von Tatjana Brandes Zuckerrüben. Zuckerrübenschnitzel. Alles

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von Tatjana Brandes Zuckerrüben. Zuckerrübenschnitzel. Alles
von Tatjana Brandes
Zuckerrüben. Zuckerrübenschnitzel. Alles Zucker?
Zuckerrüben – in Form von ganzen Früchten, Schnitzeln und als Bestandteil von
Kraftfuttermischungen – spielen nach wie vor in der Pferdefütterung eine große Rolle.
Traditionell begründet sich die Verwendung der Zuckerrübe in der Pferdefütterung auf die
gleichen Gründe wie die Haferfütterung: beide Futtermittel waren in der Vergangenheit in
Massen vorhanden, leicht anzubauen und billig. Hafer gilt bis heute – zu Recht – als das beste
Kraftfutter für Pferde. Bei Zuckerrüben sieht es hingegen ganz anders aus. Noch immer
stopfen viel Pferdehalter ihre Tiere mit Zuckerrüben in allen Varianten voll. Angeblich als
Energielieferant besonders auch bei schwerfuttrigen Pferden.
Tatsächlich liefern Zuckerrüben aber keine nennenswerte Energie. Im Gegenteil. Die Energie,
welche die Zuckerrübe bietet, liefert sie über den enthaltenden Zucker. Dieser aber steht nur
für einen akuten Bedarf zur Verfügung. Der Rohfasergehalt ist zwar bei der Zuckerrübe nicht
schlecht, gemessen an der Menge der Zuckerrüben-Gaben jedoch nicht relevant. Würde man
dem Pferd Energie über Rohfaser zuführen wollen, wären ein paar Halme Heu mehr
effektiver.
Die Zuckerrübe verfügt nur im ganz frischen Erntezustand über Vitamine. Schon nach
2tägiger Lagerung enthält sie keine Vitamine mehr. Auch Spurenelemente sind in
Zuckerrüben in nicht nennenswerter Masse vorhanden. Zuckerrüben oder
Zuckerrübenschnitzel haben zwar einen hohen Calciumgehalt, aber das Calcium ist nur als
Calciumoxalat und Calciumbicarbonat, einer anorganischen und praktisch unverdaulichen
Calciumverbindung, vorhanden. Wer Zuckerrüben oder Zuckerrübenschnitzel also als
Calciumlieferant in seine Ration einrechnet, ernährt seine Pferde de facto im Calciummangel.
Dafür liefert die Zuckerrübe viel Zucker.
Zuckerrübenschnitzel (unmelassiert) enthalten pro Kilo 80 g Zucker! Die gängigen
melassierten Zuckerrübenschnitzel sogar 250g! (Zum Vergleich: nur 400 Gramm Zucker
täglich reichen bei einem Pferd aus, innerhalb von drei Wochen aus einem leichten
Magengeschwür ein mittelschweres Magengeschwür zu machen. (Quelle: M.S. O’Connor,
J.M. Steiner, A. J. Roussel et al.: Evaluation of urine sucrose concentration for detection of
gastric ulcers in horses.) Am. J. Vet. Res. 65, 31–39 (2004).)
Doch nicht nur das Magenmilieu wird durch Zuckerrüben negativ beeinflusst. Durch den
hohen Zuckergehalt der Rübe wird vermehrt Insulin verbraucht, d. h. es entsteht ein relativer
Insulinmangel. Sekundär versucht der Körper, vermehrt Insulin zu produzieren – was auf
Dauer dann zu einer Pankreas-Insuffizienz in diesem Bereich führen kann. Durch den dadurch
unbotmäßig angeheizten Ketonstoffwechsel wird die Niere über Gebühr belastet.
Werden regelmäßig Rübenschnitzel oder Zuckerrüben in Mengen über einem Pfund gegeben,
dann überlastet man also den Stoffwechsel des Pferdes. Man erzieht sich einen „guten
Futterverwerter“, der bei immer geringeren Rationen immer dicker wird – bzw. macht aus
einem dünnen Pferd ein noch dünneres. Nämlich dann, wenn die Resorptionskraft nach
vormaligem Anstieg der „Ausbeute“ aus der Nahrung irgendwann erlahmt.
Gegen Rübenschnitzel als Diätfutter, wenn das Pferd eine Kolik o. ä. hatte und nicht fressen
mag, sozusagen als Appetitanreger und als kurzfristiger Füllstoff, mit dem der Körper nicht
all zuviel machen muss, ist nichts einzuwenden. Als dauerhafter Rationsbestandteil hingegen
sind sie nicht geeignet.
Die Wirkweise von Ketonen.
Ketone sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die eine bestimmte chemische
Struktur (Ketogruppe) aufweisen. Verschiedene Ketone sind: Acetessigsäure, ßHydroxybuttersäure und Aceton. Das einfachste Keton ist Aceton.
Zu viele Ketonkörper im Blut führen zu einer Übersäuerung des Blutes (Ketoacidose). Durch
Übersäuerung werden vermehrt freie radikale gebildet, die Tätigkeit von Enzymen
eingeschränkt, die Vitalstoffe in der Nahrung werden nicht ausreichend verwertet, und das
Immunsystem wird geschwächt.
Die Reaktionskette bei Rübenfütterung sieht folgendermaßen aus:
Viel Zucker
⇒ hoher Blutzucker
⇒ dadurch relativer Insulinmangel
⇒ Bildung von Ketonen
⇒ die werden im Zitronensäurezyklus abgebaut
⇒ dabei entsteht auch wieder das Ketonaceton
⇒ Hungergefühlt nimmt ab
⇒ Pferd frisst weniger
⇒ gleichzeitig wird die Energiegewinnung aus der Nahrung noch weiter reduziert
⇒ aus dem bisschen, was das Pferd jetzt frisst wird noch weniger Energie gewonnen
⇒ Hungerstoffwechsel beginnt
⇒ körpereigene Fettsäuredepots werden abgebaut
⇒ Ketone entstehen
⇒ und so geht die ganze Reaktionskette von vorn los.
Bis letztendlich die Keton-Konzentration in Atemluft, Blut und Urin so hoch ist, dass eine
Niereninsuffizienz aufgrund der Verschiebung des Elektrolyt-Haushaltes folgt.
Zuckerrüben und Zuckerrübenprodukte greifen also auf breiter Front an und können bei
Dauerfütterung einen Hungerstoffwechsel auslösen. Die Folge ist ein immer dünner
werdendes Pferd, das immer schlapper wird und irgendwann auch nicht mehr richtig fressen
mag.
Fazit:
Zuckerrüben als kurzfristiger Appetitanreger: unbedingt.
Zuckerrüben als Dauerfutter oder Dauerkomponente in der Kraftfutterration: auf keinen
Fall!!