Irrturm 2007

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Irrturm 2007
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Claus Räthke. Guten Abend liebe Trillian
Claus Räthke
Guten Abend, liebe Trillian
Guten Abend, liebe Trillian
Heute ist mein ganz persönlicher Feiertag. In Zukunft werde ich an diesem
Tag frei haben, wie es sich für einen Feiertag gehört. Heute hat mich die süße Trillian „süßer Higgo“ genannt. Higgos Gesicht erstrahlt in hellem Orange und wechselt zu gelb – türkis, und das während des ganzen Tages. Darum
wohl die vielen Blicke der Passanten – oder weil ich ihnen zugeflüstert habe: „Trillian hat mich süßer Higgo genannt.“ Die korpulente Dame mit abstehenden Ohren, die, die auf dem Sitz vorm Higgo im Bus platz nahm, schaute
mich eingeschüchtert an, als ich Ihr diese lieblichen Worte zuflüstere. Ich
nicke ihr höflich zu. Vielleicht ist sie auch nur verwundert, weil ich ohne
Oberteil, ohne Oberhemd, mit nackter, behaarter Brust und nur in Blue
Jeans gekleidet hinter ihr sitze. In meiner Aufregung habe ich ganz vergessen, mich auch oben herum zu kleiden. Macht aber nichts, zur Feier des Tages bin ich unterwegs, um mir das weiße Sakko zu kaufen, an dem ich
schon mehrere Wochen zuvor immer mal wieder vorbeigegangen bin, vorbei, ohne allzu lange stehen zu bleiben – mit dem Gedanken: „zu teuer“.
Heute ist es mir nicht zu teuer, heute bin ich glücklich, ab heute bin ich ein
süßer Higgo, da bin ich mir ganz gewiss, und ein süßer Higgo sollte, wie
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Claus Räthke. Guten Abend liebe Trillian
jeder süße Higgo, ein weißes Sakko tragen, denke ich jedenfalls, aber vielleicht gehen da die Meinungen auch auseinander – und nun trage ich oben
herum das Sakko, das weiße, und immer wenn ich es in Zukunft tragen werde, wird es mich an diesen Tag erinnern, mich an eine süße Trillian erinnern,
die mich „süßer Higgo“ genannt hat. Ich ziehe das Sakko gleich an und fühle mich nicht mehr ganz so nackt, schlendere zu einem Tabakladen und kaufe mir eine Packung Zigarren, dicke Zigarren, setze mich in ein Cafe’, entzünde eine Zigarre und stelle mir vor, wie die Worte, die lieblichen, die, die
mich heute so froh machen, aus ihrem Munde klingen, wie sie sie mir zuflüstert mit ihrer bezaubernden Stimme, wie sie sie mir in mein Ohr haucht.
Ich bekomme eine Erektion. Huch! Was war das? Keine Bange, das ist
ganz ungefährlich, tut überhaupt nicht weh, halb so schlimm wie
es klingt. Eigentlich gar nicht der Rede wert. Eine Lapalie. Ich habe alles
unter Kontrolle. Ich fühle mich wie der Chef des Cafe’s, in dem ich sitze, so
mit Zigarre und weißem Sakko, das ich vorsichtshalber zugeknöpft habe,
um keinen Anstoß zu erregen, man weiß ja nie. Da fällt mein Blick auf den
Boden, auf die Stelle, wo eigentlich meine Schuhe zu sehen sein sollten. Ich
trage gar keine. Das ist mir jetzt wirklich etwas peinlich, also tapse ich los,
ein paar Schuhe kaufen. Ich entscheide mich für ein Paar braune mit Muster,
passend zur Jeans und dem Sakko. „Möchten sie die gleich anbehalten?“,
fragt mich der Verkäufer der Herren- schuhabteilung. „Na, was denken sie?“
Klar doch! Ich kaufe meine Schuhe nur barfuss, sage ich ihm, ist Tradition
in meiner Familie, und verschwinde etwas peinlich berührt.
Der Tag ist noch nicht zu Ende. Es ist ein besonderer Tag für den Mann, den
sie Higgo nannten. Er schlendert also weiter, gut gekleidet jetzt, zwar ohne
Oberhemd, aber dafür gut gelaunt. „Boccaccio“, springt ihm ins Auge, gele-
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Claus Räthke. Guten Abend liebe Trillian
sen von Anna Thalbach. Genau das Richtige für den heutigen Abend. Und
so neigt sich der Tag mit den schönsten Erzählungen aus „Decamerone“ und
Gedanken an die Schönheit des Lebens, mit zärtlichen Gefühlen und einem
Lächeln auf der Seele.
Hab´ Dank, süße Trillian, du hast mir diesen Tag verzaubert.
Der Mann, den sie Higgo nannten.