Zwischenbericht
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Zwischenbericht
denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule Das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Zwischenbericht der Gesamtschule Nippes, 10.03.2012 Zunächst war geplant, das Reiterdenkmal des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. auf dem Kölner Heumarkt zum Gegenstand des denkmal-aktiv-Projektes zu machen. Es bot sich aus zweierlei Gründen an: Zum einen ist das monumentale Reiterstandbild im Jahre 1876 zu Ehren des „Befreiers der Rheinlande“ errichtet worden. Es spiegelt damit die poltische Haltung der Kaiserzeit, die von Nationalstolz und Militarismus geprägt war. Die Marie-Kahle-Gesamtschule in Bonn hatte als federführenden Schule im Verbund das Thema „Denkmal als Spiegel politischer Haltung“ als Projekttitel vorgegeben. Weitere Aspekte, die für das Reiterdenkmal sprachen, waren der lokale Bezug und die kommunalpolitische Bedeutung des Reiterstandbildes, dessen Restaurierung lange umstritten war und die bis heute nicht gesichert ist. Im Verlaufe der Arbeit verkehrten sich die vermeintlichen Pro-Argumente für das Preußen-Denkmal jedoch ins Negative. Im Vorfeld der denkmal-aktiv- Startveranstaltung am 30. September 2011 akquirierten wir mit der Bürgerstiftung Köln einen kompetenten Fachpartner, der eine Broschüre über das Denkmal unter dem Titel „Uns Pääd“ herausgegeben hat. Mit den Schülern der Klasse 6c der Gesamtschule Nippes unternahmen wir eine erste Besichtigung des Denkmals, bei der wir uns an das komplexe Thema im „herantasten“ wollten. Im Rahmen dreier schulinterner Projekttage im November 2011 besichtigten wir das Denkmal erneut. Diesmal erweiterten wir die Denkmalerkundung jedoch: Die Schüler besuchten mehrere Denkmäler in der Kölner Altstadt: das Millowitsch-Denkmal am Eisenmarkt, den Willi-OstermannBrunnen, den Heinzelmännchen-Brunnen, das Jan-van-Werth-Denkmal auf dem Alter Markt sowie das römische Prätorium. Alle Schüler erhielten einen Leitfaden zur „Erschließung eines Denkmals“1 und wurden in Gruppen eingeteilt, die sich jeweils mit einem der sechs Denkmäler intensiver befassen sollten. Hintergrund der Entdeckungsreise zu wichtigen Kölner Denkmälern war folgende Erkenntnis: Das Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. ist von der historisch-politischen Dimension her zu gewaltig. Zudem können die Schüler nur wenige Bezüge zu ihrem unmittelbaren Lebensumfeld herstellen. Dies ist bei den anderen Exponaten hingegen sehr wohl möglich, der Sinn dieser Denkmäler erschließt sich unmittelbar. Im Sinne des Verständnisses und des Interesses für in Stein gemeißelte Geschichte entschieden wir uns, die Schüler von „außen nach innen“ recherchieren zu lassen, damit sie sich langsam dem Preußen-König annähern können. Die Schüler sollten die Denkmäler ihrer Heimatstadt entlang der Leitfragen entdecken und sich Notizen machen. Es zeigte sich, dass der Schritt „Raus aus der Schule, rein ins Denkmal“ in jeglicher Hinsicht lohnend war. Die Schüler entdeckten ihre Heimatstadt neu und kamen mit Kölner Stadt-und Kulturgeschichte in Berührung. Einem Schüler, der im Karneval aktiv ist, war etwa der Name Willi 111 aus: Die Reise in die Vergangenheit, Band 7/8, Westermann, 4. Auflage, Braunschweig 2011, S. 247. Ostermann ein Begriff: „Er schrieb die Kölner Karnevalslieder.“ Der Schüler brachte zur Gruppenarbeit Liedtexte und Noten mit, bei der Präsentation wurden Ostermann-Lieder gespielt. Bei der zweitägigen Gruppenarbeit im Anschluss an die Begehung wurde gleichwohl deutlich, dass sich die Arbeitshaltung und der Bezug zum Thema Denkmal innerhalb der Klasse deutlich unterscheiden. Während sich eine Gruppe sehr starker Schüler anhand der Partner- Broschüre „Uns Pääd“ und weiteren Materials intensiv mit dem Reiterstandbild auseinandersetzte, tat sich insbesondere die Gruppe „Prätorium“ schwer, bereits recherchierte Informationen anhand eindeutiger Fragestellungen auf einen Plakat festzuhalten und den Text zusammen mit Fotos ansprechend zu arrangieren. Die Ergebnisse der anderen Gruppen waren zufriedenstellend, Kreativität und intensive Auseinandersetzung waren indes keine ausgeprägten Merkmale der Arbeiten. Die Gruppenergebnisse waren dennoch insgesamt optisch wie inhaltlich in Ordnung. Wir präsentierten sie zum Abschluss der Projekttage unter dem Titel „Was ist ein Denkmal?“ in Form eines „Museumsgangs“ im Klassenraum der 6c. Guten Anklang bei Schülern wie Lehrern fand dabei vor allem die künstlerische Verfremdung des Reiterstandbildes, die Claudia Esser im Sinne des fächerübergreifenden Unterrichts gestaltet hat. Im Laufe der kommenden zwei Monate musste die Arbeit am Projekt aus schulorganisatorischen Gründen ruhen. Dabei reifte bei den betreuenden Lehrern die Erkenntnis, dass den Schülern ein befriedigender Zugang zum Reiterdenkmal nicht ermöglicht werden kann. Zum einen fehlen dazu an der Ganztags-Gesamtschule Nippes die zeitlichen Kapazitäten. Ein Wahlpflichtfach, eine AG oder ein anderer Freiraum im regulären Unterricht, der für die gezielte und konzentrierte Arbeit an diesem Projekt unabdingbar ist, kann derzeit nicht installiert werden. Regelmäßige Befreiungen vom Unterricht widersprechen unserer grundsätzlichen Auffassung von den Aufgaben einer Schule und dem Sinn eines Projektes, das nicht zum Nachteil für Schüler und Schule werden darf, sondern gerade das Gegenteil erreichen soll. Gravierender aber noch ist folgende Erkenntnis: Der historisch-politische Kontext, in dem das Reiterstandbild für Friedrich Wilhelm III. steht, ist für die Schüler nicht zu be-greifen. Die Dimension reicht letztendlich von Napoleon über die Befreiungskriege und den Wiener Kongress, zur Restauration und gescheiterten deutschen Revolution 1848/49 bis hin zum Kaiserreich (Friedrich Wilhelm III. war der Vater von Kaiser Wilhelm I.) und in den Zweiten Weltkrieg und schließlich in die aktuelle Diskussion der Gegenwart. Einige starke Schüler würden sich zwar auch auf diese gewaltige Aufgabe einlassen, die Frage stellt sich aber: Warum sollten sie und zu welchem Preis?` Wie aber ist nun die Kern-Idee des denkmal-aktiv-Projektes zu verwirklichen? Wie sollen Schüler „gebaute Geschichte erleben“, den „Wert und die Bedeutung von Kulturdenkmälern kennen lernen“ und sich „aktiv für deren Erhalt einsetzen“? Durch Gespräche mit Kollegen (Clustering) bei der zweiten Tagung in Neuendettelsau vom 8. bis 10. März 2012 ergab sich ein Lösungsansatz: Auf der Basis unseres ersten Denkmalrundgangs im Rahmen der Projekttage werden wir das Projekt auf eine „Kölner Denkmalroute“ umstellen. Die Schüler – eine ausgewählte Gruppe – werden bei der Stadt Köln recherchieren, welche Denkmäler sich in einem bestimmten Stadtteil mit hoher Denkmaldichte befinden. Sie werden nach Entstehung und Bedeutung fragen und sich erkundigen, ob einige Denkmäler möglicherweise in ihrem Bestand gefährdet sind („aktiv für Erhalt einsetzen“). Sie werden die Denkmäler besichtigen und ihren Standort in den Stadtplan einzeichnen und als Wegenetz verbinden. Für gut erhaltene Denkmäler werden sie einen grünen Punkt vergeben, für schlecht erhaltene, eventuell restaurierungsbedürftige einen roten. Das Denkmal-Wegenetz soll in einer Broschüre grafisch auf dem Stadtplan „liegen“, der als Hintergrund erscheint. Jedes Denkmal wird in dieser Broschüre neben dem grünen oder roten Punkt eine Ziffer. An dieser Ziffer können sich die Leser orientieren und zu einer Info-Box mit den wichtigsten Daten über das jeweilige Denkmal finden. Diese Arbeit erscheint praktikabel und interessant, ist vielleicht sogar originär, in jedem Fall aber auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Denn die Schüler können so ihren Mitschülern wie auch ihren Verwandten und Bekannten Köln zeigen und erklären. „Heimatkunde“ mit Hilfe von Denkmälern von Schülern für Schüler und alle anderen Interessierten. Eine solche Broschüre dürfte auch in der Öffentlichkeit auf Interesse stoßen. Zu gegebener Zeit werden wir daher die örtlichen Zeitungen sowie das Bürgermeister-und Schulamt informieren. Das Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms III. gerät dadurch nicht in Vergessenheit, es ist jetzt aber nur noch eins von vielen Denkmälern auf der „Kölner Denkmalroute“. Ob der Anspruch, die Denkmäler als „Spiegel politischer Haltung“ zu zeigen, gehalten werden kann, erscheint allein wegen des oft weniger politisch denn gesellschaftlich motivierten Anlasses zum Bau des jeweiligen Denkmales kaum zu halten sein. Als Exkurs werden wir den Schülern einen workshop bei einem Steinmetz ermöglichen, der seine grundsätzliche Zusage bereits gegeben hat. Die Schüler erfahren das Denkmal so nicht nur kognitiv, sondern auch haptisch, werden in eine Handwerkstechnik eingeweiht und kommen somit auch in den Genuss einer handlungsorientierten Erfahrung mit Denkmälern, die – wie sich in Neuendettelsau bei den workshops für die Schüler zeigte – ein eindrucksvolles Erlebnis sein kann. Frank Gerstenberg / Claudia Esser