung g als auch von einem Kontext ab. (6) Absoluten Tempora und anaphorisches Tempus pres und pasti haben den Typ i. a. [[ t*i ]] g,c = tc, falls t*i frei ist; g(t*i), falls t*i gebunden ist.2 b. [[ pasti ]] g,c ist nur definiert, wenn g(i) < tc; falls definiert ist [[ pasti ]] g,c = g(i). (7) Die Relativtempora PERF und FUT sind Symbole vom Typ (ip)(ip). a.. [[ PERF ]] = P Dip.t{s S | t’[t’ t & s P(t’)]} t’ t gdw. kein Teil von t’ ist nach t; b. [[ FUT ]] = P Dip.t{s S | t’[t’ t & s P(t’)]} t’ t gdw. kein Teil von t’ ist vor t. (8) Aspektoperatoren haben den Typ (vp)(ip) a. Perfektiv: [[ PF]] = P Dvp.t.{s S | e[(e) t & s P(e)]} b. Imperfektiv: [[ IP]] = P Dvp.t.{s S | e[t (e) & s P(e)]} (e) ist die Laufzeit des Ereignisses e States sind aspektlos!3 2 Eine Formulierung dieser Art findet man in (Kusumoto, 1999), aber auch schon in Schriften von I. Heim. 3 In der Literatur wird oft der Typ der Zustände, eine Art von statischen Ereignissen, als neue 4 v.Stechow (9) Ausdruck 14.08.2004: Verbeinträge a. anrufen hat den Typ e(vp). [[ anrufen]] = x De.e Dv.{s S | e ist ein Anrufen von x in s } b. krank hat den Typ e(ip) [[ krank]] = x De.t Di.{s S | x ist krank in s zur Zeit t} States unterscheiden sich von den anderen Eventualitäten dadurch, dass sie Eigenschaften vo Zeiten sind. States haben die Teilintervalleigenschaft, d.h., wenn ein State auf ein Intervall zutrifft, dann auf jedes Teilintervall. Activities haben diese Eigenschaft zu einem gewissen Grad. Accomplishments haben die Teilintervalleigenschaft nicht. Achievements sind Ereignisse ohne Dauer. 4. PRÄSENS UND FUTUR Die erste Anwendung des Systems betrifft das Präsens. Ohne Temporaladverb oder geeigneten Kontext drückt das Präsens die Sprechzeit aus. Bei geeignetem Kontext ist es völlig gleichwertig mit dem Futur. Behauptung: Das dt. „Präsens“ hat optional ein kovertes FUT im T-Kopf. (10) a. Fritz ruft an. b. Fritz ruft morgen an. = Fritz wird morgen anrufen. c. *Fritz ruft gestern an. (11) a. #Fritz calls. b. *Fritz calls tomorrow. c. *Fritz calls yesterday. (12) a. Fritz ist krank. b. Fritz ist morgen krank. ( 13) a. Fritz is sick. b. *Fritz is sick tomorrow. (14) Analyse von (10) Entität eingeführt. Wir schließen uns hier den Argumenten von (Herweg, 1990) und (Katz, 1997) gegen States als Entitäten an: es gibt Adverbien, die nur für Nicht-States sinnvoll sind (z. B. sorgfältig), aber es gibt kein Adverb, das nur für States sinnvoll ist, nicht aber für Nicht-States. 5 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: TP . * pres t* AspP IP VP * pres V * pres Fritz anruft {s | e[tc (e) & e ist ein Anrufen von Fritz in s]} Der Kontrast mit dem Engl. (11a) folgt daraus, das im Dt. die Aspektoperatoren frei gewählt werden dürfen. Im Engl. muss für die nicht-progressive finite activity PF gewählt werden. Die Sprechzeit ist ein Punkt und kann kein Ereignis von Dauer zeitlich inkludieren. Hier die Präsensversion mit kovertem FUT-Operator: TP ( 15) SpecTP t* T' * pres T pres FUT, * pres VP * pres Adv morgen . PF VP * pres V * pres Fritz anruft {s | t[t tc & t morgen* & e[(e) t & e ist ein Anrufen von Fritz in s]]} Da der unsichtbare FUT-Operator durch eine finite Präsensform selegiert wird, hat er das Merkmal pres. Da der ganz Satz ein semantisches Präsens hat, selegiert FUT seinerseits pres, hat Futurisches werden hat dieselbe Struktur, bettet aber einen 0-Infinitiv ein: (16) t* [[morgen [PF Fritz anrufen]] wird] (17) Futurisches werden wird hat die Merkmale *pres und *0-Infinitiv [[ wird ]] = [[ FUT ]] Temporale Rahmenadverbien lokalisieren temporale Eigenschaften zu bestimmten Zeiten. Sie 6 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: bilden den Durchschnitt von zwei Mengen von Zeiten. (18) Deiktische Temporaladverbien a. morgen hat den Typ (ip)(ip). [[ morgen ]] c = P Dip.t Di.{s S | t morgenc & s P(t)}, mit morgen* = der Tag, der nach dem Tag kommt, in dem s* liegt. Analog für heute und gestern. b. um 6 Uhr hat den Typ (ip)(ip) [[ um 6 Uhr]] = P Dip.t Di.{s S | t 18 Uhr & s P(t)}4 Die Ungrammatikalität von (10c) ergibt sich aus dem Zusammenspiel von gestern mit dem Präsens. Wir erhalten einen semantischen Widerspruch. Verbreiteter Alternativansatz zum Präsens: Präsens bedeutet Nicht-Vergangenheit (nonpast), also ein Zeitintervall, das keinen Teil enthält, der vor der Sprechzeit ist; z.B. (Comrie, 1995) oder (Pancheva and Stechow, 2004). (19) Alternativtheorie für Präsens? [[ presi]] g,c ist nur definiert, wenn g(i) nicht vor tc ist. Falls definiert, so [[ presi]] g,c . Mit dieser Semantik kann man Einbettungen nicht korrekt behandeln (siehe unten): (20) Ede glaubt, dass Alla morgen anruft. Um die Nachzeitigkeit für das Komplement zu erhalten, braucht man zusätzlich nur ein unsichtbares FUT im eingebetteten Satz. 5. FUTUR II-LESARTEN VON PERFEKTKONSTRUKTIONEN Eine zweite Anwendung betrifft die Mehrdeutigkeit der folgenden Präsens-PerfektKonstruktion vs. die Eindeutigkeit der entsprechenden Präteritumskonstruktion. Wir lernen. Der unsichtbare FUT-Operator im „Präsens“ erklärt, das Perfektkonstruktionen eine Futur II-Lesart haben. (21) a. Um 18 Uhr habe ich angerufen. (mehrdeutig) = Ich rief um 18 Uhr an oder = Ich werde um 18 Uhr angerufen haben b. Um 18 Uhr rief Fritz an. (eindeutig) c. Fritz hatte um 18 Uhr angerufen. (mehrdeutig) = 18 Uhr ist vor tc & der Anruf ist vor 18 Uhr oder = Der Anruf ist um 18 aber vor der vergangenen Referenzzeit (22) a. *I have called at 6. 4 Dies ist eine grobe Vereinfachung. „um 6 Uhr“ hängt sicher vom Ort ab. Wenn es in Tokyo 6 Uhr ist, ist es in Konstanz nicht 6 Uhr. Außerdem gibt es 6 Uhr vormittags und nachmittags. Schließlich wiederholen sich diese Zeiten jeden Tag. Dies sauber zu formulieren, ist sehr knifflig. 7 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: b. Fritz called at 6. c. Fritz had called at 6. (mehrdeutig) Der Kontrast zwischen (21a) und (22a) heißt nach (Klein, 1992) Present Perfect Puzzle. Das Problem wird in (Pancheva and Stechow, 2004) behandelt. (23) Die Vergangenheitslesart von (21a) TP t* T' T ∅ . habe . um 18 Uhr . PF PartP ich angerufen {s S | t[t tc & t 18 Uhr & e[(e) t & e ist ein Anrufen von mir in s]]} Das Temporaladverb ist im Skopus des Perfekts. (24) Das Perfektauxiliar habe hat das Merkmal perf, selegiert den 3.Status und pres, d.h. hat die Merkmale *pres und *3.Status, bedeutet dasselbe wie PERF. (25) Die Futur II-Lesart von (21a) TP t* T' T FUT . um 18 Uhr . . PF habe PartP ich angerufen {s | t[t tc & t’[t’ t & t’ 18 Uhrc & e[(e) t’ & e ist ein Anruf von mir in s]]]} Das Temporaladverb ist außerhalb des Skopus des Perfekts, aber im Skopus des Futurs. 8 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: gestern und um 18 Uhr machen wenig Sinn über PERF. Anders bei aspektuellen Adverbien: (26) a. Ede hat schon gegessen. (mehrdeutig) b. Ede aß schon. (eindeutig) c. Ede hat noch gegessen. (eindeutig) (27) Aspektuelle Adverbien5 schon und noch haben den Typ (i(st))(i(st)). a. [[ schon]] = P D i(st).t Di.s’[s’ Erw(s)(t) t’[t ist Endstück von t’ & s’ P(t’) ]].P(t) b. [[ noch]] = P Di(st).t Di.s’[s’ Erw(s)(t) t’[t ist Anfangsstück von t’ & s’ P(t’) ]].P(t) Erw(s)(t) ist die Menge der Situationen, in denen der Fall ist, was wir in s zur Zeit t erwarten. Die Vergangenheitslesarten von (26a) haben die folgenden LFs (Operatoren links geschrieben): (28) a. pres schon PERF AspP. b. pres PERF schon AspP. Rein formal hat auch (26c) die Lesart mit schon direkt unter pres: (29) a. #pres noch PERF Ede gegessen Diese Lesart ist aus semantischen Gründen ausgeschlossen. Sie präsupponiert, dass wir von der Sprechzeit erwarten, dass sie bereits eine Zeit ist, die nicht mehr eine Zeit ist, in der in der Vergangenheit Ede gegessen hat. Der Satz besagt aber, dass Ede in der Vergangenheit gegessen hat. Dieses Faktum kann nicht aus der Welt geschafft werden. Unsere Erwartungen sind also nicht Sinnvoll. Zustände, die irreversibel sind, nennt (Parsons, 1990) resultant states. 6. BEMERKUNG ZUM PARTEE-PROBLEM: Jede Tempussemantik hat sich mit dem in (Partee, 1973) beobachteten Skopusparadox auseinanderzusetzen, dass entsteht, wenn man das past tense mit (Prior, 1967) als Existenquantor deutet: (30) Past nach Prior: [[ PAST ]] = P Dit.t.t’[t’ < t & P(t’)] Dieser Operator ist mit unserem PERF-Operator identisch. Partee betrachtet den Satz (31) a. I didn’t turn off the stove. 5 Zur Semantik von aspektuellen Adverbien, vgl. (Löbner, 1989). Die Semantik hier ist nicht genau die von Löbner, die allgemeiner konzipiert ist, die ich aber nicht richtig verstehe. Da die Adverbien nur für temporale Eigenschaften definiert sind, die jeweils eine temporale Präsupposition haben, können wir die Satzbedeutung hier, streng genommen, nicht als Menge von Situationen auffassen, sondern müssen über partielle Funktionen in Di(st) reden. Das Problem wird ignoriert. 9 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: b. ¬PAST I turn off the stove c. PAST ¬ I turn off the stove Mit der Konvention, dass bei Beginn der Rechnung Sätze immer an der Sprechzeit ausgewertet werden, scheinen beide Formulierungen inadäquat zu sein. (31b) bedeutet, dass ich den Herd zu keiner Zeit vor der Sprechzeit abgestellt habe und (31a) bedeutet, dass ich den Herd zu einer vergangenen Zeit nicht abgestellt habe. Partee löst das Problem, indem sie past als Pronomen auffasst und in das Verb einen Existenzquantor einbaut, der Teilintervall der durch past bezeichneten Zeit herausgreift. ( 32) pasti ¬t pasti: Ich stelle den Herd zu t ab. Die existenzielle Quantifikation über Teilintervalle leistet bei uns der Aspektoperator: (33) Ich den Herd nicht abstellte = pasti ¬ PF ich den Herd abstellen {s | ¬e[(e) pasti & e ist ein Herdabstellen von mir in s]} Wir erhalten das Partee-Problem aber für das Perfekt: (34) Ich habe den Herd nicht abgestellt. = t* ¬ PERF PF ich den Herd abstellen {s | ¬t[t tc & e[(e) t & e ist ein Herdabstellen von mir in s]]} Diese Lesart ist viel zu stark. Die Standardlösung ist, dass man die im Perfekt enthaltene Quantifikation kontextuell auf relevante Zeiten beschränkt: ( 35) [[ PERF]] g,c = C Dit.P Dip.t{s S | t’[C(t’) & t’ t & s P(t’)]}, dabei ist g(C) eine Menge von Zeiten die in c relevant sind. Beim Perfekt ist es gleichgültig ob die Negation unter oder über dem Tempus in der Syntax steht. Die Relativierung auf relevante Zeiten hebt den Skopuseffekt auf. Mit Relativierungen dieser Art wird z.B. in (Stechow, 1991), (Kusumoto, 1999), (Musan, 2002) und vielen anderen gearbeitet. Die LF für den Satz ist nun: (36) t* ¬ PERFC PF ich den Herd abstellen Damit ist das Partee-Problem prinzipiell gelöst. Im folgenden wird die Restriktion C ignoriert. 7. TEMPUS VON UND UNTER MODALEN Behauptung dieses Abschnitts: Futurische Infinitive Zwischen einem 0-Infinitiv und einem Modal darf ein kovertes FUT eingebettet werden. Das Prinzip ist vom dt. System her insofern plausibel, als es keinen Infinitiv Futur gibt, man ihn aber offensichtlich benötigt. 10 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: Modale sind Quantoren über Welten. Sie „kontrollieren“ die lokale Auswertungszeit. (37) a. Fritz kann krank sein. b. *Fritz kann gestern krank sein. c. Fritz muss morgen krank sein. Die Ungrammatikalität von (37b) folgt aus der folgenden Semantik: (38) Modale mit Zeitargument können und müssen haben den Typ (s(ip))((ip)(ip)). a. [[ muss]] = Pip.t.{s | H(s)(t) P(t)} b. [[ kann]] = Pip.t.{s | H(s)(t) P(t) } (39) LF für (37b) t* [gestern [[Fritz krank] mussH]] {s | H(s)(tc) {s’ | Fritz ist krank in s’ zu tc & tc gestern*}} Weil Modale die lokale Evaluationszeit festhalten, ist es gleichgültig, ob gestern unter oder über dem Modal steht. Wir erhalten auf jeden Fall einen semantischen Widerspruch, nämlich, dass die Sprechzeit im Tag vor der Sprechzeit ist. Der Hintergrund hat den logischen Typ s(ip), d.h. er ordnet einer Situation und einer Zeit eine zeitunabhängige Proposition vomTyp p zu. Zum Beispiel könnte gelten: H(s)(t) = {s’ S | In s’ sind alle Propositionen wahr, die in s zur Zeit t relevant sind}. Wir erhalten denselben Widerspruch für (37b), obwohl dieser Satz grammatisch ist! Das sinnvollste Verfahren, den Fakten gerecht zu werden, sehe ich in der Annahme des am Anfang des Abschnitts genannten Prinzips: ( 40) LF für (37c) p i t* ip ip ip muss H ip ip ip ip morgen ip ip FUT ip Fritz krank sein Beachte, dass Infinitive Perfekt ebenfalls 0-Infinitive sind. Das Prinzip sagt voraus, dass sie unter FUT eingebettet werden können. (41) Fritz kann um 18 Uhr angerufen haben. 11 (FutII Lesart möglich) v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: t* [[um 18 Uhr [Fritz angerufen haben]] FUT] kannH „Es besteht die Möglichkeit, dass Fritz um 18 Uhr angerufen haben wird“ Dass man zwischen Modalen und Infinitiven ein Futur interpolieren darf, ist in (Fintel and Heim, 2000) irgendwo bemerkt worden. Die näher liegende Lesart des Satzes ist die Vergangenheitslesart: ( 42) t* [[um 18 Uhr Fritz angerufen] haben] kannH „Es besteht die Möglichkeit, dass Fritz um 18 Uhr angerufen hat“ (Condoravdi, 2002) versucht den Futurbezug von eingebetteten Infinitiven an der Aktionsart der modifizierten VP festzumachen und in die Bedeutungsregel für können und müssen eine Fallunterscheidung einzubauen nach der Devise: Nachzeitigkeit der VP, wenn sie nicht-stativ ist, Gleichzeitigkeit, wenn sie ein State ist. Das kann m.E. nicht richtig sein, da auch modalisierte States nachzeitig sein können: (43) Fritz kann morgen in Köln sein. 8. TEMPUS IN KONDITIONALEN Haupttempus und Nebentempus werden unabhängig von einander interpretiert. Die „Präteritumsmorphologie“ in Counterfactuals hat keinerlei Bedeutung, sondern ist eine spezielle Konditionalmorphologie. Der Konditional I ist präsentisch, der Konditional II ist präterital. Der koverte Futuroperator über dem eingebetteten Infinitiv ist auch ist auch hier wieder möglich. Zunächst indikativische Konditionale: (44) Wenn Ede heute säuft, muss er morgen krank sein. p i t* ip ip ip ip ip ip ip morgen ip ip FUT ip Ede krank sein s ip s ip H s ip ip ip muss p wenn Ede heute säuft c {s | H(s)(tc) {s’| t[t tc & t heute & e[ (e) t & saufen(e)(Ede)(s)]]} {s’’ | t’[t’ tc & t’ morgenc & krank(Ede)(s)(t’) ]}} Der eingebettete Satz hat dieselbe temporale Struktur wie der Hauptsatz, d.h. er besteht aus Präsens (= t*) und kovertem FUT-Operator. Wir müssen lediglich noch die Regel der Hintergrundsmodifikation adaptieren: (45) Hintergrundsmodifikation 12 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: Sei ein Baum mit Töchtern und vom Typ p und s(ip). Dann ist [[ ]]g = s S.t Di.H(s)(t) [[ ]]g Die Analyse der irrealen Konditionalsätze läuft völlig parallel, d.h. wir adaptieren unsere LFs aus der Vorlesung 2 an das neue temporale Framework. (46) Wenn Ede heute saufen würde, würde er morgen krank sein. p t* T' VP ip V' ip ip ip VP ip Ede morgen krank sein ∅ FUT CP p wenn ∅ Ede heute saufen würde ∅ V p ip ip würde könnte Wir müssen lediglich die Regel für kontrafaktisches würde, könnte adaptieren. Das einzige was zu tun bleibt, ist, die Auswahlfunktion SIM nun von Welt und Zeit abhängen zu lassen: ( 47) a. würde, müssencf haben den Typ ip((ip)(ip)). [[ würde ]] = [[müssencf ]] = p Dp.Q Dip.t Di.{s S | SIMs,t(p) Q(t)}. b. könnte, könnencf haben den Typ ip((ip)(ip)). [[ könnte ]] = [[könnencf ]]= p Dp. Q Dip.t Di.{s S | SIMs,t(p) Q(t) } (48) SIM vom Typ s(ip). SIMs,t() = die Menge der zur Zeit t zu s ähnlichsten -Situationen/Welten. Es ist instruktiv, sich die LF des wenn-Satzes näher anzusehen: (49) 13 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: CP TP p wenn i t* T' VP ip Adv ip ip heute T FUT VP ip VP ip PF VP vp Ede saufen V *pres würde ∅ Das untergeordnete würde ist semantisch leer. Es dient lediglich als Träger der Präsensmerkmale. Was die Konstruktion so unübersichtlich macht ist der Umstand, dass Präteritums-CFs nicht in Analogie zur den Präsens-CFs gebaut sind. Da würde kein Präteritum kennt, sollte halbwegs transparentes Vergangenheitskonditional (50a) sein. Man vermeidet das und geht auf die Konstruktion (50b). (50) a. Ede würde gestern krank gewesen sein, wenn er vorgestern getrunken haben würde. b. Ede wäre gestern krank gewesen, wenn er vorgestern getrunken hätte. Man könnte denken, dass das wäre in (50b) der CF-Operator würde im Präteritum ist. Man kann den könnte-CF aber nicht so ausdrücken. Transparentere Formulierungen für die Präteritumskonstruktion sind: (51) Ede hätte gestern krank sein müssen/können, wenn er vorgestern getrunken hätte. 14 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: TP pasti T' T * cf * past hätte VP VP gestern Ede krank sein V V müssen cf können cf CP wenn TP past j T' PartP vorgestern Ede getrunken T * past hätte Das konjunktivische Hilfsverb hätte ist hier lediglich ein Träger des Merkmals *past. Es selegiert ferner ein kontrafaktisches Modal. Bei diesen Konstruktionen ist noch viel offen, aber die Analyse ist transparenter als die Überlegungen in (Iatridou, 2000), die meint, dass in einem Counterfactual immer ein Past enthalten sei, das uns entweder in zeitlich oder modal entlegene Welten führt. Iatridou gibt keine nachvollziehbare Semantik für Past an. So dass ich ihren Vorschlag nicht beurteilen kann. (Ippolito, 2003) behauptet, dass alle CFs unter einem PERF-Operator eingebettet sind. Die hier angegebene Analyse ist damit nicht verträglich, aber in jeder Hinsicht transparenter. Ich kann aber auf diesen Ansatz nicht näher eingehen. 9. NULLTEMPUS UNTER EINSTELLUNGEN Lernziel dieses Abschnitts: Einstellungsprädikate (Verba dicendi et sentiendi) betten keine Propositionen vom Typ p ein, sondern Eigenschaften von Zeiten vom Typ ip. Daraus folgt, dass die CPKomplemente solcher Verben kein deiktisches Tempus haben können. Das Tempus ist semantisch leer (Nulltempus) und bildet mittels QR ein temporales Abstrakt. Einstellungsprädikate unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von Modalen. Während Modale die lokale Auswertungszeit kontrollieren/weiterreichen, quantifizieren Einstellungsprädikate über die Zeitvariable, welche eine gebundene Variable sein muss, hier in Anlehnung an (Kratzer, 1998) Nulltempus genannt. Dabei handelt es sich um eine Zeitvariable i, die in LF stets gebunden ist. Dass Tempus unter Einstellungen eine gebundene Variable sein muss ist in (Stechow, 1984) und (Stechow, 1995) gesagt worden. 15 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: (52) s* = 5 Uhr: Fritz glaubt, dass es 4 Uhr ist (53) [[ t* Fritz dass [t* es um 4 Uhr ist] glaubt]] 5 Uhr (54) Klassische Analyse von glaubt: logischer Typ p(e(ip)) [[ glaubt]] = p Dp.x De.t Di.{s S | HB(x,s,t) p}, wobei HB(x,s,t) = {s’ S | In s’ ist alles der Fall, was x in s zur Zeit t glaubt}6 ( 55) [[ 4 Uhr sein]] = t Di.{s S | (s) = t & t 4 Uhr} ( 56) a. Es ist 4 Uhr. b. LF: t* um 4 Uhr c. {s S | (s) = s* & s* = 4 Uhr} (wird revidiert) Vorhersage: Die LF (53) bedeutet: ( 57) {s | (s) = 5 Uhr & Fritz glaubt in s {s’ | (s’) = 5 Uhr & 5 Uhr = 4 Uhr}} Widerspruch! Analysiert man die Fehlerursache, sieht man, dass das eingebettete Präsens der Grund für den Widerspruch ist. Man kann nun versuchen, glauben als Kontrollverb zu analysieren, das die Zeit weiter reicht. Das löst das Problem nicht, denn das Subjekt täuscht sich in aller Regel darüber, zu welcher Zeit es ist. Auch bei Kontrolle können wir leicht einen Widerspruch erzeugen. Die Lösung folgt (Lewis, 1979). Das Objekt der Einstellung muss eine temporale Eigenschaft sein, d.h. eine Eigenschaft vom Typ ip: „Fritz glaubt, um 4 Uhr zu sein“. Fritz situiert sich unter die Dinge die zeitlich um 4 Uhr situziert sind. (58) glaube revidiert (temporales de se): glaube hat den Typ (ip)(e(ip)) [[ glaubt]] = P Dip.x De.t Di.{s S | HB(x,s,t) P}, wobei HB(x,s,t) = t’{s’ S | (s’) = t & in s’ ist alles der Fall, was x in s zur Zeit t glaubt} (59) Revidierte LF für (52) 6 „x glaubt p in s zur Zeit t“ heißt „x glaubt p in s, wobei die Zeit von s gleich t ist“. 16 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: [[ t* Fritz dass [ i ti es um 4 Uhr ist] glaubt]]c p i t* ip e Fritz e ip ip e ip glaubt CP ip ip ∅ λi TP p ip i t i um 4 Uhr {s | Aus dem was Fritz in s um 5 glaub folgt, dass es 4 Uhr ist} Folgerung: Da Einstellungsverben eine CP vom Typ ip einbetten kann die CP niemals ein deiktisches oder anaphorisches Tempus haben. Es muss sich stets um das semantisch leere Tempus haben. Zur Theorie des Null-Tempus Pronomen haben 3 Erscheinungsformen, sie sind deiktisch, anaphorisch oder semantisch leer. ist das semantisch leere Pronomen, dass wir als PRO aus der Kontrolltheorie kennen.Die Idee findet geht auf Schriften von A. Kratzer zurück, die PRO als semantisch leeres Pronomen analysiert, dass aus Typengründen QR-t wird und so ein -Abstrakt generiert. Man kann Sätze mit kontrolliertem PRO so analysieren, aber auch Relativsätze. ist semantisch völlig leeres Symbol, das an einer Tempusposition, also einer Argumentposition vom Typ i generiert wird. Da das Symbol nicht analysiert werden kann, muss es wegbewegt werden und schafft dadurch ein Abstrakt mittels der Regel QR. (Kratzer, 1998) und (Kusumoto, 1999) benutzen statt des semantisch völlig leeren Tempus eine merkmallose Zeitvariable i. Sie nehmen an, dass man i in LF frei einsetzen darf. Dass alle -Abstrakte durch Bewegung geschaffen werden müssen, ist eine Idee, die Orin Percus seit einigen Jahren konsequent vertritt; cf. (Percus and Sauerland, 2003). 10. TEMPUS IN RELATIVSÄTZEN: DEIKTISCH UND ANAPHORISCH Lernziel dieses Abschnitts: In Relativsätzen wird Tempus in der Regel deiktisch interpretiert. Stehen Relativsätze aber im Skopus eines Tempusoperators (Relativtempus) oder eines Einstellungsverbs, kann ihr Tempus eine gebundene Variable sein. Die klassischen Beispiele für die deiktische Interpretation von Tempus im Relativsatz sind diese: 17 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: (60) a. Hillary married a man who became president. z.B. (Abusch, 1988), (Kusumoto, 1999, chap. 2) VZ, NZ bez. Matrix b. Hillary married a man who is president. SZ (61) a. Hillary hat einen Mann geheiratet, der Präsident wurde. VZ, NZ c. Hillary hat einen Mann geheiratet, der Präsident ist. SZ Die Unabhängigkeit von past unter pres ergibt sich sofort aus der Semantik der Tempora, ebenso der SZ-Bezug bei pres unter pres. ( 62) a. t* Hillary einen Mann der1 past2 t1 Präsident wurde geheiratet hat b. t* Hillary einen Mann der1 t* t1 Präsident-ist geheiratet hat Der folgende Satz aus (Kusumoto, 1999) geht gegen Ogiharas Auffassung (1996), dass das past tense immer ein Relativtempus (PERF) ist und man die Unabhängigkeit des eingebetteten Tempus von der Matrix durch QR des Objekts über das Subjekt erhält. Dies ist nicht möglich, weil das NPI anybody im Skopus von none sein muss. Der Satz ist ferner dadurch bemerkenswert, dass die Verkaufszeit für jeden Kunden eine andere sein kann. Diese Verteilung leistet der Aspektoperator PF. (63) a. None of our sales people sold insurances to anybody who was on the plane. (Kusumoto) b. past1 none of our s.p 2 PF t2 sold insurances to anybody who3 past2 t3 was on the plane {s |¬x[x ist Verkäufer in s e[(e) past1 & y[y im Flugzeug in s zu past2 & e ist ein Verkaufen von Versicherungen von x an y in s] ]]} Wichtig ist, dass none of our salesmen weiten Skopus bez. PF hat, aber engen Skopus bezüglich past1. Der Kontrast zwischen engl. (64a) und dt. (64b) zeigt, dass das engl. past als PERF gedeutet werden kann; vgl. (Kratzer, 1998): (64) a. Next month I will answer every email that arrived. (Abusch: FutII) b. Ich werde jede email beantworten, die ankam. (vor SZ) c. Ich werde jede email beantworten, die angekommen ist.(vor SZ, FutII) Die Futur II-Lesarten verlangen ein durch das Matrixfutur gebundenes Tempus im Relativsatz. ( 65) a/c. t* will t1 t1 I answer every email rel2 1 PERF t2 arrived b. t* [ich [jede email die2 past1 t2 ankam] beantworten] werde Das folgende past im Relativsatz ist eine gebundene Varialbe: (66) a. John said that he would buy a fish that was alive. (Ogihara, 1989), (Ogihara, 1996) b. Hans sagte, er werde einen Fisch kaufen, der lebendig sei. (67) LF des Komplements (ohne QR-en des Objekts) 18 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: CP ip ∅ TP p λ1 VP ip t1 V ip ip werde ip p λ3 t3 ip e er e ip V e e ip kaufen DP einen NP ep Fisch CP ep TP p der 2 i t3 AP ip t 2 lebendig t1.{s | t3[t3 t1 & x[x ist ein Fisch in s & x ist lebendig in s zu t3] & er kauft x in s zu t3]} Die Tempusargumente von konjunktivischen Verben sind immer Null-Tempora, entweder semantisch leer oder eine merkmallose Variable, hier 3. 11. CONSECUTIO: SOT VS. NICHT-SOT-SPRACHEN Wir lernen den typologischen Unterschied zwischen SOT (Englisch, Deutsch) und NichtSOT-Sprachen (Russisch, Japanisch). SOT-Sprachen haben ein pronominales Präteritum (pasti), das in Komplementsätzen aus semantischen Gründen durch ein Nullpronomen ersetzt wird. Was wie ein eingebettetes Präteritum aussieht, ist semantisch nichts. Die Aussprache von muss syntaktisch geregelt werden (Kongruenz). 19 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: Nicht-SOT-Sprachen haben kein deiktisches Präteritum, sondern nur ein relatives PAST, also unser Perfekt. Das Tempora werden in Matrix und Komplement gleich interpretiert. SOT = sequence of tense/consecutio temporum Nicht-SOT-Sprachen unterscheiden sich von SOT-Sprachen dadurch, dass sie kein absolutes Past haben, sondern nur ein relatives Past, also unser PERF. (68) SOT-Sprachen (Englisch, Deutsch, Italienisch,...): -Tempus unter Einstellungen. Nicht-SOT-Sprachen (Russisch, Ukrainisch, Japanisch, Koreanisch,...): Das klare Bild wird durch einzelsprachliche Besonderheiten getrübt. Hier sind einige Beispiele für SOT-Sprachen. Englisch (69) a. John believes that Mary is sick. b. #John believed that Mary is sick. GZ (double acces! Nicht behandelt) (70) a. John believed that Mary was sick. GZ b. John believed that Mary had been sick. VZ Generalisierung für das Engl.: Bei GZ kongruiert das eingebettete Tempus mit dem Matrixtempus. Deutsch (71) a. Fritz glaubt, dass Maria krank sei/ist. b. Fritz glaubte, dass Maria krank ist. GZ (DA und GZ) (72) a. Fritz glaubte, dass Maria krank sei/wäre/war/ist. (GZ) b. Fritz glaubte, dass Maria krank gewesen sei/wäre/war. (VZ) Generalisierungen für das Dt.: (a) Konjunktiv I ist immer gut für GZ; (b) eingebettetes Präsens kann GZ ausdrücken; (c) Tempuskongruenz kann GZ ausdrücken. Italienisch (73) a. Gianni pensa che Maria è malata. GZ Gianni denk-pres dass Maria sein-pres krank b. Gianni pensava che Maria era malata. GZ Gianni glaub-ip-past dass Maria sein-pres krank. Generalisierung zum It.: GZ verlangt Tempuskongruenz. Es folgen Daten zu Nicht-SOT-Sprachen: Russisch (74) a. Fritz skazal chto Masha bolna. GZ 20 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: Fritz sag-pf-past dass Masha krank (pres) b. Fritz skazal chto Masha byla bolna. VZ Fritz sag-pf-past dass Masha sein-past krank Japanisch (75) (Kusumoto, S. 189) a. Bernhard-wa Junko-ga byookida to itta. B-top Junko-nom krank-pres dass sag-past b. Bernhard-wa Junko-ga byookidatta to itta. B-top Junko-nom krank-past dass sag-past GZ VZ Generalisierung zum Russ. und Jap.: Eingebettetes Präsens drückt GZ aus, eingebettetes Past VZ. (76) Russisch7 TP ∅ t i* T' ∅ PERF FUT NegP ne TP PERF budu AspP PF IP VP Das Russische (und Japanische) haben kein deiktisches Präteritum, sondern nur relative Tempora (PERF, FUT). Im Russ. kann PERF iteriert werden, vor allem über PF; vgl. (Paslawska and Stechow, 2003). Das „Präsens“ hat kein relatives Tempus in T, sondern ist tempuslos; vgl. (Kusumoto, 1999). Statt des leeren in T könnte man auch eine triviale Relation PRES ansetzen, die GZ ausdrückt. So macht (Ogihara, 1989) das. Statt PERF kann man natürlich auch die suggestivere Bezeichnung PAST wählen. Es handelt sich aber genau um den PERF-Operator. (77) 7 Fritz skazal chto Masha byla bolna8 Der Baum erscheint vielleicht nicht im Text: TP ∅ t i* T' ∅ PERF FUT NegP ne TP PERF budu AspP PF IP VP 21 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: TP t * T' T PERF AspP PF VP Fritz V' V sagen skazal CP . ∅ TP λi ti T' T PERF VP V * PERF byla AP Masha krank Masha bolna Der PERF-Operator wird von der Morphologie des Finitums, hier das semantisch leere Auxiliar bula, selegiert. Das Tempus in SpecCP (pres, , oder t*i) kann frei gewählt werden. Genau wie im Engl. und Dt. kann man in Relativsätzen nicht immer auf ein anaphorisches Tempus verzichten: (78) Ty uvidesh malchika kotoryj plachet. Du sehen-pf-pres Jungen welcher weinen-ip-pres ‚Du wirst einen Jungen sehen, der weint’ Das Weinen findet erst in der Zukunft statt. Der Satz muss in Analogie zu Ogiharas und Abuschs Beispielen analysiert werden. (79) t* FUT 1 t1 PF du sehen einen Jungen welcher2 1 IP t2 weint Das Japanische geht genau wie das Russische. Hier ein Beispiel für VZ, wobei der Aspekt ignoriert wird. ( 80) 8 Bernhard-wa Junko-ga byookidatta to itta Der Baum erscheint vielleicht nicht im Text: TP t* T' T PERF AspP PF VP Fritz V' V sagen skazal CP . ∅ TP λi ti T' T PERF VP V * PERF byla 22 AP Masha krank Masha bolna v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: TP t* T' T PERF VP Bernhard − wa V' V * PERF sagen itta CP to . . ∅ TP λi t i* T' PERF VP Junko − ga V * PERF krank sein byookidatta {s |t[t tc & Hsagen(Bernhard,s,t) t*{s’| t’[t’ t* & Junko ist krank in s’ zu t’]}]} Distribution der Tempora in Komplementsätzen Dies ist die deskriptiv schwierige Aufgabe. Für Nicht-SOT-Sprachen besteht kein Problem, weil die Tempora in Matrixsatz und Komplementsatz gleich gedeutet werden, bis auf den Unterschied, dass die ausgezeichnete Variable t* einmal frei ist, einmal gebunden. Für SOT-Sprachen besteht das folgende Problem: eingebettete Präsens- und Präteritumsformen werden genau gleich interpretiert und können im Prinzip beide GZ ausdrücken. Welche man wählt, hängt offensichtlich vom Tempus des Matrixsatzes ab: Präsens unter Präsens, Präteritum unter Präteritum. Die Details kriegt man nicht einfach hin. Hier sind einige Hinweise zur Literatur: 1. (Ogihara, 1996) analysiert aus SOT-Sprachen mit relativen Tempora. Er hat eine Regel, die es erlaubt, ein PAST (unser PERF) zu tilgen, wenn es lokal von einem anderen PAST c-kommandiert wird. Ogiharas Ansatz wird deskriptiv nicht mit allen Phänomen fertig. Vgl. z.B. die Kritik in (Kusumoto, 1999). 2. (Abusch, 1994) entwickelt ein System, dass zu kompliziert ist, um hier diskutiert werden zu können. Das System ist wesentlich vereinfacht in (Heim, 1994). 3. (Kusumoto, 1999) scheint ganz gut zu funktionieren, aber die Tempussyntax ist wesentlich komplizierter, als die hier vorgestellte. 4. (Kratzer, 1998) hat ein System das ungefähr so funktioniert: Nulltempora sind auf PF mit einem Tempus koindiziert, welches das Nulltempus lokal c-kommandiert. Diese 23 v.Stechow Ausdruck 14.08.2004: Koindizierung regelt die Aussprache. Auf LF hat ein Nulltempus keinerlei Merkmale. 5. (Stechow, 2004b) macht die Tempuskongruenz auf komplizierte Weise am jeweils übergeordneten Verb fest. Die dort vorgestellte Theorie der Tempora ist viel komplizierter als hier und basiert auf Ideen von (Schlenker, 2003). Wir lassen es hier offen, wie die Consecutioregeln für die verschiedenen Sprachen genau zu beschreiben sind. Wichtig ist, dass die vorgeschlagenen LFs recht gut zu funktionieren scheinen. Etwas von dieser Art scheint also korrekt zu sein. 12. ZITIERTE LITERATUR Abusch, Dorit. 1988. Sequence of Tense, Intensionality and Scope. Paper presented at 7th West Coast Conference on Formal Linguistics, Stanford. Abusch, Dorit. 1994. Sequence of Tense Revisited: Two Semantic Accounts of Tense in Intensional Contexts. In Ellipsis, Tense and Questions, ed. Hans Kamp. Stuttgart: Dyana2 Esprit Basic research Project 6852. Comrie, Bernard. 1995. 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