Inhalt - Evangelische Kirche in Deutschland

Transcription

Inhalt - Evangelische Kirche in Deutschland
Inhalt
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Vorbemerkung
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Bittgottesdienst für den Frieden in der Welt 2002
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19
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Weitere liturgische Bausteine
Worte aus Psalm 107 (Alternative zu Psalm 18)
Bekenntnis aus Canberra 1991 (Alternative zum
Bekenntnis aus Seoul 1990)
Beichtteil
Abendmahlsgebet (das keine Beichte voraussetzt)
Abendmahlsliturgie
Lieder
Im Würgegriff der Ängste
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
Da berühren sich Himmel und Erde
Du bist heilig
Sanna
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13
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Materialien zur Predigtvorbereitung
Predigtgedanken zu Matthäus 8,23-27
von Friedrich Schorlemmer
Exegetische und friedensethische Perspektiven
zu Matthäus 8,23-27 von Heike Spiegelberg
Predigt-Meditation von Präses Alfred Mengel
Meditation zum Friedensdekade-Plakat
von Fritz Baltruweit und Christine Tergau-Harms
Die win-win-Methode
Materialhinweise
Dieses Heft kann bei den Landeskirchenämtern oder beim Kirchenamt
der EKD, Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover, Tel. 0511-2796-460
(Frau Nunez), Fax 0511-2796-709 nachbestellt werden.
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Vorbemerkung
Die mörderischen Terroranschläge auf New York und Washington
vom 11. September 2001 haben vielleicht nicht die Welt, wohl
aber das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verändert. Die
Verletzlichkeit unserer Zivilisation ist offenbar geworden, die
Fassade der Sicherheit bröckelt. Terrorismus, Krieg und
privatisierte Gewalt bedrohen die Völker und die Einzelnen. Viele
Menschen blicken der global präsenten Angst jetzt unmaskiert ins
Gesicht. Wie lässt sich diese Angst aushalten, wie kann man sie
überwinden? Um ihr an die Wurzel zu gehen, muss man sie
kennen, muss wissen, wo sie ihren Ursprung hat.
„Warum habt ihr Angst?“ heißt in diesem Sinne und mit biblischer
Bezugnahme auf Matthäus 8, 23-27 („Die Stillung des
Seesturms“) das Motto der 22. Ökumenischen Friedensdekade, zu
der auch in diesem Jahr das „Gesprächsforum Ökumenische
Friedensdekade“ aufruft. Das Forum ist ein ökumenischer
Zusammenschluss von Kirchen und Gruppen in der Friedensarbeit
unter Beteiligung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in
Deutschland (ACK) und unter Federführung der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF).
Vom 10. bis zum 20. November 2002 wird in vielen Gemeinden in
Deutschland für den Frieden gebetet, werden Gottesdienste
gefeiert und Andachten gehalten. So geschieht Bildung für den
Frieden. Sie kann helfen, Angst und Gewalt zu überwinden.
Das vorliegende Materialheft mit dem Entwurf eines
Bittgottesdienstes für den Frieden in der Welt soll Gemeinden und
Friedensgruppen bei der Vorbereitung der Dekade und des
Gottesdienstes Hilfen anbieten. Der liturgische Entwurf kann wie
vorliegend gefeiert, seine Elemente können aber auch in Auswahl
gebraucht oder je nach Bedarf vor Ort umgestaltet werden.
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Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dankt der
Arbeitsgruppe, die das Materialheft erarbeitet hat, insbesondere
Pastor Fritz Baltruweit von der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der in diesem Jahr die Federführung gehabt
hat.
Hannover, im Juli 2002
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Bittgottesdienst für den Frieden in der Welt 2002
Thema: Warum habt ihr Angst?
Möglicher Gottesdienstablauf (mit Ergänzungen und Alternativen)
Musik
Lied: Gott gab uns Atem (EG 432)
Begrüßung
Worte aus Psalm 18
Kyrie
Musik
Gloria (mit Bild-Meditation)
Musik
Biblische Lesung: Matthäus 8, 23-27
Lied: Im Würgegriff der Ängste (S. 13)
Predigt/Meditation
Im Anhang:
Worte aus Psalm 107 (S. 19)
Plakatmeditation (S. 43)
Lied: Ich lobe meinen Gott (S. 28)
Exegese zur biblische Lesung
(= Predigttext) (S. 34)
Predigt-Gedanken
von Friedrich Schorlemmer (S. 32)
Predigt-Meditation von Alfred Mengel
(S. 41)
Plakat-Meditation (S. 43)
Musik/Lied: Gib Frieden, Herr, gib Frieden (EG 430)
Bekenntnis
Bekenntnistext (Canberra 1991) (S. 20)
Beichte (S. 21)
Abendmahlsliturgie (S. 25)
Musik/Lied: Da berühren sich Himmel und Erde (S. 29)
Fürbitten
(Musik)
Sendungs-Meditation mit einer Feder
Lied: Bewahre uns, Gott (EG 171)
Segen
Musik
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Ausgehend von der zentralen biblischen Geschichte Matthäus 8, 23-27 werden
in dem vorliegenden Gottesdienstentwurf die Bilder des Textes entfaltet:
Jesus schläft in einem Boot inmitten von hohen Wellen - ein Bild vollkommener
Ruhe. Im Gegensatz dazu steht das Bild vom Wasser, das bedroht und
Menschen bis zum Hals stehen kann. Wo Menschen unter Angst leiden, wird ihr
Schlaf beeinträchtigt. Während Jesus in sich ruht, findet im Bild der
Schlaflosigkeit der Unfriede dieser Welt seinen konkreten Ausdruck. Wie gut
würde es uns tun, wenn wir in uns ruhen würden wie Jesus. Denn darin deutet
sich sinnbildlich der Friede Gottes an, um den wir in diesem Gottesdienst
besonders bitten. Zugleich beginnt jede Maßnahme zur Überwindung von
Gewalt mit dem Schaffen von Ruhe (siehe dazu die Win-Win-Methode – S. 46).
Die Spannung zwischen schlafloser Angst und ruhevollem Schlaf prägt daher
den vorliegenden Entwurf. Er möchte – auch durch die Atmosphäre im
Gottesdienst - ermöglichen, die Ängste (symbolisiert in den sich auftürmenden
Wellen) vor Gott zur Sprache zu bringen, das beruhigende Bild des schlafenden
Jesus auf sich wirken zu lassen und gemeinsam um das zu bitten, was nötig
ist, damit alle Menschen dieser Erde in Frieden schlafen können.
Glocken
Am Eingang werden die Menschen, die den Gottesdienst besuchen, persönlich
begrüßt. Dabei bekommen sie ein Gottesdienst-Programm in die Hand, in dem
eine (Daunen-)Feder steckt (siehe dazu den Sendungstext – S. 17).
Musik
geht über in
Lied: Gott gab uns Atem (EG 432)
Begrüßung
L:
Gnade sei mit euch
und Friede von dem,
der da ist
und der da war
und der da kommt.
Alle:
Wir feiern Gott in unserer Mitte,
feiern im Namen des Vaters,
im Namen des Sohnes,
im Namen des Heiligen Geistes.
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Gottes Weite löse uns.
Gottes Friede erfülle uns.
Gottes Atem belebe uns.
Amen.
L:
Herzlich willkommen
zum diesjährigen Bittgottesdienst für den Frieden in der Welt.
Um Frieden bitten – das wollen wir heute ganz bewusst.
Wie not-wendig – also: Wie Not wendend ist das,
wo die Gewalt alles im Griff zu haben scheint!
Wie finden wir Wege zum Frieden,
Wege zur Überwindung der Gewalt?
(Pause)
Warum habt ihr Angst?
Unter diesem Thema steht der Gottesdienst heute.
Als erste Antwort fällt mir auf die Frage ein:
Weil wir Grund dazu haben
in diesen stürmischen Zeiten,
in denen es immer wieder so ist,
als würden hohe Wellen über uns zusammenschlagen. –
Der 11.September 2001 steht uns noch vor Augen.
Aber soweit brauchen wir gar nicht zurückzugehen. –
Denken wir an die Situation in Israel und Palästina,
an ...
oder auch an Situationen ganz nah bei uns,
um uns selbst herum...
Hier (...) können aktuelle Geschehnisse ergänzt werden.
Manchmal ist es wie ein Sturm auf hoher See
oder wie ein böser Wach-Traum
in einer schlaflosen Nacht...
Wer wacht mit uns?
Wer gibt uns Träume, die uns gut tun?
Wer zieht uns aus dem Wasser,
wenn alles über uns zusammenschlägt?
7
Kurze Stille
Wir sprechen gemeinsam Worte aus Psalm 18:
Worte aus Psalm 18
(1 = Gruppe 1 / 2 = Gruppe 2)
Alle:
1:
2:
Herzlich lieb habe ich dich, mein Gott,
du Ort, auf den ich traue,
du mein Retter und mein Schutz.
1:
2:
1:
2:
Wenn die Fluten des Verderbens mich schrecken,
kommt der angeflogen, der den Himmel neigt.
Schwebend auf den Fittichen des Windes
streckt er seine Hand aus
und zieht mich aus dem Wasser.
Deshalb bist du meine Zuversicht, Gott.
Du reißt mich aus der Enge heraus
und führst mich in die Weite.
Denn du hast Lust zu mir.
Du gibst meinen Schritten weiten Raum,
damit meine Knöchel nicht wanken.
Darum will ich dir danken, Gott.
Amen.
1:
2:
1:
Alle:
1:
2:
Alle:
Worte aus Psalm 107 siehe auf S. 19.
An dieser Stelle (vor dem Kyrie) wäre auch die Plakat-Meditation (S. 43)
möglich.
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Kyrie
Wir wollen Gott von unserer Angst erzählen:
Gott, wir haben Angst um diese Welt.
Angst vor der Zukunft, die uns unheilvoll erscheint.
Angst vor den vielen Bedrohungen des Lebens.
Angst, weil es keine Sicherheit zu geben scheint.
Wir haben Angst davor,
gelähmt zu sein vor lauter Angst.
Herr, erbarme dich. (gesungen: EG 178.11)
Gott, wir haben Angst um uns selbst.
Dass wir nicht schaffen, was wir uns vorgenommen haben.
Dass wir keine Zeit finden für die kleinen, lebenswichtigen Dinge.
Dass uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt
und wir sie nicht gefüllt haben.
Wir haben Angst davor,
der Angst keinen Raum gegeben zu haben.
Herr, erbarme dich. (gesungen: EG 178.11)
Gott, wir spüren unsere Angst,
und wir merken, wie sie uns verändert.
Wir finden keine Ruhe, weil uns die Sorgen den Schlaf rauben.
Wir verlieren unsere Lebensfreude,
weil wir meinen, in wilden Wogen zu versinken.
Wir sehnen uns nach Zukunft und Hoffnung
und beklagen unseren Kleinmut,
das Not-Wendende zu tun.
Herr, erbarme dich. (gesungen: EG 178.11)
Stille
9
Gloria
Vorschlag: Musikeinspielung „Air“ von Johann Sebastian Bach. Während der
Musik können sich die am Gottesdienst Teilnehmenden das Bild anschauen
(Foto: Christine Triebert – Rechte: Graphique de France). Nach etwa einer
Minute wird in die Musik hinein der Gloria-Text gesprochen.
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Wie schön wär’ das,
in einem Boot zu liegen
und in den Himmel zu schaun –
Im gleichmäßigen Rhythmus
schaukel’ ich ein wenig hin und her,
hin und her...
Das Wasser ist spiegelglatt
und das Ufer erreichbar.
Im Sonnenlicht über der Fläche des Wassers
schenkt deine Friedlichkeit
den Strömen meiner Seele Glanz.
Stille - Pause
Gott,
du willst uns eine neue Ruhe schenken,
von der wir kaum zu träumen wagen.
Du willst die Wogen glätten,
die unser Leben bedrohen.
Du willst uns Hoffnung geben
und zum Frieden führen.
Du willst, dass wir bei uns selbst
und bei dir ankommen.
Du erwartest uns mit offenen Armen
und hältst uns fest in den Stürmen des Lebens.
Dafür danken wir Dir.
Amen.
Die Musik läuft noch ca. eine ½ Minute weiter und wird dann ausgeblendet.
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Falls dem Musikvorschlag (Air) nicht gefolgt wird, kann nach dem Gloria-Text
das Lied gesungen werden: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich
holt... (S. 28).
Biblische Lesung: Matthäus 8, 23-27
Wir hören die biblische Botschaft dieses Gottesdienstes.
Sie steht bei Matthäus im achten Kapitel:
Jesus stieg in ein Boot, und seine Jünger folgten ihm.
Da kam ein schwerer Sturm auf,
und die Wellen schlugen ins Schiff.
Er aber schlief.
Und sie weckten ihn auf:
„Herr, hilf, wir kommen um!“
Da sagt Jesus zu ihnen:
„Ihr Kleingläubigen,
warum habt ihr Angst?“
Und er stand auf und bedrohte den Wind und das Meer.
Da wurde es ganz still.
Die Menschen aber wunderten sich und sprachen:
„Was ist das für ein Mensch,
dass ihm Wind und Meer gehorchen?“
Lied: Im Würgegriff der Ängste
Predigt
Predigt-Meditationen u.a. Möglichkeiten siehe S. 32ff. Die Predigt-Gedanken
von Friedrich Schorlemmer können fast als Predigt übernommen werden.
Lied: Gib Frieden, Herr, gib Frieden (EG 430)
An dieser Stelle kann das Apostolische Glaubensbekenntnis folgen (AlternativTexte siehe S. 14) oder ein Beichtteil (S. 21) und das Abendmahl (S. 24).
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Lied: Im Dunkel unserer Ängste
In kaltem Schweiß gebadet, von Grauen rings umstellt,
wo ist da Gottes Hand, die heilt, die Hand, die meine Hand hält?
Wir haben nur die Menschen, die klein und ängstlich sind,
doch einer, der ist mit im Boot, gebietet Wellen und Wind.
Alternative Textfassung:
Im Dunkel unsrer Ängste, im Schrei aus unsrer Not:
Du leidest mit an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.
Im Frosthauch unsrer Kälte, im Kampf ums Geld und Brot:
Du zweifelst mit an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.
Im Wahnsinn unsres Handelns, im Krieg, der uns bedroht:
Du weinst mit uns an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.
In Nächten des Alleinseins, in Tagen ohne Brot:
Du stirbst mit uns an unserm Kreuz, du stirbst auch unseren Tod.
Im Sturm, der nicht zertrümmert, im Schutz für unser Boot:
Du steigst mit uns von unserm Kreuz, besiegst auch unseren Tod.
Text: Diethard Zils - Musik: Jo Akepsimas
© tvd-Verlag Düsseldorf Edition Musicales Studio SM, Paris
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Glaubensbekenntnis
Wenn statt des Apostolischen Glaubensbekenntnisses ein neueres Bekenntnis
verwendet werden soll, schlagen wir das Bekenntnis aus Seoul 1990 vor:
(Alternative siehe auf S. 20)
Ich glaube an Gott, der die Liebe ist
und der die Erde allen Menschen geschenkt hat.
Ich glaube nicht an das Recht des Stärkeren,
an die Stärke der Waffen, an die Macht der Unterdrückung.
Ich glaube an Jesus Christus,
der gekommen ist, uns zu heilen,
und der uns aus allen tödlichen Abhängigkeiten befreit.
Ich glaube nicht, dass Kriege unvermeidlich sind,
dass Friede unerreichbar ist.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen,
die berufen ist, im Dienst aller Menschen zu stehen.
Ich glaube nicht, dass Leiden umsonst sein muss,
dass Gott die Zerstörung der Erde gewollt hat.
Ich glaube, dass Gott für die Welt eine Ordnung will,
die auf Gerechtigkeit und Liebe gegründet ist,
und dass alle Männer und Frauen
gleichberechtigte Menschen sind.
Ich glaube an Gottes Verheißung,
Gerechtigkeit und Frieden für die ganze Menschheit zu errichten.
Ich glaube an Gottes Verheißung
eines neuen Himmels und einer neuen Erde,
wo Gerechtigkeit und Frieden sich küssen.
Ich glaube an die Schönheit des Einfachen,
an die Liebe mit offenen Händen, an den Frieden auf Erden.
Amen.
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Lied: Da berühren sich Himmel und Erde (S. 29)
Auch an dieser Stelle ist ein Beichtteil (S. 21) und die Abendmahlsliturgie (S.
24) möglich.
Als Einleitung zu den Fürbitten kann statt des Liedes auch eine weitere Musik
(Einspielung) stehen, zum Beispiel von Max Reger – Choral „Ich liege und
schlafe ganz in Frieden“ (aus der Motette „Ach, Herr, strafe mich nicht“ – op.
110, Nr. 2).
Fürbitten
Aus den folgenden Fürbitten kann ausgewählt werden (besonders wenn eine
Abendmahlsfeier im Gottesdienst eingeschlossen ist). Die Gemeinde antwortet
auf die einzelnen Fürbitten: Gott, dein Frieden erfülle die ganze Welt.
Ich liege und schlafe ganz mit Frieden,
denn du allein, Gott, hilfst mir, dass ich sicher wohne. (Ps 4,6)
Wenn alle Menschen mit diesem Satz im Herzen
schlafen gehen könnten,
dann wäre Frieden auf der Erde.
Davon träumen wir und darum bitten wir dich, Gott,
für alle Kinder auf der Welt, die vor Hunger nicht einschlafen können.
Hilf, dass sie satt werden, damit sie nicht lernen,
ihren leeren Bauch mit Wut und Hass zu füllen.
Mach uns wach für die Zusammenhänge, die Hungersnot bewirken,
lass uns aufstehen und kreativ werden,
dass wir sinnvoller umgehen mit Geldern und Gütern.
Wir bitten gemeinsam:
Alle: Gott, dein Frieden erfülle die ganze Welt.
Wir beten für die Jugendlichen, die sich fürchten vor der Nacht,
weil Alpträume von erlittener Gewalt sie überfallen, als wären sie real,
für die jungen Frauen, die durch sexuelle Gewalt,
und die jungen Männer, die durch Kriegserlebnisse traumatisiert sind.
Lass sie Menschen finden, denen sie sich anvertrauen
und das Unaussprechliche aussprechen mögen,
Menschen, die das auch aushalten können.
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Schenke ihnen die Ahnung von einem sicheren Ort im Innern,
zu dem sie zu jeder Zeit Zuflucht nehmen können.
Wir bitten gemeinsam:
Alle: Gott, dein Frieden erfülle die ganze Welt.
Wir denken an die Menschen, die in Arbeit und Sorgen versinken,
die in schlaflosen Nächten wühlen,
weil unerledigte Dinge über ihnen zusammenschlagen wie meterhohe
Wellen und alles noch viel schlimmer erscheint als am Tag.
Hilf ihnen zu ordnen, was wichtig ist und was nicht, und loszulassen.
Sende in ihre Träume das Wissen um Selbstbestimmung,
dass sie Macht gewinnen über ihre Zeit und ihre Aufgaben.
Lass sie spüren, dass sie von unschätzbarem Wert sind jenseits dessen,
was sie leisten, und darin Ruhe finden.
Wir bitten gemeinsam:
Alle: Gott, dein Frieden erfülle die ganze Welt.
Wir vertrauen dir die Menschen an, die in der Nacht weinen,
vor Sehnsucht nach vermissten Menschen oder verlorener Heimat,
über eine zerbrochene Liebe, vor Schmerzen
oder weil sie sterben müssen.
Lass sie spüren, dass du ihnen so nah bist wie das Kissen,
das ihre Tränen aufnimmt.
Tröste sie mit der Vision,
dass aus ihren Tränen in der Seele ein Regenbogen aufgehen kann.
Wir bitten gemeinsam:
Alle: Gott, dein Frieden erfülle die ganze Welt.
Wir bitten für die Menschen,
die sich der Unsicherheit des Meeres anvertrauen,
Seeleute in Seenot,
Menschen, auf Flüchtlingsschiffen zusammengepfercht.
Behüte ihre Wege.
Lass sie spüren, dass du mitgehst in jede Fremde,
und lass sie Momente von Vertrautem finden.
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Wir bitten gemeinsam:
Alle: Gott, dein Frieden erfülle die ganze Welt.
Gott, wir sehen die Not und legen dir heute besonders ans Herz ....
(Raum für aktuelle Ereignisse)
Guter Gott, manchmal ist es so,
als wäre der Traum schon wahr:
Ich liege und schlafe ganz mit Frieden,
denn du allein Gott, hilfst mir, dass ich sicher wohne.
Für solche Nächte danken wir dir und bitten darum,
dass dieser Traum für alle Menschen auf dieser Erde wahr wird.
(Amen.)
Auch an dieser Position kann sich die Abendmahlsliturgie anschließen (S. 24).
Falls keine Abendmahlsfeier stattfindet, schließt sich hier das Vater unser an.
Wir schließen all unsere Gebete zusammen,
wenn wir miteinander sprechen:
Vater unser
Hier kann (quasi als „liturgische“ Rahmung) noch einmal die Musik „Air“ von
Johann Sebastian Bach (weiter-) gespielt werden. In die Musik hinein wird die
Sendungs-Meditation gesprochen.
Sendung - „Leicht wie eine Feder gehen wir...“
Am Eingang haben Sie eine Feder bekommen
und sich vielleicht schon gefragt:
Wozu diese Feder?
Wir laden Sie ein, Ihre Feder jetzt zur Hand zu nehmen.
Die Feder zeigt an, ob Sturm ist oder Windstille.
Bei Sturm ist sie gebogen und unruhig, bei Windstille ruhig und
aufrecht.
Die Feder zeigt uns auch, wie wir sind, wenn Sturm um uns tost,
und wie wir uns verändern, wenn der Wind sich legt.
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Wenn Sie Ihre Feder nehmen und kräftig dagegen pusten,
dann ist ihre Oberfläche unruhig wie das aufgewühlte Meer.
Wenn Sie etwas weniger pusten, wird sie ruhiger,
als würde das Meer sich beruhigen.
Lassen Sie ihren Atem immer langsamer und sachter darüber streifen,
bis sie sich ganz beruhigt.
Als würde die Oberfläche eines Sees so ruhig,
dass sich ein Gesicht darin spiegeln kann.
Wenn wir
– zur Ruhe gekommen –
in ein Gesicht sehen,
brauchen wir keine Gewalt mehr.
Diese Feder möge Sie daran erinnern,
wie Gott das aufgewühlte Meer
und die aufgewühlte Seele beruhigt.
In unruhigen Zeiten nehmen Sie, wenn Sie mögen,
die Feder zur Hand
und pusten die Unruhe aus,
bis die Feder durch den Atem immer mehr zur Ruhe kommt.
Auch an dieser Stelle läuft die Musik noch ca. eine ½ Minute weiter.
Lied: Bewahre uns, Gott (EG 171)
Segen
Möge Gott am Morgen dich beflügeln,
möge Gott am Mittag die Wogen um dich her glätten
und am Abend möge Gott bei dir auf deinem Kissen ruhen.
So geht nun mit dem Segen Gottes:
Gott segne dich und behüte dich.
Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.
Musik
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Weitere liturgische Bausteine
Worte aus Psalm 107
Alle:
1:
2:
1:
2:
Alle:
1:
2:
Alle:
Danket dem HERRN;
denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN,
die er aus der Not erlöst hat,
die des HERRN Werke erfahren haben
und seine Wunder auf dem Meer,
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,
der die Wellen erhob,
dass sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken,
dass ihre Seele vor Angst verzagte,
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener
und wussten keinen Rat mehr,
die dann zum HERRN schrien in ihrer Not,
und er führte sie aus ihren Ängsten
und stillte das Ungewitter, dass die Wellen sich legten
und sie froh wurden, dass es still geworden war
und er sie zum erwünschten Lande brachte:
Die sollen dem HERRN danken für seine Güte
und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,
und ihn in der Gemeinde preisen. Amen.
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Bekenntnis
Eine/r:
Alle:
Eine/r:
Alle:
Eine/r:
Alle:
Eine/r:
Alle:
Wir glauben an Gott,
der uns liebt und der will, dass wir uns alle lieben.
Das ist unser Gott.
Wir glauben an Jesus,
der sich den Ängstlichen zuwandte und ihnen sagte:
“Fürchtet euch nicht”.
Er wollte eine Welt, in der alle Menschen in Frieden
gewaltfrei zusammenleben.
Das ist Jesus Christus.
Wir glauben an den Heiligen Geist,
der mit uns am Werk ist, bis alles gut und wahr ist.
Das ist der Heilige Geist.
Wir können die Kirche sein,
die die Menschen an Gott erinnert,
weil wir einander lieben.
Das glauben wir. Amen.
nach: Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Canberra 1991
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Beichtteil
1:
Wir denken an Menschen,
die uns nahe stehn,
an die, die wir lieb haben,
und an die, mit denen wir Schwierigkeiten haben.
2:
Wir wollen ehrlich sein mit uns selbst
und behutsam miteinander.
Aber oft bringt uns die Angst dazu,
Dinge zu machen, die wir gar nicht wollen.
Dann sind wir unaufrichtig
und verschlossen.
Stille
L:
Ehrlich mit uns selbst
und behutsam miteinander
spüren wir die eigene Schuld
und singen:
Christe, du Lamm Gottes,
der du trägst die Sünd der Welt,
erbarm dich unser...
1:
Wir denken an Menschen,
die weit weg von uns leben,
an die, mit denen wir Mitleid haben,
an die, deren Tun uns wütend macht
und an die, die uns gleichgültig sind.
2:
Wir wollen wahrhaftig sein mit uns selbst
und mitfühlend miteinander.
Aber oft bringt uns die Angst dazu,
Dinge zu machen, die wir gar nicht wollen.
Dann verschließen wir die Augen,
werden gleichgültig
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oder urteilen vordergründig
und suchen nach schnellen Antworten.
Stille
L:
Wahrhaftig mit uns selbst
und mitfühlend miteinander
spüren wir die eigene Schuld
und singen:
Christe, du Lamm Gottes,
der du trägst die Sünd der Welt,
erbarm dich unser...
1:
2:
Wir denken an unser eigenes Reden und Tun,
an das, was wir gesagt haben
und nicht gesagt haben,
an das, was wir getan haben
und nicht getan haben.
Wir wollen gerecht sein gegen uns selbst
und gerecht miteinander.
Aber oft bringt uns die Angst dazu,
Dinge zu machen, die wir gar nicht wollen.
Dann sind sie da,
die verletzenden Worte
und die unbedachten Taten.
Und es fehlen die heilenden Worte und die aufrichtigen Taten...
Stille
L:
Gerecht gegen uns selbst
und gerecht miteinander
spüren wir die eigene Schuld
und singen:
Christe, du Lamm Gottes,
der du trägst die Sünd der Welt,
gib uns deinen Frieden. Amen.
22
1:
Gott,
wir bitten dich um Vergebung –
eine jede für sich,
ein jeder für sich.
2:
Wir vertrauen,
dass du uns aus den Ängsten ziehst
und neue Wege eröffnest.
Zuspruch
L:
Wie ihr glaubt,
so geschehe euch.
Gott ist größer als euer eigenes Herz.
Gottes wunderbare Kraft
ist in den Schwachen mächtig.
Gott hat euch durch Christus vergeben.
Amen.
Lied: Kommt mit Gaben und Lobgesang (EG 229)
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Abendmahl
Folgt die Abendmahlsliturgie nicht der Ordnung der jeweiligen Landeskirche, so
kann folgende Form verwendet werden:
A.
Falls der Abendmahlsfeier kein Beichtteil vorausgeht,
kann mit folgendem Gebet begonnen werden.
1:
Gott, du lädst uns an deinen Tisch.
Siehst du auch, wer vor dir steht?
Wir wollen nicht immer gesehen werden.
Denn wir sind nicht so wahrhaftig, wie wir sollen,
nicht so schlau, wie wir tun,
nicht so selbstlos und so liebevoll, wie wir scheinen.
Und dennoch, bei Brot und Wein, siehst du uns an.
Da können wir den Blick heben
und du vergibst.
ALLE: Gott, wir danken dir.
2:
Gott, du lädst uns an deinen Tisch.
Hörst du auch, wer mit dir spricht?
Wir wollen nicht immer gehört werden.
Denn wir verschweigen, was wir fühlen,
verschweigen, was wir falsch gemacht haben,
verschweigen, was wir aufdecken müssten.
Und dennoch, bei Brot und Wein, hörst du uns an.
Da können wir den Mund öffnen
und du vergibst.
ALLE: Gott, wir danken dir.
3:
24
Gott, du lässt uns wachsen
über uns hinaus
zueinander, an deinen Tisch.
Das Brot – die Frucht deiner Erde und unserer Arbeit –
wird uns zum Brot des Lebens.
Der Wein – die Frucht der Reben und Zeichen des Festes –
wird uns zum Becher der Freude.
ALLE: Gott, wir danken dir.
4:
Wie aus den Körnern Brot
und aus den Trauben Wein geworden ist,
fügst du uns zusammen zu einem Leib, der aus deiner Liebe
lebt.
So lass uns die Gemeinschaft, deinen Schalom
sehen, hören, schmecken und weitertragen.
B.
Falls der Abendmahlsfeier ein Beichtteil vorausgeht,
kann der Abendmahlsteil mit folgendem Gebet beginnen:
Das Abendmahlsbrot wird gebracht.
1:
Wir bringen das Brot.
Wir brauchen es zum Leben.
Jesus sagt uns: Dieses Brot ist mein Leib.
Der Abendmahlswein (-saft) wird gebracht.
2:
Wir bringen Wein.
Wir trinken aus einem Kelch.
Der Kelch verbindet uns alle miteinander.
Jesus sagt uns:
Wenn Ihr aus diesem Kelch trinkt,
dann schmeckt Ihr etwas von Gottes Welt.
C.
Nach A. oder B. geht die Liturgie – wie folgt – weiter:
L:
Alle:
L:
Alle:
Gott sei mit euch.
Gott bewahre auch dich.
Öffnet eure Herzen.
Wir haben unser Herz bei Gott.
25
L:
Alle:
Gott,
wie gut ist es,
dass wir an deinen Tisch kommen dürfen,
so wie wir sind.
Nimm uns unsere Ängste
und verwandle uns an deinem Tisch.
Deine Kraft,
deine Liebe erfülle uns.
So komm, du Geist des Lebens,
komm zu uns in Brot und Wein.
Begegne uns,
wenn wir Brot und Wein miteinander teilen.
Komm, Heiliger Geist.
Lied:
„Sanna“ – oder „Du bist heilig, du bringst Heil...“
(S.30/31)
Einsetzungsworte
L:
Unser Herr Jesus Christus...
L:
Sei bei uns, Jesus,
wenn wir beieinander sind
und miteinander Brot und Wein teilen
wie in deiner letzten Nacht vor deinem Tod.
Sei bei uns,
wenn wir jetzt gemeinsam beten,
wie du es getan hast:
Alle:
Vater unser im Himmel...
Austeilung
Gemeinsamer Abschluss als Friedengruß:
Als Gemeinde am Tisch Jesu Christi reichen wir einander die
Hand –
Das stärke und bewahre euch im Glauben zum ewigen Leben.
Amen.
26
Dankgebet
Gott,
wir haben dich geschmeckt und danken für das Brot.
Wir werden es weiter teilen mit denen, die Hunger haben
nach einem Bissen Brot von deinem Leib,
nach einem Stück Wahrhaftigkeit.
Gott,
wir haben dich genossen und danken für den Wein.
Wir werden ihn weiterreichen allen, die Durst haben
nach Gerechtigkeit, nach Frieden
und nach Liebe.
Gott,
du bist uns nahegekommen.
Wir danken für die Gemeinschaft,
zu der du uns verbunden hast.
Lass uns deiner Gegenwart vertrauen,
damit wir keine Angst haben müssen.
Amen.
Lied: Er ist das Brot, er ist der Wein (EG 228)
Falls sich an die Abendmahlsfeier das Fürbittengebet anschließt, kann statt des
Liedes die vorgeschlagene „Auftaktmusik“ zu den Fürbitten folgen: Max Reger
– Choral „Ich liege und schlafe ganz in Frieden“ (aus der Motette „Ach, Herr,
strafe mich nicht“ – op. 110, Nr. 2).
27
Lieder
Lied: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
28
Lied: Da berühren sich Himmel und Erde
29
Lied: Du bist heilig
30
Lied: Sanna
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Materialien zur Predigtvorbereitung
Predigtgedanken von Friedrich Schorlemmer
Warum habt Ihr Angst? - Eine Meditation zu Matthäus 8, 23-27
Er steigt in ein Boot, verlässt den festen Boden unter den Füßen, begibt
sich in Gefahr. Er vertraut sich einem Gefährt an. Auf engstem Raum
sind sie zusammen. Das Boot trägt über das Wasser und schaukelt hin
über die (Un-) Tiefen. Mit ihm sitzen sie in einem Boot, auf engstem
Raum. Das Gleichgewicht halten. Auf Gedeih und Verderb ist
aufeinander angewiesen, wer in einem Boot mit anderen unterwegs ist.
Sie lassen sich treiben, sie verharren auf der Stille des Wassers, im
gleißenden Sonnenlicht.
Aus heiterem Himmel ein Sturm. Die Wellen peitschen hoch. Die Angst
schlägt hoch. Die Schlagadern pochen. Das Wasser braust wütend. Die
Gischt schäumt. Das Herz stockt. Auf den Kamm der Wellen werden sie
hochgerissen und ins Wellental hinabgestürzt. Jede herankommende
Welle - ein neuer Schub Angst. Jetzt ist es aus. Jeden Moment kentern
können. Kein Rettungsring ist da; selbst wenn einer da wäre, brächte er
keine Rettung – viel zu weit ist das Ufer, viel zu gering die Kraft, viel zu
unbarmherzig schlägt das aufgeregte Wasser zu. Aus heiterem Himmel
ein Sturm, unbändige Kraft, nicht zu bändigende Kraft, dem der Mensch
nicht gewachsen ist – am Leib nicht und mit seiner Seele nicht.
Lebensangst. Todesangst. Urangst. Plötzlich ganz ausgeliefert sein. Ein
letzter Gedanke: „Das Leben war doch schön.“ Ein Entrinnen gibt es
nicht. Noch einen Moment leben, es könnte der letzte gewesen sein.
Während alle anderen vor Angst schier vergehen, schläft einer. Er
schläft ungerührt und unberührt von der Gefahr. Die Verängstigten
wecken ihn. Kyrie! Herr, hilf! Wir kommen um! Gleich ist alles aus!
Schreite du ein! Wir haben keine Aussicht auf Rettung. Wir sind mit
unseren Kräften am Ende. Unsere Sicherheitssysteme haben versagt.
Auf eine so plötzliche Bedrohung sind wir weder eingerichtet noch
vorbereitet. Wie gesagt: aus heiterem Himmel ein bedrohlicher Sturm.
Die Tiefen des Wassers werden uns verschlingen.
Wüstensturm. Bombenteppiche.
Weihnachtsbäume über dem Himmel Dresdens.
32
Selbstmordattentate. Terroranschläge.
Panzerattacken. Stalinorgeln.
Überschwemmungen. Dürrekatastrophen. Epidemien.
Ölpest. Giftanschlag. Anthrax.
Tornado.
Gettysburg. Tschernobyl. Temelin.
Eschede. Estonia.
San Salvador.
Ein Anschlag aus heiterem Himmel. Ein weltweites Netzwerk des
Terrors.
Ungreifbar.
Ein Aus-versehen-Atomkrieg.
Grosny. Beirut. Kandahar. Jerusalem. Ramallah. Dschenin.
New York. Washington. Mazar-i-Sharif.
Unstillbarer Sturm der Angst.
Untiefen. Unrettbar ausgeliefert.
Dann nimmt er den äußeren Grund der Angst weg. Der Sturm muss sich
ergeben. Die Urgewalt der Natur muss gehorchen. Brausender Sturm
und aufgewühltes Meer, der aufgesperrte Rachen des Todes:
zugeklappt. Wie das Unglück kam, so geht es. Dem höllischen Aufruhr
folgt Stille. Ruhe. Ganz still. Alles. Tröstliche Ruhe nach dem Sturm.
Mit IHM im Boot sein heißt: durch die Gefahren hindurchkommen. Die
Regentin ‚Angst’ ist zuerst zu besiegen, sodann legt sich auch der
Sturm. Der Sturm wird gestillt, bis Stille ist.
Aber warum fragt ER: „Warum seid ihr so furchtsam, ihr
Kleingläubigen?“ Ist er ahnungslos, gefühllos, gefahrenblind? Alles nur
Kleinglaube? Die reale Gefahr nur Einbildung der Angst, mangelndes
Vertrauen? Die Angst ist es, die erstarren lässt vor der Gefahr und dazu
bringt, vor der Gefahr zu kapitulieren, bevor das Befürchtete
eingetreten ist. Und so wird es eintreten. Seine Frage ist: Warum hat
euch die Angst gepackt? Erhaltet mitten im Sturm Vertrauen! Ihr werdet
hindurchkommen. Und was auch geschieht: ihr werdet nicht verloren
sein. Behaltet in der Gefahr Vertrauen, was auch passiert – euch kann
nichts passieren.
33
Das ist es. Da legt sich die Angst. Da legt sich der Sturm, und da fragen
sie: „Wer ist das, dass sich die Mächte, die uns Angst machen, schlafen
legen?“
Mit ihm im Boot sein – wir mit ihm und er mit uns – heißt, der Furcht
begegnen, indem wir dem Fürchterlichen widerstehen und uns ihm –
nicht – angstgelähmt – aussetzen. Und darauf vertrauen, dass ER die
Macht hat, das Fürchterliche abzuwenden.
Im Sturm Vertrauen behalten, s i c h e r ist es keineswegs, dass wir nicht in die Tiefen gerissen
werden – dennoch g e w i s s bleiben, dass ER unter uns ist und die
Gefahr wenden kann.
Exegetische und friedensethische Perspektiven
zu Matthäus 8,23-27
von Heike Spiegelberg
(Koordinatorin der Dekade „Gewalt überwinden“ - im Kirchenamt der EKD)
Und er trat in das Boot und seine Jünger folgten ihm nach. Und
siehe, da entstand ein großes Beben auf dem See, so daß das
Boot von den Wogen bedeckt wurde. Er aber schlief. Und sie
traten heran, weckten ihn und sprachen: Herr hilf, wir gehen
zugrunde! Und er spricht zu ihnen: Wie seid ihr feige, ihr
Kleingläubigen! Da stand er auf, bedrohte die Winde und den
See, und es entstand eine große Windstille. Die Menschen aber
verwunderten sich und sprachen: Was für ein Mann ist der, daß
auch Winde und See ihm gehorchen!
(Übersetzung nach Eduard Schweizer)
I. Die Geschichte in ihrer Zeit
Die Geschichte von der Stillung des Seesturms lässt viel durchscheinen
vom Lebensgefühl der Menschen des ausgehenden ersten Jahrhunderts, als man sie sich zur Ermutigung und Klärung erzählt hat. Die
kleine christliche Gemeinde um das Jahr 80 herum, wahrscheinlich in
Syrien anzusiedeln, hat genug Umbrüche erfahren, die Angst machen
konnten. Die Zerstörung Jerusalems durch die römische Armee im Jahre
34
70, obwohl nur von Ferne wahrgenommen, führte zu einschneidenden
Veränderungen in der Wahrnehmung der politischen und sozialen
Umwelt. Die jüdischen Traditionen der Erwählung und des Heils
wurden wieder einmal in Frage gestellt durch die erlittene Zerstörung
identitätsstiftender Symbole und Strukturen. In diesem Kontext ist die
neue Identität und Existenz einer Gemeinschaft von Christen,
hervorgegangen aus dem jüdischen Volk, sich öffnend gegenüber
Menschen anderer Religion und Herkunft, im Werden begriffen. Noch
kann die junge Gemeinde nicht auf eine lange Tradition der Bewährung
des Glaubens in den Stürmen der Zeit zurückblicken und muss sich ihre
innere und äußere Sicherheit erst schaffen. Diese Entwicklung findet
statt inmitten von Verfolgung und den Beschwernissen einer
Minderheitensituation. Das ist Grund genug, um immer wieder an der
Kraft des Glaubens zu zweifeln, genug um Angst zu bekommen vor der
eigenen Courage in der Nachfolge Christi.
Die Erzählung durchläuft folgende Stationen:
* Jesus steigt ins Boot, die Jünger folgen: Den Weg gibt Jesus vor, aber
es ist ihre Initiative, den Schritt in die Nachfolge zu tun; wer Jesus
folgt, für den gibt es kein 'Wasch mich, aber mach mich nicht nass'; der
letzte Rückhalt der Absicherung ist aufgegeben worden für diese
Entscheidung - was kommt, steht bei Gott;
* Das Wort, das wir meistens mit 'Sturm' übersetzen, kann auch für
'Beben' stehen: Es beschreibt mehr als nur einen Sturm und ist
transparent für Assoziationen von Katastrophen der Endzeit und
Erschütterung der Welt in ihren Grundfesten;
* Kleinglauben: das Ringen um die ermutigende und stärkende
Bewährung des Glaubens begleitet das Leben der Gemeinde des
Matthäus; es geschieht immer wieder, dass die Wirksamkeit des Herrn
in der Geschichte der Welt aus dem Sinn verloren wird - dann
übernimmt die Angst die Kontrolle;
* Jesu Wort, das die Rettung bringt und das Beben in eine Ruhe
umwandelt, ergeht nicht von einem sicheren Ort aus, es schafft die
Veränderung mitten im Sturm und im bedrohten Boot;
* Die anderen, die am Ufer zurückgeblieben sind, erfahren nicht selber,
was die Jünger im Boot durchlebt haben, aber die Gemeinde hofft, dass
sie es wahrnehmen und anfangen werden, die richtigen Fragen zu
stellen.
35
II. Gesprächsansätze
1) Die Aufnahme des Jesuswortes 'Warum habt Ihr Angst?' als
Überschrift zur diesjährigen Dekade fällt sofort auf. Viel naheliegender
wäre mir die Frage: Wovor habt Ihr Angst, oder vielmehr: Wovor haben
wir heutzutage Angst? Es gibt zahlreiche Untersuchungen mit Kindern
und Jugendlichen, die zeigen, dass trotz unserer scheinbar so
geordneten und abgesicherten Verhältnisse, viel untergründige Angst
für die eigene Sicherheit und um die Zukunft der Welt schon von jungen
Menschen empfunden wird. Was fällt den Erwachsenen ein, zur Frage,
woran sich die Ängste vor allem festmachen? Je nach Lebenssituation
würden vielleicht Arbeitslosigkeit, Krankheit, Zerbrechen der Partnerschaft oder die Bedrohung durch Terrorismus genannt. Aber die Frage
der Erzählung zielt eine Ebene tiefer: Warum haben wir Angst? Jesu
Frage spiegelt den Blick zurück von den tobenden Elementen 'dort
draußen' auf unseren eigenen Zustand. Es wird gefragt, ob es uns an
der spirituellen und kulturellen Basis, an einem größerem Glauben
mangelt, die in uns Ruhe im Sturm verbreiten und die innere
Gelassenheit geben, den Sturm erst einmal kommen zu lassen. Unsere
Absicherung gegen wahrgenommene Bedrohungen auf verschiedenen
Ebenen ist hervorragend ausgebaut und mit Mitteln ausgestattet, z.B.
der militärische Bereich. Die Möglichkeiten des konstruktiven Umgangs,
die größere innere Ressourcen und Grundlagen voraussetzen, kämpfen
dagegen erst noch um Anerkennung.
Wenn wir uns von der diesjährigen Friedensdekade fragen lassen,
'Warum habt Ihr Angst?' dann geht es um die Herausforderung und
Chance, uns aus der Logik der Angst zu befreien. Der Blick richtet sich
dann nicht mehr so gebannt auf die furchterregenden Ereignisse und
Bedrohungen und mögliche Abschottungen dagegen, sondern auf die
Entdeckung der Kräfte, die helfen können, die Ursachen der Bedrohung
zu überwinden.
2) Eigentlich 'bebt' es in Deutschland und in der Kirche oft nicht genug,
gemessen an dem Geschehen in unserer Gesellschaft und der
Weltpolitik . In der globalisierten Welt scheint es zunehmend möglich,
die Ursache von der Wirkung nach dem Belieben der Mächtigen
abzuspalten. Auf der einen Seite der Welt kann etwas in Gang gesetzt
werden, dessen negative Auswirkungen praktischerweise die andere
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Seite der Welt treffen. Umwelt- und menschenschädigende Produktion
wird gerne in Regionen mit schwacher Umweltgesetzgebung verlegt
und der Überkonsum von Energie und Rohstoffen durch die reichen
Länder geht zu Lasten von Lebensmöglichkeiten in den armen Ländern.
Kriege fechten die daran interessierten Parteien tunlichst an anderer
Stelle als auf ihrem eigenen Territorium aus und moderne Waffen
geben den Auslösern der Geschosse die Möglichkeit, mit dem Ergebnis
ihrer Tätigkeit lediglich auf dem Monitor konfrontiert zu werden. Wie
schaffen wir es, diese Spaltung nicht nur in unserem Kopf, sondern
auch in unseren Gefühlen und in unserem Handeln zu überwinden? Mit
Jesus in einem Boot zu sitzen, bedeutet, sich mit den Orten des Bebens
zu identifizieren und sich in die hineinzuversetzen, die nicht die
Möglichkeit haben, schnell wieder auszusteigen, wenn es bedrohlich
wird. Und diese Identifikation besteht nicht nur in einem
psychologischen Vorgang, sondern in dem Wissen, dass Auswirkungen
unseres Tuns letztlich doch wieder bei uns ankommen werden.
Vielleicht gibt es einen Weg, Gemeinden und Kirche mehr in die
Richtung steuern, wo es stürmt und bebt. Dann werden wir vielleicht
etwas hören und erleben, das uns die Angst nimmt.
3) Wahrscheinlich wird im September 2002, ein Jahr nach den
Anschlägen, wieder viel davon die Rede gewesen sein, dass in dieser
Welt 'nun nichts mehr so sei wie vorher'. Diese Absolutheit braucht sich
niemand aufzwingen zu lassen. Denn wurde behauptet, dass die Welt
nun eine grundsätzlich
andere sei nach dem, was in den
Neunzigerjahren auf dem Balkan geschehen ist, oder 1994 in Ruanda,
oder im Frühjahr 2002 in Palästina und Israel? Bedenkenswert ist aber
in der Tat alles, was in diesem Jahr geschehen ist, an Schlechtem und
an Gutem.
Die Ereignisse des letzten Jahres haben die Einsicht bestätigt, dass
Sicherheit nicht gegen "die anderen", auch nicht mit technologisch
raffiniertester Rüstung, erreicht werden kann. Das hat ähnlich schon
Dietrich Bonhoeffer formuliert, aber durch die Anschlägen auf das World
Trade Center im letzten Jahr ist es noch einmal aufs Schrecklichste
illustriert worden. Wenn es die Angst voreinander ist, die die
Remilitarisierung der Welt akzeptabel erscheinen lässt, dann erweist
sich Angst wieder einmal als ein schlechter Ratgeber. Dem religiösen
37
Verständnis, dass wir nur in weltweiter verantwortlicher Gemeinschaft
und unter Bewahrung von Gottes Schöpfung eine Zukunft haben
werden, entspricht die politische Einsicht, dass Sicherheit nur inklusiv
und ganzheitlich entwickelt werden kann. Zunehmend findet ein
veränderten Sicherheitsbegriff Akzeptanz, der von einem ganzheitlichen
Ansatz ausgeht. Schon in der Denkschrift der EKD von 1981 heißt es:
"Sicherheit kann nicht allein militärisch definiert werden. Sie ... ist vor
allem angewiesen auf eine gerechte Verteilung der Lebenschancen
zwischen Nord und Süd sowie West und Ost, auf die Einhaltung der
Menschenrechte, die Stärkung rechtsstaatlicher und demokratischer
Strukturen und den Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens.
Daraus folgt, dass die Analyse und Beseitigung von Konfliktursachen
langfristig die vorrangige Aufgabe darstellt und durch ein kurzfristiges
militärisches Krisenmanagement von Symptomen nicht zu ersetzen ist."
Mit ähnlicher Intention wird im politischen Sprachgebrauch der
herkömmlichen 'militärischen Sicherheit' die 'menschliche Sicherheit'
entgegengesetzt. Man könnte auch sagen, dass Konzepten mehr Raum
gegeben wird, die sich von der Dynamik der Bollwerke der Angst in
Richtung auf vielschichtige Kooperation bewegen. Hier eine
Beschreibung des Konzeptes der 'Menschlichen Sicherheit' durch die
derzeitige Bundesministerin für Entwicklung und wirtschaftliche
Zusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul: "Sicherheit ist danach
nicht nur die Freiheit von äußerer Bedrohung, sondern auch politische,
ökonomische, ökologische und soziale Stabilität. Dabei geht es nicht nur
um unsere eigene Sicherheit, sondern um die Sicherheit der Menschen
und Völker in allen Weltregionen. Es besteht ein tiefer und
unaufhebbarer Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Frieden. In
einer Welt, in der die meisten Menschen nicht über die Grundlagen für
ein menschenwürdigeres Leben verfügen, kann Frieden auf Dauer
keinen Bestand haben." (November 2000)
Peter Storey, Bischof i.R. der Methodistischen Kirche im Südlichen
Afrika, warnt in einem emotionalen Brief vom September 2001 an
"seine Freunde in den Vereinigten Staaten" sowohl vor einer
Fortschreibung überholter Sicherheitskonzepte als auch vor der
Ausblendung der langfristigen Zerstörung, die sie anrichten, aus unserer
Wahrnehmung: "Wie kann es ein, dass wir uns immer noch von der
38
unechten Sicherheit militärischer Macht betrügen lassen? Die Fähigkeit,
Abfangraketensysteme zu bauen und Macht über die ganze Erdkugel
hinweg auszuüben erscheint uns im Moment fast albern. Die größte
Militärmacht der Welt wurde von drei ihrer eigenen zivilen Flugzeuge
mitten
ins
Herz
getroffen
und
von
einigen
wenigen
messerschwingenden Fanatikern zur Geisel gemacht. Und dennoch
scheint sich am Rhythmus menschlichen Dummheit wenig ändern zu
wollen. Das Säbelrasseln wird lauter werden, die abgenutzten
Kriegswaffen werden abgestaubt werden und bald werden irgendwo in
der 'Dritten Welt' - in der ich lebe - noch mehr Menschen sterben und
damit zu Gottes Tränen noch mehr hinzufügen. Mehr Hass wird sich in
den Ruinen irgendeines staubigen Landes aufstauen. Wir müssen
Zeugnis ablegen von einem anderen Weg - dem gewaltfreien Weg
Jesu." (www.wcc-coe.org/wcc/behindthenews).
Nach dem September 2001 hat es zum Glück nicht nur die
Reflexreaktion der Vergeltung gegeben, sondern auf vielen Seiten auch
deutliche Zeichen von ausgestreckten Händen und Hilfen zum
Neuanfang miteinander. Es braucht bestimmt mehr Mut, Glauben und
harte Arbeit, Wege zu finden, dass sich der Hass nicht einnistet und
dass kooperativ daran gearbeitet wird, die Gefahr zukünftiger, alles
bedrohender, Beben zu vermindern.
In starker Übereinstimmung mit der evangelischen Friedensethik wird
dies auch im
Wort der Deutschen römisch-katholischen
Bischofskonferenz "Gerechter Friede" ausgeführt. Auch dort liegt die
Betonung darauf, dass nicht die Absicherung gegeneinander die
Bedrohung unter Kontrolle halten wird. Dort heißt es z.B. "Das Leitbild
des gerechten Friedens beruht auf einer ganz einfachen Einsicht: Eine
Welt, in der den meisten Menschen vorenthalten wird, was ein
menschenwürdiges Leben ausmacht, ist nicht zukunftsfähig. Sie steckt
auch dann noch voller Gewalt, wenn es keinen Krieg gibt. Verhältnisse
fortdauernder schwerer Ungerechtigkeit sind in sich gewaltgeladen und
gewaltträchtig. Daraus folgt positiv: 'Gerechtigkeit schafft Frieden'."
Der Autor, der das Matthäusevangelium aufgeschrieben hat, war
natürlich nicht mit den Stürmen und Beben unserer heutigen Zeit
vertraut. Aber als Überlieferer der Bergpredigt und des Missionsbefehls
39
gehörten für ihn die Herausforderung eines neuen Paradigmas
menschlicher Beziehungen und das Wissen um Gottes Präsenz in der
ganzen Weite der Völkerwelt ins Zentrum der Verkündigung.
4) Die Angst der Jünger in dem kleinen Boot auf der stürmischen, nicht
beherrschbaren See, ist nachvollziehbar. Die Ängste einer kleinen,
bedrohten Gemeinschaft, die bisher weder verlässliche innere noch
äußere Stabilität gefunden hat, auch. Die Geschichte ist nah genug an
uns dran, dass sie uns Mut machen kann, uns nicht von einer Dynamik
der Angst lähmen zu lassen. Gott wirkt in der Geschichte der Welt und
das Wort Jesu ergeht nicht am sicheren Ufer, sondern in der
Bedrohung. Wenn wir mit einsteigen auf den Weg veränderter
menschlicher (und damit ist auch gemeint : politischer) Beziehungen
hinein, dann werden wir nicht ohne Wegweisung und Zuspruch bleiben.
Warum sollten wir Angst haben?
Was sehen die zuschauenden Menschen, die am Ufer stehen? Benennt
Kirche an ihren verschiedenen Orten und in ihren unterschiedlichen
Gestalten die Stürme unserer Zeit und stellt sie sich ihnen mit Mut und
Sachkompetenz?
Literatur:
Eduard Schweizer, Das Evangelium nach Matthäus, Göttingen , 1973 (NTD 2)
Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Neukirchen-Vluyn, 1985 (EKK I/1
und I/2)
Günther Bornkamm, Die Sturmstillung im Matthäusevangelium, in: G.
Bornkamm, G. Barth, H. J. Held, Überlieferung und Auslegung im
Matthäusevangelium, Neukirchen 1960 (WMANT 1)
Dietrich Bonhoeffer, Predigt am 5.1.1933, in: Werke Bd. 12, Gütersloh 1997
Karl Barth, Predigt am 3. Februar 1935, in: Gesamtausgabe, Predigten 1921 1935, Zürich 1998
Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland "Frieden wahren, fördern
und erneuern", 1981
Die deutschen Bischöfe, Gerechter Friede, 27. September 2000
Friedensethik in der Bewährung: Eine Zwischenbilanz, ein Beitrag des Rates
der EKD, hg. vom Kirchenamt der EKD, Hannover 2001
40
Predigt-Meditation
von Präses Alfred Mengel
(Lengerich/Emsland - Evangelisch-Reformierte Kirche Nordwestdeutschland)
Am Ende stehen Staunen und Lobpreis. Die Leute reiben sich die Augen
und können noch nicht so ganz fassen, was sie gesehen, gehört, erlebt
haben. Sie sind wie Träumende, deren Träumen und Sehnen sich
erfüllte, so dass ihr Mund voll Lachens und ihre Zunge voll Rühmens ist
(Psalm 126, 1.2).
Denn im Lobpreis findet das Staunen sein Ziel.
Was aber erscheint den Menschen so wunderbar? Was bringt sie dazu,
sich derart zu wundern?
Die Stille! Und der, der die Stille bewirkt!
Still wurde der brüllende See und der heulende Sturm.
Still wurde das laute Schreien und das leise Wimmern.
Still wurde das Hämmern der Herzen und das Flackern der Augen.
Still wird das Weinen der Kinder und ihrer Mütter.
Still wird der Angstschrei der Tiere und das Ächzen zerborstener Bäume.
Still wird das Dröhnen der Panzer und das Knattern der Gewehre.
Still wird das Brummen der Flugzeuge und das Heulen der Sirenen.
Verstummt sind die Hasstiraden der Propaganda, das Einpeitschen der
Ideologen.
Die Waffen schweigen.
„Darum fürchten wir uns nicht ... wenngleich das Meer wütete und
wallte ... Kommt her und schaut die Werke des HERRN ... der Bogen
zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt. Seid still
und erkennt, dass ich Gott bin.“ (Psalm 46)
Am Ende stehen Staunen und Lobpreis. Was aber steht am Anfang?
Am Anfang verlässt Jesus das feste Land und steigt in ein Schiff. Bricht
auf, wagt sich ins Bodenlose, Ungesicherte, Unbekannte. Er, Jesus, geht
als Erster, geht voran. Seine Jünger gehen ihm nach, folgen ihm. Da
wollen sie sein, wo er ist. Seinen Weg gehen, seine Nähe suchen. Sie
fahren mit ihm hinaus ins Bodenlose, Ungesicherte, Unbekannte.
Da erhebt sich ein gewaltiger Sturm, richtet sich auf wie ein riesiges
Untier, bevor es zuschlägt. Chaos, Zerstörung, Tod schlagen über ihnen
zusammen, die Tiefe öffnet ihren Schlund, der Abgrund reißt den
Rachen auf.
41
Unbegreiflich – Jesus schläft. Um ihn ist Stille, Ruhe, ja Frieden. An
Land war er tätig. Doch jetzt ruht er, kann Arbeit lassen, kann sich
loslassen.
Auf wen verlässt er sich? „Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig
geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter ... Israel, hoffe auf den
HERRN“ (Psalm 131).
Die Jünger treten zu Jesus – wie Menschen herzu treten im
Gottesdienst, wie sie vor Gott treten. Sie schreien ihre Angst, ihr
Entsetzen heraus.
Führen sie Klage gegen den schlafenden Jesus?
Immerhin, sie sind nicht verstummt, nicht mundtot gemacht. Sie beten.
Sie haben den Einen für ihre Angst, einen Ort der Klage, der Hoffnung.
Jesus, der „Stiller unsers Haders“ (EG 179), beruhigt seine Jünger – mit
leisem Tadel. Nicht die Störung stört ihn. Was aber dann? Kleinglaube.
Mangelnde Gewissheit.
Doch dürfen wir uns in Angst und Entsetzen nicht an Jesus wenden?
Und ist die Klage nicht auch Ausdruck von Vertrauen?
Jesus sagt wohl: Ich bin doch da; und da, wo ich bin, ist die Kirche und
„die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen“ (Matthäus 16,18).
Doch, trotz Tadel und Kleinglaube lässt Jesus ihr Gebet gelten, gibt
ihrem Beten „die Würde der Verursachung“ (Pascal). Gewiss, Jesus
handelt, beruhigt, befriedet. Dennoch war der Aufschrei der Jünger
nicht vergeblich, nicht überflüssig. Ihr Gebet bewegt Jesus.
Jesus wandte sich zuerst den Jüngern zu, stillte ihre Angst. Jetzt steht
er auf gegen das Unheil, gegen Tod und Verderben. Auferstehung.
Ostern. Jesus bedroht „den Wind und das Meer“ (Vers 26). Jesus
überwindet die Mächte des Todes. „Die Wasser standen über dem
Berge. Aber vor deinen Schelten flohen sie“ (Psalm 104, 6.7). „Da
wurde es ganz stille“ (Vers 26).
Jesus schenkt getrostes Leben. Aufbruch ist möglich; Neues kann
gesucht, kann gefunden werden. Im Bodenlosen gehalten, wagen wir
es, der Angst stand zu halten. Am Ende stehen Stille, Staunen,
Lobpreis.
„Gewalt und Gier und Wille
der Lärmenden zerschellt.
O komm, Gewalt der Stille,
und wandle du die Welt.“
42
(Werner Bergengruen)
Meditation zum Plakat der Ökumenischen Friedensdekade
von Fritz Baltruweit und Christine Tergau-Harms
Das Schloss sitzt fest.
Wie mit kraftvollen Krakenarmen
umschließt es
ein Herz...
...und drückt es zusammen.
Das Herz zugeschnürt.
Die Kehle zugeschnürt.
Da kommt kein Ton mehr.
Platzangst immer mehr Raum weggenommen,
immer mehr zusammengedrückt.
Das Wort Angst
kommt von „Enge“.
„Angst“ ist großgeschrieben auf dem Plakat.
Die Frage „Warum habt ihr Angst?“
wird bei dem Bild fast überflüssig.
Es gibt kein Entkommen.
43
Ein Herz –
zusammengepresst.
Genauer:
etwas,
was zum Herz geworden,
gepresst worden ist.
Mit Gewalt
ein Herz
entstehen lassen?
Das ist absurd:
Ein Herz
ist so weich,
zart
und verletzlich.
Ohne Angst
wäre ein Herz kein Herz.
Wo gibt es
(bei diesem Bild)
eine Perspektive?
Eine menschliche
Aussicht?
Wie kann es gelingen,
das Schloss zu knacken?
Fragen,
die kommen
und wieder gehn.
Denn es müsste schon
ein Wunder geschehn...
...wenn ich doch nur
den Schlüssel fände.
So manche Angst,
die uns zusammendrückt,
44
lässt sich leicht erlösen.
Nur finden wir oft den Schlüssel nicht.
Schlussvariante A:
Schlussvariante B:
(je nach Ort der Meditation in der Liturgie)
„O Heiland, reiß den Himmel auf – Wer hat den Schlüssel
Reiß ab, wo Schloss
zu diesem Schloss?
und Riegel für...“
möchte ich rufen.
„Siehe, ich war tot und bin lebendig
Ihm traue ich das zu.
von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel,
„Jesus ist kommen.
aufzuschließen
Nun springen die Bande.
Todesangst und Höllenqual.“
Stricke des Todes,
(nach Offenbarung 1,18)
die reißen entzwei.“
Wo bist du, Erlöser?
(Aber)
noch
sitzt das Schloss
fest.
Das Herz
ist rot
und wirft
einen dunklen Schatten.
Schließ doch auf
das Schloss
vor meinem Herzen
Es ist so beklemmend,
verschlossen zu sein.
Lass mich auf-atmen,
Worte öffnen.
Sprich du das Wort,
das tröstet und befreit
und das mich führt
in deinen großen Frieden.
Schließ auf das Land,
das keine Grenzen kennt.
Du bist der Atem,
wenn ich zu dir bete.
(EG 382,3)
EG 382 kann sich an die Meditation
anschließen.
45
Hintergrund-Text
Er hat uns bei der Vorbereitung des Gottesdienstes geholfen.
Die win-win-Methode
Win win bedeutet: Beide gewinnen.
Der erste Schritt zur Deeskalation von Gewalt ist: Beruhigen.
Naomi Drew* hat für Kinder Konfliktlösungsstrategien entwickelt,
die sog. win-win-Methode.
Die Kinder werden angeleitet,
sich im Konfliktfall zunächst Zeit zu lassen,
sich selbst zu beruhigen.
Erst danach werden weitere Schritte unternommen.
Das sind die einzelnen Schritte:
1.
Nehmt euch Zeit, euch zu beruhigen, wenn es nötig ist.
Überlegt, wie ihr Wut auch anders ausdrücken könnt.
2.
Schildert eure Gefühle und das Problem aus der eigenen Sicht.
Dazu verwendet ihr „Ich“-Botschaften.
Keine Beschuldigungen, keine Beschimpfungen,
keine Unterbrechungen.
3.
Beschreibt das Problem dann aus der Sicht des anderen.
4.
Gesteht euch ein,
für welchen Anteil an dem Konflikt ihr verantwortlich seid.
5.
Sucht im Brainstorming gemeinsam nach Lösungen
und entscheidet euch für eine Lösung,
die beide Seiten zufrieden stellt – eine win-win-Lösung.
6.
Bestätigt, verzeiht oder bedankt euch.
* Naomi Drew, Kinder lernen zusammen streiten und gemeinsam arbeiten. Ein
Mediations- und Gewaltpräventionsprogramm, Mülheim an der Ruhr 2000
46
Materialhinweise
Die Texte dieser Arbeitshilfe sind im Internet unter www.gewaltueberwinden.net und www.ekd.de zu finden (auch zum downloaden).
Friedensethik in der Bewährung: Eine Zwischenbilanz
Ein Text des Rates der EKD, Oktober 2001
(erhältlich beim EKD-Kirchenamt – oder im Internet über www.ekd.de auch zum downloaden)
Materialien zur Ökumenischen Friedensdekade:
- „Schnupperpaket“ (Materialheft, Plakat Din A 4, 2 Dias mit Betrachtungstexten, Aufkleber, Gebetsleporello, Postkarte/Plakatmotiv u.a. – 10.-- €
- Materialmappe zur Friedensdekade 2002 – 6,50 €
- Plakat Friedensdekade DIN A 2 – 2,20 €
- Plakat Friedensdekade DIN A 3 – 1,70 €
- Plakat Friedensdekade DIN A 4 – 1,20 €
- Postkarte/Plakatmotiv – 0,35 €
Bestelladresse: Knotenpunkt e.V., Beller Weg 6, 56290 Buch/Hunsrück,
Tel. 06762-2261, Fax 06762/2995, E-mail: [email protected]
Materialien für die Gottesdienstgestaltung:
- Gottesdienstentwürfe zur Ökumenischen Dekade Gewalt überwinden
für den Buß- und Bettag und andere Gottesdienste (Leit-Thema: FREMD),
Schulgottesdienst, Jugendgottesdienst, generationsübergreifender
Gottesdienst – mit Liedern und Materialien – 68 S. - 2,50 €.
- Gottesdienstentwürfe zur Ökumenischen Dekade 2
für den Buß- und Bettag und andere Gottesdienste (Leit-Thema: WARUM
HABT IHR ANGST?), Schulgottesdienst, Jugendgottesdienst, generationsübergreifender Gottesdienst – mit Liedern und Materialien – 68 S. - 2,50 €.
- Liederheft zur Ökumenischen Dekade Gewalt überwinden
mit bekannten und vielen neuen Liedern zur Dekade „Gewalt überwinden“,
Denktexten und Anregungen für Andachten – 1,50 €.
Die Bestelladresse im Haus Kirchliche Dienste
Dekade Gewalt überwinden in der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers
Tel. (0511)1241-515 – Fax (0511)1241-617 - E-mail: [email protected]
Internet: www.gewalt-ueberwinden.net
47

Documents pareils