Ausführungen von Friedrich von Metzler anlässlich der 11

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Ausführungen von Friedrich von Metzler anlässlich der 11
Ausführungen von
Friedrich von Metzler
anlässlich der 11. Handelsblatt-Jahrestagung
Banken im Umbruch am 1. September 2006
in Frankfurt am Main
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrte Damen und Herren,
noch vor sieben bis zehn Jahren – Sie erinnern sich alle an die so genannte „New
Economy“ – wäre diese Themenstellung bei einer Bankentagung undenkbar gewesen.
Man wäre als ewig gestriger bezeichnet worden, als jemand, der die Zeichen der Zeit
nicht verstanden hat.
Ich gehe davon aus, dass dies auch in einigen Jahren wieder so sein wird, und kann
dann bestimmt einmal mehr Sir John Templeton zitieren, frei nach dem Motto „Die
teuersten Worte bei der Geldanlage sind: diesmal ist alles anders“.
Derzeit jedoch erleben wir nicht nur eine publizistische Renaissance des
Familienunternehmers, der als so genannter „guter Kapitalist“ gerne dem angestellten
Manager als dem Prototyp des „schlechten Kapitalisten“ gegenübergestellt wird. Auch
das war nicht immer so. Vor etwa 10 bis 15 Jahren, zur Hochzeit der ShareholderValue-Konzeptes, ging es unter dem zunehmenden Einfluss von Analysten,
Fondsmanagern und Unternehmensberatern doch gerade darum, dass Manager
kurzfristig den Marktwert von Unternehmen steigern .
Ich will hier die aus meiner Sicht eher recht schlichte Diskussion um „gute“ oder
„schlechte“ Kapitalisten nicht vertiefen. Allerdings darf ich als Familienunternehmer
eine Lanze für die Langfristigkeit brechen, zumal uns in der Geldanlage nicht nur der
Erfolg von Warren Buffet lehrt, dass langfristiges Denken und Handeln kurzfristigem
Agieren deutlich überlegen ist.
Strukturen, Potenziale und Strategien sind das Thema dieses Tages. Die langfristige
Sicht darauf hat unserem Haus die Unabhängigkeit gesichert. Und auf Basis dieser
Unabhängigkeit entstehen Vertrauen, nachhaltige Geschäftsbeziehungen und
nachhaltige Erfolge. Unabhängigkeit, Vertrauen und Nachhaltigkeit, über die ich hier
spreche, sind also keine modische Marketing-Masche. Sie prägen unser Denken und
Handeln seit nunmehr 332 Jahren. Sie entspringen auch nicht irgendwelchem
Gutmenschsein, sondern sind streng rational und ökonomisch begründet.
Entscheidender Wettbewerbsfaktor: Unabhängigkeit
Wir sind sicher eines der wenigen deutschen Unternehmen, das nach 332 Jahren
immer noch im Alleinbesitz der Gründerfamilie ist. Die Geschäftsphilosophie unseres
Hauses war über die ganzen Jahrhunderte darauf ausgerichtet, diese Unabhängigkeit
bewahren zu können.
Gelungen ist dies durch Konzentration auf Gebiete, die zu unserer Struktur passen und
in denen wir – unabhängig von der Größe unseres Hauses – mindestens genauso gute
oder auch bessere Dienstleistungen erbringen können als die Größten der Branche.
Notwendige Voraussetzung für die Bewahrung der Unabhängigkeit ist zudem die
Bereitschaft, sich selbst immer wieder in Frage zu stellen und die Strategie dem
veränderten Marktumfeld anzupassen.
Ein kurzer Blick zurück:
Die Bank geht zurück auf die Tuchhandlung, die Benjamin Metzler 1674 gründete. Er
war Spross einer traditionsreichen protestantischen Theologenfamilie aus dem
sächsischen Vogtland. Zu dem Tuch- und späteren Spezereihandel kam die Spedition,
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denn die Firma musste sich damals selbst um den Transport der Waren kümmern.
Damit war es notwendig, Frachten und Zollbeträge vorzustrecken oder Vorschüsse auf
noch nicht verkaufte Waren zu gewähren; die Währungsverhältnisse im alten
deutschen Reich zwangen außerdem dazu, größere Geldmengen verschiedenster
Sorten und Herkunft bereitzuhalten. So verband sich mit dem Speditions- und
Kommissionsgeschäft ein Wechsel- und Geldgeschäft, das im Laufe der Zeit das
Warengeschäft an Bedeutung zurücktreten ließ. Ab etwa 1760 hatte sich Metzler
endgültig zu einer reinen Bank gewandelt.
In jener Zeit konnte man sich noch 100 Jahre leisten für eine notwendige
Strategieanpassung.
Heute ist Metzler eine moderne Vermögensverwaltungs- und Investmentbank. Die
letzte größere strategische Weichenstellung begann in den 1970er-Jahren. Der
konsequente Verzicht auf das Kreditgeschäft erfolgte in einer Zeit, in dem wir damit
noch gut Geld verdient haben. Wir waren aber der Meinung dass wir auf Grund
unserer Struktur- d.h. fehlende Spareinlagen, zu geringe Risikostreuung und keine
Präsenz zur Betreuung vor Ort – ständig an relativer Stärke gegenüber Sparkassen und
großen Banken, die in diesem Geschäft erfolgreich sind, verlieren. Wir haben uns
daher bewusst auf die individuelle Beratung von Institutionen und anspruchsvollen
Privatkunden konzentriert. Unsere fünf Kerngeschäftsfelder sind das Asset
Management, Corporate Finance, Equities, Financial Markets und Private Banking. Wo
es um Produkte geht, die wir selbst nicht darstellen können, nutzen wir bewährte
Kooperationen..
Wir haben aber bewusst einen anderen Weg beschritten als viele Mitbewerber, die in
einer globalen Welt den Zusammenschluss mit anderen Instituten gesucht haben. Dies
würde unsere Position nicht verbessern. Denn durch die Struktur unseres Geschäfts
vermeiden wir von vorne herein Interessenkonflikte – zum Vorteil unserer Kunden. Der
professionelle Rat in allen Kerngeschäftsfeldern beruht auf Unabhängigkeit, dem
entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wir können ohne Interessenkonflikte, also allein
im Auftrag des Kunden handeln, da wir keinem Konzernverbund oder externen
Anteilseignern verpflichtet sind und uns beim Engagement in Aufsichtsgremien
bewusst zurückhalten. Zudem betreiben wir keinen Aktienhandel auf eigene
Rechnung.
Unabhängige Beratung erfordert Disziplin und den Verzicht auf kurzfristige
Geschäftsmöglichkeiten. Wir glauben aber, dass dieser Weg längerfristig der Erfolg
versprechendere ist. Konkret heißt das: Im Private Banking verzichten wir auf den
Verkauf von eigenen Produkten. Im Corporate Finance beraten wir ausschließlich
unsere Kunden und konkurrieren nicht mit eigenen Kaufinteressen als Private-EquityAnbieter. Und im Bereich Equities – also der Aktienanalyse und -beratung – verzichten
wir bewusst auf den Eigenhandel und die Beteiligung an Platzierungs-Konsortien.
Auf eine eigene IT verzichten wir allerdings nicht. Hier sind wir einen Sonderweg
gegangen. Für uns ist die IT nicht nur interner Dienstleister, sondern strategischer
Wettbewerbsfaktor.
Wir waren bereits in den 1980er-Jahren der Auffassung, dass IT-Lösungen der
Schlüssel zum Erfolg im Finanzgewerbe sind. Wir waren nicht nur die erste Bank in
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Deutschland, die einen Partner in der Geschäftsführung aufgenommen hat, der für IT
zuständig ist, sondern beschäftigen derzeit fast 100 Software-Entwickler. Auch hier
spielt das Thema Unabhängigkeit eine große Rolle. Einerseits wollen wir selbst die
Verantwortung übernehmen können für die Umsetzung der Konzepte, die wir für
unsere Kunden entwickeln. Andererseits ist Systemführerschaft bei der Anwendung
und Weiterentwicklung unserer Software-Tools strategischer Wettbewerbsfaktor. Den
nötigen Marktzugang für unsere Software-Produkte haben wir durch strategische
Allianzen mit zwei IT-Entwicklungs- und Vermarktungshäusern. Wir entwickeln diese
bis zur Marktreife und arbeiten die Anforderungen der Marktteilnehmer mit in deren
Entwicklung ein. Mittlerweile verkaufen wir unsere Softwarelösungen an über 60
Mitbewerber – Versicherungsunternehmen und Kapitalanlagegesellschaften.
Unabhängiges Denken und die langfristige Sicht, wie ich sie am Beispiel unseres
Hauses geschildert habe, sind nicht nur für unseren Geschäftserfolg rational und
ökonomisch begründbare Prinzipien. Gerade in einer globalisierten Wirtschaft sind dies
Werte, die nicht hoch genug geschätzt werden können. Aus meiner Sicht hätte
manche Krise wie die der New Economy nicht solch große Kreise gezogen, wenn diese
Werte beherzter vertreten worden wären. Lassen Sie mich diese Überlegungen auf das
Thema Vertrauen ausweiten.
Vertrauen ist die stärkste Währung
Spätestens seit den Bilanzskandalen um Enron und Worldcom ist Vertrauen die
wichtigste Währung an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten. Diese Währung ist derzeit äußerst knapp und hat einen steigenden Wert. Zudem kann es keine
internationale Notenbank geben, die sich um die Stabilität dieser Währung kümmert.
Sie lässt sich auch nicht beliebig schnell vermehren.
Einige grundsätzliche Überlegungen: Was ist Vertrauen? Der feste Glaube, dass eine
bestimmte Erwartung erfüllt wird und dass bestimmte Regeln freiwillig eingehalten
werden. In diesem Sinne ist Vertrauen die Basis menschlichen Zusammenlebens und
Zusammenarbeitens. Dieses so genannte Systemvertrauen gibt uns Sicherheit und
erleichtert uns Entscheidungen.
Vertrauen ist die Voraussetzung für fast jede wirtschaftliche Interaktion. Es ist umso
wichtiger, je komplexer die jeweilige Ware ist. Denn kaum ein Marktteilnehmer kann
die Qualität der Produkte und Dienstleistungen ohne unverhältnismäßig hohen
Aufwand beurteilen. Er ist – wie die auf Schnelligkeit und Effizienz bedachten Märkte
generell – darauf angewiesen, dass er seinen Geschäftpartnern vertrauen kann. Der
große Erfolg von Marken, die eine bestimmte Qualität garantieren, ist eine moderne
Ausprägung von Vertrauen. Auch die Größe eines Unternehmens symbolisierte für
viele Jahrzehnte Vertrauen in Seriosität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Mittlerweile ist diese Gleichung nicht mehr automatisch gültig.
Wie entsteht Vertrauen? Vertrauen gründet auf langfristig bewährten und stabilen
persönlichen Beziehungen – im Privaten wie im Geschäftlichen. Nachhaltig positive
Erfahrungen stärken die Glaubwürdigkeit des Gegenübers und erhöhen damit das
Vertrauen in seine Integrität. Die Gewissheit, dass man dem anderen vertrauen kann,
speist sich aus der Erfahrung, dass die Versprechen in der Vergangenheit regelmäßig
eingelöst und somit die Erwartungen nicht enttäuscht wurden. Von Mal zu Mal verringert sich dann die Wahrscheinlichkeit, dass mit unliebsamen Überraschungen zu
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rechnen ist. Etwaige Enttäuschungen beim Geschäftspartner werden wahrgenommen
und korrigiert.
Personen und Institutionen schaffen Vertrauen durch langfristig konsistentes Verhalten.
Entscheidend ist dabei der Gleichklang zwischen Reden und Handeln. Versprechen, die
eingehalten werden, sind der Nährboden, auf dem Vertrauen wächst. Der Faktor Zeit
spielt dabei die entscheidende Rolle, ebenso wie Geduld. So kann Vertrauen ebenso
stark und mächtig wachsen wie ein Mammutbaum. Kommt der Baum allerdings ins
Wanken, ist sein Sturz meist nicht mehr aufzuhalten. Auch beim Vertrauen ist dies so.
Dieses Bild veranschaulicht die Schwachstelle des aktuellen Wirtschaftssystems, das
sich in den vergangenen Jahren immer schneller und weiter verzweigt hat. Wir merken
immer mehr, dass es sich dabei um ein noch fragiles Gebilde handelt – die globalisierte
Weltwirtschaft steht noch auf schwankendem Grund, und es wird noch einige Zeit
brauchen, bis ein stabiles Fundament für gegenseitiges Vertrauen über Länder- und
Kulturgrenzen hinweg entstanden ist. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass
offene Märkte ohne versteckten Protektionismus für alle Länder – auch die ärmereneine größere Wertschöpfung und mehr Wohlstand bringen.
Um wieder konkreter zu werden und meine Ausführungen auf das Finanzgeschäft zu
beziehen, möchte ich noch einmal auf das Beispiel der New Economy zurückkommen.
Sie hat uns auf schmerzliche Art gezeigt, dass Vertrauen gerade dann Geduld braucht,
wenn die jeweiligen Geschäftspartner nicht aus dem vertrauten Umfeld stammen und
zudem keinen langen Erfolgsweg vorweisen können, der einen Vorschuss an Vertrauen
rechtfertigen würde. Der Faktor Geduld wurde für eine bestimmte Zeit außer Kraft
gesetzt und durch Geschwindigkeit ersetzt. Die Anleger an den internationalen Finanzund Kapitalmärkten ergaben sich einem blinden Vertrauen und einem
unverhältnismäßigen Glauben an die digitale Revolution. Traditionelle Bewertungs- und
Bilanzkennzahlen galten als überholt; Unternehmen wurden an ihrer Cash-Burn-Rate
gemessen und nicht mehr daran, ob sie in der Lage sind Geld zu verdienen.
Warnende Stimmen wurden geflissentlich überhört – das Prinzip Hoffnung siegte auf
breiter Front. Diese Phase war gekennzeichnet durch schnelle Erfolge, kurzfristiges
Denken von Quartal zu Quartal und durch ein sich immer schneller drehendes
Manager-Karussell, sowie Geschäftsbeziehungen ohne persönlichen Kontakt. Die Folge
war: Die soziale Kontrolle ging verloren, und die üblichen gesellschaftlichen
Sanktionsmechanismen griffen nicht mehr: Wer keiner sozialen Gruppe fest angehört,
kann sich von einem möglichen Ausschluss oder von einer gesellschaftlichen Ächtung
nicht bedroht fühlen – die Hemmschwelle sinkt, das Vertrauen anderer Menschen zu
missbrauchen.
Ist das Vertrauen einmal zerstört, so ist es äußerst schwer oder gar unmöglich, dieses
wiederherzustellen. Das gilt für menschliche Beziehungen genauso wie für
wirtschaftliche. Ein Grundzweifel wird lange erhalten bleiben und die Beziehung immer
wieder in Frage stellen. Der Aufwand für die Überprüfung der Produkte und Dienstleistungen wird zunehmen, und die Teilnahme an einem reibungslosen
Geschäftsverlauf wird gestört.
Vertrauen aufzubauen kostet materielle Ressourcen. Belohnt es der Markt nicht,
werden Aufbau und Pflege vernachlässigt. Die Aufwendungen dafür werden
zurückgeschraubt. Auch dies hat die New Economy leider nur allzu deutlich vor Augen
geführt.
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Bezogen auf unser Bankgeschäft erlebe ich täglich, dass es sich lohnt, in Vertrauen zu
investieren – auch im übertragenen Sinn. Dazu gehört in unserem Fall, die
Unabhängigkeit zu wahren, denn das Wissen um die Unabhängigkeit des
Geschäftspartners wirkt vertrauensbildend – was nicht nur für das Bankgeschäft gilt. In
unserem Falle ist die Unabhängigkeit, wie bereits erwähnt, wichtige Basis für
langfristige Geschäftsbeziehungen. Denn sie erlaubt uns, unbeeinflusst von vielfältigen
und gegebenenfalls widerstreitenden Interessen, konsistent zu planen, zu reden und zu
handeln. Und Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind wiederum Basis für Vertrauen
und für nachhaltig erfolgreiche Geschäftsbeziehungen.
Nachhaltigkeit heißt, Verantwortung zu übernehmen
Der Begriff Nachhaltigkeit wird inzwischen gerne und viel strapaziert – auch in der
Werbung, ähnlich wie Unabhängigkeit und Vertrauen. Unlängst hörte ich von einer
Umfrage, die besagte, dass nur jeder fünfte Deutsche den Begriff einordnen kann. Ich
verweise immer gerne auf die ursprüngliche Bedeutung aus der Forstwirtschaft: Dort
geht es darum, so besonnen abzuholzen, dass sich der Wald immer wieder
regenerieren kann. Ganz allgemein scheint mir folgende Definition sinnvoll:
Nachhaltigkeit bedeutet, Verantwortung zu übernehmen für die langfristigen
Auswirkungen des eigenen Handelns.
In diesem Zusammenhang haben die Nachwehen der New Economy ein System
grundlegend in Frage gestellt: Eine kurzfristig ausgerichtete Wirtschaftsordnung mit
Entscheidern, die für die Ergebnisse ihres Handelns nicht einstehen müssen. Es fehlte
an Fairness und transparenten Verfahren. Dies zeigt, dass kurzfristige
Gewinnmaximierung keine tragfähige Strategie für langfristig erfolgreiches
Unternehmertum ist – und damit für wirtschaftliches Handeln, das Vertrauen verdient.
Erst die Komponenten einer nachhaltigen Entwicklung sichern den unternehmerischen
Erfolg – und lassen langsam wieder Vertrauen wachsen.
Und: Vertrauen macht Handlungsfähig.
Denn es vereinfacht die Zusammenarbeit, es fungiert als Entlastungs-mechanismus.
Misstrauen hingegen kostet Zeit. Zeit zur Kontrolle und zur Entwicklung immer neuer
Absicherungsstrategien.
Ich glaube, dass es schon wieder mehr Unternehmer gibt, die ihr Unternehmen für
mehrere Generationen aufbauen, nach dieser Maxime leiten und mit ihrem Namen für
bestimmte Werte stehen. Und ich gehe davon aus, dass viele Unternehmer verstanden
haben, wie wichtig es für einen langfristigen Geschäftserfolg ist, sich strikt an
transparenten und damit nachprüfbaren Grundsätzen der Unternehmensführung zu
orientieren. Wirtschaftliches Handeln muss also wieder stärker am gesellschaftlichen
Nutzen orientiert sein – gefordert ist ein Unternehmertum, das sich auch der
Nachhaltigkeit im Sinne sozialer und ökologischer Werte verpflichtet fühlt. Nur über
das Leitbild einer nachhaltigen, also langfristig verantwortlichen Unternehmensführung
kann es aus meiner Sicht gelingen, das Vertrauen der Anleger in die Unternehmen zu
erhalten oder wieder zurück zu gewinnen.
An dieser Stelle möchte ich nochmals auf das Unternehmen zu sprechen kommen, das
ich hier vertrete. Wir haben als Bankhaus alle Krisen der letzten 300 Jahre erlebt und
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daraus Einiges gelernt, was nachhaltige Entwicklung betrifft – im Sinne unserer
Kunden und deren Vermögen, im Sinne des Erhalts unseres Geschäftes über
Generationen, unserer Unabhängigkeit und letztlich unserer Profitabilität. Wir haben die
Ausdauer, den einmal getroffenen strategischen Entscheidungen genügend Zeit zur
Reife zu geben, und die Bereitschaft, den für richtig erachteten Weg zielstrebig zu
gehen.
Nachhaltiger Unternehmergeist im unserem Sinne, heißt aber auch Bewahrung durch
Veränderung. Dementsprechend müssen wir ständig danach streben, neue
Marktchancen frühzeitig zu erkennen und zeitnah zu nutzen. In diesem
Zusammenhang ist ein wichtiger Erfolgsfaktor auch das unternehmerische
Engagement von unseren Mitarbeitern an jedem Platz – also von Mitarbeitern, die
Anstöße für solche Veränderungen geben, die bereit sind, in neue Aufgaben
hineinzuwachsen und damit unseren unternehmerischen Erfolg mitgestalten.
Agieren statt Reagieren ist unsere Maxime; nur so kann es dem Bankhaus gelingen,
das Heft des Handelns in der Hand zu behalten, seine Strategie aktiv an den
Erfordernissen der wechselnden Zeiten auszurichten und sich entsprechend früh in
neuen, viel versprechenden Marktsegmenten zu positionieren. So schließt sich der
weite Kreis um ein großes Thema, das manchem Kollegen der Financial Community
vielleicht zu abstrakt scheinen mag, über das wir aber immer wieder nachdenken und
reden sollten. Denn wir müssen uns selbst, unser Handeln und unsere Ziele immer
wieder in Frage stellen – auch über den Tellerrand hinaus und in größeren
Zusammenhängen. Und ich bin stolz darauf, dass dies auch immer zu unserer
Geschäftsphilosophie gehörte. Vor einigen Wochen las ich das Buch „Kollaps“ von
Jared Diamond. Mit dem bezeichnenden Untertitel: „Warum Gesellschaften überleben
oder untergehen“. Er beschreibt in seinem Buch unter anderem die Gesellschaft der
Osterinsel als ein Beispiel für selbstverschuldeten Untergang von Kulturen und kommt
zu dem Schluss:
„Die Werte, an denen die Menschen unter ungeeigneten Bedingungen am
hartnäckigsten festhalten, sind genau jene, durch die sie zuvor Ihre größten Triumphe
über widrige Umstände gefeiert haben.“
Und er folgert weiter, warum andere Gesellschaften erfolgreich waren: „[…], weil sie
herausfanden, an welchen innersten Werten sie nicht festhalten konnten.“
Unsere Strukturen, um den Bogen zu spannen zum Thema des heutigen Tages,
erlauben uns und unseren Mitarbeitern Unabhängigkeit – in der Meinungsbildung und
deren Kommunikation, in der Beratung unserer Kunden. Unser großes Potenzial sehen
wir im verantwortungsvollen Umgehen mit dieser Freiheit, was uns glaubwürdig macht
bei unseren Kunden. Und unsere Strategie beruht letztlich darauf, uns auf langfristige
Geschäftsbeziehungen in Bereichen zu konzentrieren, in denen uns wiederum unsere
Unabhängigkeit zugute kommt.
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