der sir des guten
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Der Sir des guten Geschmacks Design-Guru Terence Conran ist Essen gegangen und hat dabei ein neues Buch geschrieben: Mit „Eat London“ will er beweisen, dass es nirgendwo sonst so viele gute Restaurants auf einem Fleck wie in der Stadt an der Themse gibt. Ein gewagter Vergleich. Text: Robert Kropf T A. Gold. Londoner Foodshop nach bester Tradition. erence Conran ist ein Geschichtenerzähler: Einst habe er eine Suppenküche am Trafalgar Square eröffnet. Das war 1953, Conran war gerade 23 Jahre jung, er war noch kein Designer von Weltruf, es sollte noch viel Wasser die Themse hinabfließen, bis ihn die Queen zum Sir adeln wird. Der Name des Lokals „The Soup Kitchen“ war allerdings schlecht gewählt: „Denn das Restaurant, das mehr als gutbürgerliche Gerichte bereitete und über die zweite Espresso-Maschine Londons verfügte, wurde von etlichen Stadtstreichern gestürmt“, erinnert er sich zurück. „Jeder dieser Gäste bekam aber dann doch einen 90 GourmetReise Herbst 2007 Teller Suppe, ein Stück Brot mit CheddarCheese und eine Tasse Kaffee auf Kosten des Hauses.“ Eine noble Geste, die übrigens auch nicht dumm war: Die Geschichte von der Armenspeisung macht schnell die Runde und Conrans erstes Restaurant wurde stadtbekannt. 30 Restaurants und 100 Locations 2007, mehr als ein halbes Jahrhundert später: Im kurzlebigen London, wo Stile und Trends oft schon überholt sind, wenn Zeitungen darüber schreiben, ist Conran ein ruhender Pol, ein Anker, der Sicherheit verspricht. Und ein halbes Jahrhundert später ist Terence Conran ist nicht nur einer der weltbekanntesten Designer von Alltagsgegenständen – Originalzitat: „Jeder Mensch sollte mindestens eine hübsche Salatschüssel besitzen –, Conran betreibt mehr als 30 Restaurants (siehe Infokasten), mehr als 100 Lokalitäten hat er als Designer zu einem neuen Innenleben verholfen. Und Conran Fotos: Lisa Linder für das Buch „Eat London“, KK www.agold.co.uk Stein auf Stein: Auch Jamie Olivers Restaurant Fifteen ist ein wahres Designergoldstück. BuchTipp EAT LONDON Hier beweist Terence Conran, dass London randvoll mit kulinarischen Hot-Spots ist: von authentischen Kneipen oder Pubs bis zu Sternerestaurants oder stylishen Sushibars. Eat London tourt durch die Genussmetropole und verrät die besten Adressen. Mit über 60 Rezepten aus den beliebtesten Londoner Restaurants. Christian Verlag, 304 Seiten, ca. 30 Euro Very British: Die traditionellen englischen Kuchen dürfen bei keiner Tea-Time fehlen ... ▲ schreibt seit 25 Jahren Bücher – zu Design, Interieur sowie Gartengestaltung, Restaurant- und Reiseführer sowie Kochbücher –, die bisher weltweit über 20 Millionen Mal verkauft wurden. Sein neuester Clou: „Eat London“ – die besten Adressen und Rezepte der Stadt, ein 304 Seiten starkes Werk, das Ende September erscheint. Conran: „Mit diesem Buch haben wir das Unmögliche versucht, nämlich die besten Adressen Londons in puncto Essen vorzustellen. Zweierlei lag uns am Herzen: die große Bandbreite an Restaurants, Cafés und Bars sowie die Vielfalt an Speisen in dieser kulinarischen Metropole. Wir haben London in 18 Gebiete eingeteilt und jedes davon hat seine ganz besonderen Vorzüge.“ Sein Lieblingsgebiet: „Eindeutig der Stadtteil Southwark, weil er mit dem Borrough-Market ein Paradies besitzt und das typische Beispiel dafür ist, wie aus einem heruntergekommenen Bezirk ein neuer Treffpunkt werden kann – vor allem für jene, die gut essen und trinken wollen.“ Conran kommt in Fahrt, wenn er über seine Lieblingslokale spricht, darunter noch unbekanntere Namen wie das Blueprint Café, Sushi-Say, das Rivintgon Grill oder Klassiker wie das River Café, Racine, St. John oder die Bistrotheque, die auch alle im Buch mit einfühlsamen Bildern von Lisa Lindner porträtiert sind. „Seit langem haben wir im Londoner Restaurantgewerbe das Gefühl, dass unsere Stadt die besten Restaurants der Welt beherbergt. Doch als zurückhaltende Briten würden wir nie damit prahlen.“ Umso größer sei die Freude gewesen, als Ame- Herbst 2007 GourmetReise 91 ein BüroPlateau: Sieht aus wie formidables gebäude, ist aber ein vielen Restaurant – eines von Terence Restaurants im Buch von scott. Pre er Pet Conran (l.) und im rückspiegel Terence Conran (geb. 1931) ist Inhaber der Conran-Shops in London, Paris, New York, Tokio und Fukuoka. Er besitzt ein Imperium an Restaurants, die um den Erdball verteilt sind. Das Bibendum in der Fulham Road gehört zu einem der besten Restaurants in London, ebenso wie das Alcazar ein Fixpunkt in Paris ist. Er entwickelte den Gastrodome in der Londoner Butler’s Warf, eine Kombination verschiedener mit Essen und Lebensmitteln verbundener Aktivitäten, den Anfang machte 1991 La Pont de la Tour, zugleich Bar, Restaurant und privater Diningroom mit angeschlossenem Wein- und Lebensmittelgeschäft. Insgesamt betreibt Conran mehr als 30 Restaurants weltweit, neue, gerade entstehende Projekte noch gar nicht mit eingeschlossen. Für mehr als 100 Restaurants entwarf Conran das Innendesign. rikas führendes Feinschmeckermagazin „Gourmet“ den Londoner Restaurants eine eigene Ausgabe widmete und noch dazu erklärte, nirgendwo auf der Welt esse man so gut wie hier. Conran wirft einen Blick zurück: Seit dem Krieg habe die britische Küche einen schlechten Ruf. Seitdem habe sich aber viel verändert. Wie kam das? „Der eigentliche Wandel setzte in den 50er-Jahren ein – mit einer Gruppe unternehmungslustiger Leute, wie Ärzten, Autoren, Schauspielern 92 GourmetReise Herbst 2007 und Verlegern, die viel reisten, Elizabeth Davids Kochbücher lasen und Sinn für eine lebendige Restaurantszene mitbrachten. Die meisten waren Amateure, die glaubten, damit ein wenig Geld machen zu können“. Wie Conran selbst, der sich mit „The Soup Kitchen“ das anfangs leidige Leben als Designer finanzierte. Später dann zog es Restaurantprofis aus Frankreich und vor allem Italien nach London, die den neuen guten Markt für Restaurants erkannten – allem voran sein Freund Antonio Carluccio, selbst Betreiber eines ganzen Gastro-Imperiums in London. Bei der Auswahl seiner Lokale bleibt er und sein Coautor Peter Prescott der Designlinie treu: „Wen man ein professionell gemachtes Produkt mit ansprechendem Aussehen und ausgesuchter Qualität zu einem angemessenen, bezahlbaren Preis anbietet, werden sich vernünftige, intelligente Mensche dafür begeistern und es auch kaufen.“ Das ist sein Prinzip, an dem er sein mehr als 50 Jahren festhalte – als Designer, Händler und Gastronom. „Ich bevorzuge einfache, unkomplizierte Gerichte, nichts Übertriebenes, keine starken Aromen, oder gewagte regionale Spezialitäten. Ist ein Gericht übertrieben garniert, kann ich davon ausgehen, dass der Koch einen Mangel verbergen möchte.“ Apropos Mängel: Ganz im Gegensatz zu vielen Köchen schätzt Conran die Gastrokritiker der Medien, die sich hauptberuflich um Mängel zu kümmern haben. „Die Londoner Restaurants profitieren zudem von sehr aufmerksamen Restaurantkritikern, die sie in Schwung halten. Würde ich Neues wissen wollen, lese ich Fay Maschler vom Evening Standard, auf sie kann man sich jederzeit verlassen. A. A. Gill ist auch stets erfrischend scharfzüngig“, sagt Conran. Auch den Magazinen wie „Time Out“ sei es zu verdanken, dass die junge Gastroszene und auch deren Besucher hungrig geblieben sind nach neuen Erfahrungen, Lokalen und Rezepturen. top 10 terence conrans lieblingsrestaurants: Blueprint Café Das Blueprint Café bietet einen fantastischen Ausblick auf die Tower Bridge und die Canary Warf – noch besser wird dieser durch die Ferngläser auf jedem Tisch. www.blueprintcafe.co.uk St. John Bred and Wine „Brot und Wein“ ist ziemlich untertrieben für dieses Londoner In-Lokal, das ursprünglich eine Räucherkammer war. www.stjohnrestaurant.com Sushi Say Dieses kleine traditionelle japanische Restaurant tischt Köstlichkeiten nach alter Tradition auf. 33b Walm Lane, NW2 5SH Rivington Grill Typisch englische Gerichte werden vom Breakfast bis spät in die Nacht hinein serviert. Gemütliches Ambiente. www.rivingtongrill.co.uk River Café Köstlichkeiten aus den besten Zutaten – vor allem aus Italien – landen im River Café auf den Tellern. Hier arbeitete bereits Jamie Oliver – die Arbeitsplätze sind daher heiß begehrt. www.rivercafe.co.uk Bistrotheque Französische Küche auf höchstem Niveau – vor allem die klassische Crème Brûlée ist echt ein echtes Highlight. In diesem Restaurant ist der Kunde noch König. www.bistrotheque.com Anchor & Hope Das Essen ist ausgezeichnet, jedoch werden keine Tischreservierungen entgegengenommen. Somit muss man des Öfteren mit längeren Wartezeiten rechnen. 36 The Cut, SE1 8LP Arbutus An den Speisen kann man erkennen, mit welcher Professionalität sie zubereitet wurden. Als besonderes Extra wird Wein in kleinen Karaffen angeboten – „2 Gläser Genuss“. www.arbutusrestaurant.co.uk Bar Shu Bar Shu spezialisiert sich auf die chinesische Küche der Provinz Sichuan und Fuchsia Dunlop. Besonders empfehlenswert ist der Feuertopf, eine traditionelle chinesische Köstlichkeit. www.bar-shu.co.uk Markthallen bieten alles, was das Kulinarikerherz begehrt. Conran gerät ins kulinarische Philosophieren „Ein Restaurant zu betreiben gehört mit Sicherheit zu den kompliziertesten Managementjobs überhaupt. Jeder Teller ist eine Performance für sich. Die richtige Balance zu finden ist wichtig – zwischen der richtigen Qualität, dem Timing beim Kochen und Servieren, so dass das Gericht noch warm auf den Gästetisch kommt.“ Conran erinnert sich noch immer gerne an die Aussage seines Freundes Egon Ronay, der in einem seiner Lokale die Suppe mit dem Kommentar zurückschicken ließ: „Diese Suppe ist zu heiß.“ „Man muss den Menschen immer wieder sagen, welch unglaublich großen Wert Story Deli Das vegetarische Restaurant verwendet rein biologische Nahrungsmittel – dadurch sehen die Speisen nicht nur köstlich aus, sondern sind auch überdurchschnittlich schmackhaft. 3 Dray Walk, 91 Brick Lane ein Restaurant vermittelt. Denken Sie nur, dran, was ein Restaurantbesitzer im Vergleich zu einem Zahnarzt alles tun muss, um 70 Euro zu verdienen. Und dann heißt es immer: ,70 Euro, so teuer.‘ Was dabei nie gesehen wird, sind die Kosten des Besitzers: die Heizung, die Miete, das Personal, die Dekoration, die Wäscherei, der Abwasch, die Köche, die Kellner. Wo sonst kriegt man als Gast so viel Spaß und Vergnügen für so wenig Geld?“ Doch etwas stimmt Conran bei der der rasanten Entwicklung auch traurig. Die meisten traditionellen Londoner Restau- rants sind mittlerweile verschwunden, etwa „The Savoy Grill“, das „Claridge’s“ oder das elegante „Connaught“ mit Michel Bourdins köstlicher Küche. „All diese Hotelrestaurants waren ein wenig altmodisch und genau das fehlt der heutigen Szene. Die modernen Restaurants bringen den frischen Wind und machen guten Umsatz, aber etwas ist verloren gegangen. Ich hoffe, dass wir es wieder entdecken und neu beleben können.“ ■ In Hülle und Fülle: Die klassischen Herbst 2007 GourmetReise 93