Verwerten und wiederverwenden
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Verwerten und wiederverwenden Das Potential von Design im nachhaltigen Kunststoffkreislauf Theoriearbeit Diplom Michael Wyss April 2004 1 Inhalt Zusammenfassung These Beobachtungen Einleitung Begriffsklärungen Design Abfall Recycling Weiter- und Wiederverwenden... ...sowie Wieder- und Weiterverwerten Kunststoffe Design im Recycling Kann Design ein Umweltbewusstsein vermitteln? Ausblick Fazit Anhang Quellenangaben 1 3 3 4 4 4 5 5 6 6 7 7 8 9 10 11 12 2 Zusammenfassung Das Mobiltelefon mit einer gegenwärtigen Lebensdauer von knapp zwei Jahren, der Computer, welcher nicht mehr aufgerüstet wird, das High- Tech Produkt „CD“ als Papierersatz: Wie meine Beobachtungen deutlich machen, ist der heutige Umgang mit Objekten oft nicht angemessen. Dinge, die früher lange Zeit in Gebrauch waren, werden immer mehr zu Wegwerfartikeln degradiert. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung müssen wir diese Strukturen hinterfragen und nach Lösungen für einen sinnvolleren Materialverbrauch suchen. Denn vor allem bei Kunststoffen ist das bisher praktizierte technische Recycling nicht ausreichend effizient, da nur ein „downcycling“ erreicht wird, das heisst, dass mit jedem Rückführungsvorgang eine Wertabnahme des Materials eintritt. Sehr interessant ist das Recycling aus philosophischer Sicht: Wenn wir reinigen, bezeichnen wir einige Objekte als Schmutz, während wir andere akzeptieren oder tolerieren. Schmutz (Abfall) wird beseitigt, denn er stört das Verständnis von Reinheit. Das Beseitigen kann durch Vernichtung geschehen, aber auch indem wir den Abfall wieder als wertvolles Gut zu den akzeptierten Objekten zurückholen, ihn kompostieren – oder eben recyceln. Was Design in der Verwertung und erneuten Verwendung unserer Abfälle sonst noch bewirken kann, wird im Folgenden geschildert: Design gestaltet Kreisläufe. Durch Institutionen und Konzepte wie das Brockenhaus oder Produkt- Vermietungen erhalten Konsumgüter ein zweites und drittes Leben. Gerade das Brockenhaus hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. War es früher vor allem ein Ort, wo ärmere Leute billige Einrichtungsgegenstände kauften, so wird es heute rege von Leuten aus höheren Schichten besucht, die dort alte, bedeutungsvolle Stücke zu finden hoffen. Design konstruiert recyclinggerecht. Wenn die Entsorgung eines Produktes bei der Produktgestaltung berücksichtigt wird, kann zum Beispiel eine modulare Bauweise die nachträgliche Zerlegung und damit eine fachgerechte Rückführung der eingesetzten Materialien fördern. Je besser ein Kunststoff gekennzeichnet wird, desto höher sind seine Chancen auf eine fachgerechte Entsorgung. Design kann Zeitbomben zünden. Indem Material, Technik und Ästhetik aufeinander abgestimmt werden, kann man den Zerfall eines Produktes minutiös planen. Durch Biokunststoffe wird es in Zukunft möglich sein, die hypothetische Lebensdauer eines Gegenstandes bereits in dessen Bausubstanz zu definieren. Bereits heute wird kompostierbares Wegwerfgeschirr hergestellt, welches in seiner Qualität herkömmlichen Kunststoffobjekten gleichkommt. Design als Verkaufsargument. Aufgrund der immer grösser werdenden Produktevielfalt, müssen sich Güter auf dem Markt von den anderen differenzieren. Das kann bei ökologischen Objekten durch eine adäquate Ästhetik geschehen oder aber durch Labels, welche dem nachhaltig denkenden Konsumenten den Kaufentscheid erleichtern. Design kann weiterverwenden. Durch laterales Denken werden aus alten Produkten und Materialfragmenten neue. Auf diese Weise wird eine vollständige Materialausnützung unter minimalem Energieaufwand erreicht. Abfälle werden als Rohstoffe angeschaut und weiterverwendet. Interessant hierbei ist, dass mit dem Weiterverwenden eine Aufwertung des als Abfall deklarierten Materials, ein sogenanntes „up-cycling“, geschieht. Es gibt viele erfolgreiche Gegenstände, welche so entstanden sind, die Freitag Tasche ist das wohl bekannteste Beispiel dafür. 3 Design kann Bewusstsein vermitteln. Weil Gegenstände eine Sprache sprechen und sich mitteilen, können sie gesellschaftlich etwas bewirken. Inwiefern Gebrauchsgegenstände aus Abfall ein Umweltbewusstsein erzeugen, wird in einer Umfrage ermittelt: Die befragten Testpersonen stufen die Tasche aus alten Armeewolldecken viel umweltfreundlicher ein als die Freitag Tasche, obwohl ihre Ökobilanzen sehr ähnlich ausfallen. Die Freitag Tasche wird heute vielmehr als modern und stilvoll bezeichnet und findet aus diesem Grund weiterhin grossen Anklang. Die Uhr „Rewatch“ aus leeren Alu- Getränkedosen wird entgegen den Erwartungen als sehr umweltbewusst eingestuft und positiv aufgenommen. Der Fernseher „Jim“ dagegen, der in einem Gehäuse aus gepressten Holzspänen erscheint, empfinden viele als alt und deklarieren ihn deshalb als Müll! Bei der Umfrage wird festgestellt, dass mit den Mitteln der Produktsprache eine Aussage über den ökologischen Wert eines Produktes gemacht werden kann. Leider stimmt diese Aussage nicht immer mit der Wahrheit überein. Umweltbewusstsein alleine reicht aber noch lange nicht, um einen Gegenstand gut zu verkaufen. Dazu sind Werte wie „lifestyle“, „modern“ oder „gute Idee“ viel wichtiger. Eine entsprechend anziehende Produktform ist bei umweltfreundlichen Gegenständen also unerlässlich. Der ökologische Gehalt eines Produktes kann beim Verkauf höchstens ein Zusatzargument sein. Doch auf dieses sollte explizit hingewiesen werden. Gesetzliche Bestimmungen sowie entstehende Märkte für Altstoffe werden wichtige Meilensteine zum Erreichen eines konsequent nachhaltigen Stoffflusses sein. In der Autoindustrie sehe ich beispielsweise Chancen, dass Produkte nach dem Ableben durch die darin enthaltenen Materialien einen hohen Wert besitzen und als Materialdepots zurück an den Fabrikanten verkauft werden können. Um ein solches Ziel zu erreichen, und vor allem zu dessen Umsetzung, kann Design einen wertvollen Beitrag leisten. 4 These: „Design spielt im nachhaltigen Materialzyklus von Kunststoffen eine wesentliche Rolle, nämlich dann, wenn es die Wertigkeit verbrauchter Produkte (Abfall) positiv beeinflusst. Anstelle eines bei Kunststoffen üblichen „down-cyclings“ setzt ein „up-cycling“ ein.“ Beobachtungen Mobiltelefone: Schwachstelle heutiger mobiler Telefone sind die Akkus. Das musste ich feststellen, als nach zweijährigem Gebrauch und voll aufgeladener Batterie Telefongespräche nicht mehr möglich waren. Mein Gerät schnitt mir in der Folge beim Telefonieren das Wort ab und schaltete einfach ohne Vorwarnung aus. Bald merkte ich, dass ein neuer Akku keinen Sinn machte, kostete er doch 69 Franken. So kaufte ich mir halt für einen Franken ein neues Gerät, inklusive neuem Akku und zusätzlichen Funktionen... Computer: Es handelt sich um technisch äusserst komplexe Geräte. Obwohl für ein Auswechseln einzelner Teile konstruiert, werden sie kaum aufgerüstet. 1990 betrug die Lebensdauer eines PC noch 5 Jahre, heute wechseln Firmen alle 3 Jahre die Rechner. Laptops werden jedes zweite Jahr ersetzt. Steuererklärung in Bern: Seit dem Jahr 2001 wird vom Kanton jährlich eine neue CD mit dem Erhebungsprogramm gratis abgegeben. Ungefähr eine halbe Stunde dauert das Ausfüllen des Formulars, was sehr kundenfreundlich und effizient ist. Weniger ökonomisch präsentiert sich hingegen der Rohstoffverbrauch. Die CD’s werden weggeworfen, denn sie können nur im aktuellen Jahr benutzt werden. Im Kanton Bern leben 950'000 Menschen. Auch in anderen Schweizer Kantonen wird dieses System angewendet. 5 Einleitung Heute werden Produkte aus dem Grund ausgemustert, weil ihre Ästhetik der Mode nicht mehr entspricht oder sie technisch veraltet sind, und immer seltener, weil das Material den 1 Ansprüchen nicht mehr genügt. Es wird kaum mehr repariert. Unter dieser Voraussetzung müssen wir darum besorgt sein, dass die Materialien, welche wir der Natur entnommen und zu Gegenständen entwickelt haben, der Natur wieder zurückgegeben werden. Tun wir dies nicht, werden wir bald in unserem Müll ersticken. Geht man nämlich davon aus, dass die Dritte Welt sich ähnlich entwickelt wie wir es taten, dann muss unser Ressourcenverschleiss um ein Zehnfaches zurückgehen, um den globalen Umweltverbrauch 2 auf demselben Niveau zu halten. Das Rückführen unserer Produkte in die Natur geschieht entweder ohne menschliches Zutun durch Verrottung, oder aber gezielt durch Recycling. Wie bei anderen Stoffen auch, wird bei Kunststoffen bereits ein Recycling praktiziert, indem Produktionsrückstände von Fabriken in die Produktion zurückfliessen. Haushaltsabfälle werden getrennt gesammelt und mit verschiedenen technischen Verfahren erneut zu Rohstoffen verarbeitet. Ahnlich wie beim Papierrecycling kann beim Kunststoffrecycling der rückgewonnene Stoff den Anforderungen an das Ausgangsmaterial nicht mehr gerecht werden. Es findet ein sogenanntes „down-cycling“ statt. Hochwertige Kunststoffe enden oft in Wasserrohren von 3 Kanalisationssystemen. Der vorliegende Text soll primär aufzeigen, welchen Einfluss Design auf das Recycling von Kunststoffen hat und zweitens wird er der Frage nachgehen, ob und inwiefern die obige These bestätigt werden kann. Er soll ein Gefühl dafür vermitteln, was Design in einem technisch geprägten Umfeld zu tun hat und welche Aufgaben es wahrnehmen kann. Dafür bezieht er sich auf wirtschaftliche, technische und philosophische Sichtweisen aufs Thema. Am Anfang werden Begriffe behandelt, welche zum Verständnis des Kontextes wichtig sind. Anhand eines kleinen Recycling- Modells wird anschliessend die Thematik verdeutlicht, bevor dann der Einfluss von Design im Recycling aufgezeigt wird. Schliesslich geht es darum herauszufinden, ob Design ein ökologisches Bewusstsein vermitteln kann. Am Ende wird ein kleiner Ausblick festhalten, wie sich der Bereich Recycling entwickeln könnte. Begriffsklärungen Design Sich über die Rolle des Designs Gedanken zu machen wird dadurch erschwert, dass mit „Design“ ein sehr weites und je nach Definition unterschiedliches Feld gemeint ist. Die Definitionen für dieses Wort reichen vom kurzen „alles ist Design“ bis zu etlichen Büchern, deren Ziel es ist, Klarheit in die Begriffswelt zu bringen. Genau aus dem Englischen übersetzt, meint „Design“ Entwurf. 1 Beobachter 06/04: Abfall Tischner, Ursula: Umweltrelevante Produkteigenschaften; S. 6 3 Innorecycling AG 2 6 Diese Arbeit verwendet den Begriff für die Gestaltung von Systemen, Formen und Prozessen. Er wird im Zusammenhang mit Recycling durch eine klare Abgrenzung vom herkömmlich praktizierten technischen Recycling definiert. Abfall Ohne den Begriff Abfall wäre Recycling nicht denkbar. Damit Abfall entsteht, muss vorerst zwingend eine Trennung erfolgen, denn wir müssen ja die Dinge auswählen, die wir nicht mehr wollen. Diese Trennung geschieht durch den Vorgang der Reinigung. Wir reinigen die Wirklichkeit und wählen damit automatisch die Objekte aus, welche unserem Verständnis von Ordnung entsprechen und diejenigen, die das nicht tun. Letztere werden als Abfall oder 1 Schmutz bezeichnet. Erst durch den Vorgang der Reinigung erhält der Abfall so seine Identität. Das Vorhandensein von Abfall stellt jedoch das Abfall produzierende System in Frage, da es seine Schwächen aufzeigt. Deshalb wird Abfall zum Verschwinden gebracht. Ein System, das von Abfall befreit ist, ist aber auch langweilig, steril eben. Aus diesem Grund führen Gesellschaften ihre Abfälle zurück, indem sie diese in Form von Kompost kontinuierlich wieder ins System einfügen. Beim Abfall muss es sich aber nicht nur um Sachen handeln. So werden zum Beispiel gewisse Personengruppen von Gesellschaften ausgeschlossen. Sie können in diesem Sinne auch als Abfall bezeichnet werden, da sie dem gesellschaftlichen Ordnungssystem widersprechen, welches besagt, wie man sein soll. Der Künstler ist ein solches Beispiel. Gerade weil er Kritik am gesellschaftlichen Ordnungssystem übt, wird er von diesem oft ausgegrenzt. Er steht am Rande der Gesellschaft, weil er nicht die vereinheitlichte Sprache spricht, belebt mit seinen 2 Beiträgen aber wiederum das System. „Überall wo gereinigt wird, entsteht Abfall. Dieser bleibt als störendes Element zurück, denn er widerspricht mit seiner Existenz der Reinheit, also gerade jener Absicht, die ihn hervorgebracht hat. Daneben bedeutet das Herstellen von Reinheit, dass das Gereinigte durch das Wegnehmen des Unreinen zunehmend kleiner und ärmer wird: Die Steigerung der Reinheit hat eine Abnahme der Fruchtbarkeit zur Folge.3“ Recycling Recycling stammt aus dem Englischen und meint das nachhaltige Wiedereinführen eines 4 Stoffes in den Produktionsprozess. Ein deutsches Wort für diesen Begriff, welches genau dasselbe ausdrückt, gibt es nicht. Am ehesten trifft wohl „Kompostieren“ zu, wenn damit das Kompostieren aller Abfälle und nicht nur jenes der Bioabfälle, gemeint wird. „Rückführen“ ist ein in diesem Zusammenhang oft benutzter Begriff, doch beinhaltet er weniger den KreislaufGedanken, der im englischen Pendant vorkommt (cycling). Recycling wurde in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts ein Thema, als man die umweltschädlichen Auswirkungen der industriellen Massenproduktion wahrnahm und begann, sie zu bekämpfen. Wichtig bei der Rückgewinnung von Altstoffen für die Produktion neuer Güter ist das Trennen und Sammeln der einzelnen Materialien. Besonders bei komplexeren Gegenständen wird dieses Trennen leider oft dadurch erschwert, dass einzelne Teile miteinander un- oder nur schwer trennbar verbunden sind. Am stärksten wirkt sich dies bei Verbundwerkstoffen aus, welche nur noch als Sondermüll verbrannt oder auf einer Deponie „entsorgt“ werden können. 1 2 Fayet, Roger: Reinigungen Brock, Bazon: Strategien der Ästhetik 3 Fayet, Roger: Reinigungen, S. 22 4 Bonda, Ernst: Recycling Design; S. 26 7 Der Prozess des Rezyklierens wird anhand der bestehenden technischen Möglichkeiten unterteilt in: Weiter- und Wiederverwenden... Wird von einem Produkt das Material direkt weiter genutzt, dann spricht man von Weiterund Wiederverwenden. Weiterverwendung bedeutet, das vollständige Produkt in einen anderen Bereich zu transferieren, wo es einem neuen Zweck dient. So werden beispielsweise Senfgläser nach Gebrauch zu Trinkgläsern oder Lastwagenplanen zu Taschen (Freitag). Unter Wiederverwenden versteht man den nochmaligen Gebrauch eines Objektes für denselben Zweck, nachdem es entsprechend aufbereitet worden ist. In diesem Sinne werden Flaschen mehrmals verwendet (Pfandflaschen) oder bestimmte Ersatzteile aus alten Geräten entfernt und in neue eingebaut. ...sowie Wieder- und Weiterverwerten Ein Gegenstand kann aber noch weiter zerlegt werden. Wiederverwerten meint das nochmalige Einsetzen von Stoffen nach physikalischer Trennung (shreddern). Das Beimischen von Altglasscherben in der Glasproduktion ist zum Beispiel ein wiederverwertender Prozess. Mit Weiterverwerten dagegen bezeichnet man die Stoffzerlegung in die chemischen Grundbestandteile (Herstellung von künstlichem Rohöl aus Kunststoffabfällen). Das gewonnene Rohöl kann dann wiederum für die verschiedensten Anwendungen benutzt werden. Dieser Vorgang ist jedoch sehr energieintensiv. Folgendes Modell soll den Vorgang des Recyclings verdeutlichen: Abb. 1: Einfaches Recycling- Modell von Kunststoffen Dieses Modell ist theoretisch und kann in der Praxis nur bedingt angewendet werden. In der Realität ist die Ökoeffizienz eines Recycling-Prozesses äusserst komplex und hängt stark von den jeweiligen Voraussetzungen ab. So sind zum Beispiel die umgesetzte Menge, der Ort und die Art der Rückführung (das Werk), Transportwege, die Qualität des entstehenden Granulats bis hin zur eingesetzten Verarbeitungsenergie entscheidende Faktoren, welche den Energieverbrauch beeinflussen. Somit ist es unmöglich, eine allgemein gültige Strategie für das Recycling von Kunststoffen zu geben. Sie muss von Fall zu Fall unter Einbezug aller relevanten Aspekte errechnet werden. 8 Unter Umständen ist gar eine Verbrennung das sinnvollste, besonders wenn sie in Anlagen passiert, in welchen schädliche Emissionen gefiltert werden und Abwärme genutzt wird. Kunststoffe haben nämlich aufgrund ihres hohen Mineralölanteils einen sehr guten Heizwert. Und da man weltweit nur gerade 4% des Mineralöls zu Kunststoffen verarbeitet, fiele die Verbrennung auch nicht gross ins Gewicht. Die grössten Mengen Mineralöls werden zum 1 Heizen (35%) und Transportieren (29%) benutzt. Es existieren diverse Methoden zum Erstellen ökologischer Lebenszyklus- Analysen von 2 Gütern, wie zum Beispiel die MIPS- Analyse des Wuppertal Instituts in Deutschland . Kunststoffe Obwohl das Material „Kunststoff“ vom Wortlaut her eigentlich nur meint, dass es künstlich erzeugt worden ist, demzufolge also auch Glas, Porzellan oder Aluminium sein könnte, versteht man unter Kunststoffen allgemein Stoffe, die durch Wärme verformt werden können. Der Begriff 3 Plastik ist dafür viel treffender. Während andere Materialien, wie beispielsweise Aluminium, bei der Rückführung nichts an ihrem Wert verlieren, erfahren Kunststoffe bei deren nochmaliger Benutzung eine Abwertung (down-cycling). Das entstehende Granulat kann man nur noch für minderwertige Anwendungen einsetzen. Wenn alte Kunststoffe rückgeführt werden, ist dies vor allem darum schwierig, weil es viele verschiedene Arten von Kunststoffen gibt. Diese muss man möglichst getrennt wiederverwerten, wenn die Qualität so hoch wie möglich gehalten werden soll. Aus diesem Grund gibt es etliche Sammelsysteme (Beispielsweise für PET), die es ermöglichen, Altstoffe schon beim Endverbraucher zu trennen. Die Mehrheit aller Kunststoffabfälle wird jedoch in speziell dafür eingerichteten Anlagen maschinell sortiert. Eine Hilfe hierbei bieten die unterschiedlichen Schmelzpunkte der diversen Kunststoffe. Gebrauchsbedingte Verschmutzungen erschweren zusätzlich das Ziel, einen hochwertigen Zweitrohstoff zu erhalten. Oftmals sind Kunststoffe nicht materialgerecht eingesetzt: Man wirft Geräte nach fünf Jahren weg, weil das technische Innenleben veraltet ist, weil man einen neuen, schnelleren Drucker braucht oder weil der Computer sich nicht mehr aufrüsten lässt für die neue Spiele- Generation. Die Gehäuse werden ebenfalls entsorgt, obwohl sie eine Lebensdauer von hundert Jahren gehabt hätten... Design im Recycling Je nachdem wieweit man den Begriff Design fasst, variiert auch dessen Einflussnahme bei der Rückführung oder Mehrfachnutzung von Materialien. Folgende Aufgaben kann Design dabei wahrnehmen: - Design gestaltet Kreisläufe. Durch Institutionen und Konzepte wie das Brockenhaus oder 4 Produkt- Vermietungen erhalten Konsumgüter ein zweites und drittes Leben. Ikea-Möbel beispielsweise werden wohl nie in Brockenhäusern anzutreffen sein. Wenn ihre Qualität es aber dennoch erlauben sollte, dass man sie ein zweites Mal nutzt, dann wird sich kaum ein Käufer dafür finden lassen. Diese Möbel werden nie zu Klassikern aufsteigen. Der Stellenwert des Brockenhauses hat sich in den vergangenen Jahren nämlich gewandelt: 1 Ackermann, Christian: Recycling von Kunststoffen, S. 12 Tischner, Ursula: Umweltrelevante Produkteigenschaften; S. 21 3 Koesling, Volker: Vom Feuerstein zum Bakelit; S. 86 ff. 4 www.ikea.ch 2 9 - - - - - „Dem kompostierenden, rezyklierenden Umgang mit den Haushaltsabfällen entspricht das Interesse, das selbst von einer wohlhabenden Kundschaft den Flohmärkten und Brockenhäusern entgegengebracht wird. Diese werden nun nicht mehr bloss als Orte gesehen, an denen Leute, die sich nichts anderes leisten können, billige Möbel und Kleider finden, sondern sie sind zum fruchtbaren Fundus für diejenigen geworden, die ihre moderne 1 Lebenswelt mit alten, unperfekten Stücken bereichern wollen. “ Design konstruiert recyclinggerecht. Wenn die Entsorgung eines Gegenstandes bei der Produktgestaltung berücksichtigt wird, so kann zum Beispiel eine modulare Bauweise die nachträgliche Zerlegung und damit eine fachgerechte Rückführung der eingesetzten Materialien fördern. Je besser ein Kunststoff gekennzeichnet wird, desto höher sind seine 2 Chancen auf eine fachgerechte Entsorgung. Design kann Zeitbomben zünden. Indem Material, Technik und Ästhetik aufeinander abgestimmt werden, kann man den Zerfall eines Produktes minutiös planen. Durch Biokunststoffe wird es in Zukunft möglich sein, die hypothetische Lebensdauer eines 3 Gegenstandes bereits in dessen Bausubstanz zu definieren. Bereits heute wird kompostierbares Wegwerfgeschirr hergestellt, welches in seiner Qualität herkömmlichen Kunststoffobjekten gleichkommt. Design als Verkaufsargument. Aufgrund der immer grösser werdenden Produktevielfalt, müssen sich Güter auf dem Markt von den anderen differenzieren. Das kann bei ökologischen Objekten durch eine adäquate Ästhetik geschehen oder aber durch Labels, welche dem nachhaltig denkenden Konsumenten den Kaufentscheid erleichtern. Design kann weiterverwenden. Durch laterales Denken werden aus alten Produkten und Materialfragmenten neue. Auf diese Weise wird eine vollständige Materialausnützung unter minimalem Energieaufwand erreicht. Abfälle werden als Rohstoffe angeschaut und weiterverwendet. Interessant hierbei ist, dass mit dem Weiterverwenden eine Aufwertung des als Abfall deklarierten Materials, ein sogenanntes „up-cycling“ geschieht, während bei der herkömmlichen Materialverwertung nur ein minderwertiges Granulat entstehen kann. Es gibt viele erfolgreiche Gegenstände, welche so entstanden sind, die Freitag Tasche ist das wohl bekannteste Beispiel dafür. Design kann Bewusstsein vermitteln. Weil Gegenstände eine Sprache sprechen und 4 sich mitteilen , können sie gesellschaftlich etwas bewirken. Ob und wie Objekte durch ihre Erscheinung Menschen zum ökologischen Handeln animieren, soll im nächsten Abschnitt betrachtet werden. Kann Design ein Umweltbewusstsein vermitteln? Dass gewisse Produkte Trends setzen und Nachahmer hervorrufen, ist unbestritten. Dass dies aber so weit gehen kann, wie folgendes Beispiel zeigt, erscheint eher kontrovers: Da wollte ein Kunde doch tatsächlich von seinem Kunststoff- Hersteller ein Erzeugnis, das möglichst alt und recycelt aussieht, um seinem Produkt ein gebrauchtes Äusseres zu verleihen. Denn er wusste, dass aufgrund verbesserter Verfahren regenerierte Polymere (Recycling- Kunststoffe) nicht mehr anders aussehen als neue. Aber weil sich ökologisch anmutende Produkte zu dieser Zeit 5 wohl gerade besonders gut verkaufen liessen... Die Frage, inwieweit mit Design ein Umweltbewusstsein erzeugt werden kann, habe ich anhand eines Fragebogens herauszufinden versucht (Auswertung im Anhang). Den Testpersonen sind 1 Fayet, Roger: Reinigungen, S. 161 Wimmer, Dieter: Recyclinggerecht konstruieren mit Kunststoffen, S. 33 ff. 3 Wyss, Michael: Chitin – Ein Biokunststoff 4 Steffen, Dagmar: Design als Produktsprache 5 Drabbe, Natascha: Re(f)use; S. 31 2 10 Bilder von Produkten aus Abfall gezeigt worden, welche sie vorgegebenen Begriffen zuordnen mussten. Diese Begriffe sind so gewählt worden, dass sie von ihrer Bedeutung nahe beieinander liegen. Einige sind positiv, einige negativ konnotiert. Besonders interessiert haben mich die Antworten bezüglich dem Kriterium „umweltbewusst“. Bei der Umfrage wurden Personen aller Altersgruppen berücksichtigt. Einige Tendenzen können festgestellt werden: Eine grosse Bedeutung kommt dem Umstand zu, ob die Testperson den Untersuchungsgegenstand bereits kennt und Hintergrundinformationen dazu besitzt. Tut sie dies und weiss sie, dass bei den Versuchsobjekten Abfall als Rohstoff eingesetzt wurde, dann wird sie öfter sagen, dass diese Gegenstände umweltbewusst seien. Das hängt wiederum stark vom Bekanntheitsgrad eines Produktes ab. Es ist interessant zu sehen, dass Vorstellungen oft nicht mit der Realität übereinstimmen, wenn es um den ökologischen Nutzten von Produkten geht. So können solche, die nur aussehen als wären sie „grün“ sogar schädlicher sein als jene mit scheinbar frevelhafter Hochglanzoberfläche, gleichzeitig vermitteln sie aber mehr Umweltbewusstsein. Die Tasche aus alten Armeewolldecken der „Army Recycling Collection“ wird als viel umweltbewusster (43%) eingestuft als die Freitag Tasche aus alten Lastwagenplanen (9%), obwohl ihre Ökobilanz sehr ähnlich ist. Doch sie gefällt nur wenigen, und noch weniger würden sie kaufen. Die Freitag Tasche hingegen wird heute als modern (59%) und stilvoll (61%) bezeichnet, während sie früher eher ihrer guten Idee und des ökologischen Anspruchs wegen gekauft worden ist. Die Stiftung Terra Veccia fertigt aus alten Mehrwegflaschen Objekte wie Trinkgläser, Karaffen oder Leuchten. Der Armbanduhr „Rewatch“ liegt ein ähnliches Ursprungsprodukt zugrunde, nämlich leere Alu- Getränkedosen. Vergleicht man diese beiden ganz verschiedenen Objekte, dann stellt man fest, dass die Uhr von den Testpersonen viel umweltbewusster (41%) eingestuft wird als die Gläser (14%). Da ich nicht davon ausgehe, dass man in der Uhr das Ausgangsprodukt besser wiedererkennt als in den Glasobjekten, müssen bei letzteren andere Eigenschaften wichtiger sein: Obwohl die Glasobjekte als umweltfreundlich erkannt werden, sind sie vor allem ihrer zugrunde liegenden Idee, der modernen Erscheinung und des „lifestyle“ wegen interessant. Beim Kauf der „Rewatch“ dagegen ist Umweltbewusstsein nebst einer guten, sinnvollen Idee das grösste Verkaufsargument. Beide Produkte sind positiv aufgenommen worden. Als Müll (43%) deklariert worden ist hingegen der Fernseher „Jim“ von Philippe Starck, der gleichzeitig alt wirkt (45%) und trotz realem ökologischem Anspruch bei den Testpersonen keinen Anklang gefunden hat. Ausblick Trotz Anstrengungen in Richtung einer nachhaltigen Produktwirtschaft, ist noch Raum zu Verbesserungen vorhanden. Ziel sollte es sein, dass gebrauchte Güter durch die darin vorhandenen Materialien, welche alle potentielle Rohstoffe sind, nach dem Gebrauch einen solchen Wert besitzen, dass sie von Firmen zurückgekauft werden. Auf diese Weise entstehen Altstoffmärkte. Bei einigen Stoffen existieren diese Märkte bereits, was der Diebstahl von gebündeltem Alt- Aluminium im Wert von 1 26'000 sFr beweist . Bei anderen Materialien wird es hoffentlich durch gesetzliche Bestimmungen bald soweit kommen. Gerade die Autoindustrie sehe ich als zukünftigen Rückkäufer ihrer Produkte, wenn diese nur noch den Materialwert besitzen. Auch sehe ich Potential in der Verbreitung des Gedankens der Wieder- und Weiterverwendung. Nur wenn viele Leute Nutzen und Sinn einer Kreislaufwirtschaft sehen, kann diese auch etwas 1 NZZ, 13.04.2004: 14 Tonnen Alu- Abfälle gestohlen, 11 bewirken. Beim Verkauf von ökologisch wirksamen Objekten sollte deshalb explizit darauf hingewiesen werden. Fazit Wie meine Beobachtungen deutlich machen, ist der heutige Umgang mit Produkten oft nicht angemessen. Denn Dinge, die früher lange Zeit im Gebrauch waren, werden immer mehr zu Wegwerfobjekten degradiert. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung müssen wir diese Strukturen aber hinterfragen und nach Lösungen suchen. Eine wird sein, die Abfälle als Rohstoffe einzusetzen. Solche Strategien sind nicht neu. In den Siebzigerjahren wurde Recycling ein Thema, seither wird es ständig weiterentwickelt und zurzeit auf einem hohen Niveau betrieben. Diese Arbeit zeigt auf, wie mit den Mitteln des Designs auf den Prozess der Stoffrückführung positiv Einfluss genommen werden kann. Dabei wird ersichtlich, dass sich die eingangs formulierte These am Ende nur bedingt zu behaupten vermag: Denn Design ist beim Recycling von Kunststoffen nicht nur dadurch wirksam, dass es Produkte im Sinne eines „up-cyclings“ aufwertet. Ebenfalls kann es Prozesse verändern, recyclinggerechte Produktkonstruktionen hervorbringen und dadurch ökologisch weit mehr bewirken. Interessant aus philosophischer Sicht bleibt eine Aufwertung von Abfällen allemal, da sie in einer Art Kompostierung die gesäuberte Wirklichkeit fruchtbar macht. Es wurde festgestellt, dass mit den Mitteln der Produktsprache eine Aussage über den ökologischen Wert eines Produktes gemacht werden kann. Leider stimmt diese Aussage nicht immer mit der Wahrheit überein. Umweltbewusstsein alleine reicht aber noch lange nicht, um einen Gegenstand gut zu verkaufen. Dazu sind Werte wie „lifestyle“, „modern“ oder „gute Idee“ viel wichtiger. Der ökologische Gehalt eines Produktes kann beim Verkauf höchstens ein Zusatzargument sein, auf welches jedoch explizit hingewiesen werden soll. Fraglich bleibt, wieweit sich das vermittelte Umweltbewusstsein wiederum aufs Kaufverhalten der Kunden niederschlägt, und ob Leute dadurch zum Sammeln und Kompostieren von Abfällen animiert werden. Gesetzliche Bestimmungen sowie entstehende Märkte für Altstoffe werden wichtige Meilensteine zum Erreichen eines nachhaltigen Stoffflusses sein. Um ein solches Ziel zu erreichen, und vor allem zu dessen Umsetzung, kann Design einen wertvollen Beitrag leisten. 12 Quellenangaben Literatur: Ackermann, Christian: Recycling von Kunststoffen; Berlin 1996 Drabbe, Natascha: re(f)use, making the most of what we have; Buch zur Ausstellung Fayet, Roger: Reinigungen; Zürich 2003 Fenichell, Stephen: Plastic; the Making of a Synthetic Century, Berlin 1997 IDZ Forum-Kongress: Recycling Design; Berlin 1976 Koesling, Volker: Vom Feuerstein zum Bakelit; Stuttgart 2001 Lefteri, Chris: Kunststoff: Material, Herstellung, Produkte; avedition GmbH; 2002 Steffen, Dagmar: Design als Produktsprache, Frankfurt (Main) 2000 Tischner, Ursula: Umweltrelevante Produkteigenschaften; Köln, Oktober 1996 Wimmer, Dieter: Recyclinggerecht konstruieren mit Kunststoffen; Darmstadt 1992 Wyss, Michael: Chitin – Ein Biokunststoff; Zürich 2003 Internet: www.buwal.ch www.d-products.ch www.fastenseatbelts.com www.freitag.ch www.karlenswiss.ch www.ninelives.de www.petrecycling.ch www.rewatch.com Andere: Ausstellung: Museum Bellerive Zürich, Alles Abfall?, Recycling im Design, Frühling 2003 BUWAL, Statusbericht: Einführung eines Umweltzeichens in der Schweiz, Nov. 2003 BUWAL: Gespräch mit Christoph Rentsch, Abteilung Produkte, IPP Innorecycling AG: Besichtigung, Gespräche, Datenblätter Beobachter 06/04: Abfall NZZ vom 13. April 2004: 14 Tonnen Alu-Abfälle gestohlen Brückenbauer17/04: PET; Wertvoller Rohstoff und Lebensretter 13