Prof. Dr. Gerti Senger Klin. Psychologin, Psychotherapeutin Institut

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Prof. Dr. Gerti Senger Klin. Psychologin, Psychotherapeutin Institut
Prof. Dr. Gerti Senger
Klin. Psychologin, Psychotherapeutin
Institut für angewandte Verhaltenstherapie
1190 Wien, Strehlgasse 32
So nehmen Sie Ihr Glück in die Hand
Selektieren, Optimieren,
Kompensieren
Man kann alt sein und sich jung fühlen. Man kann jung sein und sich alt
fühlen. Die Art, wie man sich heute jung oder alt fühlt, ist historisch
neu: Die Jugendphase dehnt sich. Junge Leute beenden später ihr
Studium, wohnen länger zuhause, heiraten später, öfter oder gar nicht.
Das Alter der erstgebärenden Frauen wird jährlich höher. Die Formen
des Zusammenlebens sind vielfältig. Getrennt lebend und verheiratet,
unverheiratet und gemeinsam lebend. Alles ist möglich.
Auch das Altersstereotyp hat sich geändert. Für die Nachkinderphase
gibt es keine Modelle. Oma geht vielleicht mit 58 an die Uni. Der Mann,
der sich früher mit 55 fragte „Soll das alles gewesen sein?“ und aus der
Familie ausstieg, gründet heute eine neue Familie.
Trotzdem altern wir ein Leben lang, aber, und jetzt kommt das
Tröstliche, dank unserer Kultur und geistigen Anpassungsfähigkeit
werden wir „erfolgreich“ älter. Das gilt auch für die Sexualität. Nahezu
jeder 40-Jährige hat sich schon gefragt: „Wie wird das mit meiner
sexuellen Kraft weitergehen?“
Die Versuchung, Ängste und Zweifel zu verdrängen, ist groß. Er sagt
nicht, dass er spürt, wenn sie keinen Orgasmus hat. Sie sagt nicht, dass
sie ahnt, warum er nicht mehr zärtlich ist – weil er sich schämt, dass er
nicht von Anfang an eine Erektion hat. Das schweigende
Übereinkommen raubt so viele Energien, dass es oft erleichternd ist,
wenn man jede sexuelle Aktivität aufgibt. Später wird bewusst, dass
damit gleichzeitig Näheerlebnisse und eine Intimitätsebene verloren
gehen, die nicht nur Lust, sondern auch Geborgenheit, Freude,
Stabilisierung und Schutz nach außen bedeuten.
Stecken Sie also den Kopf nicht
in den Sand. Konfrontieren Sie sich
mit Ihren Grenzen und machen Sie
mit all den zur Verfügung stehenden Hilfen das Beste daraus.
Sich mit Grenzen auseinander zu setzen, ist übrigens nicht nur ein
Thema der Sexualität und der reifen Jahre. Erfolgreiche Menschen
versuchen in jedem Alter, also schon in jüngeren Jahren, ihre
Möglichkeiten und ihre „Gewinne“ in den einzelnen Lebensbereichen
zu optimieren.
Untersuchungen des Psychologen Paul Baltes vom Berliner MaxPlanck-Institut zeigen, dass Erwachsene, die sich zuerst auf die Familie
und dann auf den Beruf oder erst auf den Beruf und dann auf die
Familie konzentrierten, zufriedener waren also solche, die beides unter
einen Hut bringen wollten. Baltes entwickelte auch ein
Verhaltensmodell, das ich Ihnen ans Herz lege, wenn Sie älter als 14
sind:
Die neue Formel
für Glück und Erfolg: SOK.
• Selektieren bedeutet, nicht alles zu wollen, sondern sich bei mehreren
Möglichkeiten nur auf das zu konzentrieren, was realistisch zu
verwirklichen ist.
• Optimieren heißt, aus dem, wofür Sie sich entschieden haben, mit
geeigneten Mitteln das Beste zu machen.
• Kompensieren bedeutet, alternative Wege für das zu suchen, was nicht
mehr vorhanden ist.
Als der über 80-jährige Konzertpianist Arthur Rubinstein gefragt wurde,
wie es denn möglich sei, dass er noch so virtuos spielen könne, gab er
eine Antwort, aus der das SOK-Prinzip herauszulesen ist. Rubinstein
sagte, dass er nicht mehr alles aus seinem Repertoire spiele. Er selektiert
also, trifft eine „Wahl“. Die Stücke, für die er sich entschieden hat,
optimiert er, indem er sie intensiver als früher übt. Schließlich
kompensiert er mit einem genialen Trick: Wenn Musikpassagen ein
Tempo verlangen, das seine Finger nicht mehr schaffen, spielt er die
Sequenz vorher langsamer. Durch den Kontrast wirkt das Tempo dann
genügend schnell.
Es ist nie zu spät, das SOK-Prinzip zu praktizieren. Tun Sie den ersten
Schritt und nehmen Sie Ihr Glück in die Hand.
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