VDE Trend-Check IKT 2020

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VDE Trend-Check IKT 2020
VDE TREND-CHECK
IKT 2020
5G Mobilfunk – Internet der Dinge –
I T- S i c h e r h e i t
Impressum
VERBAND DER ELEKTROTECHNIK
ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK e.V.
Stresemannallee 15
60596 Frankfurt am Main
Telefon 069 6308-0
E-Mail [email protected]
Internet: www.vde.com
Bildnachweise ©: VDE e.V., iStock/Chinaface
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März 2015
VDE Trend-Check IKT 2020
Inhalt
Management Summary
4
Meinungstrend: Hohe Priorität für IT-Sicherheit
5
Innovationswettlauf: Digitale Souveränität durch Mikroelektronik und IT
9
Meilenstein: Normungs-Roadmap „IT-Sicherheit“
11
Praxistest Smart Home: IT-Sicherheit auf dem Prüfstand
12
VDE-Thesen: IKT-Standort 2020
13
Literatur
14
© VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. 3
VDE Trend-Check IKT 2020
Management Summary
Sichere und zuverlässige Echtzeit-Kommunikation auf Basis von 5G ermöglicht zukunftsweisende Anwendungen von Smart Grid bis zu Industrie
4.0. Deutschland kann dabei eine Vorreiterrolle
übernehmen – auch dank der guten Position
in IT-Security. Allerdings werden Software und
Internet stark von den USA bestimmt, Mikrochips kommen zunehmend aus Asien. Dies hat
Auswirkungen auf die digitale und industrielle
Souveränität: auf Basistechnologien, kritische Infrastrukturen und digitale Anwendungen der Zukunft. Zuverlässige und sichere Kommunikation
erfordert Chips ohne „Backdoors“. Dies kann aus
VDE-Sicht nur durch Chip-Design und Produktion in Europa sichergestellt werden. Die Mikroelektronik ist darüber hinaus die Basis cyber-physischer Systeme und damit ein „Key Enabler“ für
digitale Anwendungen wie Industrie 4.0.
Im Kern geht es darum, in Wissenschaft, Normung und Zertifizierung ein zukunftsweisendes
Konzept zu entwickeln, um die Zukunft des Industriestandortes zu sichern. Über die Förderung
von Mikroelektronik und IT-Sicherheit hinaus gilt
es, den Ausbau des Breitband-Glasfasernetzes
und des 5G-Mobilnetzes zu forcieren. Es müssen
Milliardenbeträge in Funksysteme, Anbindungen,
Netzsysteme und vor allem in Glasfasernetze
investiert werden. Die Provider können diese
Aufgabe nicht alleine stemmen. Ferner müssen
die Regulierung und die Vergabeverfahren für
Mobilfrequenzen investitionsfreundlicher gestaltet
werden. Gegenwärtig stecken europäische Provider in einer Zwickmühle zwischen Auktionen und
Regulierungen. In Asien hat man die strategische
Rolle von 5G verstanden und investiert Milliardenbeträge in den Aufbau von 5G-Testnetzen.
Dass IT-Sicherheit Chance und Herausforderung
zugleich ist, bestätigen auch VDE-Umfragen.
So erwarten nur 23 Prozent der VDE-Mitglieds­
unternehmen und Hochschulen vom Bereich
IT-Sicherheit besonders große Standortpotenziale. 38 Prozent erkennen hier aktuell die größten
Normungsaufgaben, 34 Prozent besondere
Chancen der „Digitalen Gesellschaft“. 62 Prozent
der Bundesbürger sehen IT-Sicherheit als Hindernis auf dem Weg zu Smart Cities. Dies verdeutlicht den Handlungsbedarf auch im Hinblick auf
die Technikakzeptanz.
Deutschlands KMU (kleine und mittlere Unter­
nehmen), oftmals „Hidden Champions“ der Elektro- und Informationstechnik, tun sich schwer,
die lange Durststrecke von der innovativen Idee
bis zur Marktreife zu überstehen. Sie brauchen
deutlich mehr Unterstützung. Darüber hinaus sind
ein schlüssiges Gesamtkonzept für IT-Sicherheit, mehr Forschung, die frühzeitige Einbindung
von Sicherheitsfragen in die Entwicklung neuer
Systeme und noch mehr technologiepoli­tische
Unterstützung erforderlich.
Im Bereich Datenschutz eröffnet „Privacy by
Design“ einen viel versprechenden Ansatz, also
zum Beispiel der eingebaute Datenschutz per
Knopfdruck. Im Hinblick auf die Netzsicherheit
stehen aktuell vor allem Lösungen für die Energiewirtschaft im Fokus. Denn ohne hochverfügbare und sichere IKT-Systeme (IKT= Informationsund Kommunikationstechnik) gibt es auch keine
Energiewende. Die Lösungsansätze reichen hier
von Kryptographie über „Security by Design“ und
„Eingebettete Sicherheit“ bis zum Aufbau eines
separaten Smart-Grid-Informationsnetzes.
4
Zuverlässige und sichere Echtzeit-Kommunikation eröffnet für den Industriestandort Deutschland beachtliche Potenziale. Um sie zu heben
und zukünftige Entwicklungstrends von Smart
Grid über das Internet der Dinge bis zu Industrie
4.0 mitzubestimmen, muss die IKT-Innovationskette an allen Gliedern gestärkt werden – von
Basistechnologien wie Mikroelektronik über ein
Gesamtkonzept zur IT-Sicherheit bis zu massiven
Investitionen in die IKT-Infrastrukturen.
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VDE Trend-Check IKT 2020
Meinungstrend:
Hohe Priorität für IT-Sicherheit
Dass IT-Sicherheit Innovationshürde und Standortchance zugleich ist, belegen VDE-Umfragen.
23 Prozent der VDE-Mitgliedsunternehmen und Hochschulen erwarten im Bereich IT-Sicherheit
besonders große Potenziale für den Standort Deutschland. 38 Prozent verorten hier aktuell die größten
Normungsaufgaben. Auf dem Weg zu Smart Cities sieht knapp jedes vierte Unternehmen besondere
Herausforderungen im Bereich IT-Sicherheit. 34 Prozent glauben, dass in IT-Sicherheit besondere
Vorteile und Chancen der „Digitale Gesellschaft“ liegen. Als prioritäre Maßnahmen werden die Entwicklung von Sicherheits-Software (66 Prozent) sowie Aufklärung und Ausbildung (64 Prozent) genannt,
gefolgt von internationalen Abkommen/Zusammenarbeit (39 Prozent), Normung (32 Prozent) und der
Etablierung von Open-Source-Lösungen (26 Prozent).
Wie eine repräsentative VDE-Verbraucherumfrage außerdem belegt, sehen auch die Bundesbürger
große Herausforderungen in der IT- bzw. Datensicherheit. Mit einem Wert von 62 Prozent Zustimmung
ist sie ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu Smart Cities - hinter Finanzierungsproblemen mit
68 Prozent Zustimmung. Zuverlässige und sichere IKT ist somit eine wichtige Voraussetzung für die
Technikakzeptanz und Marktdurchdringung in der Digitalen Gesellschaft.
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21
17
31
Robotik
Medizintechnik
Industrie 4.0
Energieeffizienz
27
42
IT-Sicherheit
25
Smart Home + Building
50
67
Breitband-Infrastruktur
65
Smart Cities
Smart Traffic/Verkehrssteuerung
Intelligente Stromnetze
Elektromobilität
VDE Trend-Check IKT 2020
25
23
13
IT-Sicherheit
Industrie 4.0
38
30
Robotik
14
Smart Cities
37
E-Health/Telemedizin
55
Smart Home + Building
62
Elektromobilität
Smart Grid
In welchen Anwendungsbereichen sind Ihrer Meinung nach besonders große
Potentiale für den Standort Deutschland zu erwarten?*
4
In welchen Technikbereichen sehen Sie aktuell die wichtigsten Normungsaufgaben?*
6
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IT-Sicherheit
34
Robotik
41
Industrie 4.0
Smart Cities
45
41
E-Health/Telemedizin
51
mehr Komfort/Convenience/
Lebensqualität
Wirtschaftswachstum
bessere Energieeffizienz
VDE Trend-Check IKT 2020
26
22
20
26
66
Aufklärung und
Ausbildung
Entwicklung von
Sicherheits-Software
Internationale Abkommen/
Zusammenarbeit
Standisierung und Normung
Etablierung von
Open-Source-Lösungen
Wo liegen die Chancen/Vorteile einer „Digitalen Gesellschaft“?*
64
39
32
Welche der folgenden Maßnahmen halten Sie im Hinblick auf die Verbesserung der
IT-Sicherheit für prioritär?*
*Umfrage unter Unternehmen und Hochschulen der Elektro- und Informationstechnik. Basis: 227 Befragte
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VDE Trend-Check IKT 2020
15
Trifft voll und ganz zu
182
313
Kann ich nicht beurteilen
Trifft eher zu
56
307
Weder noch
Trifft eher nicht zu
Trifft überhaupt nicht zu
Sehen Sie Risiken und Hindernisse auf dem Weg zu Smart Cities?
128
Weder noch
Trifft eher zu
310
Kann ich nicht beurteilen
115
271
Trifft voll und ganz zu
23
Trifft eher nicht zu
Trifft überhaupt nicht zu
Im Bereich IT-Sicherheit/Datensicherheit*
141
141
Bezüglich der Komplexität der Technik*
*Befragung von 1003 Verbraucher deutschlandweit durch das Marktforschungsinstitut smr GmbH, Frankfurt am Main,
im September 2014
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VDE Trend-Check IKT 2020
Innovationswettlauf:
Digitale Souveränität durch Mikro­elektronik
und IT
Der Innovationsstandort Deutschland erzielt im internationalen Vergleich insgesamt gute Werte. Im
Innovationsindikator 2014 von BDI und Telekom Stiftung liegt Deutschland mit einem Wert von 56 Zählern
auf Platz 6 – wenn auch deutlich hinter den führenden Ländern Schweiz (76 Punkte) und Singapur
(65 Punkte). Nach dem Monitoring-Report Digitale Wirtschaft 2014 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) behauptet die Digitale Wirtschaft Deutschlands im 15-Länder-Vergleich
mit 47 Indexpunkten ihren guten fünften Rang hinter den USA (81 Punkte), Südkorea (54 Punkte) sowie
Japan und Großbritannien (53 Punkte). Schwächen im internationalen Vergleich bestehen vor allem im
Teilbereich Markt, beim Anteil der IKT-Exporte und bei dem Anteil der Telekommunikationsausgaben der
Unternehmen am Bruttoinlandsprodukt, der als ein Indikator für die Stärke der TK-Branche gilt.
Problematischer ist die Situation in der Mikroelektronik. Wie die ZVEI-Mikroelektronik-Trendanalyse bis
2018 zeigt, schrumpfen seit 2008 die Marktanteile Europas, beim Pro-Kopf-Verbrauch von Chips bildet
Europa das Schlusslicht, neue Kapazitäten werden fast ausschließlich in Asien aufgebaut. Um Asien und
Nordamerika etwas entgegenzusetzen, hat die EU die Initiative „Electronic Components and Systems für
European Leadership“ (ECSEL) gestartet. Mit 10 Mrd. Euro und dem Anschieben von weiteren 100 Mrd.
Euro soll Europas Chipindustrie bis 2020 einen Marktanteil von 20 Prozent erreichen. Um das zu schaffen, wären EU-weit jährliche Investitionen von 25 Mrd. USD nötig. Zwischen 2010 und 2013 waren es
weltweit im Mittel 60 Mrd. USD und europaweit nur 2,6 Mrd. USD – letzteres reichte nicht einmal für eine
halbe Fabrik.
Bei Investitionen in die Mikroelektronik geht es um mehr als nur ein Bran­chensegment. Nur wenn die gesamte Innovationskette vom Chip-Design bis zur Fertigung vor Ort, vom Mikrochip über Embedded Systems bis zu cyber-physischen Systemen verfügbar ist, kann Europa seine Position in industriellen Schlüsselbranchen behaupten und Zukunftstrends wie Industrie 4.0 mitbestimmen. Mit Blick auf das Thema
Sicherheit ist es auch nötig, sogenannte Chip-Backdoors auszuschließen und Lösungen für eingebettete
End-to-End-Security zu finden. Dazu müssen die Kompetenzen im Systementwurf erhalten und neue
Konzepte entwickelt werden.
Kommunikation der Zukunft erfordert neue Konzepte
Die Kommunikationssysteme sind Teil der kritischen Infrastruktur, an die höchste Erwartungen bei der
Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit gestellt werden und die gegen äußere Angriffe und Fehlverhalten zu
schützen ist. Besonders bei Funksystemen ist eine Hochverfügbarkeit auf Verbindungsebene derzeit allerdings noch nicht möglich. Dazu ist es erforderlich, ein neues Diversitätskonzept für Frequenz, Ort und
Infrastruktur effizient zu realisieren.
Weiterhin stellt die zukünftige Maschine-zu-Maschine-Kommunikation neue Anforderungen an die Authentifizierung, weil sie für sicherheitsrelevante und echtzeitkritische Anwendungen eingesetzt wird. Dazu
sind Paradigmenwechsel im Systementwurf für „eingebettete Ende-zu-Ende-Sicherheit“ zwischen Sender und Empfänger über alle Übertragungsstationen notwendig. Beispielsweise können hardware-spezifische Merkmale als Quelle zur Authentifizierung und stochastische Methoden für die sichere Schlüsselerzeugung genutzt werden.
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VDE Trend-Check IKT 2020
Das Taktile Internet (Echtzeit-Internet) benötigt massive Rechner- und Speicherleistung auf kleinstem
Raum. Dazu müssen neuartige Chiptechnologien für ultrahohe Packungsdichten entwickelt werden.
Zur Verringerung von Laufzeiten müssen Netzwerkchips und CPUs zusammengeführt und neuartige
Betriebssystemarchitekturen und Netzprotokolle entwickelt werden. Ohne weitere Forschung und
Entwicklung auf diesen Gebieten wird es unmöglich sein, ein großflächiges, wirtschaftlich relevantes
Taktiles Internet zu realisieren.
Eine Frage der Souveränität
Das mobile Echtzeit-Internet wird ab 2020 unser Leben erheblich mitbestimmen. Die Frage ist aber, ob
es Deutschland und Europa gelingt, die damit verbundenen Technologie- und Anwendungstrends maßgeblich mitzugestalten oder nur passiv zu nutzen. Wirtschaftlich geht es darum, die Zukunft der eigenen
Industrie zu sichern und die Innovationskraft in wichtigen Industriezweigen wie der Medizintechnik, der
Automatisierungs- und Produktionstechnik oder der Automobilindustrie zu stärken. Durch früh eingesetzte Forschung kann Deutschland Innovationstreiber beim Taktilen Internet sein und neue Wirtschaftszweige für sich und international erschließen.
Gesellschaftlich und politisch geht es darum, die Kontrolle über sicherheitsrelevante Infrastruktur zu bewahren und die sich ergebende Richtungsweisung der Weiterentwicklung der Gesellschaft international
mitzugestalten. Wichtige Zukunftsaufgaben liegen deshalb darin, die wissenschaftlich-technische Kompetenz in Deutschland zu erhalten und auszubauen, innovative Internet-Technologien und -Anwendungen
im eigenen Land zu entwickeln, herzustellen und einzusetzen sowie weltweite Standards mitzugestalten.
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VDE Trend-Check IKT 2020
Meilenstein:
Normungs-Roadmap „IT-Sicherheit“
Mit der zunehmenden Vernetzung der Infrastrukturen wachsen die Herausforderungen an die IT-Sicherheit. In Zeiten beschleunigter Technikkonvergenz werden dabei über das reine Erarbeiten von Normen
hinaus die branchenübergreifende Koordinierung und die Auswahl der am besten für den jeweiligen Anwendungszweck geeigneten Normen immer wichtiger. Ziel der Normungs-Roadmap „IT-Sicherheit“ von
VDE|DKE, DIN und der Koordinierungsstelle IT-Sicherheit (KITS) ist es, Bereiche aufzuzeigen, in denen
Bedarfe nach Sicherheitslösungen auf Einsatzmöglichkeiten der Standardisierung treffen, sowie aktuelle
branchen- und technikübergreifende Schwerpunktthemen näher zu beleuchten und Handlungsempfehlungen abzugeben. Im Fokus stehen dabei die Schwerpunktgebiete Datensicherheit und Datenschutz,
Smart Grid, Industrie 4.0 und Medizintechnik sowie Informationssicherheit in den Bereichen Smart Home,
AAL, Elektromobilität und Smart Cities.
IT-Sicherheit früh einbinden
Einerseits macht die Heterogenität der Normungslandschaften eine IT-sicherheitstechnische Bewertung
schwierig. Andererseits wirkt eine unterschiedliche Systemarchitektur in den Bereichen sicherheitserhöhend. Diese gegenläufigen Wirkmechanismen genauer zu untersuchen, ist eine wichtige Zukunftsaufgabe der Koordinierungsstelle IT-Sicherheit. Ein weiteres zukünftiges Handlungsfeld ist die frühzeitige
Einbindung der IT-Sicherheit in die Normung bei neuen Themengebieten, um Erfahrungen und Vorarbeiten zu nutzen und Kompatibilität zu gewährleisten. Ein wichtiges Ziel besteht daher darin, Vertreter aus
den verschiedenen Bereichen frühzeitig zusammenzubringen, um Doppelarbeiten und Inkompatibilitäten
zu vermeiden und Synergien effizient zu nutzen.
Anwendungsfall Smart Grid
Der Umbau des elektrischen Energieversorgungssystems zu einem System mit einem wachsenden Anteil volatiler erneuerbarer Energien aus lastferner, dezentraler Erzeugung bringt neue Herausforderungen
an die IT-Sicherheit mit sich. Die sich verändernden Netztopologien und die zunehmende Einbindung
von Internettechnologien in das Energiesystem führen zu völlig neuen Bedrohungsszenarien. Insbesondere „Advanced Persistent Threats“, die verschiedene Techniken zielgerichtet nutzen, um kritische
Systeme zu manipulieren, stellen ein hohes Angriffsrisiko für den sicheren Betrieb des Smart Grid dar.
Unter den vielfältigen Schutzmaßnahmen erhalten aus VDE-Sicht kryptographische Algorithmen zur
Verschlüsselung eine herausragende Bedeutung. Ein zentrales Merkmal des Energieinformationsnetzes
der Zukunft ist überdies „Security/Privacy-by-Design/Default“, also die Realisierung von Sicherheits- und
Datenschutz-Aspekten bereits beim Entwurf der Systeme und datenschutzfreundliche Voreinstellungen
als Default-Konfiguration. In der Normung gilt es, eine einheitliche Referenzarchitektur beispielsweise für
intelligente Messsysteme voranzutreiben und die standardisierte Kommunikation im Energieinformationsnetz zur Sicherstellung der Interoperabilität weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus sind weiterhin erhebliche Anstrengungen in der Erforschung dezentraler verteilter Systeme und geeigneter Methoden für das Risikomanagement erforderlich. Zudem sollte der Dialog zwischen
Politik, Verbrauchern und der Energiewirtschaft in Gang gebracht werden. Letztlich lautet das Ziel, ein
konsolidiertes und harmonisiertes Gesamtkonzept für die Sicherheit im Smart Grid zu schaffen. Dabei
spielt auch die Akzeptanz seitens der Verbraucher eine wichtige Rolle.
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VDE Trend-Check IKT 2020
Praxistest Smart Home:
IT-Sicherheit auf dem Prüfstand
Neben der Normung und Standardisierung kommt der Prüfung und Zertifizierung von Komponenten und
Systemen eine große Bedeutung zu – nicht nur mit Blick auf die elektrische und funktionelle Sicherheit,
sondern auch mit Blick auf die Zuverlässigkeit und IT-Sicherheit. Dies bietet Transparenz, steigert die
Technikakzeptanz und gibt größtmögliche Sicherheit. Vor diesem Hintergrund nimmt sich auch das VDE
Prüf- und Zertifizierungsinstitut in Offenbach des Themas an und prüft die Informationssicherheit und
den Datenschutz im Bereich Smart Home.
Bei den Prüfungen untersuchen die Experten des VDE-Instituts das sogenannte „Backend“, das die
Hausautomation zentral verwaltet und geschützte Zugänge von außen ermöglicht. Darunter fallen das
Rechenzentrum, die Netzwerksicherheit, die Sicherheit der Anwendungsplattform, das Life-CycleManagement sowie der Datenschutz. Dabei umfasst die Prüfung verschiedene Aspekte. Die Ingenieure
testen beispielsweise, ob nur Befugte Zugriff auf die Daten haben und die Systeme nicht manipulierbar
sind. Denn nur dann sind die Privatsphäre der Nutzer und die Vertraulichkeit der Informationen geschützt.
Hierzu führt das VDE-Institut Angriffe auf das Backend durch externe Internetverbindungen aus. Vor Ort
im Unternehmen begutachten die Experten die Sicherheitsmaßnahmen im Rechenzentrum und prüfen
diese mit Schwachstellenscannern. Um die implementierten Sicherheitsmaßnahmen auf Vollständigkeit
zu kontrollieren, werden zusätzlich alle Dokumente unter die Lupe genommen.
Grundlage für die Prüfung sind die VDE-Prüfbestimmungen VDE-PB-0004:2014-01 und
VDE-PB-0005:2014-01. Bei erfolgreicher Prüfung sind Unternehmen berechtigt, für ihr Smart HomeProdukt das markenrechtlich geschützte Zeichen „VDE Informationssicherheit geprüft“ zu nutzen.
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© VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.
VDE Trend-Check IKT 2020
VDE-Thesen: IKT-Standort 2020
1.
er Mikroelektronik-Standort Deutschland / Europa muss im Rahmen einer strategisch
D
angelegten EU-Innovationspolitik gestärkt werden. Nur wenn die gesamte Innovationskette
vom Chip-Design bis zur Fertigung vor Ort, vom Mikrochip über Embedded Systems bis zu cyberphysischen Systemen verfügbar ist, kann Europa Zukunftstrends wie Industrie 4.0 mitbestimmen.
Mit Blick auf das Thema Sicherheit ist es auch nötig, sogenannte Chip-Backdoors auszuschließen
und Lösungen für eingebettete End-to-End-Security zu finden. Dabei geht es um die digitale und
industrielle Souveränität.
2.
Der Ausbau des Breitband-Glasfasernetzes und des 5G-Mobilnetzes muss forciert werden.
Es müssen Milliardenbeträge in Funksysteme, Anbindungen, Netzsysteme und vor allem in Glas­
fasernetze investiert werden. Die Provider allein können diese Aufgabe nicht stemmen.
3.
Die Regulierung und die Vergabeverfahren für Mobilfrequenzen müssen investitionsfreund­
licher gestaltet werden. Gegenwärtig stecken europäische Provider in einer Zwickmühle zwischen
Auktionen und Regulierungen. In Asien hat man die strategische Rolle von 5G verstanden und
investiert Milliardenbeträge in den Aufbau von 5G-Testnetzen.
4.
ie Innovationsförderung muss an allen Gliedern der Innovationskette noch weiter hoch­
D
gefahren werden. Deutschlands KMU (kleine und mittlere Unternehmen), oftmals „Hidden Champions“ der Elektrotechnik, tun sich schwer, die lange Durststrecke von der innovativen Idee bis zur
Marktreife zu überstehen. Sie brauchen deutlich mehr Unterstützung.
5.
IT-Sicherheit Made in Germany ist ein Schlüsselfaktor für Industrie 4.0 und künftige Export­
erfolge. Dazu brauchen wir ein schlüssiges Gesamtkonzept für IT-Sicherheit, mehr Forschung,
die frühzeitige Einbindung von Sicherheitsfragen in die Entwicklung neuer Systeme und noch mehr
technologiepolitische Unterstützung.
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VDE Trend-Check IKT 2020
Literatur
Innovationsindikator 2014. Hg. v. Deutsche Telekom Stiftung u. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI), Oktober 2014
Mikroelektronik-Trendanalyse bis 2018. Hg. v. Zentralverband Elektrotechnik und Elektro­industrie e.V.
(ZVEI), April 2014
Monitoring-Report Digitale Wirtschaft, Hg. v. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi),
Dezember 2014
VDE|DKE/DIN Normungs-Roadmap IT-Sicherheit. Version 2.0
VDE-Positionspapier „Smart Grid Security“. Energieinformationsnetze und -systeme
VDE-Positionspapier „Taktiles Internet“. Das IT-Netz der Zukunft
VDE-Studie „Smart Cities“ 2030. Intelligente Lösungen für das Leben in der Zukunft
VDE-Trendreport 2014 Elektro- und Informationstechnik
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© VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.
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