Rane Serato
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Rane Serato
_Rane Serato 07.02.2005 14:48 Uhr Seite 2 DIE ALTERNATIVE RANE SERATO SCRATCH LIVE ch erinnere mich an den Anfang der 80er, als ich meinen Lieblingsonkel be-suchte und er mir ein neues Gerät zeigte, mit dem er angeblich das Fernsehen aufnehmen konnte. Er nannte es "Videorekorder", und ich konnte kaum glau-ben, dass das funktionieren sollte. Ende der 90er hieß es dann, es gäbe eine Technik, mit der man Audiodateien auf einem Rechner per Schallplatte steuern könne – erstaunlich, aber beides stimmte. I Und beides ist mittlerweile keine Besonderheit mehr: Für die bewegten Bilder gibt es inzwischen DVD und Harddisc-Recorder. Bei den über Vinyl steuerbaren, digitalen Soundfiles hat Stantons Final Scratch-System gezeigt, wie man die digitale und die analoge Welt zusammen bringt. Plötzlich war es möglich, MP3s, die auf dem Rechner liegen, über zwei Turntables wie Schallplatten zu behandeln. Genial! Nun kommt ein weiterer Anbieter auf den Markt, der es dem "alten Hasen" Final Scratch von Stanton zeigen will: Rane, der amerikanische Hersteller, der sich vor allem durch High-End DJ-Mixer mit dem Ruf der "Unkaputtbarkeit" einen guten Namen in der Szene erworben hat. "Serato Scratch Live" (kurz SSL) soll die Tugenden des Rane-Equipments nun auch in den Bereich "Computerzubehör" für DJs transportieren. Mein erster Eindruck 080 RAVELINE beim Auspacken bestätigt, dass dies gelungen scheint. Denn die Mainbox, das zentrale Stück Hardware, macht den Eindruck als könne man damit Nägel in die Wand hauen. Da ich aber gerade kein Bild aufhängen muss, hänge ich stattdessen lieber meine Technics und meinen Mixer an die Box, die ich vorher per USB ans Laptop geklemmt habe. Neben diesem zentralen Element des SSL-Systems finden sich im Lieferumfang eine vergleichsweise sehr gute, mit farbigen Screenshots versehene Bedienungsanleitung, eine CD mit Videos zur Unterstützung der Anleitung, zwei Vinyls und zwei CDs mit den Timecodes zur Steuerung der Files auf dem Rechner, alle benötigten Kabel, eine Installations-CD und reichlich Promo-Material. Die Controller-Box bietet zwar die Möglichkeit, ein externes Netzteil anzuschließen. Dieses sucht man jedoch vergeblich, den benötigten Strom bezieht SSL über das USB-Kabel. Die Installation der Software (Version 1.2) und der Treiber lief bei meinem Windows XP-Rechner ohne Probleme. Als erstes lasse ich die Festplatte nach nutzbaren Audioformaten (MP3, WAV AIFF sowie AudioCD-Files) durchsuchen und importiere diese in den SSL-Explorer. Damit bin ich fast startklar. Vor dem ersten Einsatz muss die Controller-Box noch kalibriert werden – hierbei wird automatisch ein Treshold-Level ermittelt, der die von der Nadel übertragenen Hintergrundgeräusche berücksichtigt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht: Ich lege einfach die Nadel auf das Serato-Vinyl und aktiviere den Kalibrierungsvorgang per Mausklick. Anschließend noch die Feinjustage von Phase und Balance – fertig! Ich muss zugeben, die Entscheidung, welches File ich als erstes "auf Schallplatte lege" war nicht so einfach wie die Installation ... Ein eigenes Stück? Ein Bootleg, das auf Vinyl nie mehr zu bekommen sein wird? Das Windows-Startgeräusch? Ich entscheide mich für einen Technotrack eines Freundes (Dr. Beckmann, einigen Lesern der ersten Stunde vielleicht noch als RLRedakteur bekannt): File markiert, per Shortcut auf den linken Plattenteller gelegt, schon läuft das Stück auf der Platte. Das zweite MP3 lege ich auf den rechten Teller, und dann kommt der spannende Moment: Angleichen der Geschwindigkeit, Mixen beider Tracks. Heißt: Abbremsen, runter pitchen, feintunen, Platte anhalten und zum nächsten Takt auf "die Eins" einscratchen – klappt wie gewohnt, weil man es, zumal als DJ, im Leben schon tausendmal gemacht hat. Selbst Rillensprünge – also das "Durchsteppen" durch einen Track durch Versetzen der Nadel funktioniert wie bei einer "echten" Platte. Es fühlt sich definitiv so an, als wäre der Track tatsächlich auf Platte gepresst. _Rane Serato 07.02.2005 14:48 Uhr Seite 3 Ich ertappe mich dabei, wie ich lächelnd und leicht ungläubig den Kopf schüttel. So muss ich wohl auch geschaut haben, als ich 1982 das erste Mal die Kabelfernbedienung des Beta-Viderecorders in der Hand hatte, bei "Auf dem Highway ist die Hölle los" auf Pause drücken und Farah Fawcetts Vorbau im Standbild bewundern konnte – nicht ganz reizlos für einen pubertierenden Bengel. HARDWARE Neben einem Eingang, über den ein Mikrofon durchgeschleift werden kann, bietet die SSL-Box vier StereoOuts: Die beiden Phonokanäle und die beiden Kanäle aus dem Rechner. So kann ich ständig zwischen den Rechnerfiles und meinen Platten wechseln. Sobald die SSL-Scheibe auf dem Teller liegt, wird diese von der Software erkannt. Möchte ich "normale" Platten in Kombination mit der Serato-Technik nutzen, lege ich einfach den Wahleingangsschalter am Mixer um (sollte der Mixer mehr als zwei Kanäle gleichzeitig bieten, entfällt das Umschalten natürlich). Durch die "Reverse Input Control" ist auch der Betrieb mit nur einem Plattenspieler oder CD-Player – alle genannten Vinylfunktionen sind ebenfalls mit einem DJ-CD-Player ausführbar – möglich. Ein besonderes Goodie ist die "Mic-Record"-Funktion – per Mausklick wird das Mikrofonsignal auf der Festplatte des Rechners aufgezeichnet und kann sofort abgespielt und gemixt werden. So könnte man im Club beispielsweise die Bestellung des nächsten Kaltgetränkes ans DJ-Pult extrem cool einscratchen. Das rockt. Noch wertvoller ist diese Funktion aber für die Kombination aus Scratch-DJ und MC – und dürfte dort auch weitaus öfter Anwendung finden. SOFTWARE Neben dem Finden und Auswählen der Audiofiles bietet die Software Hilfen beim Mixen an – die Platte dreht sich "virtuell" am Screen und man kann sich innerhalb der animierten Grafik farbige Marker setzen. Besonders für Turntablisten ist dies sicher ein sehr brauchbares Feature, um Scratch-Punkte schnell und exakt anzusteuern. Daneben zeigt eine farbige Wellenformdarstellung Position und Frequenzspektrum des laufenden Tracks. Außerdem wird durch eine Beat- und Tempo-Matching Anzeige das Angleichen der Tracks vereinfacht. Letztere Hilfen dienen Einsteigern sicher beim Erlernen ihres Jobs, einen "Profi" stören sie aber auch nicht. Die Audiofiles können nach gängigen Kriterien wie "Artist", "Tracktitel", "Album", "Länge", "Genre" etc. sortiert und angezeigt werden. Die entsprechenden Kategorien sind frei wähl- und justierbar. Zusätzlich lassen sich die Dateien in virtuellen Cases zusammenfassen und wahlweise sogar mit dem Plattencover abspeichern. Die Software bietet eine Online-Hilfe sowie ein ausgesprochen gut gemachtes Handbuch. Selbst wenn beides nicht vorhanden wäre, verstünde man die Funktionen schnell. Mehr als 20 Shortcuts machen die Bedienung auch ohne Maus möglich. Wer möchte sich damit im Club auch schon beschäftigen? PRAXIS Das gesamte "Look and Feel" des Serato-Systems kommt eher hausbacken, oder sagen wir lieber "wenig fancy" daher. Die Box hat fast schon Industrial-Charme, und das Software-Frontend wirkt, als sei das Layout bereits vor Jahren verabschiedet worden – und das ist keineswegs negativ gemeint. SSL weckt das Gefühl, das man sich bei Rane auf das Wesentliche konzentriert hat: Computerdateien per Vinyl zu steuern – die Usability steht eindeutig im Vordergrund. Kein unnützer Schnickschnack, keine überflüssigen Funktionen. Wer ein paar Absätze vorher über die Stromversorgung per USB gejubelt hat, dem darf ich nun einen Dämpfer verpassen und gleichzeitig den Hersteller rüffeln. Ganz "Oldschool" Platten auflegen, kann ich nämlich nur noch, wenn die kleine Zauberbox meine Phono-Signale durchschleift. Und das kann sie nur, wenn sie Strom hat. Lösung: Entweder Laptop an, komplett neu verkabeln oder ein Netzteil kaufen. Klingt total kompliziert – ist es auch! Da sollte Rane dringend nachbessern. Zum Beispiel mit einen Netzteil im Lieferumfang oder der Entkopplung der Phono-Signale von der Stromversorgung. So, wie es jetzt ist, trübt es die Freude doch sehr. Während meiner Testzeit hatte ich die Möglichkeit, SSL zu einem Set mit in den Club zu nehmen. Fünf Stunden Zeit, das System unter Härtebedingungen zu testen. Es funktionierte soweit alles gut, bis auf zwei kleine Aussetzer in der Mitte des Sets. Problem war, dass der Club bei der Kalibrierung des Setups am Anfang des Abends noch nicht die volle Hintergrundlautstärke erreicht hatte. Nachdem ich den Tresholdlevel nachjustiert hatte, lief alles wieder einwandfrei. Sollte sich also beim SSL-Einsatz die Raumlautstärke deutlich ändern, dann kann es nicht schaden, den sogenannten "Estimate"-Button während des Sets zu klicken. FAZIT Wie eingangs erwähnt, ist das Steuern von digitalen Dateien mittels Vinyl zumindest technisch nichts revolutionär Neues mehr. Rane Serato ist aber mehr als ein Tool. Letztendlich liefert es auf eine sehr geschmeidige und leicht bedienbare Art und Weise den Beweis, wie zwei Welten zusammenwachsen, die bisher nicht immer unbedingt in friedlicher Eintracht nebeneinander existiert haben. Der klassische DJ betrachtet den CDAkrobaten vielleicht mit leicht herablassender Hochnäsigkeit. Anders herum halten Digital-DJs die Vinyl-Freaks mitunter für technikfeindlich und rückwärtsgewandt. Beide Parteien dürfen sich jetzt aus dem Besten aus beiden Welten bedienen. Der Digital-Freund dürfte das Vinyl neu entdecken, für die analoge Zunft wird plötzlich ein riesiges Archiv von Musik nutzbar, das nie den Weg auf die Schallplatte gefunden hat – zum Beispiel der gerade erst produzierte eigene Track. Dubplate-Cutting war gestern! Rane und Final Scratch nutzen den Computer und greifen auf vorhandenes Equipment zurück, Nu-mark (CDX1) und Technics (DZ 1200) fertigen eigene Hardware. Die Entscheidung ist Geschmacksache. Mich hat während meiner Laufbahn als Tester in vier Jahren erst ein Gerät zum Kauf animiert: das Allen & Heath Xone92. Rane Serato ist das Zweite. TEST `N TEXT: IRWIN LESCHET SHORT CUTS Hersteller Produkt: Konzept: Lieferumfang Rane Serato Scratch Live MP3 DJ-System USB-Interface, 2 Timecode Vinyls 2 Timecode CDs, 4 Stereo Cinch Kabel USB Kabel, Software, Handbuch Formate MP3 (C.B.R./V.B.R.), AIFF, WAV Ogg Vorbis Audio-CD Specials 3 Abspiel-Modi (Extern, Relativ, Intern) Mikrofon-In, einstellbare Latenz für CPU Unterstützung Apple iTunes-Bibliothek verschieden schwere Timecode-Vinyls optional uvm System min: Win XP-PC Pentium III/700 MHz 128 MB RAM OsX G4-Mac, 500 MHz, 128 MB RAM Preis 915 Euro UVP Info www.rane.com www.serato.com VERLOSUNG Herzlichen Dank, Rane Deutschland! Denn das von uns getestete SSL-System dürfen wir sogleich an euch weiterreichen. Nennt unter dem Stichwort "Scratch it to the max!" bitte die drei grundsätzlichen Abspiel-Modi von Serato Scratch Live und schickt die Postkarte an unsere Redaktionsadresse (s. Impressum). Einsendeschluss ist der 25.03.05, der Rechtsweg bleibt ausgeschlossen. RAVELINE 081