Reden schreiben und halten

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Reden schreiben und halten
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Baustein & Praxisfall: Reden
REDEN SCHREIBEN UND HALTEN
Inhaltsverzeichnis
A. Reden schreiben und halten
0.
1.
2.
3.
4.
5.
Einleitung
Zeigen Worte Wirkung?
Mit Ziel und Zug – So haben Sie gut reden
Der Aufbau einer Rede: Spiel mit drei Spielzeiten
Auf dem Spielfeld: Der Auftritt
Es geht los
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1
2
4
6
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17
B. Praxisfall: Eine Rede, die (etwas) bewegt
1. Warnschuss: Kein Applaus für Akrobatik
2. Redekonzept: Ende gut, alles gut
3. Rhetorik: Der Wortwahlkampf
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21
28
A. BAUSTEIN REDEN SCHREIBEN UND HALTEN
Wen macht eine Mannschaft zum Kapitän? Einen, der im Training fleißig ist
und im Spiel stark, natürlich. Doch das reicht nicht: Er darf auch nicht auf den
Mund gefallen sein. Ein Anführer muss auch ein Wortführer sein!
Worte sind wichtig: Hochzeit, Beförderung, Jubiläum – zu feierlichen Momenten gehören Festtagsreden. Probleme und Entmutigung, Trauer und Abschied – auch in
schwierigen und schweren Augenblicken brauchen Menschen Ansprache.
Doch wer hält die Rede? Wer traut sich vor das Publikum? Wird ein Redner gesucht,
bleiben oft auch diejenigen still, die sonst um Worte nicht verlegen sind. Schon die
Vorstellung, sich vor vielen Menschen zu präsentieren, treibt manchem Schweißperlen auf die Stirn.
Warum eigentlich? Weil viele Redner zu hohe Ansprüche an sich stellen. Sie glauben, von ihnen würden Höchstleistungen der Rhetorik erwartet. Klar: Wer mit seiner
Rede etwas erreichen will, auf den wartet Arbeit. Doch sie besteht nicht darin, wortreich Pirouetten zu drehen. Die Herausforderung heißt im Gegenteil: Machen Sie es
so einfach wie möglich – das ist schwierig genug. Ihre Zuhörer werden es zu schätzen wissen.
Ein guter Redner muss weder große noch viele Worte machen. Er muss nur die
richtigen finden: seine eigenen! Wie Sie Reden erfolgreich vorbereiten und halten, erläutert Ihnen dieser Baustein.
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1. ZEIGEN WORTE WIRKUNG?
Was hat ein Trainer, der sein Team in der kurzen Spielpause aufrütteln
oder aufmuntern will, anderes als: Worte? Und wie oft gelingt es der
Mannschaft nach eindringlicher Ansprache in der Kabine, das Spiel
noch herumzureißen? Der beste Beweis für die Macht der Sprache!
SCHLICHT IST SCHÖN
Viele Worte verhallen ungehört, doch einige, die besonders gut gesetzten, überdauern sogar Jahrzehnte und Jahrhunderte. Sie graben sich fest ins Gedächtnis der
Menschen ein und werden als Zitate Allgemeingut:
•
•
•
•
•
„Hier stehe ich und kann nicht anders.“ (Martin Luther 1521 auf dem Reichstag in Worms)
„I have a dream!“ (Martin Luther King am 28. August 1963)
Ich bin ein Berliner!” (John F. Kennedy am 26. Juni 1963)
„Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für die
Menschheit.“ (Neil Armstrong am 21. Juli 1969, bevor er als erster Mensch
den Mond betrat)
„Sport ist Mord“ (Winston Churchill, der trotz dieser ungesunden Haltung 91
Jahre alt geworden ist )
So unterschiedlich die Themen, so entschieden ist die Gemeinsamkeit: Wenige
schlichte Worte, die die Sache auf den Punkt bringen. Das ist die hohe Kunst der
Rede, für die Schopenhauer ein Rezept liefert: „Man brauche gewöhnliche Worte und
sage ungewöhnliche Dinge.“ Wem das gelingt, der hat zuvor hart gearbeitet. Denn
am Anfang steht das Komplizierte, die Unmenge der Gedanken und Argumente. Ein
Gewirr einzelner Fäden, die kunstvoll zu dem einen roten gesponnen werden wollen,
der – in Vollendung verdichtet – das Entscheidende mitteilt: die packende Vision
(Martin Luther King), die bedingungslose Solidarität (John F. Kennedy), die kompromisslose Kraft der Überzeugung (Martin Luther), die Magie eines Moments (Neil
Armstrong) oder die knappe Vorstellung einer Einstellung (Winston Churchill).
„Der Ball ist rund.“
Wer meint, solche Vorbilder taugen für den Alltag nicht, weil erst das große Thema
solche Zitate möglich mache, den belehrt Sepp Herberger eines besseren: Große
Reden hat er nicht mal 1954 gehalten. Nein, er besaß ein anderes Talent: Statt es
lang und kompliziert zu machen, hat er kurzen Prozess gemacht. „Nach dem Spiel ist
vor dem Spiel“ – das ist die brillant formulierte Nüchternheit des Pragmatikers, der
keine Zeit für viele Worte hat. Er beherzigt die Forderung von Georg Christoph Lichtenberg, einem begnadeten Erfinder von Aphorismen, also geistreichen, knapp formulierten Lebensweisheiten: „Meine Sprache sei allzeit simpel, enge und plan. Wenn
man einen Ochsen schlachten will, schlägt man ihm gerade vor den Kopf.“
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Der Feinschliff bringt Ideen zum Leuchten
Herberger mag ein Naturtalent gewesen sein, dem die geflügelten Worte zugeflogen
sind. Wer eine Rede schreibt, kann sich aber nicht allein auf spontane Inspirationen
verlassen. Wer ihr den letzten Schliff verleihen will, der muss feilen und verfeinern.
Von Kennedy ist überliefert, dass er seine wichtigen Reden immer wieder überarbeitet hat. Im ersten Entwurf seiner Antrittsrede als Präsident heißt es zum Beispiel
noch: „Wir feiern heute nicht den Sieg einer Partei, sondern das Symbol der Demokratie.“ Die Formulierung „Symbol der Demokratie“ war ihm offenbar zu abstrakt,
nicht mitreißend genug. Im zweiten Entwurf schreibt er: „Wir feiern heute nicht den
Sieg einer Partei, sondern einen Konvent der Freiheit.“ Demokratie durch Freiheit zu
ersetzen, ging in die richtige Richtung, denn die Demokratie ist ein Mittel zum Zweck,
ein System, die Freiheit hingegen ist fundamental: Jeder spürt, ob er frei ist oder
nicht. Doch Kennedy war noch nicht zufrieden. In der endgültigen Fassung heißt es:
„Wir begehen heute nicht den Sieg einer Partei, sondern ein Fest der Freiheit.“ Dasselbe Prinzip wie zuvor: Kennedy hat es anschaulicher formuliert. Wer kann sich
schon etwas unter einem Konvent vorstellen, mag es noch so würdig klingen? Dass
ein Fest ein Grund zur Freude ist, weiß hingegen jeder.
Fazit: Große Redner machen keine großen Worte. Sie machen im Gegenteil möglichst einfache.
2. MIT ZIEL UND ZUG – SO HABEN SIE GUT REDEN
Eine gute Rede ist leicht und lebendig. Wenn der Redner mit Eleganz und Anmut durch den Parcours seiner Argumente wedelt, sollen die Zuhörer nichts
von den Anstrengungen spüren, die dem Auftritt vorausgegangen sind. Doch
mit diesen Anstrengungen beginnt jeder erfolgreiche Vortrag.
DAS ZIEL BESTIMMT DEN WEG
Zunächst braucht ein Redner ein Thema und ein Ziel. Das Thema gibt häufig der Anlass vor: Bei der Ehrung stehen die Leistungen des Geehrten im Vordergrund, auf
der Mitgliederversammlung der Verlauf des Vereinsjahres, bei der Dankesrede vor
Spendern oder Sponsoren die Verwendung der Mittel. Schwieriger ist es mit dem
Ziel. Hat der Redner es beim Schreiben nicht im Visier, gerät er leicht ins Uferlose
und Ungefähre. Klar, dass seine Rede nirgends ankommt – schon gar nicht beim
Publikum.
Drei Leitfragen
Stellen Sie sich deshalb zu Anfang folgende Fragen:
1. Was will ich erreichen?
2. Was soll sich durch meine Rede bei den Zuhörern verändern, sei es im Herzen
oder im Kopf?
3. Was soll diese Veränderung schließlich bewirken?
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Ein Beispiel:
1. Ich möchte mehr Mitglieder motivieren, sich bei uns zu engagieren.
2. Dazu möchte ich sie erstens über die attraktiven Bedingungen für unsere Ehrenamtlichen informieren und sie zweitens spüren lassen, wie viel Spaß es bei
uns macht.
3. Um die Gunst der Stunde zu nutzen, werde ich alle Interessierten auffordern,
sich im Anschluss an die Rede für eine Informationsveranstaltung mit unserem
Freiwilligen-Beauftragten anzumelden.
Die Rolle des Redners
Aus den Absichten des Redners leitet sich seine Haltung gegenüber den Zuhörern
ab. Er kann als Berater auftreten, der vor allem ermutigt, aber auch als Macher, der
für sein Programm wirbt oder als Unterhalter, der sein Publikum inspirieren und berühren will.
Tipp: Einen differenzierten Überblick über die drei Arten von Reden gibt Ihnen – unter Rat & Tat / Checklisten – die Checkliste 6.5.13 „Die drei Rollen des Redners“:
http://www.ehrenamt-im-sport.de/index.php?id=7682
Vier Phasen
Nachdem Sie Ihre Redeziele und Ihre Rolle bestimmt haben, ergeben sich die
nächsten Schritte fast von selbst:
•
Prioritäten setzen
Wählen Sie aus, welche Informationen und Argumente wichtig sind, damit die
Zuhörer Ihren Schlussfolgerungen zustimmen können.
Tipp: Bei der Auswahl sollten Sie einerseits die Redezeit und andererseits die
Aufnahmefähigkeit des Publikums im Auge behalten.
•
Verdichten
Fassen Sie die Inhalte zu Blöcken zusammen, die jeweils eine Kernsaussage
umfassen.
•
Gestalten
Legen Sie die Abfolge der Kernaussagen und der dazugehörigen Informationen und Argumente fest.
Kurz und schwierig: die Begrüßungsrede
Ein Redner, der „nur“ die Begrüßungsworte spricht, ist zwar schnell wieder von der
Bühne. Doch in diesem kurzen Moment lauern viele Fallgruben:
•
Sprechen Sie die Zuhörer nicht pauschal an ("Liebe Anwesende"), sondern
stellen Sie das Verbindende heraus ("Liebe Freundinnen und Freunde des
Sports“).
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•
•
•
•
Vermeiden Sie die „Begrüßungslitanei“: eine endlose Aufzählung einzelner
Zuhörer. Wenn Sie sich auf drei Ehrengäste und ggf. den Gastgeber beschränken, haben Sie der Höflichkeit genüge getan, ohne die Zuhörer zu ermüden.
Greifen Sie den nachfolgenden Rednern nicht vor, verraten Sie noch nichts,
sondern beschränken Sie sich darauf, neugierig zu machen.
Tipp: Stimmen Sie als Begrüßungsredner Ihren Redetext mit den Hauptrednern ab.
Vergessen Sie nicht, wenn Sie sich für die Einladung bedanken, das Engagement der Helfer, die die Veranstaltung erst ermöglicht haben.
Beschweren Sie sich nie bei den Anwesenden über diejenigen, die nicht erschienen sind.
ÜBER DEN KAMPF INS SPIEL
„Eigentlich“ weiß man, was es zu sagen gibt und wie man es sagen wollte. Aber „eigentlich“ zählt oft nicht mehr; dann nämlich, wenn das weiße Blatt die Ideen blockiert.
Wie bringt man sie wieder in Schwung? Drei Verfahren helfen Ihnen, diese Hürden
zu nehmen:
•
Stellen Sie die Erwartungen an Ihre Kreativität zunächst zurück und beginnen
Sie mit den Sachfragen: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum? Ist das Blatt
erst einmal mit diesen Informationen gefüllt, löst sich oft die Anspannung und
die Ideen kehren aus der Versenkung zurück.
•
Wenn Ihnen zunächst nur Ideen (Vergleiche, Geschichten, Anekdoten etc.)
einfallen, die Sie schon in früheren Reden verarbeitet haben, brauchen Sie
neue Inspiration. Überlegen Sie sich Themen, die dem Gegenstand Ihrer Rede ähnlich sind – so finden Sie neue Analogien, Bilder, die Farbe in Ihren Vortrag bringen. Es können konkrete Übereinstimmungen sein oder allgemeine
Wirkungen und Mechanismen.
Beispiel: Wenn Sie über Herausforderungen sprechen möchten, die es im
Verein zu meistern gilt, könnten Sie sich Kolumbus & Co. als Vorbild nehmen:
Diese Pioniere stehen für den Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen. Recherchieren Sie spannende Geschichten über unerschrockene Entdecker oder originelle Zitate, die Ihren Zuhörern Zuversicht geben.
•
Nutzen Sie Kreativitätstechniken, um Denkblockaden zu überwinden. Für die
Vorbereitung einer Rede eignet sich zum Beispiel das Mindmapping. Es ist eine Visualisierungstechnik, die sprachliches mit bildhaftem Denken verbindet
und so Ordnung ins Thema bringt und zugleich die Phantasie anregt.
Tipp: Mehr über das Mindmapping und andere Methoden, die Kreativität anzuregen, finden Sie – unter Rat & Tat / Der Vereinsberater – im Baustein
„Kreativität“ und dort insbesondere im dritten Kapitel „Technik-Training für
mehr Kreativität“: http://www.ehrenamt-im-sport.de/index.php?id=6434
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Sammelleidenschaft – ein Hobby für Redner
Sie wissen bereits, dass im Laufe des Jahres eine Rede ansteht? Machen Sie es wie
die Eichhörnchen, sammeln Sie auf Vorrat! Themen, Ideen und originelle Episoden
finden sich zum Beispiel in der Zeitung, nicht zuletzt auf den Seiten „Aus aller Welt“
oder „Vermischtes“. Aber auch im persönlichen Umfeld lohnt es sich, Augen und Ohren offen zu halten: Bestimmt finden Sie die eine und andere Geschichte oder Formulierung, die Ihren Ideenschatz bereichert und Ihre Rede zum Funkeln bringt.
Tipp: Legen Sie sich ein kleines Notizbuch an, das in die Hosentasche passt, und
vermerken Sie darin, was Sie gelesen, gehört, gesehen oder erlebt haben. Lassen
Sie sich aber nicht viel Zeit mit dem Eintrag, allzu schnell verblassen solche Schätze
in der Flut der Wahrnehmungen wieder.
VERSTÄNDLICH UND LEBENDIG
Redner sollen wichtig nehmen, was sie zu sagen haben; eines aber sollten sie noch
wichtiger nehmen: ihr Publikum. Wenn Reden zu lang und Sätze zu kompliziert geraten, wenn der Rede der Zug fehlt, weil Unwichtiges gleichberechtigt neben Wichtigem steht, wenn der Redner willkürlich zwischen den Argumenten herumspringt –
dann gähnen die Zuhörer, gelangweilt und ratlos.
Tipp: Mehr über die Bedürfnisse des Publikums verrät Ihnen – unter Rat & Tat /
Checklisten – die Checkliste 6.5.09 „Vortrag: Was Zuhörer schätzen und ablehnen“:
http://www.ehrenamt-im-sport.de/index.php?id=1602
Logisch argumentieren
Was sich Zuhörer wünschen, weiß Wilhelm Busch: „Er sagt es klar und angenehm,
was erstens, zweitens und drittens käm.“ Ein Redner, der etwas Neues zu sagen hat
– und warum sonst sollte er das Wort ergreifen? – spricht zu einem Publikum, das
die Zusammenhänge noch nicht kennt. Die Konsequenz ist zwingend: Er muss erstens so einfach wie möglich formulieren. Zweitens muss er präzise argumentieren:
Jedes Argument muss auf dem vorangegangenen fußen und das nachfolgende stützen. Fehlende Gedankenschritte bringen die Argumentation zum Einsturz, überflüssige mindern die Wirkung.
Was sich hören lässt
Das gesprochene Wort ist flüchtig, kaum hat es den Mund verlassen, verhallt es im
Raum. In diesem Sekundenbruchteil muss der Zuhörer es zu fassen bekommen und
verstehen, sonst war es nutzlos. Wenn ein Redner vor sein Publikum tritt, kann die
Sprache deshalb kaum zu einfach sein. Erleichtern Sie das Verständnis durch kurze,
klare Sätze und Begriffe aus dem Hausgebrauch. Ein Beispiel:
Rohtext: Wenn die Aufwandsentschädigung der Übungsleiter angesichts geringer
Mittel unseres Vereins als relativ hoch eingeschätzt wird, obwohl sie üblichen Standards entspricht, sollte man den hohen Stellenwert ihres Einsatzes für unsere Mitglieder bedenken, ohne den unser Verein das Wachstum der vergangenen Jahre
nicht erreicht hätte.
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Verständliche Fassung: Es stimmt, dass wir unseren Übungsleitern trotz knapper
Kasse die übliche Aufwandsentschädigung zahlen. Doch wo stünde unser Verein
ohne den Einsatz der Trainer? Wir hätten viel weniger Mitglieder, viel weniger zufriedene Mitglieder!
Gesprochene Sprache lebt von Lebendigkeit
Wenn ein amerikanischer Präsident in seiner Antrittsrede auf staatstragendes Pathos
verzichtet, um schlicht zu überzeugen, dürfen wir es ihm nachtun:
1. Machen Sie sich bewusst, dass die Rede, mag Sie auch schriftlich verfasst
werden, ein mündlicher Vortrag ist. Stellen Sie sich ihn als Teil eines Dialogs
vor. Wenn Sie mit Ihren Zuhörern ins Gespräch kommen wollen, sollten Sie
mit Ihnen so reden, wie das Menschen miteinander tun: in Geschichten und
Beispielen, mit kräftigen, aber einfachen Worten. Zugegeben, eine Rede ist
kein Alltagsgespräch und ein Alltagsgespräch nicht in jeder Hinsicht ein Vorbild für Reden, dazu ist es einerseits zu sprunghaft und andererseits zu weitschweifig. Der natürliche Schwung und die Kraft aber, die wir – ohne Hintergedanken an persönliche Wirkung – im Gespräch entwickeln, sollte sich ein
Redner bewahren!
2. Bringen Sie Ihre Rede zügig auf den Punkt. Denn was das Publikum am wenigsten verzeiht ist Langatmigkeit! Formulieren Sie deshalb so plastisch und
konkret wie möglich – erzählen Sie!
Tipp: Konkrete Anregungen für eine lebendige Sprache gibt Ihnen – unter Rat & Tat /
Der Vereinsberater – der Baustein „Texten“: http://www.ehrenamt-imsport.de/index.php?id=7038
Positive Formulierung – gutes Klima
Nicht immer hat ein Redner nur Angenehmes zu verkünden. Doch wann immer Sie
als Redner den Finger in Wunden legen, sollten Sie dreierlei beachten:
1. Stellen Sie sicher, dass sich niemand angegriffen fühlt: Persönliche Kritik auf
offener Bühne ist unfair – und das Publikum reagiert darauf allergisch.
2. Bringen Sie kritische Bestandsaufnahmen ohne Schärfe vor, am besten mit
einer scherzhaften Wendung.
3. Lassen Sie ihr sofort eine Handlungsempfehlung folgen, sonst entmutigen Sie
Ihre Zuhörer statt sie zu ermuntern.
Prinzipiell sollten Sie aber positiven Formulierungen den Vorzug geben. Alte Probleme sind neue Herausforderungen und halb leere Gläser immer noch halb gefüllt.
Wenn Sie zum Beispiel meinen, dass eine Aktion keine Aussicht auf den einmal erhofften Erfolg mehr hat, dann weisen Sie besser auf eine neue Chance hin. Sagen
Sie nicht: „Das bringt doch nichts mehr“. Sagen Sie stattdessen: „Lasst uns noch
einmal die Ärmel hoch krempeln. Mit den Erfahrungen, die wir gewonnen haben,
werden wir jetzt auch das Spiel gewinnen.“
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Tipp: Einen umfassenden Überblick über die Voraussetzungen eines gekonnten Vortrags verschaffen Ihnen – unter Rat & Tat / Checklisten – die Checklisten
• 6.5.01 „Erfolgreich präsentieren“: http://www.ehrenamt-imsport.de/index.php?id=1206
• 6.5.06 „Tipps zur Präsentationstechnik“: http://www.ehrenamt-imsport.de/index.php?id=1599
VISUALISIERUNGSTECHNIKEN
Ob Flipchart, Overheadprojektor oder Beamer: Medien unterstützen Sie dabei, Ihre
Aussagen zu verankern. Was Menschen hören und zugleich sehen, merken sie sich
viel besser, als wenn sie nur ein Sinnesorgan nutzen können. Doch weil Medien
Hilfsmittel, aber nicht der Mittelpunkt einer Rede sind, sollten Vortragende sie sparsam einsetzen:
•
Als Ergänzung, nicht als bloßes, gekürtes Abbild der Rede: Die Stärke von Visualisierungen besteht darin, Wichtiges hervorzuheben und anschaulich zu
machen.
•
In Kurzform: Beschränken Sie sich pro Darstellung (Folie oder Flipchart-Blatt)
auf wenige wichtige Stichpunkte, sonst bleibt bei den Zuschauern nichts hängen.
Tipp: Lesen Sie die Stichworte nicht vor – damit riskieren Sie, die Aufmerksamkeit Ihres Publikums an das Medium zu verlieren. Außerdem verleitet das
Ablesen dazu, den Zuhörer den Rücken zuzukehren.
•
Etwas fürs Auge: Sie steigern den Mehrwert der Visualisierung, wenn Sie grafische Elemente (z.B. Fotos, Diagramme, Cartoons) einfügen.
•
Mit Muße und Ruhe: Lassen Sie den Folien oder Flipchart-Bögen Zeit zu wirken.
•
Sparsam dosiert: In einer zehnminütigen Rede sollten Sie nicht mehr als fünf
Darstellungen verwenden, bei 15 Minuten Redezeit maximal zehn, bei 30 Minuten höchstens 20.
Tipp: Wie Sie Folien überzeugend gestalten, erläutert Ihnen – unter Rat & Tat /
Checklisten – die Checkliste 6.5.02 „Einsatz von Folien bei Präsentationen“:
http://www.ehrenamt-im-sport.de/index.php?id=1595
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3. DER AUFBAU EINER REDE – EIN SPIEL MIT DREI SPIELZEITEN
Welcher Sportler wüsste nicht, dass er in jeder Spielphase volle Konzentration
und unbedingten Siegeswillen braucht, um als Gewinner vom Platz zu gehen?
Erfahrene Redner wissen es auch. Deshalb teilen sie ihre Rede in drei Spielzeiten, von denen jede die ganze Aufmerksamkeit fordert: Einstieg, Hauptteil und
Ausstieg.
Tipp: Nachdem Sie die Ziele konkretisiert haben, wissen Sie genau, welche Argumente Sie im Hauptteil entwickeln müssen, um dorthin zu gelangen. Und wenn Sie
die Argumente präzisiert haben, fällt es leichter, sie gekonnt einzuleiten. Deshalb:
Schreiben Sie Ihre Rede am besten von hinten nach vorn! Dieses Vorgehen hat noch
einen anderen Vorteil: Sie riskieren nicht, dass Ihnen die Luft ausgeht, bevor Sie
beim wichtigsten Teil Ihres Vortrags angelangt sind.
DER EINSTIEG: NEUES MACHT NEUGIERIG
Der erste Eindruck entscheidet – und er entsteht in Sekunden. Wem es gelingt, seine
Zuhörer schon mit den ersten Sätzen einzufangen, dem laufen sie nicht so schnell
wieder davon. Er verschafft sich einen Vertrauensvorschuss, den das Publikum mit
Aufmerksamkeit quittiert. Im einleitenden Teil Ihrer Rede ist deshalb alles gut platziert, was verblüfft und neugierig macht, was Sympathie weckt und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt.
Hier eine Auswahl bewährter Techniken – nicht nur für den Einstieg:
•
Frischfang
Beginnen Sie mit einem interessanten Thema, das gerade im Verein kursiert –
und Sie machen Ihre Zuhörer zu „Mitwissern“.
•
Namhafte Bürgen
Die Zitate von Klassikern verleihen Ihrem Anliegen Gewicht, Aphorismen dem
Thema Würze.
Tipp: Im Internet finden sich zahlreiche Seiten mit Zitaten und Aphorismen,
häufig nach Themen gegliedert, zum Beispiel www.aphorismen.de und
www.zitate.de.
•
Was für eine Frage!
Wer fragend beginnt, regt die Zuhörer zum Mitdenken an. Das Stilmittel ist die
rhetorische Frage, also die, auf die der Redner keine Antwort aus dem Zuhörerkreis erwartet, sondern die er selbst beantwortet – oder die sich selbst beantwortet.
Beispiel zum Thema „Frauen in den Vorstand“: „Können wir Männer alles besser?“ (Frage, die sich von selbst beantwortet: Natürlich nicht!) „Haben Frau
nicht spezielle Stärken, die unserem Verein gut tun würden?“ (Frage, die sich
von selbst beantwortet: Klar, Frauen wie Männer haben typische, geschlechtsspezifische Stärken.) „Was sollten wir also tun, damit sich mehr
Frauen zur Wahl stellen?“ (Die Frage, die der Redner nun beantwortet.)
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•
Überraschungseffekt
Überraschen Sie das Publikum: Wählen Sie einen Einstieg, mit dem es nicht
rechnet. Beginnen Sie zum Beispiel mit einer bewussten Falschaussage, die
Sie nach einer kurzen Pause originell auflösen.
Beispiel zum Thema „sportliche Ziele“: „Die Meisterschaft ist für unsere Mannschaft kein Thema – (kurze Pause) – hoffen unsere Konkurrenten. Was für ein
großes Thema sie für uns ist, zeigen unsere Maßnahmen, die ich Ihnen nun
vorstelle …“
•
Gleich zur Sache
Kein spektakulärer, aber ein solider Weg ist der direkte Einstieg ins Thema. Er
eignet sich vor allem dann, wenn das wichtigste Ziel der Rede die Weitergabe
von Informationen ist.
•
Sie werden lachen!
Lachen ist eine Art von Gymnastik, die selbst Sportmuffel begeistert. Wenn
Sie also eine Geschichte in petto haben, die die Lachmuskeln trainiert, ist Ihnen das Wohlwollen der Zuhörer gewiss. Doch Vorsicht: Das Publikum ist unberechenbar – manchmal will es nicht so reagieren, wie es sich der Redner
vorgestellt hat. Starten Sie deshalb einen Testlauf: Tragen Sie die Anekdote
oder den Witz einigen „Probe-Zuhörern“ vor. Dann wissen Sie, ob Ihr Konzept
aufgeht, bevor Sie damit auf der Bühne stehen.
•
Die Macht der Bilder
Mancher Redner verfehlt sein Vortragsziel, weil er sich allzu sehr um Genauigkeit bemüht. Keine Frage, die Argumentation muss logisch und präzise sein.
Doch niemand kann beim bloßen Zuhören viele Fakten speichern: kaum gehört, schon vergessen. Es will auch kaum einer, denn kleinteilige Ausführungen ermüden. Bilder sind das wirksamere Mittel, Ihre Zuhörer zu bewegen, Sie
auf Ihrem Gedankengang zu begleiten; und besser haften bleiben sie auch.
Deshalb: Dozieren Sie nicht – erzählen Sie!
•
Aus dem Tagebuch
Und wovon? Zum Beispiel von persönlichen Erfahrungen oder von gemeinsam Erlebtem. Fesseln Sie die Zuhörer mit packenden Schilderungen von Erfolgen und Fehlschlägen, großen Taten und kleinen Begebenheiten, von Dramen und Anekdoten. Natürlich sollten die Geschichten gut ausgehen, denn
Sie wollen ja niemanden entmutigen. Sagen Sie den Zuhörern dann, was Sie
gelernt haben, und entwerfen Sie Ihr Szenario für die Zukunft, die Empfehlung, auf die Ihre Rede hinausläuft.
Tipp: Wenn Sie kollektive Erinnerungen wecken, stärken Sie das Wir-Gefühl –
eine wichtige Etappe auf dem Weg, die Zuhörer zu überzeugen: Selbst dort,
wo Argumente ausgetauscht werden, wirkt unterhalb der Sachebene die Beziehungsebene. Meistens sind es Gefühle, die den Ausschlag geben. Wenn
Sie Gemeinsamkeiten betonen, steigt die Aussicht auf die Zustimmung Ihrer
Zuhörer.
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•
Bildschöne Vergleiche
Auch Vergleiche steigern die Verständlichkeit und sind ein wirkungsvolles Mittel für den Einstieg.
Beispiel zum Thema „positive Vereinsentwicklung“: „Im letzten Jahr hat unser
Verein einen Satz nach vorn gemacht, der sich hinter dem von Bob Beamon
nicht zu verstecken braucht.“ (Es folgen Kennzahlen für den Erfolg.)
Beispiel zum Thema „effektivere Öffentlichkeitsarbeit“: „Unsere Sportangebote
können sich mittlerweile wirklich sehen lassen. Nur leider sieht sie trotzdem
niemand. Was daran liegen könnte, dass unsere Öffentlichkeitsarbeit bisher
so auffällig ist wie ein Glühwurm bei Tag.“
Tipp: Kritische Vergleiche dürfen Sie nicht ziehen, wenn sich eine konkrete
Person angegriffen fühlen könnte (siehe oben: Positive Formulierung – gutes
Klima).
•
Sie werden Augen machen!
Wenn Sie etwas vormachen oder vorzeigen können – her damit! Alles, was
die Sinne anregt, ist dem Publikum herzlich willkommen.
•
Meinen Respekt!
Jeder Mensch braucht Anerkennung. Innerhalb einer Gruppe sorgt sie für ein
harmonisches Grundgefühl – vor allem, wenn Dank und Wertschätzung in
persönlichen Worten zum Ausdruck kommen. Alles, was in diesem Teil der
Rede schematisch klingt, mindert ihre Wirkung.
Tipp: Ideen für einen gelungenen Anfang – ob schriftlich oder mündlich – finden Sie
im dritten Kapitel „Pfiffiger Anpfiff“ des Bausteins „Texten“: http://www.ehrenamt-imsport.de/index.php?id=7041
Tipp: Eine knappe Vorschau steigert die Aufnahmefähigkeit der Zuhörer: "Ich werde
im ersten Abschnitt einen Blick in den Rückspiegel werfen, danach den aktuellen
Standort bestimmen und Ihnen im dritten Teil Perspektiven für die Zukunft vorstellen.“ Führen Sie während Ihres Vortrags dem Publikum immer wieder vor Augen, wo
Sie sich gerade befinden, damit der rote Faden sichtbar bleibt.
DER HAUPTTEIL: LOGIK, DIE BESTICHT
Der mittlere Teil der Rede ist meist der ausführlichste. Hier finden vor allem die
Sachargumente ihren Platz, die die Schlussfolgerungen (im Ausstieg) vorbereiten.
Erläutern Sie den Zweck Ihres Vortrags und stellen Sie Ihre These(n) auf. Entwickeln
Sie anschließend diese These(n), indem Sie in mehreren Schritten die verschiedenen Aspekte beleuchten.
Im Hauptteil setzt der Redner auf die Vernunft (doch möglichst nicht auf Kosten von
Anschaulichkeit und Lebendigkeit). Dafür braucht er schlagende Argumente. Wenn
er sie durch anerkannte „Zeugen“ stützen kann, umso besser. Folgende Quellen
könnten Ihren Vortrag bereichern:
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1. Experten-Zitat
Nennen Sie den Namen des Experten und illustrieren Sie seine Kompetenz.
Zitieren Sie ihn und wenden Sie das Zitat auf Ihre These an.
Beispiel zum Thema „Leistungsdruck im Jugendsport“: „Ralph Waldo Emerson, der bedeutende amerikanische Philosoph, hat wörtlich gesagt: ‚Keine
Leistung entschädigt für den Verlust an menschlichem Frohsinn.’ Sollte diese
allgemeingültige Erkenntnis nicht erst recht im Vereinssport gelten und ganz
besonders für die Jungen?“
2. Referenzen
Eine Referenz wirkt wie eine Empfehlung: Sie schildern eine Vorgehensweise,
die sich bewährt hat und nehmen sie zum Vorbild.
Beispiel zum Thema „Trainingsmethode“: „Die Sieger des Turniers, so unterschiedlich ihre Strategie im Einzelnen war, haben alle ein und dieselbe Erfolgsmethode angewandt: … Was spricht dagegen, dass wir es ähnlich machen, nämlich: …“
3. Forschungsergebnisse
Passende Informationen aus Fachartikeln sind tragfähige Säulen Ihrer Ausführungen: Nennen Sie den Fundort und das Datum, zitieren Sie die Quelle und
übertragen Sie die Konsequenzen auf Ihre These.
Tipp: Wenn Sie ergänzend zum mündlichen Vortrag schriftliche Unterlagen
verteilen, sollten Sie die Quelle noch genauer bezeichnen: mit dem Datum der
Veröffentlichung und ggf. der Durchführung, dem Namen der beteiligen Wissenschaftler sowie Namen und Ort der Organisation, in dessen Auftrag die
Wissenschaftler tätig waren.
Tipp: Geben Sie Unterlagen erst nach dem Vortrag aus, damit die Zuhörer
nicht darin blättern, statt Ihnen zu folgen.
4. Statistiken
Statistiken sind eine beliebte Methode, Thesen zu stützen: Sie klingen exakt
und verbürgen die Wichtigkeit einer Aussage. Allerdings hat sich der Aphorismus von Winston Churchill herumgesprochen: „Ich traue keiner Statistik, die
ich nicht selbst gefälscht habe.“ Wenn Sie also eine Statistik nutzen möchten,
um eine These zu beglaubigen, sollten Sie ihr auf den Zahn fühlen. Meist sind
nicht die genannten Zahlen der Knackpunkt, sondern die Interpretation. Ein
Beispiel: Den heutigen Anteil von Frauen in Führungspositionen kann man
ganz unterschiedlich „verkaufen“ – man kann auf den Anstieg gegenüber früher verweisen und erhält eine positive Botschaft. Oder man nimmt die absoluten Zahlen – dann sind Frauen immer noch stark unterrepräsentiert. Doch die
Manipulationsmöglichkeiten enden damit noch nicht: Wer die Thematik herunter spielen möchte, wird möglichst viele Aufgaben als Führungsaufgaben definieren; wer das Gegenteil erreichen will, zeigt allein auf die Chefsessel, denn
die sind überwiegend männlich besetzt.
DER AUSSTIEG: EINE KLARE ANSAGE
Der Schluss soll Ihre Rede krönen. Kündigen Sie ihn an: Das Publikum soll wissen,
dass es in den Endspurt geht, denn das gibt der Aufmerksamkeit einen neuen
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Schub. Jetzt darf sich ein Redner, der seine Ziele erreichen will, keine Abschweifungen mehr leisten – die Worte sind gezählt. Und es kommt auf jedes einzelne an:
•
•
•
•
•
Gut, wenn Sie dem Publikum jetzt noch einen stilistischen Höhepunkt zu bieten haben: Zitate, Geschichten und Bilder, die das Wesentliche Ihres Vortrags
auf einen eingängigen Nenner bringen.
Scheuen Sie sich nicht vor Wiederholungen, so prägen sich Ihre Kernbotschaften besser ein!
Wenn Sie im letzten Redeteil für konkrete Vorschläge werben, sollten Sie sich
auf die wichtigsten beschränken und auf deren Kern.
Empfehlungen finden umso mehr Gehör, je genauer jeder Zuhörer versteht,
welchen praktischen Nutzen er davon hat.
Sie haben konkrete Erwartungen an die Zuhörer? Sagen Sie ganz genau, wer,
was, wann, wo, wie zu tun hat – und wieso!
Tipp: Ideen, wie Sie Ihre Rede erfolgreich zum Abschluss bringen, enthält (unter Rat
& Tat / Checklisten) die Checkliste 6.5.03 „Wie sollte das Ende eines Vortrags gestaltet sein?“: http://www.ehrenamt-im-sport.de/index.php?id=1596
RICHTIG GEWICHTET
Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, ist nicht der Hauptteil das wichtigste Element:
•
•
Erstens, weil kein Redner die „Gefühlsargumente“, die vor allem im Ein- und
Ausstieg ihre Wirkung entfalten, unterschätzen sollte: „Alles, was von Menschen getan oder erdacht wird, gilt der Befriedigung gefühlter Bedürfnisse ...“
(Albert Einstein). Eine wirkungsvolle Rede ist deshalb immer auch ein Appell
an die Gefühle. Mag der Redner noch so viele gute Argumente haben – solange er nur den Kopf der Zuhörer erreicht, erreicht er nicht viel.
Zweitens, weil vor allem der Ausstieg entscheidet, ob eine Rede die geplante
Wirkung zeigt. In den letzten zwei bis drei Minuten der Rede legen Sie den
Grundstein für die Zukunft. Alles, was vorher kam, war der Anlauf für den letzten kräftigen Absprung, zu dem Sie Ihre Zuhörer bewegen wollen: die Zustimmung zu Ihren Vorschlägen, den Mut, etwas zu wagen, die Bereitschaft
sich (weiterhin) zu engagieren oder einfach: sich zu entspannen und die Veranstaltung zu genießen.
FAKTOR ZEIT
Wie lang ist eine gute Rede? Höchstens so lang, wie die Zuhörer folgen können. Untersuchungen zeigen, dass nach 45 Minuten die Aufmerksamkeit rapide abnimmt.
Was nicht bedeutet, dass man dieses Kontingent ausschöpfen muss. Vor allem dann
nicht, wenn schon Vorredner die Konzentration des Publikums in Anspruch genommen haben. Dass ein Redner zu kurz gesprochen habe, hört man selten, vom Gegenteil ist häufiger die Rede. Martin Luther hat einen kernigen Ratschlag parat: „Tritt
fest auf, tu's Maul auf, hör bald auf!" Achten Sie also darauf, dass Anfang und Ende
nicht zu weit auseinander liegen. Entscheidend ist natürlich, wie viel Interessantes
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Sie zu erzählen haben. Aber Achtung: Maßgeblich sind die Interessen des Publikums!
Wie viele Minuten für welchen Teil?
Auch auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort. Nehmen Sie als groben
Richtwert für eine Rede von rund 20 Minuten: je zwei bis drei Minuten für den Einstieg und Ausstieg und 14 bis 16 Minuten für den Hauptteil. Doch im Einzelfall kann
eine andere Gewichtung günstiger sein. Nehmen wir an, ein Trainer, dessen Mannschaft eine herbe Niederlage erlitten hat, spricht zu seinen Spielern. Der argumentative (Haupt-)Teil wird in diesem Fall wahrscheinlich kurz ausfallen. Mehr Raum einnehmen wird dagegen der Einstieg, vielleicht in Form einer aufmunternden Geschichte aus seiner Vergangenheit als Sportler, und ein Ausstieg mit dem Appell, Mut
zu fassen.
Tipp: Eine gute Einführung in die Kunst, Reden zu verfassen, ist das Buch „Die
Macht der Rhetorik. Besser reden – mehr erreichen“ von Roman Braun, erschienen
bei Ueberreuter, ISBN 3-8323-0801-6, 15,90 Euro.
4. AUF DEM SPIELFELD: DER AUFTRITT
Eine gute Vorbereitung ist der halbe Sieg. Die andere Hälfte entscheidet sich
auf dem Platz. Das ist bei Vorträgen nicht anders. Alle Vorarbeiten haben nur
ein Ziel: den überzeugenden Auftritt!
ABLESEN ODER FREI SPRECHEN?
Vielen Menschen bereitet die Aussicht, eine Rede zu halten, Magengrimmen. Sie
setzen deshalb lieber auf Nummer sicher und lesen vom Blatt ab. Damit verschenken
sie aber viele Chancen: Selbst wenn es ihnen gelungen ist, in lebendiger Sprache zu
schreiben – die Monotonie der Stimme, eine beinahe zwingende Folge des Ablesens, schmälert die Wirkung. Manche versuchen einen Mittelweg, sie lernen den Redetext auswendig. Leider klingt es dann oft künstlich – ein Singsang, der an einen
Gedichtvortrag erinnert. Was also sollte man tun? Dazu eine kleine, wahre Begebenheit:
Ein Mitarbeiter, beauftragt, eine neue Strategie zu entwickeln, erhielt eine Einladung
zur Direktorenkonferenz. Dort sollte er präsentieren, was er sich hatte einfallen lassen. Der Mitarbeiter, der weder auf den Mund gefallen war, noch Zweifel an seinem
Konzept hatte, war nervös. Deshalb schrieb er den Vortag Wort für Wort auf Karteikarten. Als er vor sein Publikum trat, zitterten ihm die Knie und die Stimme. Doch mit
den Karteikarten rettete er sich über die ersten Minuten. Dann aber unterbrach ihn
der Geschäftsführer: Er hätte eine Verständnisfrage. Danach fand der Mitarbeiter
den Anschluss auf den Karteikarten nicht mehr. Wohl oder übel – er musste improvisieren. Nach kurzer Zeit hatte er sich freigeschwommen, die Inhalte beherrschte er ja
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und die Sprache kam zurück: Er präsentierte, dass es den Direktoren eine Freude
war, die sie mit Applaus quittierten.
Was die Geschichte illustriert? Dass die meisten von uns viel besser reden können,
als sie sich zutrauen. Dass sie können, wenn sie müssen – und dass ihr Vortrag davon profitiert. Es lohnt sich deshalb, sich zu trauen! Wer sich gut vorbereitet, indem
er akribisch an den Inhalten und den wichtigsten Stilmitteln arbeitet, der kommt mit
Stichworten gut über die Runden. Es dürfen viele Stichworte sein – wichtiger ist,
dass man die Sätze nicht bis ins Letzte ausformuliert, damit die frei gesprochenen
Einfügungen den persönlichen Akzent und die Lebendigkeit der Sprache betonen.
Probieren Sie es aus, vielleicht mit einer Generalprobe im stillen Kämmerchen!
Tipp: Manchem Redner zittern (vor allem am Anfang) die Hände ein wenig. Wenn er
ein Blatt Papier in der Hand hält, hört man es schnell rascheln. Nutzen Sie deshalb
festere und nicht zu große Karteikarten, da hört man nichts.
GUT BEI STIMMME
Die Stimme ist ein Instrument, das Stimmung macht. Redner, die es beherrschen,
kommen ihren Zielen näher. Es ist ähnlich wie bei einem Lied: Wenn die Musik trägt,
hört man sogar über Ungereimtheiten des Textes hinweg. Wem das Talent nicht in
die Wiege gelegt wurde, der sollte üben. Der Grundkurs: Lernen Sie, laut, langsam
und deutlich zu sprechen. Das ist, auf der Bühne stehend und ein Publikum vor sich,
gar nicht so leicht: Es gilt, stimmlich einen ganzen, manchmal großen Raum zu füllen, so präzise zu artikulieren, dass auch in der hintersten Sitzreihe noch jede Silbe
zu verstehen ist. Und sprechen Sie so langsam, dass auch die Zuhörer folgen können, für die das Thema noch Neuland ist.
Tipp: Üben Sie eine Rede vor Testhörern – und zwar so langsam und deutlich, bis
es Ihnen unnatürlich erscheint. Sie werden feststellen: Jetzt erst kann Ihr Publikum
Sie gut verstehen.
Atemtechnik gegen Auftrittangst
Wer nervös ist, atmet schneller und flacher. Und wer wäre vor einer Rede nicht nervös? Ein bisschen Lampenfieber schadet nicht, sondern erzeugt im Gegenteil erwartungsvolle Spannung, die sich vom Redner auf sein Publikum überträgt. Bevor aber
Herz und Stimme zu rasen beginnen, sollte man gegensteuern:
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Atmen Sie einmal ganz tief ein. Strecken Sie dabei ungeniert den Bauch heraus, damit auch der unterbeschäftigte untere Teil der Lunge genutzt wird.
Tipp: Tragen Sie bei Vorträgen Kleidungsstücke, in denen Sie sich wohlfühlen
– sie sollten Sie auf keinen Fall einengen!
Halten Sie die Luft etwa fünf Sekunden lang an.
Atmen Sie langsam aus. Wiederholen Sie diese Schritte ein paar Mal kurz vor
Ihrem Auftritt. Sie können das völlig unbemerkt tun. Diese Atemtechnik eignet
sich immer dann als Soforthilfe, wenn Sie Ihre Auftrittangst körperlich spüren.
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Schweigen ist Gold
Kurze Redepausen haben wohltuende Wirkung – auf den Redner, seine Rede und
sein Publikum:
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Der Redner gewinnt einen Moment, um Luft zu holen und sich zu sammeln.
Die Rede profitiert, weil kurze Pausen (von zwei bis fünf Sekunden) Spannung
aufbauen: Was kommt jetzt? Außerdem schaffen sie Strukturen, trennen Argumente und Redeteile voneinander.
Die Zuhörer wissen Pausen zu schätzen, weil sie ihnen Zeit zum Nachdenken
geben.
KÖRPERSPRACHE
Manchmal ergibt sich die Gelegenheit, eine Rede im Sitzen zu halten, sei es, weil der
Gastgeber es anbietet oder weil ein kleiner Zuhörerkreis es nahe legt. Doch man
sollte nicht zugreifen! Wenn Ihnen Ihr Thema ein Anliegen ist, dann sollten Sie ihm
die Ehre erweisen und es stehend präsentieren. So bekommt es einen angemessenen Platz: als Ereignis, dass die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuhörer wert ist.
Arme Arme
Vortragende verschanzen sich gern hinter Rednerpulten; auch, weil sie die Arme, mit
denen sie sonst nichts anzufangen wüssten, dort ablegen können. Allerdings wirkt
ein Pult wie eine Barriere, die den Kontakt zwischen Redner und Publikum hemmt.
Wohin aber mit den Armen, wenn Sie auf ein Pult verzichten? Herunter hängende
Arme hinterlassen einen kraftlosen, allzu wild bewegte einen hektischen Eindruck.
Wenn Sie Karteikarten benutzen, ist ein Arm von selbst beschäftigt und nimmt automatisch die richtige Position ein: oberhalb des Gürtels und unterhalb des Brustkorbs!
Und der andere Arm? Nutzen Sie ihn, um Wirkungen zu unterstreichen oder auf Folien hinzuweisen. Auch hier gilt: Weniger ist mehr. Eine gezielte Geste um Wichtiges
hervorzuheben, wirkt souverän und lenkt die Wahrnehmung des Publikums im Sinne
des Redners. Allzu viele Gesten hingegen wirken unsicher und verunsichern.
Tipp: Vermeiden Sie angewinkelte Arme, eine breitbeinige Stellung und ausgestreckte Zeigefinger. Das sind Gesten der Dominanz und Belehrung, die schnell Widerwillen hervorrufen.
Die Bewegung im Raum
Wer stehend präsentiert, darf der sich bewegen? Ja, in Maßen. Nutzen Sie Ihren
Bewegungsspielraum durchdacht, denn ein Redner auf Wanderschaft verbreitet Unruhe und stört die Konzentration. Mit einem Schritt zur Seite können Sie zum Beispiel
signalisieren, dass Sie das Themenfeld erweitern, mit einem Schritt nach vorn, dass
Sie jetzt besonders engen Kontakt zum Publikum suchen, sei es, weil der Aspekt besondere Aufmerksamkeit verdient oder weil Sie an die Solidarität der Zuhörer appellieren.
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Baustein & Praxisfall: Reden
Tipp: Dringen Sie, wenn Sie auf die Zuhörer zugehen, nicht in die persönliche Distanz-Zone von rund eineinhalb Meter ein. Das wird (unbewusst) als eine Verletzung
der Intimsphäre wahrgenommen.
Riskieren Sie einen Blick!
Wie berühren Sie Zuhörer, ohne ihnen zu nahe zu treten? Durch Blickkontakt! Redner, die ihren Zuhörern, möglichst jedem einzelnen, einen Blick schenken, gewinnen
leichter deren Gunst.
Tipp: In der Aufregung vergisst man seinen Vorsatz, Blickkontakt aufzunehmen,
leicht wieder. Notieren Sie ihn sich deshalb auf jedem zweiten oder dritten Ihrer
„Spickzettel“ für die Rede.
PATENTREZEPTE FÜR PANNEN
Was macht eine Eiskunstläuferin, die den Sprung nicht steht? Sie rappelt sich so
schnell wie möglich auf – und lächelt, als sei nichts gewesen. Auch wenn während
eines Vortrags etwas Unvorhergesehenes geschieht, braucht ein Redner vor allem:
gute Nerven. Bewahren Sie Ruhe und vertrauen Sie auf das Wohlwollen Ihres Publikums. Wenn es Ihnen gar gelingt, die Panne mit Humor zu nehmen, wird der „Unfall“
zum Glücksfall, der Ihnen viel Sympathie beschert.
Aussetzer
Wenn einmal der Faden reißt oder Sie einen Gedankenschritt übersprungen haben,
sollten Sie sich zu einem nicht hinreißen lassen: Ihre Unsicherheit zu offenbaren.
Schauspieler leben mit solchen Gefahren täglich und begegnen ihnen mit einer bewährten Methode – sie überspielen die Panne. Im Falle des gerissenen Fadens helfen meist schon einige Sekunden Bedenkzeit, um ihn wieder aufzunehmen. Die verschaffen Sie sich zum Beispiel, indem Sie das zuletzt Gesagte, noch einmal wiederholen – möglichst mit anderen Worten, damit keiner etwas merkt. Wenn Sie einen
Punkt ausgelassen haben, kein Problem: Entweder Sie sparen ihn aus, weil er weniger wichtig war oder Sie betonen ihn im Gegenteil: „Einen Aspekt, meine Damen und
Herren, habe ich Ihnen bisher vorenthalten, weil er Ihre besondere Aufmerksamkeit
verdient ...“
Tücken der Technik
Wenn das Mikrofon stumm bleibt oder der Beamer den Dienst versagt – nehmen Sie
es mit Humor. Das Licht fällt aus? Sie könnten ein Wortspiel daraus machen: „Natürlich sollte meine Rede erhellend wirken – Pause – aber für die Beleuchtung eines
ganzen Saales reicht es leider doch nicht.“ Wenn sich die Störung nicht gleich beheben lässt, sollten Sie eine Pause vorschlagen, denn vor dem Publikum an Geräten
rumzufummeln, wirkt ungeschickt.
Tipp: Stellen Sie im Vorfeld sicher, dass ein Techniker anwesend ist und für die üblichen Schwachstellen, Birnen und Kabel zum Beispiel, Ersatz bereit liegt. Was Sie
sonst noch vor Ihrem Auftritt prüfen sollten, zeigt Ihnen – unter Rat & Tat / ChecklisSeite 17 von 31
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Baustein & Praxisfall: Reden
ten – die Checkliste 6.5.14 „Gute Bedingungen für Reden“: http://www.ehrenamt-imsport.de/index.php?id=7684
5. ES GEHT LOS!
Der Auftritt naht: Gehen Sie mit ruhigen Schritten nach vorn und beginnen Sie erst zu
sprechen, wenn Sie einen sicheren Stand gefunden haben. Zunächst sollten Sie kurz
vorstellen …
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wer Sie sind
aus welchem Anlass und zu welchem Thema Sie referieren
wie lang der Vortrag dauern wird
ob Sie Zwischenfragen während des Vortrags oder erst danach beantworten
ob im Anschluss eine Diskussionsrunde geplant ist
ob Sie im Anschluss eine schriftliche Zusammenfassung (Handout) aushändigen
Und dann beginnt die eigentliche Rede. Sie können ruhig bleiben: Sie haben
etwas zu sagen. Sie haben sich gut vorbereitet. Sie dürfen auf das Wohlwollen
Ihrer Zuhörer vertrauen – es wird gut laufen!
Tipp: Einige ergänzende nützliche Links finden Sie im aktuellen Newsletter:
http://www.ehrenamt-im-sport.de/index.php?id=9419
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Baustein & Praxisfall: Reden
Teil B. PRAXISFALL
EINE REDE, DIE (ETWAS) BEWEGT
Teil A hat Ihnen erläutert, was eine gute Rede auszeichnet. Der Praxisfall veranschaulicht Ihnen nun anhand einiger beispielhafter Herausforderungen, wie sich die
Theorie umsetzen lässt. Den Ausgangspunkt bildet eine Rede, die Mängel aufweist.
Zunächst werden die Knackpunkte aufgedeckt, dann geht es an die Verbesserung.
Wichtiger als die einzelnen Probleme und Lösungsansätze, die Schorsch Schüler,
der eine Rede halten muss, und seine „Trainerin“ Sonja Sprecher beschäftigen, sind
die Überlegungen, die ihnen zugrunde liegen. Denn sie zeigen Ihnen exemplarisch,
welche Denkweisen und Leitlinien einer Rede Applaus einbringen.
Hinweis: Der Praxisfall ist frei erfunden. Das gilt auch für die im Text genannten Zahlen der Mitgliederbefragung. Ähnlichkeiten mit realen Vereinen und Personen wären
bloßer Zufall.
1. WARNSCHUSS: KEIN APPLAUS FÜR AKROBATIK
Was immer sich Eistänzer oder Bodenturner an Kabinettstückchen einfallen
lassen: sie dürfen die Preisrichter nicht vergessen. Nur wenn die mit der Darbietung etwas anfangen können, sind viele Punkte zu holen. Das Preisgericht
eines Redners ist das Publikum. Auch hier gilt: Nur wenn er den Geschmack
trifft, kann er punkten. Ob oder ob nicht – das sollte er vorher testen!
SCHORSCH SCHÜLER KOMMT INS SCHWITZEN
Der Redeentwurf, den Mira Schüler vor sich hatte, begann mit den Worten: „Mein lieber Freund! Amicus certus in re incerta cernitur – Einen sicheren Freund erkennt
man in unsicherer Lage.“ Mira kratzte sich am Kopf. Es war ihr neu, dass Schorsch,
ihr Mann, Latein beherrschte. Auch war ihr schleierhaft, warum er von einer unsicheren Lage sprach. Klar, der Verein war im Umbruch. Aber die Ehrung von Ewald Eifer,
der nach Jahrzehnten ehrenamtlichen Engagements aus dem „aktiven Dienst“ ausschied, sollte doch wohl nicht „nebenbei“ dazu dienen, Probleme zur Sprache zu
bringen. Und noch etwas irritierte Mira: Von einer Freundschaft zwischen Schorsch
und Ewald war ihr nichts bekannt. Schorsch hatte vor zwei Jahren das Amt des Vereinsvorsitzenden übernommen, als Ewald es aufgegeben hatte, um Schatzmeister
zu werden. Wenn Mira es richtig beurteilte, arbeiteten die beiden kollegial zusammen, mehr aber auch nicht. Vielleicht lag es am großen Altersunterschied, Ewald war
76, Schorsch 38. Gegenseitiger Respekt war bestimmt vorhanden – aber Freundschaft? Ob ihr Mann zu einem lateinischen Zitat gegriffen hatte, um die Nähe, die der
Begriff Freund unterstellte, durch die distanzierte alte Sprache auszugleichen? Sie
seufzte. Nach nur einem Satz türmten sich Fragen und Zweifel. Als sie zu Ende gelesen hatte, war sie unsicher. Nicht alles fand sie schlecht. Aber manches hatte sie
überhaupt nicht verstanden. Insgesamt war ihr die Sprache zu abgehoben. Da
Schorsch eine ehrliche Rückmeldung erbeten hatte, sprach sie Klartext. Ihr Mann
wehrte ab. Was denn „zu gestelzt“ bedeuten solle? Immerhin sei es die Rede des
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Vorsitzenden zur ehrenvollen Verabschiedung einer „verdienten Identifikationsfigur“
des Vereins. „Verdiente Identifikationsfigur“ träfe es gut, entgegnete Mira.
„Fragt sich nur, ob Ewald glücklich darüber ist, als verdiente Identifikationsfigur
behandelt zu werden. Vielleicht wüsste er Herzlichkeit mehr zu schätzen. Aber du
musst es selbst wissen, es ist deine Rede. – Obwohl: Eigentlich ist es Ewalds
Rede, dem sollte sie gefallen!“
Schorsch war beleidigt. Und sah die Kritik auch nicht ein. Ewald würde schon merken, wie viel Mühe er sich gemacht hatte. Gerade darin kam doch die Ehre zum
Ausdruck, die er dem Vereinsfreund zuteilwerden ließ! – Oder etwa nicht? Er geriet
ins Wanken. Vielleicht sollte er noch eine zweite Meinung einholen. Jens Sprecher,
ein Vorstandskollege, den er fragte, wehrte ab: Was Reden anginge, spiele er selbst
„nicht gerade in der Championsleague“. Aber er wisse vielleicht wen, der helfen könne – vorausgesetzt, Schorsch sei bereit, sich etwas von jemandem sagen zu lassen,
der halb so alt war wie er selbst. Jens sprach von seiner Tochter Sonja, die Germanistik studierte und einige Rhetorikseminare absolviert hatte. Er könne sie fragen,
wenn Schorsch wolle. Schorsch wollte.
Eine Rede – zwei Ziele: Ehrung und Vermehrung
Einige Tage später besuchte Sonja Sprecher den Vereinsfreund ihres Vaters. Sie
war verlegen, denn die Rede, die er ihr per Mail hatte zukommen lassen, stellte sie
vor Rätsel. Sie gab sich einen Stoß. Ob ihr Herr Schüler ein offenes Wort gestatte?
„Erstens heiße ich Schorsch und zweitens bitte ich darum“, entgegnete ihr Gegenüber. Also legte Sonja los. Einiges fände sie „okay“, das meiste aber „etwas gestelzt“. Eine Rückmeldung, die Schorsch nicht unbekannt vorkam. Ein Redner könne
unterschiedliche Rollen einnehmen, dozierte die Studentin – aber die des „erhobenen Zeigefingers“ möglichst nicht! Was Schorsch mit seiner Rede überhaupt bezwecken wolle.
„Ich habe folgenden Eindruck: Erst handelst du die Ehrung ab und dann kommst
du zu dem, was dich eigentlich interessiert: dass ihr mehr Leute braucht, die mit
anpacken. Ehrung und Ermahnung in einem Aufwasch, das geht schief! Die Ehrung wird immer mehr zur Nebensache. Also, wenn ich der Geehrte wäre, ich
würde mir denken: Na danke, darauf hätte ich verzichten können. Noch was:
Nach der Rede soll eine Feier stattfinden, richtig? Aber so, wie du über fehlende
Einsatzbereitschaft jammerst, wird keinem danach sein, schätze ich.“
Schorsch schluckte. Die junge Frau nahm wirklich kein Blatt vor den Mund. Ob er ihrer Meinung nach den ganzen zweiten Teil kippen solle, fragte er. Das wäre nämlich
schade, weil es selten Gelegenheit gäbe, „mal vor versammelter Mannschaft einen
Appell zu starten“. Sonja antwortete, sie sehe da überhaupt kein Problem – wenn
man es geschickt anstelle.
„In der Ehrung einen Appell unterzubringen, ist ein klares Ziel, damit kann man
was machen. Nur ist die Rede bisher kein Appell. Du müsstest fürs Mitmachen
begeistern, statt die Passivität zu beklagen. Und damit es eine Rede aus einem
Guss wird, gehört die Zweiteilung weg. Die ist nicht gut und muss auch nicht sein.
Im Gegenteil, du kannst zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wenn du mit
Begeisterung erzählst, was der Vereinsfreund geleistet hat, wird der sich geehrt
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fühlen und gleichzeitig der Funken aufs Publikum überspringen. So verbinden
sich beide Teile. Am Ende kannst du dann konkreter werden und zum Mitmachen
einladen, nach dem Motto: Wenn ihr auch so tolle Sachen wie unser Vereinsfreund erleben wollt, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt! – Gut wäre es, wenn du
gleich eine Liste für Interessenten umgehen lässt oder zu einer Informationsveranstaltung einlädst. Den Part musst du leider kurz halten, weil sonst die Ehrung
wie ein Mittel zum Zweck wirkt. Aber irgendwas Konkretes solltest du anbieten,
sonst verpufft die Wirkung.“
Schorsch war verblüfft. Er hielt sich selbst für zielstrebig und hätte nicht gedacht,
dass ihm eine Studentin da etwas vormachen konnte. Was Reden betraf, wusste sie
offenbar, wo es langging. Wie sie den Stier bei den Hörnern gepackt hatte, Respekt!
Am liebsten hätte er Sonja die „blöde Rede“ schreiben lassen. Er fragte sie, bekam
aber eine Abfuhr. Dann bliebe ja der Lernerfolg aus, entgegnete sie grinsend. Aber
sie erklärte sich bereit, Schorsch zu unterstützen.
2. REDEKONZEPT: ENDE GUT, ALLES GUT
Wer beim Schach das Brett als Sieger verlassen möchte, braucht die Fähigkeit,
möglichst viele Züge vorauszudenken. Ein kurzfristiger Vorteil kann langfristig
zur Niederlage führen, das berühmte Bauernopfer hingegen den entscheidenden Stellungsvorteil bringen. Ebensolche Weitsicht braucht ein Redner: Die
Herausforderung lautet, sich mit jedem Satz dem Ziel zu nähern.
SONJA SAGT, WAS SACHE IST
Als sie sich am nächsten Tag trafen, hielt Sonja sich nicht mit langen Vorreden auf.
Sie hatte Feuer gefangen und freute sich darauf, an einer „echten Rede“ mitzuwirken, statt nur in Seminaren zu üben.
„Wir brauchen ein Konzept. Dabei müssen wir vom Ende her denken, also den
Zielen: Die Rede soll deinen Vereinsfreund ehren und deine Zuhörer animieren,
sich im Verein zu engagieren. Ein Schuss, zwei Treffer – das ist die Vorgabe. Danach müssen wir uns um den Ablauf kümmern, d.h. die Reihenfolge der Inhalte.
Wenn wir uns ins Zeug legen, bekommen wir heute beides hin. Beim nächsten
Mal können wir uns dann um die Feinheiten kümmern, sprich die Formulierungen.“
Sonja schloss die Frage an, warum der erste Teil des Redeentwurfs, in dem es um
die Ehrung ging, bisher so vage und unpersönlich wirke. „Hast du keine Anekdoten
auf Lager?“ Nein, damit konnte Schorsch nicht dienen. Er erklärte, dass er Ewald Eifer, wie der Vereinsfreund hieß, erst seit zwei Jahren näher kenne. Und dass ihr Verhältnis „eher sachlich“ sei. Dann müsse Schorsch sich das Material eben von anderen besorgen, entschied Sonja.
„Wir brauchen Stoff, sonst kommt bei der Ehrung nur allgemeines Gesülze raus!
Sprich mit Leuten, die Ewald nahestehen, und frag nach Geschichten, die ihn ins
richtige Licht rücken. Du weißt schon, so Sachen, bei denen einem das Herz aufSeite 21 von 31
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geht. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Geschichten deinen Zuhörern
Appetit aufs Ehrenamt machen sollen. Sie sollten also auch illustrieren, was man
als Ehrenamtlicher alles erleben kann. Wenn du den Zuhörern am Ende ein Angebot oder einen Vorschlag machst, soll jeder das Gefühl haben, er verpasse etwas, wenn er nicht zugreift.“
Das Publikum: Zuhörer sind Zielgruppen
Das höre sich gut an, meinte Schorsch. Er habe sich auch schon Gedanken über
seine „Zielgruppe“ gemacht. Die Bezeichnung hatte er gestern auf einer Seite im Internet gefunden, die Tipps für Redner enthielt. „Publikum“, stand dort, „das klingt
nach einer Einheit, doch tatsächlich zerfällt die Zuhörerschaft meist in viele kleine
Gruppen“. Schorsch gab dem Autor recht, als er an die rund 200 Zuhörer dachte, mit
denen er rechnete. Darunter waren Jüngere und Ältere, Akademiker, Arbeiter und
Angestellte, Berufstätige und Arbeitslose, Alteingesessene und Migranten. Sie ließen
sich nicht über einen Kamm scheren. Er musste sich offenbar entscheiden, auf welche Gruppe es ihm vor allem ankam. Zuerst fielen ihm die neuen Mitglieder mit Migrationshintergrund ein. Er glaubte zu wissen, dass ihre Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, über dem Durchschnitt lag. Die Frage war nur, ob sie bei der Rede überhaupt anwesend wären. Da sie noch nicht lange im Verein waren, kannten
sie Ewald wahrscheinlich nicht gut. Außerdem ging es bei ihnen wohl eher darum,
die immer noch vorhandenen Hemmschwellen zu senken. Er musste sich stärker um
sie kümmern, hatte er erkannt, aber die Rede passte nicht als Auftakt. Plötzlich hatte
er gewusst, wer die richtige Zielgruppe war! Es gab eine ganze Reihe älterer Mitglieder im Verein, die mittlerweile in Rente waren. Darunter befand sich bestimmt so
mancher, der sich langweilte – und nur auf eine Einladung wartete, im Verein zu zeigen, was er immer noch drauf hatte. Alles passte: Viele der Älteren kannten Ewald,
waren vielleicht sogar mit ihm befreundet. Ein nostalgischer Ausflug in die Vereinsgeschichte würde ihnen gefallen. Und Ewald eignete sich hervorragend als Identifikationsfigur für sie, denn er war der lebende Beweis, dass man – statt mit Anfang
sechzig die Hände in den Schoß zu legen – noch viele Jahre mitmischen konnte.
Schorsch berichtete Sonja von seinen Überlegungen. „Eigentlich hast du mit deiner
Überlegung völlig recht“, erwiderte sie. Doch jede Regel habe ihre Ausnahme.
„Wenn du die Älteren ganz direkt ansprichst, grenzt du die andern aus. Normalerweise würde ich das in Kauf nehmen. Aber bei einer Veranstaltung, auf der alle
gemeinsam einen Ehrengast feiern, sollte man nicht zwischendurch nur einen Teil
der Zuhörer ansprechen. Lass uns deine Zielgruppe im Hinterkopf behalten und
noch mal darüber reden, wenn wir genügend Informationen haben.“
Wer gut recherchiert, hat auch gut reden
Informationen? Verstand Schorsch nicht. Sonja antwortete, sie bräuchten „unbedingt“
etwas Handfestes darüber, was die Vereinsmitglieder sich vom Ehrenamt erwarteten.
„Diese Infos müsstest du noch besorgen!“ Schorsch schaute leicht genervt. Wieso
besorgen? Er hatte selbst gewisse Vorstellungen von den Erwartungen – schließlich
war er der Vereinsvorsitzende! Sonja zeigte sich ungerührt. „Gewisse Vorstellungen“,
das hörte sich nicht gerade nach Gewissheit an, fand sie. Ob er nichts Genaueres zu
bieten hätte. Schorsch dachte nach. War es in der Mitgliederbefragung, die vor gut
drei Jahren durchgeführt worden war, nicht auch ums Ehrenamt gegangen? Ja, jetzt
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erinnerte er sich. Die Befragungsergebnisse hatte Schorsch bei seinem Amtsantritt
vor zwei Jahren zwar erhalten, aber nur überflogen. Zu viel Neues war damals über
ihn hereingebrochen. Er würde mit Willfried Wisser, der die Befragung organisiert
hatte, reden müssen. Er sah Arbeit auf sich zukommen. Aber Sonja hatte natürlich
recht: Um so genauer er Bescheid wusste, desto besser für die Rede. Blieb die Frage, wer ihn mit Geschichten über Ewald versorgen konnte. Frieda Freund vielleicht?
Sie war in Ewalds Alter und hatte lange mit ihm im Vorstand zusammengearbeitet.
Leider ließ sie sich nur noch selten im Verein sehen. Er würde sie anrufen, einen
Versuch war es wert. Schorsch seufzte. Es war offenbar nicht damit getan, sich hinzusetzen und Sätze zu produzieren; als wäre das nicht schwer genug! Er vereinbarte
mit Sonja, sich zu melden, sobald er genügend Material hatte. Plötzlich kam Sonja
eine Idee. Schorsch solle versuchen, auch Fotos von den Ereignissen aufzutreiben.
„Die Geschichten mit einer kleinen Diashow zu illustrieren, das bringt Pep in die Veranstaltung!“
Ausgangsmaterial: Anekdoten und Argumente
Frieda Freund erwies sich als Glücksfall – als Geschichtenerzählerin nämlich, die
Schorsch mit mehr Stoff versorgte, als er würde verarbeiten können. Auch Willfried
Wisser hatte wichtige Informationen beigesteuert. Willfried war manchmal etwas pedantisch, was sich aber in diesem Fall bezahlt machte. Denn er hatte die Ergebnisse
der Befragung akribisch ausgewertet und übersichtlich in der „Top 10 Liste der Erwartungen“ zusammengefasst. Als Schorsch sie studierte, wurde ihm klar, dass die
Erwartungen der Befragten in vielen Punkten mit dem übereinstimmten, was der
Verein seinen Ehrenamtlichen bot – aber nicht in allen. Er war kurz versucht, gewisse Diskrepanzen in seiner Rede anzusprechen, entschied sich aber dagegen. Mit einem Grinsen stellte er sich vor, wie Sonja ihn zurechtwies, weil die Ehrung schon
wieder in den Hintergrund zu geraten drohte. Er würde sich also auf das konzentrieren, ...
... was erstens vorhanden war,
... zweitens den Erwartungen der Mitglieder entsprach und
... sich drittens mit den Geschichten aus Ewalds Vereinsleben verbinden ließ.
Für die Rede brauchte er allerdings eine andere Gliederung. Er überlegte sich folgendes Aufbauschema:
1. Wisst Ihr noch?
Den Ausgangspunkt musste selbstverständlich Ewald bilden. Die jeweilige
Anekdote aus seinem Leben gehörte daher an den Anfang.
2. Tolles Erlebnis, nicht wahr?
Im zweiten Schritt musste er den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart schlagen.
3. Und die Konsequenz?
Schließlich musste er einfließen lassen, warum es auch heute noch eine tolle
Sache war, im Verein ein Ehrenamt auszuüben.
Der dritte Punkt bereitete ihm Kopfzerbrechen. Es durfte auf keinen Fall so wirken,
als seien die Anekdoten nur Mittel zum Zweck. Dann wäre Ewald nämlich zurecht beSeite 23 von 31
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leidigt. Und nicht nur das. Die Zuhörer würden über die Motive des Redners nachdenken, statt sich von der Begeisterung anstecken zu lassen. Der Übergang von
Punkt zwei zu Punkt drei war also die Sollbruchstelle. Da galt es achtzugeben!
Schorsch war versucht, Sonja anzurufen. Nein – er musste es zunächst selbst an einem Beispiel ausprobieren!
Harte Arbeit! Er feilte ausgiebig, bis er ein „Gesellenstück“ hatte, das er Sonja – hoffentlich – guten Gewissens zeigen konnte. Es ging um das Thema Gestaltungsmöglichkeiten. Dieser Aspekt war bei der Befragung ziemlich weit oben gelandet und
Schorsch hatte eine passende Anekdote gefunden. Er rief Sonja an, und sie trafen
sich. Bevor er den Entwurf herausrückte, erläuterte er, was er mit der Passage, die
sie nun lesen sollte, beabsichtigte. „Vom Ziel her denken“ – diesen Appell seiner
Rhetoriktrainerin hatte er nicht vergessen. Sie nickte zu seiner Erklärung: „Klingt
plausibel. Dann lass mich mal sehen!“ Sie las den Text – und war alles andere als
unzufrieden! Sprachlich war es, wenngleich noch nicht ganz rund, ein großer Schritt
in die richtige Richtung, weg vom falschen Pathos. Mehr noch imponierte ihr, wie geschickt er die Übergänge von der Anekdote bis zur Schlussfolgerung gestaltet hatte.
„Nicht schlecht für den Anfang, du scheinst eine gute Trainerin zu haben“, sagt sie
mit schelmischem Lächeln. „Was die Sprache angeht, empfehle ich dir, noch ein
bisschen mehr der Alltagssprache zu vertrauen. Du erzählst aus dem Alltag gefischte
Geschichten, das darf sich in der Ausdrucksweise widerspiegeln.“ Sie schlug ihm folgendes Vorgehen vor:
„Was die Textarbeit angeht, will ich dir nicht zu stark hineinfummeln. Du hast deine Sprache und ich meine. Und was du zu Papier gebracht hast, finde ich gar
nicht schlecht. Wenn du magst, kannst du mir die Datei per Mail schicken und ich
füge Anmerkungen ein, wo ich an deiner Stelle nacharbeiten würde und warum.
Was du daraus machst, ist dann deine Sache. Heute sollten wir über den Aufbau
der Rede sprechen, also die Abfolge von Anekdoten und Argumenten. Da kann
ich dir als Sparringspartnerin helfen, das Für und Wider abzuwägen. Was meinst
du?“
AUFBAUTRAINING: ERST DER INHALT, DANN DIE ILLUSTRATION
Schorsch nickte und breitete den Packen Fotos aus, den er von Frieda bekommen
hatte. „Ich nehme an, wir schauen erst mal, zu welchen Geschichten ich die besten
Bilder habe?“ Die Bilder seien ein schönes i-Tüpfelchen, aber nicht die Hauptsache,
korrigierte Sonja. „Sonst wackelt am Ende der Schwanz mit dem Hund.“ Auch die
Anekdotensammlung interessierte sie noch nicht. „Die Ehrung darf zwar auf keinen
Fall zu kurz kommen, aber den roten Faden bilden deine Argumente fürs Ehrenamt.“
Zuerst wollte sie die Befragung sehen, von der Schorsch gesprochen hatte. „Lass
uns schauen, welche Punkte wir für deine Rede brauchen können. Schorsch zeigte
ihr die Zusammenfassung von Willfried Wisser:
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Baustein & Praxisfall: Reden
Top 10 Liste der Erwartungen
Kurzfassung der Antworten von Befragten,
... die bereits ein Ehrenamt im Verein ausüben (41 %) oder
... es sich grundsätzlich vorstellen könnten (59 %)
basierend auf einer schriftlichen Befragung von 2006 / Durchführung und Auswertung: Willfried Wisser
die Befragten konnten aus vorgegebenen Punkten auswählen und hatten ein
Freifeld für nicht gelistete Erwartungen
Erwartungen
1.
2.
3.
Prozent
sinnvolle Tätigkeit mit Erfolgserlebnissen
zeitliche Begrenzung
fachkundige Einführung in die Tätigkeit, kompetente Ansprechpartner
4. Fortbildung, bei der man etwas Nützliches (z.B. für den Job) lernt
5. Kontakte zu anderen Ehrenamtlichen, kein Dasein als Einzelkämpfer
6. selber entscheiden und gestalten dürfen
7. Kosten (z.B. für Material oder Benzin) übernimmt der Verein
8. zeitliche Flexibilität, z.B. durch „Tandem-Lösungen“ (zu zweit eine Aufgabe übernehmen)
9. Anerkennung
10. Honorar
91
82
77
76
74
72
62
39
31
19
Schorsch war sich im Klaren, dass er nicht alle Punkte „abarbeiten“ konnte. Unsicher
war er sich hingegen, welchen Einfluss die Prioritäten der Befragten auf seine Rede
hatten. Für Punkt zwei zum Beispiel, die zeitliche Begrenzung ehrenamtlicher Aufgaben, war Ewald nicht gerade ein Paradebeispiel. Zudem hatte er Bedenken, ob solche eher organisatorischen Gesichtspunkte in seine Rede passten. Er fragte Sonja
nach ihrer Meinung. Wie immer hatte sie eine genaue Vorstellung.
„Erstens glaube ich, dass du recht hast: Die emotionalen Aspekte eignen sich
besser. Und zweitens glaube ich nicht, dass die Liste die tatsächlichen Erwartungen richtig widerspiegelt. Vor allem nicht, wenn es um Anerkennung geht. Wenn
man die Leute direkt danach fragt, wiegeln sie vielleicht ab. Ist eben nicht cool, so
was quasi einzufordern. Aber wenn man ehrlich ist: Anerkennung braucht jeder.“
Sie gingen daraufhin die Punkte durch und pickten fünf heraus, von denen sie sich
die größte Wirkung versprachen. Im Anschluss durchforsteten sie die Anekdotenund Episodensammlung und hatten Glück: Sie fanden zu jedem der Punkte eine Geschichte, die ihn in Szene setzte und Ewald zugleich schmeichelte. Anschließend
beschäftigten sie sich mit der Frage nach der Abfolge der Episoden und Argumente
und kamen zu folgender Strukturierung des Hauptteils:
1. Aller guten Dinge sind drei?
Aspekt pro Ehrenamt: Kontakte zu anderen Ehrenamtlichen, kein Dasein als Einzelkämpfer
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Episode: Bei einem Vereinsfest hatten drei Mitverantwortliche dieselbe Bestellung
bei Getränkelieferanten aufgegeben – Ewald bemerkt die drohende „Sintflut“ in
letzter Minute.
Botschaft: Bei uns bilden die Ehrenamtlichen eine „starke Gemeinschaft“. Wir helfen uns gegenseitig.
Überlegung zum Aufbau: An den Anfang sollte diese Anekdote, weil sie das Publikum zum Lachen bringen würde. Sie lud die Zuhörer ein, sich zu identifizieren,
und rückte Ewald als „Retter“ ins bestmögliche Licht.
2. Das Schweinewetter – der Beine Bretter
Episode: Ein Vereinsfest drohte ins Wasser zu fallen, weil ein Regenguss die
Wiese, über die man zum Festzelt gelangte, geflutet hatte. Ewald wusste die Lösung: Er ließ kurzerhand aus Paletten einen Steg bauen.
Aspekt pro Ehrenamt: Selber entscheiden und gestalten dürfen
Botschaft: Bei uns gibt’s für Kreativität Applaus.
Überlegung zum Aufbau: Die Geschichte funktionierte ähnlich wie die erste. Aber
einerseits hatte sie keine ganz so starke Pointe, weshalb sie nicht den Auftakt bilden sollte. Andererseits schaffte sie einen guten Übergang zur emotionalen dritten Episode, gerade weil sie eher zum leisen Schmunzeln als zum lauten Lachen
anstiftete.
3. Keine Macht den Drogen – wenn man was macht!
Episode: Eines Morgens sah Ewald auf dem Weg zur Arbeit einen Nachbarsjungen betrunken auf dem Bürgersteig sitzen. Er brachte ihn nach Hause und besuchte ihn später, sie sprachen über Alkohol und Drogen. Ewald, damals Jugendwart, lud ihn ein, im Verein mitzumachen. Heute war der Junge von damals
eine Führungspersönlichkeit der Basketballmannschaft.
Aspekt pro Ehrenamt: sinnvolle Tätigkeit mit Erfolgserlebnissen
Botschaft: Bei uns geht es um viel mehr als Sport – wir engagieren uns für Menschen!
Überlegung zum Aufbau: Während die ersten beiden Episoden als Dehnungsübung für die Lachmuskeln gedacht waren, etwas zum Aufwärmen also, zielte
diese direkt auf den Herzmuskel: Sie sollte die Zuhörer nachempfinden lassen,
wie gut es tat zu helfen, und ihnen vor Augen führen, was man als Ehrenamtliche(r) bewegen konnte! Da einige Vereinsmitglieder die Geschichte kannten und
wussten, wer der Junge von damals war, musste Schorsch ihn fragen, ob er einverstanden war.
4. Eine Hymne für Ewald
Episode: Statt eine Geschichte zu erzählen, würde Schorsch die Zuhörer bitten,
sich zu erheben und für Ewald die Vereinshymne zu singen. Schorsch wollte ein
kleines Orchester organisieren, um den Gesang zu untermalen – und den Ausdruck der Wertschätzung zu verstärken.
Aspekt pro Ehrenamt: Anerkennung
Botschaft: Spüre selbst, wie gut Wertschätzung sich anfühlt.
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Überlegung zum Aufbau: Die Rede sollte selbst zu einer „Geschichte“ der Anerkennung werden: ein Erlebnis aus erster Hand. Soweit sich Schorsch erinnern
konnte, war die Hymne noch nie einem einzelnen Mitglied gewidmet worden. Sie
sollte zum emotionalen Höhepunkt der Rede werden.
5. Ein einladendes Lebenswerk
Episode: Anstelle einer Anekdote sollte es zum Ausklang einen Bericht über die
Errungenschaften geben, die der Verein (auch) Ewald verdankte. Im Mittelpunkt
würden die stetig verbesserten Bedingungen im Ehrenamt stehen, nicht zuletzt
die vereinsinterne Fortbildung.
Aspekt „Pro Ehrenamt“: Fortbildung, bei der man etwas Nützliches lernt
Botschaft: Unsere Ehrenamtlichen genießen auch handfeste Vorteile mit konkretem Nutzen.
Überlegung zum Aufbau: Nach der – hoffentlich – bewegenden Gesangseinlage
galt es, die Emotionen wieder ein Stück herunterzufahren. Andernfalls würde die
abschließende Einladung zu einer „Schnupperveranstaltung für Neugierige“, in
der Schorsch über die Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements informieren
wollte, in den Gefühlswallungen untergehen.
FOTOS UND ANDERE VERSTÄRKER
Nachdem das Konzept für den Hauptteil der Rede stand, wurde klar, dass sich nicht
alles mit Fotos illustrieren ließ. Schorsch und Sonja überlegten sich folgende Lösung:
•
•
•
Die erste Episode („Sintflut“) würden Sie mit einer Fotomontage untermalen, in der Ewald mit erhobenen Armen vor den Niagarafällen stand (als
Bändiger der Fluten).
Für die dritte Episode („Keine Macht den Drogen“) brauchten sie keine Bilder, sollte es Schorsch gelingen, den „geretteten“ Vereinsfreund zu bewegen, selbst nach vorn zu kommen und zwei oder drei Sätze zu sagen.
Für den letzten Punkt (Erfolge Ewalds/Bedingungen im Ehrenamt) würde
Schorsch eine kleine PowerPoint-Präsentation mit den Highlights und der
Einladung vorbereiten.
Damit standen die wesentlichen Eckpunkte. Nun ging es ans Formulieren.
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3. RHETORIK: DER WORTWAHLKAMPF
Gleich wird das Pokalfinale angepfiffen. Der Trainer weiß, es ist Zeit für einen
letzten Satz zur Aufmunterung. Jetzt zählt jedes Wort. Aber welches ist das
beste? „Zeigt es ihnen – wir müssen das Spiel gewinnen!“ Steckt da vielleicht
zu viel Druck dahinter, wo die Erwartungen doch ohnehin schon riesengroß
sind? Wäre es besser, die Fähigkeit hervorzuheben? „Zeigt es ihnen – wir können das Spiel gewinnen!“ Oder braucht die Mannschaft mehr Zuversicht?
„Zeigt es ihnen – wir werden das Spiel gewinnen!“ Es gibt Momente, da gehört
jedes Wort auf die Goldwaage.
KONSTRUKTIVE KRITIK FÖRDERT KOMPETENZEN
Am nächsten Tag erhielt Schorsch eine Mail von Sonja. Er war gespannt und rechnete mit dem Schlimmsten. „Hallo Schorsch“, schrieb sie, „keine Sorge, es sind gar
nicht viele Anmerkungen. Und Lob ist auch enthalten! Freue mich, bald die ganze
Rede zu lesen. Schick sie mir, wenn Du fertig bist, dann betätige ich mich wieder als
Chefkritikerin ☺“. Schorsch öffnete die Datei und las.
Dein Text
[1. ANEKDOTE]
Das lasse man VOR SEINEN AUGEN ERSTE1
HEN :
EIN FESTZELT, prächtig erleuchtet und
hergerichtet, HARRT DER TANZBEINE, DIE DA
2
SCHWINGEN SOLLEN . Aber die Beine kommen nicht, weil ein Regenschauer die
Wiese in eine Flusslandschaft verwandelt
hat. Ich sehe es direkt vor mir, wie die
Damen RATLOS3 da stehen und taxieren,
ob ihre Absätze hoch genug sind, um trockenen Fußes GEWISSERMAßEN4 ans andere Ufer zu gelangen. Droht das Fest
abzusaufen? Nein, droht es nicht! Zum
Glück ist EWALDS EIFER5 – auch diesmal
nicht zu bremsen – der zur Stelle ist und
wieder einmal beweist, AUS WELCHEM
HOLZ ER GESCHNITZT ISt6. In diesem Fall ist
es das Holz von Paletten. Genau genommen den Paletten, auf denen die Getränke geliefert worden sind. Er lässt daraus einen Steg bauen – und schon befinden sich unsere Vereinsfreundinnen und freunde auf dem Holzweg. Auf einem
besseren kann man sich wohl nicht befinden. CHAPEAU7, Ewald!
Meine Anmerkung
FINDE ICH GUT, DASS DU DIE STORY IM PRÄSENZ ERZÄHLST!!!
1
etw. „getragen“; würde es einfacher sagen, z.B.: das stelle man sich bildlich vor
2
gewagtes Bild; wenn du es gut rüber
bringst, vielleicht; würde ich an Testhörern ausprobieren!
3
„ratlos“ finde ich überflüssig, die Ratlosigkeit versteht sich von selbst
4
„gewissermaßen“ erklärt, dass es sich
beim anderen Ufer um ein Bild handelt –
Bilder sollen aber unmittelbar wirken!
5
fürchte, der Arme kann Wortspiele mit
Eifer nicht mehr zählen; der Satz ist auch
echt verworren; ich würde nur schreiben:
zum Glück ist Ewald zur Stelle
6
es folgen zwei weitere Wortspiele mit
„Holz“ – dieses hier würde ich streichen;
vielleicht kann man was in der Art machen wie: Er weiß, wo es langgeht.
7
klingt altbacken, die Jüngeren verstehen
„Chapeau“ vielleicht gar nicht
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Baustein & Praxisfall: Reden
Dein Text
[2. ÜBERLEITUNG]
Mich hat diese Geschichte an ein Seminar erinnert, auf das mich EINES SCHÖNEN
TAGES8 unser Arbeitgeber geschickt hat.
Es war ein Seminar, das dazu diente, die
Kreativität zu steigern. Und es war ein
sehr teures Seminar. Seit ich bei uns im
Verein Verantwortung übernommen habe, weiß ich, dass man überhaupt kein
Seminar braucht, um seine Kreativität zu
steigern. Das lernt man bei uns von ganz
allein. Und viel mehr Spaß macht es obendrein!
Meine Anmerkung
[3. SCHLUSSFOLGERUNG]
Das verdanken wir in gewisser Weise
auch dir, Ewald, und deiner Generation.
Weil ihr euch ALS VEREINSFÜHRUNG immer
dafür starkgemacht habt, UNSEREN EH9
RENAMTLICHEN Freiräume zu geben, die
jeder Einzelne mit seinen Ideen, seiner
Kreativität füllen kann! So macht die Sache Spaß – bis heute!
PRIMA, dass du Ewalds Engagement in
den Schlussteil integriert hast!!!
8
für meinen Geschmack behäbig; würde
etwas wie „mal“ vorziehen; außerdem
würde ich im Präsenz bleiben, also: mich
erinnert diese Geschichte an ...
9
mir würde diese Hierarchie (wir, eure
Führung – ihr, unsere Ehrenamtlichen)
nicht gefallen!
Übrigens: den Titel, den wir uns ausgedacht haben (Das Schweinewetter – der
Beine Bretter) könnte man vielleicht als
Einstieg vor den Fotos einblenden
Von wegen, nicht viele Anmerkungen! Im ersten Moment war Schorsch entsetzt.
Doch bei genauerem Hinsehen erkannte er das Positive: An keiner Stelle hatte Sonja
grundsätzliche Einwände erhoben. Es ging eher um den Feinschliff. Er las die Anmerkungen mehr als ein Mal, um zu verstehen, was er aus ihnen für Schlussfolgerungen für seine Rede ziehen konnte. Dann machte er sich ans Werk.
WORT FÜR WORT ZUR WERTARBEIT
Einige Tage und viele Schweißtropfen später stand sein Redetext, mit Ausnahme der
Schlusssätze, für die er noch keine Lösung gefunden hatte. Er trug ihn Mira, seiner
Frau vor – und sie applaudierte! Anschließend schickte er den Text Sonja. Er bekam
ihn mit 37 Anmerkungen zurück. Mittlerweile hatte er eine gewisse Routine damit,
Kritik einzustecken. 37 Anmerkungen auf die Gesamtfassung, das war proportional
deutlich weniger als die neun für den ersten Redeausschnitt, kalkulierte er. Die meisten bezogen sich auf die Einleitung, die er auf Sonjas Empfehlung hin zuletzt verfasst
hatte. Schon beim Schreiben hatte er da eine gewisse Verkrampfung gespürt. Die
ersten Worte mussten sitzen! Doch hatte ihn dieser Anspruch wieder verführt, ziemlich „anspruchsvolle“ Worte zu wählen, die sich, so Sonja, „nach Brockhaus“ anhörten. Er nahm einen zweiten Anlauf, der ihrer Meinung nach „schon besser“ war – also noch nicht gut. An der dritten Version hatte sie schließlich nur noch Kleinigkeiten
auszusetzen, die schnell behoben waren. Was allerdings immer noch fehlte, war die
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Überleitung zur Einladung, ganz am Ende der Rede. Weder durfte sie nebensächlich
klingen, noch durfte es wirken, als sei die Ehrung nur der Aufhänger, diese Einladung
auszusprechen. Er wusste sich keinen Rat und Sonja bot an, zusammen daran zu
arbeiten. „Wir müssen Einladung und Ehrung auf einen Nenner bringen“, fasste sie
die Herausforderung zusammen. Und hatte auch schon eine Idee: Zum Abschluss
dürfe es „ein bisschen Pathos“ sein. Wie, jetzt also doch Pathos? Schorsch wunderte
sich. War er nicht ständig für pathetische Formulierungen abgemahnt worden? Sonja
ließ den Einwand nicht gelten.
„Erstens klang, was du geschrieben hast, eher akademisch als pathetisch, das ist
nicht dasselbe. Zweitens ist Pathos nicht verboten, nur gefährlich – Stichwort falsches Pathos. Man darf pathetisch, also leidenschaftlich werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Nummer eins: Die Zuhörer müssen darauf eingestimmt
sein. Am Anfang einer Rede ist Pathos deshalb riskant. Aber wir befinden uns mit
unserer Rede am Ende und haben die Zuhörer mit der Vereinshymne emotional
vorbereitet. Nummer zwei: Der Redner muss dabei glaubwürdig sein. Deshalb
stelle ich mir vor, dass du von dir ausgehst und von deiner Verpflichtung als Vereinsvorsitzender, Ewalds Erfolgsgeschichte fortzusetzen. Keine Angst, es soll
kein Ausbruch an Leidenschaft werden. Wir werden das gut dosieren.“
Sie tüftelten eine Weile, bis Sonja meinte, sie hätten eine Fassung gefunden, die sowohl Ewald gerecht wurde, wie auch der Einladung zur Informationsveranstaltung die
nötige Aufmerksamkeit verschaffte. Nachdem Schorsch den Text am Stück gelesen
hatte, schüttelte er den Kopf. Unter „gut dosiert“ stellte er sich etwas anderes vor. Es
schien ihm alles eine Nummer zu groß. Sonja ließ sich von seiner Skepsis nicht beeindrucken. „Wenn du die Rührung im Raum erlebst, nachdem ihr die Hymne gesungen habt, wird es sich besser anfühlen. Außerdem liest sich der Text anders, als sich
die Rede anhören wird, das ist immer ein großer Unterschied. Vorschlag: Lies die
Passage einige Male durch und dann trag sie mir vor.“
Er probierte es aus. Beim ersten Versuch hörte es sich in seinen Ohren hölzern an.
Doch langsam bekam er ein Gefühl für den Text – und begann seinen Worten Glauben zu schenken. Er traf den richtigen Ton.
„Zum Abschluss ein persönliches Wort als einer von vielen Ehrenamtlichen unseres Vereins. Dass ich unter Bedingungen mitwirken kann, die mich mit Befriedigung erfüllen und mir täglich aufs Neue Freude bereiten, dafür danke ich dir, Ewald, und deinen Mitstreitern, von Herzen! Zugleich bin ich mir als Vereinsvorsitzender bewusst, dass wir, die Kolleginnen und Kollegen im Vorstand, in der
Pflicht stehen, an die Errungenschaften und Erfolge deiner Generation anzuknüpfen. Aber wir können es natürlich nicht alleine schaffen. Wir brauchen engagierte
Mitspieler, die im Großen wie im Kleinen ihre Ideen und ihre Tatkraft einbringen.
Wir brauchen die Jüngeren und Älteren, die langjährigen und die neuen Mitglieder, Alteingesessene und Hinzugezogene. Niemand muss, aber jeder darf mitwirken! Freude und Befriedigung sind inbegriffen, wie wir heute erlebt haben. Sie
sind das Wichtigste, aber nicht alles. Wer sich für ein Ehrenamt entscheidet,
muss und soll die Rahmenbedingungen kennen. Deshalb lade ich euch zu einem
Gespräch mit Kaffee und Kuchen am nächsten Mittwoch ein, wo ich euch mehr
erzählen werde und ihr Fragen stellen oder Anregungen machen könnt. Jeder ist
herzlich willkommen! Der Verein braucht uns – aber der Verein hat uns auch etSeite 30 von 31
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was zu geben! Zum Beispiel eine tolle Feier – für die wir gar nichts leisten mussten. Denn die hast du uns beschert, Ewald. Auch dafür vielen Dank!“
Es begann tatsächlich, Spaß zu machen, er fühlte sich jetzt endlich wie ein Redner.
Und freute sich fast schon auf seinen Auftritt!
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