Benigne und präinvasive Läsionen der Brust

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Benigne und präinvasive Läsionen der Brust
Benigne und präinvasive
Läsionen der Brust
Anke Kleine-Tebbe1, Aurelia Noske2
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2
DRK Kliniken Berlin | Köpenick, Berlin
Institut für Pathologie, Charité Campus Mitte,
Charité – Universitätsmedizin Berlin
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Reviewer: Nicolai Maass, Aachen
und Mustafa Deryal, Homburg-Saar
58
Zusammenfassung
Im Rahmen des Mammographie-Screenings und auch der
kurativen Diagnostik fallen immer häufiger klinisch okkulte,
aber dennoch abklärungsbedürftige Läsionen der Brust
auf. Die histopathologischen Befunde der stanzbioptischen
Untersuchungen werden entsprechend der B-Klassifikation
gruppiert. Die Kategorien B2 (benigne) und B5 (maligne)
sind am häufigsten vertreten, jedoch werden zunehmend
häufiger histologische Veränderungen mit unsicherem
malignem Potenzial, sogenannte B3-Läsionen, nachgewiesen. Die B3-Kategorie umfasst heterogene Veränderungen,
u. a. atypische intraduktale Epithelproliferationen, Papillome und fibroepitheliale Tumoren. Insbesondere das Management von atypischen intraduktalen Epithelveränderungen wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert und
bereitet im klinischen Alltag mitunter Schwierigkeiten.
Daher ist es erforderlich, diese Läsionen im Rahmen interdisziplinärer Mammakonferenzen zu besprechen.
Einleitung
Seit der Einführung des Mammographie-Screenings werden immer häufiger klinisch okkulte, aber dennoch abklärungsbedürftige Läsionen der Brust nachgewiesen. Neben
den präinvasiven Veränderungen müssen auch die Risikoläsionen einerseits bildgebend und andererseits histologisch
präzise diagnostiziert werden, um eine Aussage bezüglich
der Prognose zu erhalten und eine entsprechende Therapie
einzuleiten. Insbesondere das Management von Veränderungen der Brust mit unsicherem biologischen Potenzial,
sogenannten B3-Läsionen, wird unterschiedlich diskutiert.
Diese Gruppe umfasst heterogene Veränderungen, wie u. a.
Papillome, atypische duktale Hyperplasie, flache epitheliale
Atypie, lobuläre Neoplasie, die mit einer sehr variablen Rate
von malignen Läsionen assoziiert sind (Dillon et al. 2006).
Dies führt im Praxisalltag häufig zu Unklarheiten hinsichtlich der weiteren Behandlung. Da diese Läsionen zunehmend häufiger in den perkutanen Biopsien diagnostiziert
werden, ist eine Befunddiskussion im interdisziplinären
Team erforderlich. Im Rahmen dieser präoperativen Fallkonferenzen wird die Korrelation von bildgebenden Befunden
und histopathologischen Ergebnissen kritisch überprüft
und das weitere Vorgehen festgelegt. Im folgenden Artikel
werden häufig vorkommende benigne und auch präinvasive Läsionen charakterisiert sowie die weitere Vorgehens-
weise, insbesondere nach Diagnosestellung von Läsionen
mit unsicherem biologischem Potenzial, diskutiert. Obwohl
aktuelle Daten eine gute Übereinstimmung zwischen dem
Ergebnis der stanzbioptischen Untersuchung und diagnostischen Exzisat zeigen (Cipolla et al. 2006), können präkanzeröse Läsionen der Brust in der histopathologischen Diagnostik unterschätzt werden. Die diagnostische Sicherheit
ist neben einem erfahrenen Arzt, der die Stanzbiopsie gewinnt, abhängig von der Anzahl der gewonnenen Gewebeproben (ausreichendes Sampling). Wird in der Bildgebung
nur eine Hochrisikoläsion manifest, können fortgeschrittene, in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Veränderungen unter Umständen in der stanzbioptischen Probe
nicht enthalten sein. Unterschätzungen können auch begünstigt werden, wenn die Läsion nur teilweise entfernt
wurde. Grundsätzlich sollten daher alle diskrepanten Befunde (Abweichung zwischen pathologischem und klinischradiologischem Befund) durch eine offene Biopsie weiter
abgeklärt werden.
B-Klassifikation
Die B-Klassifikation wurde im Rahmen des MammographieScreenings eingeführt. Hierbei werden die pathomorphologischen Befunde an den diagnostischen Mammabiopsien
in fünf Kategorien unterteilt und im pathologischen Befund dokumentiert. In der Tabelle 1 sind die Kategorien der
B-Klassifikation aufgeführt.
Tabelle 1: B-Klassifikation
Kategorie
Definition
B1a
B1b
B2
B3
B4
B5a
B5b
B5c
B5d
nicht verwertbares Gewebe
Normalgewebe
benigne Läsion
benigne, aber mit unsicherem biologischen Potenzial
malignitätsverdächtig
nicht invasives Karzinom
invasives Karzinom
Verdacht auf Invasion
anderer maligner Tumor (z. B. Lymphom)
Kleine-Tebbe A. Benigne ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2009;5(1):58–64 publiziert 31.03.09 www.akademos.de/gyn © akademos Wissenschaftsverlag 2009 ISSN 1614-8533
Klassifikation von benignen und präinvasiven Läsionen
der Brust
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Benigne Tumoren
Fibroadenom
Das Fibroadenom ist der häufigste gutartige Mammatumor
und besteht aus einer epithelialen und mesenchymalen
Komponente. Makroskopisch imponieren die meist 1–2 cm
großen Tumoren als grau-weiße, scharf begrenzte und lobulierte Knoten. Regressive Veränderungen mit Hyalinisierung, Verkalkung und Verknöcherung können vorkommen.
Ein Fibroadenom wird, wenn erstmalig diagnostiziert und
nicht biopsiert, zwei Jahre lang als BIRADS 3 (Breast Imaging Reporting and Data System) gewertet, d. h. alle sechs
Monate kontrolliert. Bleibt die Größe im Wesentlichen unverändert, ändert sich nach zwei Jahren die BIRADS-Klassifikation auf 2. Das Vorhandensein eines Fibroadenoms bedeutet kein erhöhtes Brustkrebsrisiko.
Phylloidestumor
Dieser seltene Tumor ähnelt histologisch dem Fibroadenom,
hat jedoch eine ausgeprägtere und zellreichere Stromakomponente, welche fingerartige Ausläufer in das umgebende Brustdrüsengewebe bilden kann. Im Gegensatz zum
benignen Phylloidestumor kann die Borderline-Variante
nukleäre Atypien und vermehrt Mitosen aufweisen.
Wegen gehäufter Rezidive sollten maligne Phylloidestumoren mit einem weiten Sicherheitssaum reseziert werden,
der mindestens 1 cm betragen sollte. In Abhängigkeit von
der Tumorgröße ist dadurch häufiger eine Mastektomie
erforderlich. Eine lymphogene Metastasierung ist sehr
selten, sodass eine axilläre Lymphknotendissektion nicht
erforderlich ist.
Intraduktales Papillom
Das intraduktale Papillom (Milchgangspapillom) ist ein
solitär in größeren (zentralen) Milchgängen oder multipel
in kleineren (peripheren) Milchgängen vorkommender und
von den Gangepithelien ausgehender Tumor. Histomorphologisch besteht die intraduktale papilläre Läsion aus
bäumchenartig verzweigten fibrovaskulären Septen, die
von einem überwiegend zweischichtigen Epithel bedeckt
werden. Intraduktale papilläre Epithelproliferationen können eine große morphologische Variabilität haben. Neben
den benignen papillären Epithelproliferationen mit duktaler Epithelhyperplasie (UDH) können in der gleichen Läsion
Zellveränderungen mit Malignitätspotenzial gefunden
werden. Die Heterogenität dieser Läsionen muss insbesondere bei der Anwendung der minimal-invasiven Diagnostik
(Biopsieverfahren) berücksichtigt werden. Da papilläre Neoplasien in der Regel in der Stanzbiopsie nicht vollständig
erfasst sind, sollten sie operativ komplett entfernt werden.
Es muss jedoch nicht grundsätzlich nachoperiert werden.
Auf eine Exzision kann verzichtet werden, wenn die Bildgebung gut beurteilbar ist, die Läsion wahrscheinlich durch
die Biopsie entfernt wurde und histologisch keine atypischen Zellveränderungen vorliegen (S3-Leitlinie 2008). Bei
benignen Milchgangspapillomen ist das Karzinomrisiko
gering erhöht (RR: 2–4). Bei Papillomen mit Atypien ist das
Karzinomrisiko erhöht (RR: 4–5).
Hamartom
Das Hamartom ist ein gutartiger Tumor aus Bindegewebe,
Drüsengewebe und Fettgewebe in unterschiedlicher Zusammensetzung mit einem charakteristischen Erscheinungsbild.
Einfache Zyste
Hierbei handelt es sich um einen Hohlraum, der durch einen
sackförmig erweiterten Milchgang oder Drüsenläppchen
bedingt ist und durch ein flaches oder apokrines Epithel
ausgekleidet wird.
Komplizierte Zyste
Im Gegensatz zu einer einfachen Zyste zeigen sich im
Ultraschall Echos in der komplizierten Zyste, die durch
Einblutungen, entzündliche Veränderungen oder einer
Wandverdickung der Zyste verursacht sind.
Tumorähnliche Läsionen
Mastopathie
Mastopathie ist ein komplexer Begriff, der eine Vielzahl
degenerativer und hyperplastischer Veränderungen des
Epithels mit sekundärer Stromareaktion umfasst. Pathogenetisch werden hormonelle Imbalancen diskutiert, die
über eine gesteigerte Sekretion und Sekretretention zu
Zystenbildungen führen. Endokrin stimulierte Proliferationen des duktalen und lobulären Gewebes führen zu verschiedenen Mustern und Graden von Hyperplasien. Lokal
besonders ausgeprägte mastopathische Veränderungen
können zu einem Herdbefund in klinischer und bildgebender Diagnostik führen. Man unterscheidet drei Schweregrade der Mastopathie. Eine Mastopathie Grad I (ca. 70 %)
mit nicht-proliferativen Veränderungen umfasst eine zystische Umwandlung der Milchgänge, eine apokrine Metaplasie der Epithelien sowie eine Fibrose durch Faservermehrung in und zwischen den Läppchen. Eine Mastopathie
Grad II (ca. 20 %) beinhaltet gutartige intraduktale Epithelproliferationen ohne Atypien (»usual ductal hyperplasia«,
UDH). Eine Sonderform ist die sklerosierende Adenose, bei
der es zu einer knotigen Proliferation der terminalen duktolobulären Einheit (TDLE) kommt, die von einer ausgeprägten Fibrose begleitet sein kann. Eine Mastopathie Grad III
bezeichnet die proliferative Mastopathie, die mit atypischen duktalen (ADH) oder lobulären (ALH) Hyperplasien
verbunden sind. Zum klinischen Vorgehen reichen die
Empfehlungen von jährlichen Mammographien und Überwachungen der Frauen in Studien bis zur offenen Biopsie
bzw. Exzision der atypischen Veränderungen.
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Radiäre Narbe/komplexe sklerosierende Läsion
Die radiäre Narbe/komplexe sklerosierende Läsion (RN/KSL)
ist eine klinisch und radiologisch hochverdächtige Läsion
mit geringem Malignitätspotenzial. Histologisch zeigt sich
eine knotige Struktur mit proliferierten Duktuli, zentraler
Fibroelastose und Stromasklerose. In der stanzbioptisch
gewonnenen, konventionellen Histologie kann es mitunter
schwierig sein, diese Läsion von einem gut differenzierten
invasiven duktalen Karzinom abzugrenzen. Zur differenzialdiagnostischen Abklärung sind ergänzende immunhistochemische Untersuchungen zur Darstellung von Myoepithelien hilfreich. Diese Läsion hat bezüglich des malignen
Potenzials nur eine untergeordnete Bedeutung (RR: < 4),
jedoch sind in der Peripherie häufig atypische duktale
Hyperplasien oder Karzinome nachweisbar, sodass eine diagnostische Exzision erfolgen sollte. Bei gesicherter RN/KSL
sind regelmäßige senologische Kontrolluntersuchungen
angezeigt.
Präinvasive Läsionen und Läsionen mit unsicherem
malignen Potenzial
Flache epitheliale Atypie
Bei der flachen epithelialen Atypie (FEA nach WHO, syn.
Zylinderepithelmetaplasie mit Atypien; Abb. 1) handelt es
sich wahrscheinlich um eine neoplastische Epithelproliferation (WHO 2003: Presumably neoplastic intraductal alteration), die zwischen UDH und ADH einzustufen ist. Histologisch erkennt man erweiterte Läppchen in der TDLE,
welche von einem flachen Epithel (ein bis drei Zellschichten) ausgekleidet sind und geringe zytologische Atypien
aufweisen. Typischerweise findet man in den Lumina einer
FEA grobschollige Verkalkungen. Es ist immer noch unklar,
ob es sich bei der FEA um eine Frühmanifestation eines
Non-high-grade-DCIS (»ductal carcinoma in situ«), einer
Vorstufe der lobulären Neoplasie oder um eine vom DCIS
unabhängige Läsion handelt. Die FEA ist häufig mit einem
Non-high-grade-DCIS oder auch hochdifferenzierten invasiven Karzinom assoziiert (Collins et al. 2007; Schnitt 2003).
Da die biologische Bedeutung der FEA (B3-Kategorie) ungewiss ist, sollte in Abhängigkeit vom radiologischen Befund
eine diagnostische Exzision zur Abklärung erfolgen.
Abbildung 1: Histologisches Präparat (HE-Färbung) mit einer flachen
epithelialen Atypie
Atypische duktale Hyperplasie
Die atypische duktale Hyperplasie (ADH) ist eine neoplastische intraduktale Epithelproliferation mit Ausbildung einer
Sekundärarchitektur und geringen zytologischen Atypien.
Die Abgrenzung einer ADH von einem Low-grade-DCIS in
der stanzbioptischen Untersuchung kann schwierig sein,
da neben qualitativen auch quantitative Merkmale zur diagnostischen Entscheidung herangezogen werden (Durchmesser bis 2 mm, Epithelproliferation auf zwei Gänge
beschränkt). Das relative Risiko für die Entwicklung eines
Mammakarzinoms wird mit 4–5 beziffert. Herde von ADH
können oft im Randbereich invasiver und intraduktaler
Karzinome beobachtet werden (Wang et al. 2004). Dieser
Tatsache muss bei der minimal invasiven Diagnostik Rechnung getragen werden. Wird eine ADH im Biopsiematerial
gefunden, muss die Läsion vollständig entfernt werden.
Findet sich ein Herd von ADH im Resektionsrand eines Karzinomexzidates, verlangt der Befund keine Nachexzision,
die Läsion ist aber für den Strahlentherapeuten von
Interesse.
Duktales Carcinoma in situ
Das nicht-invasive duktale Karzinom (DCIS) zählt zu den
malignen Veränderungen der Brust. Die atypischen Epithelproliferate breiten sich entlang der Milchgänge und auch
Drüsenläppchen unter Respektierung der Basalmembran
aus. Sie stellen eine heterogene Gruppe hinsichtlich der histopathologischen und prognostischen Kriterien dar. In Abhängigkeit vom Kerngrad und dem Auftreten von Nekrosen
werden drei histologische Grade unterschieden (low, intermediate und high grade nach WHO). Durch Verkalkungen
werden sie mammographisch erkannt, jedoch ist die Ausdehnung des DCIS häufig radiologisch schwer abzuschätzen. Meist breitet sich das duktale Karzinom segmental
aus, aber auch diskontinuierliches Wachstum, vor allem bei
den höher differenzierten Formen, kann zu einem multifokalen Befund im selben Segment führen.
Tabelle 2: DIN-Klassifikation
Duktale intraepitheliale Neoplasie (DIN)
DIN-Terminologie
Duktale Hyperplasie (UDH)
Flache epitheliale Atypie (FEA)
Atypische duktale Hyperplasie (ADH)
DCIS low grade
DCIS intermediate grade
DCIS high grade
–
DIN 1A
DIN 1B
DIN 1C
DIN 2
DIN 3
In der WHO-Klassifikation von 2003 wurde die traditionelle
Terminologie der duktalen Proliferate (wie UDH, ADH, DCIS)
beibehalten. Fakultativ kann zusätzlich die Einteilung in
duktale intraepitheliale Neoplasien (DIN) nach Tavassoli
(1998) angewendet werden. In Tabelle 2 sind die Begriffe
Kleine-Tebbe A. Benigne ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2009;5(1):58–64 publiziert 31.03.09 www.akademos.de/gyn © akademos Wissenschaftsverlag 2009 ISSN 1614-8533
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der traditionellen Terminologie den entsprechenden Synonymen der fünf Schweregrade der DIN zugeordnet.
Lobuläre Neoplasie
Dazu gehören alle atypischen Epithelproliferationen im
Lobulus bzw. im duktulolobulären Übergangsgebiet
(terminale duktulobuläre Einheit,TDLU). Die lobuläre Neoplasie (LN), synonym mit der lobulären intraepithelialen
Neoplasie (LIN), umfasst Veränderungen von der atypischen
lobulären Hyperplasie (ALH) bis hin zum Carcinoma lobulare in situ (CLIS). Die alte WHO-Nomenklatur (ALH, CLIS)
wurde somit durch die neue LN-Terminologie ersetzt, wird
aber noch häufig genannt, da sie weit verbreitet ist. Eine
Subklassifikation der LIN wird diskutiert, aber von der WHO
nicht generell empfohlen. Wichtig ist die Abgrenzung der
pleomorphen LIN, die mit signifikanten Kernatypien einhergeht und mit Komedonekrosen und Mikrokalk assoziiert
sein kann. Diese Läsion kann sich ähnlich wie ein DCIS verhalten. Häufig handelt es sich jedoch bei der LN um einen
Zufallsbefund, der im Rahmen von Biopsien anderer Läsionen (Herd, Kalk) histologisch entdeckt wird. Häufig tritt die
lobuläre Neoplasie multifokal/multizentrisch (50 %) und
bilateral (30 %) auf. Das relative Risiko für die Entwicklung
eines Mammakarzinoms beträgt 6–12. Wird eine klassische
lobuläre Neoplasie im Biopsiematerial entdeckt, sollte in
Abhängigkeit vom klinisch-radiologischen Befund eine diagnostische Exzision erfolgen, da im benachbarten Gewebe
höhergradige Läsionen (wie z. B. DCIS oder invasive Karzi-
nome) vorkommen können. Dagegen wird die LN vom pleomorphen oder siegelringzelligen Subtyp in der B-Klassifikation als B5 eingestuft, somit besteht hier eine OP-Indikation.
Handlungsempfehlungen bei benignen und präinvasiven
Läsionen der Brust
Die minimal-invasive Diagnostik stellt eine wichtige Methode zur Gewinnung von Gewebematerial aus Tumoren,
Architekturstörungen und Mikroverkalkungen der Mamma
dar (Schulz u. Albert 2003). In Abhängigkeit vom radiologischen Befund werden sonographisch gestützte Stanz- oder
Vakuumbiopsien durchgeführt. Nach Entnahme sind die
Stanzzylinder adäquat zu fixieren und aufzuarbeiten. In
der Regel werden bis zu vier histologische Schnitte mit
HE(Hämatoxilin-Eosin)-Färbung angefertigt. Bei Mikroverkalkungen sind die Zylinder zunächst einer Präparateradiographie zuzuführen. Bei fehlender Korrelation zum mammographischen Befund (z. B. fehlender Mikrokalk) sind
weitere Schnittstufen notwendig. Schnellschnittuntersuchungen sollten am Stanzmaterial nicht durchgeführt
werden. Im pathologischen Befund ist neben der histopathologischen Beurteilung mit Angaben zum Mikrokalknachweis und Bezug zur Läsion des Kalks auch die Angabe
zur B-Kategorie enthalten. Die B-Klassifikation umfasst
fünf Kategorien, welche unterschiedliche klinische Handlungen implizieren, z. B. weitere Diagnostik oder therapeutische Exzision. Die Kategorien und ihre Handlungsimplikationen sind in Tabelle 3 zusammengefasst.
Tabelle 3: B-Klassifikation von Biopsien und Handlungsempfehlungen
Klassifikation
Definiton
Handlungsempfehlung
Häufigkeit
B1
nicht interpretierbares oder
normales Gewebe
weitere Diagnostik erforderlich
selten
B2
benigne Läsionen
Diagnostik ist
abgeschlossen
häufig
B3
• Läsionen unklaren Malignitäts• in der Regel weitere
potenzials
diagnostische Biopsie nötig
• papilläre Läsionen
• multidisziplinäres Konsilium!
• radiäre Narbe
• klassische lobuläre Neoplasie
• ADH
• FEA
• Phylloidestumor
• ggf. unklarer fibroepithelialer Tumor
B4
Verdacht auf Malignität
diagnostische Biopsie erforderlich selten
B5
maligne Läsion
• DCIS; LN pleomorpher Subtyp oder
mit Komedonekrosen
• invasives Karzinom
• Invasionsstatus nicht beurteilbar
• anderer maligner Tumor
therapeutische Exzision
erforderlich
selten
häufig
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Summary
62
Benign and preinvasive breast lesions
In the present of population based mammography screening programmes there are more clinical occult lesions in
the women’s breast, which have to be clarified. The recent
histopathology findings of core needle biopsies are classified in 5 categories (European Working Group on Breast
Screening Pathology). The categories B2 (benign) und B5
(malignant) are most common, but the frequency of histopathology findings with unclear malignant potential (B3)
is rising. This B3-category comprises a very heterogeneous
group of breast tissue alterations, like atypical intraductal
proliferation, papilloma and fibroepithelial tumors. Multidisciplinary meetings have to be present in the diagnostic
assessment for case management.
CME Prakt Fortbild Gynakol Geburtsmed Gynakol
Endokrinol 2009; 5(1): 58–64
Keywords
Breast, needle core biopsy, B-classification, breast screening,
preinvasive lesions
Literaturverzeichnis
Cipolla C, Fricano S, Vieni S, Amato C, Napoli L,
Graceffa G, Latteri S, Latteri MA. Validity of needle core
biopsy in the histological characterisation of mammary
lesions. Breast 2006; 15: 76–80.
Collins LC, Achacoso NA, Nekhlyudov L, Fletcher SW,
Haque R, Quesenberry CP Jr, Alshak NS, Puligandla B,
Brodsky GL, Schnitt SJ, Habel LA. Clinical and pathologic
features of ductal carcinoma in situ associated with the
presence of flat epithelial atypia: an analysis of 543 patients.
Mod Pathol 2007; 20: 1149–55.
Dillon MF, McDermott EW, Hill AD, O’Doherty A,
O’Higgins N, Quinn CM. Predictive value of breast lesions
of »uncertain malignant potential« and »suspicious of
malignancy« determined by needle core biopsy. Ann Surg
Oncol 2006; 14: 704–11.
Schnitt SJ. Flat epithelial atypia – classification, pathologic
features and clinical significance. Breast Cancer Res 2003;
5: 263–68.
Stufe-3-Leitlinie. Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland. U.-S. Albert (Hrsg). München: Zuckschwerdt 2008.
Schulz KD, Albert US (Hrsg). Stufe-3-Leitlinie. Brustkrebsfrüherkennung in Deutschland. München: Zuckschwerdt
2003; 112.
Tavassoli FA. Ductal carcinomas in situ: introduction of
the concept of ductal intraepithelial neoplasia. Mod Pathol
1998; 11: 140–54.
Wang J, Constantino JP, Ta-Chiu E, Wickerham DL, Piks S,
Wolmark N. Lower-category benign breast disease and
the risk of invasive breast cancer. J Natl Cancer Inst 2004;
96: 616–21
Dr. med. Anke Kleine-Tebbe
Leiterin Brustzentrum
DRK Kliniken Berlin | Köpenick
Salvador-Allende-Straße 2–8
12559 Berlin
Dr. med. Anke Kleine-Tebbe erhielt ihre umfassende gynäkologische und senologische Aus- und Weiterbildung an
der Charité mit dem Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie im Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Über drei
Jahre war sie leitende Oberärztin des Interdisziplinären
Brustzentrums der Charité. Durch die sehr gute Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen (Pathologie) entstand
dieser Artikel gemeinsam mit Frau Dr. Aurelia Noske. Seit
01.02.2009 leitet Dr. med. Anke Kleine-Tebbe das zertifizierte Brustzentrum der DRK Kliniken Berlin.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen erklären, dass kein Interessenkonflikt im
Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE; www.icmje.org) besteht.
Manuskriptdaten
Datum der Einreichung: 25.01.2009
Datum der Annahme: 17.02.2009
Kleine-Tebbe A. Benigne ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2009;5(1):58–64 publiziert 31.03.09 www.akademos.de/gyn © akademos Wissenschaftsverlag 2009 ISSN 1614-8533
CME-Fortbildung
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Benigne und präinvasive Läsionen der Brust
Frage 1
Bei welcher der folgenden Läsionen ist nach Diagnosestellung mittels perkutaner Biopsie eine
offene Exzision nicht indiziert?
a. DCIS (duktales Carcinoma in situ)
b. ADH (atypische duktale Hyperplasie)
c. Fibroadenom
d. papilläre Läsion mit Atypien
e. lobuläre Neoplasie (LN)
Frage 2
Welche Faktoren führen dazu, dass eine Risikoläsion
unterschätzt werden kann? Was trifft nicht zu?
a. Die Läsion wurde nur teilweise entfernt.
b. Die gewonnene Gewebsprobe ist zu gering für
eine exakte Diagnose.
c. Nur die Hochrisikoläsion wurde bildgebend manifest, die fortgeschrittene Läsion in unmittelbarer
Nachbarschaft wurde übersehen.
d. Es wurde nur ein Stanzzylinder gewonnen.
e. Die Patientin erhält eine Hormontherapie.
Frage 3
Die flache epitheliale Atypie (FEA) entspricht in der
neuen DIN-Terminologie folgender Klassifikation:
a. DIN 3
b. DIN 1A
c. DIN 1C
d. DIN 1B
e. DIN 2
Frage 4
Welche Faktoren beeinflussen die diagnostische
Sicherheit einer Stanzbiopsie? Was trifft nicht zu?
a. Erfahrung des Pathologen
b. Anzahl der Gewebeproben
c. Aufbereitung der Gewebeproben
d. Erfahrung des stanzenden Arztes
e. Alter der Patientin
Frage 5
Eine Patientin mit einem neu aufgetretenen Knoten
stellt sich bei Ihnen vor. Sonographisch sehen Sie
einen querovalen, glatt begrenzten, homogenen
Tumor. Welches Vorgehen ist nicht indiziert?
a. offene Exzision
b. histologische Sicherung durch sonographisch
gestützte Stanzbiopsie
c. Verlaufskontrolle in 6 Monaten
d. histologische Sicherung und offene Exstirpation
bei Beschwerden
e. histologische Sicherung durch
Vakuumstanzbiopsie
Frage 6
Was trifft auf die lobuläre Neoplasie (LN) zu?
a. ist immer tastbar
b. ist radiologisch meist darstellbar
c. ist in histologischen Diagnosen niemals
ein Zufallsbefund
d. stanzbioptisch diagnostizierte LN III stellt
keine Indikation für eine offene/diagnostische
Exzision dar
e. in der Nachbarschaft von LN können höhergradige Läsionen nachweisbar sein
Frage 7
Welches Vorgehen ist bei stanzbioptisch gesichertem Papillom indiziert?
a. operative Entfernung mit Sentinel-Lymphknoten
b. vollständige diagnostische Exzision
c. keine Exzision, da Papillome sich meist benigne
verhalten
d. nur Exzision, wenn Atypien in der stanzbioptischen Untersuchung nachgewiesen wurden
e. mammographische Kontrolle nach 6 Monaten
Frage 8
Zu den B2-Läsionen zählt nicht?
a. Fibroadenom
b. fibrös-zystische Mastopathie
c. Phylloidestumor
d. duktale Epithelhyperplasie (UDH)
e. apokrine Metaplasie
Frage 9
Welche Aussage zum DCIS trifft zu?
a. Das DCIS zeigt eine obligate Tendenz zur
Progression in ein invasives Karzinom.
b. Das DCIS ist mammographisch gut darstellbar.
c. DCIS sind nur selten mit Mikrokalk assoziiert.
d. Das DCIS wird histologisch graduiert in low-,
intermediate- und high-grade.
e. Das DCIS gehört in der B-Klassifikation zur
Kategorie B3.
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64
Frage 10
Was trifft für die lobuläre Neoplasie (LN) nicht zu?
a. Die LN kann zum duktal invasiven Karzinom
führen.
b. Die LN kann zum lobulär invasiven Karzinom
führen.
c. Die LN tritt häufig multizentrisch auf.
d. Die höhergradige LN in der Nadel-Biopsie sollte
durch eine offene Biopsie abgeklärt werden.
e. Die LN III gehört in die B2-Kategorie.
Bitte geben Sie die Lösungen online ein unter
www.akademos.de/gyn. Sofern Sie die erforderliche
Anzahl an richtigen Antworten haben, erhalten Sie
Ihre Fortbildungspunkte. Bei einer unzureichenden
Punktzahl können Sie die Eingabe nach 24 Stunden
wiederholen.