Stand März 2010 Projektdaten: Förderprogramm: IKT 2020
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Stand März 2010 Projektdaten: Förderprogramm: IKT 2020
Projektdaten: Förderprogramm: IKT 2020 / Forschung für Innovationen Förderschwerpunkt: Mensch-Technik-Interaktion Förderkennzeichen: 01IB08001 Fördervolumen: 2,7 Mio. € Laufzeit: 01.07.2008 – 30.06.2011 Projektkoordinator: Prof. Dr. Klaus-Robert Müller Technische Universität Berlin FG Maschinelles Lernen Franklinstr. 28/29 10587 Berlin Tel.: 030/314-78620 Fax: 030/314-78622 Email: [email protected] Internet: www.bbci.de Projektpartner: Technische Universität Berlin Fraunhofer FIRST, Berlin TU Braunschweig, Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik Siemens AG, Automation & Drives, Nürnberg Daimler AG, Stuttgart (ab2009) Weitere Informationen: Projektträger des BMBF Softwaresysteme und Wissenstechnologien im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Rutherfordstr. 2 12489 Berlin Tel.: (030)-67055741 Internet: www.pt-it.pt-dir.de Herausgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Öffentlichkeitsarbeit 11055 Berlin Stand März 2010 Brain@work: Leichter EEG-Helm für universelle Anwendungen Brain@work Elektrische Gehirnsignale gemessen im Elektroenzephalogramm Unser Denken besteht aus einem komplexen Zusammenwirken elektrischer Signalverarbeitung und chemischer Signalspeicherung im Gehirn. Dabei sind bestimmten Bereichen im Gehirn eindeutig Aktivitäten des Körpers zu zuordnen, wie beispielsweise die Verarbeitung der Signale aus den Augen, die bei jedem Menschen am Hinterkopf im visuellen Cortex abläuft. Solche elektrischen Vorgänge laufen in allen Bereichen des Gehirns ab und überlagern sich dabei nach außen hin. Sie sind durch begleitende elektrische Spannungen auf der Haut messbar. Elektrische Gehirnsignale werden in der Klinik mit Hilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) gemessen. Dazu werden auf der Kopfhaut zwischen den Haaren zahlreiche Elektroden angebracht, mit denen die Spannungen von wenigen Millionstel Volt gemessen werden können. Üblicherweise kommen dabei Elektroden zum Einsatz, die den Kontaktwiderstand zwischen Elektrode und Hautoberfläche minimieren und einen stabilen, zuverlässigen Kontakt gewährleisten. Sogenannte Silber/Silberchlorid-Elektroden erfüllen diese Forderung am besten. Durch ein spezielles Kontaktgel, welches zwischen Elektroden und Kopfhaut in den Haaren aufgebracht wird, lässt sich der elektrische Widerstand minimieren und so die Ableitung des EEGs optimieren. Da für ein EEG normalerweise einige Dutzend Elektroden erforderlich sind, müssen alle Elektroden einzeln mit großer Sorgfalt in eine Kappe eingebracht und getestet werden. Für besonders gute Kontakte muss die oberste Schicht der Kopfhaut mechanisch aufgeraut oder abgetragen werden. Der zeitliche Aufwand und das erforderliche KnowHow dazu sind erheblich, so dass die EEG-Ableitung normalerweise den Spezialisten überlassen bleibt und die Ableitung von Gehirnsignalen für die Steuerung von Maschinen zu aufwändig erscheint. Nach der Messung müssen Kopfhaut und Haare wieder gereinigt werden. Die Signale des normalen Sehens sind zu kompliziert und zu schwach, um sie mit einem EEG zu verarbeiten. Jedoch können durch äußere Reize definierte stärkere Potentiale erzeugt, mit dem EEG aufgenommen und mit dem Computer herausgefiltert und weiterverarbeitet werden. Solche durch äußere, vorgegebene Reize erzeugte Signale werden als evozierte Potentiale bezeichnet, im Fall der visuellen Reizung als visuell evozierte Potentiale (VEP). Die Signale werden als Landkarte dargestellt (s. Abb. 1). In der medizinischen Anwendung erstellt der Arzt seine Diagnose, indem er die Gehirnaktivität des Erkrankten mit der gesunder Personen vergleicht. CeBIT Abbildung 1: Landkarte der elektrischen Gehirnsignale bei Aktivität im Gehirnzentrum Leichter Helm mit kapazitiven EEG-Elektroden Bei der kapazitiven Messung des EEGs nutzt man den Effekt, dass durch Gehirnaktivität auch an der Körperoberfläche Ladungsverschiebungen existieren. Diese Änderung der elektrischen Ladung kann wiederum die Ladung auf einer metallischen Platte, die sich in der Nähe des Körpers befindet, beeinflussen. Da diese elektrische Platte dabei keinen direkten elektrischen Kontakt zum Körper benötigt, kann sie vom Körper isoliert werden. So ist die Messung des kapazitiven EEGs (engl. capacitive EEG bzw. cEEG) auch durch Haare hindurch möglich. An diese Platte wird ein hochempfindlicher Signalverstärker angeschlossen, der das Gehirnsignal verstärkt und so aufbereitet, dass es später auf dem Bildschirm dargestellt werden kann. Platte, Verstärker und weitere Signalverarbeitungselektronik sind in die kompakten Elektroden (30 mm Durchmesser, etwa so groß wie eine 2€-Münze, s. Abb. 2) integriert. Die Elektrode ist etwas größer als eine Standard-EEG-Elektrode. Abbildung 2: Kapazitive Elektrode mit Aluminiumgehäuse Brain@work Der von uns hergestellte und untersuchte EEG-Helm ermöglicht erstmals die komfortable Messung der elektrischen Gehirnsignale durch einfaches Aufsetzen einer Kopfbedeckung. Unsere Kontakte müssen nicht mit Gel am Kopf befestigt werden, so dass die Reinigung des Kopfes nach der Messung entfällt. Auf diese Weise können die Voraussetzungen für die Messung elektrischer Gehirnsignale, bspw. bei der Steuerung von Maschinen für die Sicherstellung der Aufmerksamkeit des Bedienpersonals und auch für die klinische Schnelldiagnose, schnell und einfach erfüllt werden. Der erste Prototyp des kapazitiven EEGs wurde in der Bauweise eines Motoradhelmes realisiert. Zur Abdeckung der verschiedenen Gehirnareale wurden 28 Elektroden integriert. Um die Anpassung an unterschiedliche Kopfformen zu ermöglichen, waren die Elektroden einzeln mechanisch justierbar am Helm aufgehängt. Die hier vorgestellte neue Version des cEEG-Helmes (s. Abb. 3) wurde mit einem deutlich geringeren Gewicht und einer reduzierten Anzahl an Elektroden umgesetzt. Der daraus resultierende höhere Tragekomfort verringert die Gehirnsignale überlagernde Muskelartefakte und ermöglicht gute Messungen auch mit ungeübten Probanden. Abbildung 3: Leichter EEG-Helm mit reduzierter Elektrodenanzahl mit der aus den zahllosen verschiedenen Gehirnsignalen die relevanten Anteile durch Anwendung moderner Methoden der Signalanalyse herausgefiltert werden. Mit den kapazitiven Elektroden konnte so bereits ein Brain-Computer-Interface (BCI) mittels SSVEP (steadystate visuell evozierte Potenziale) demonstriert werden. Weitergehende BCI-Systeme, wie sie bei unseren Kooperationspartnern in Berlin untersucht werden, basieren allein auf willentlich beeinflussten, aber viel schwächeren, elektrischen Gehirnsignalen aus dem motorischen Zentrum im Gehirn, die mit konventionellen EEG-Elektroden gemessen werden. Die von uns hier zu Demonstrationszwecken präsentierte Steuerung einer Grafik wird mittels Extraktion der Alpha-Aktivität realisiert. Alpha-Wellen sind ein Maß für den Entspannungsgrad des Gehirns bzw. des Menschen, und vor allem durch visuelle Reize beeinflussbar. Eine starke Alpha-Aktivität tritt bei geschlossenen Augen auf, da in diesem Fall kein optischer Reiz vorliegt (s. Abb. 4). Wie alle visuell erzeugten Potenziale wird auch die Alpha-Aktivität hauptsächlich in der Okzipitalregion am Hinterkopf detektiert, allerdings ist sie bei unterschiedlichen Probanden auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Durch bewusste Kontrolle des Entspannungszustands über die Augen kann die Amplitude moduliert werden. Dies ist ein Standardexperiment des EEG und demonstriert die Einsetzbarkeit kapazitiver Elektroden zur Realisierung eines Biofeedbacks. Elektrische Gehirnsignale zur Maschinensteuerung Um elektrische Gehirnsignale für die Maschinensteuerung und andere nicht-klinische Aufgabenstellungen zu verwenden, müssen die Messungen zuverlässig auch in industrieller Umgebung durchgeführt werden. Diese Aufgabe ist eine besondere Herausforderung, da die Gehirnsignale extrem klein sind und von den millionenfach größeren Störsignalen in industrieller Umgebung abgetrennt werden müssen. Die neue Technologie der kapazitiven Messung der Gehirnsignale wird dafür mit speziellen Maßnahmen zur Unterdrückung von elektrischen Störungen aus der Umgebung kombiniert. Diese Signale werden dann in den Computer übertragen und dort ausgewertet. Somit besteht eine wesentliche Aufgabe des Gerätes in der komplexen Signalauswertung, Abbildung 4: Alpha-Aktivität Dieses vom BMBF geförderte Projekt findet in Kooperation mit Prof. Dr. Gabriel Curio von der Klinik für Neurologie der Charité Berlin und Prof. Dr. Klaus-Robert Müller vom Fraunhofer Institut FIRST in Berlin statt. In dieser interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Neurologie, Informatik und Elektrotechnik werden die Möglichkeiten einer schnellen, einfachen Aufnahme der Gehirnsignale für die Medizintechnik und auch für neue Anwendungen, wie die Steuerung von Computerspielen und anderen Geräten untersucht. CeBIT