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Systematisches Training der
Aufmerksamkeitsregulation am Beispiel
der Sportarten Fußball und Boxen
Christian Müller, Ralf Pocan, Johannes Pöschl, Daniel Stredak, Gregor Nimz
Zusammenfassung
Basierend auf der Annahme, dass der Mensch ein bio-psycho-soziales System darstellt (Engel,
1976), ergibt sich, dass auch psychische und soziale Faktoren Voraussetzungen jeder sportlichen
Leistung sind. Im Spitzensport sind sportpsychologische Trainingsverfahren daher inzwischen
weitestgehend etabliert und anerkannt, mit der Zielstellung eine optimale Leistung zum definierten
Zeitpunkt zu erreichen (Eberspächer, 2007).
Eine Form des sportpsychologischen Trainings ist die Aufmerksamkeitsregulation, die in
diesem Beitrag exemplarisch im Bereich des Boxens und Fußballs vorgestellt werden soll. Dazu
werden in einem ersten Schritt die anforderungsspezifischen Aufmerksamkeitsausrichtungen
der beiden Sportarten in Anlehnung an Nideffer (1976) erläutert, um folglich Trainingsformen
zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsregulation aufzuzeigen. Die beiden Zielsportarten
weisen durch ihre komplexen Anforderungen die Möglichkeit auf, potenzielle Unterschiede und
Gemeinsamkeiten im Bezug auf die verschiedenen Aufmerksamkeitsausrichtungen theoretisch
heraus zu arbeiten und somit Handlungsempfehlungen zu geben.
Schlüsselwörter
Aufmerksamkeit, Training, Sportpsychologie, Boxen, Fußball
Abstract
Based on the assumption that every human being constitutes a bio-psycho-social system (Engel,
1976), it follows that psychic and social factors are prerequisites of any athletic accomplishment
as well. Therefore, on a high-performance level, sports-psychological training measures
are established and recognized, in order to achieve optimal results at a defined point in time
(Eberspächer, 2007).
One form of sports-psychological training is attentionnal regulationcontrol, which in this article
will be presented by the example of boxing and soccer. In a first step, we will elucidate the
specific attentional foci of the two sports following Nideffer (1976), in order to demonstrate
training forms enhancing attentional regulationcontrol. Due to their complex necessities, the two
target sports offer the opportunity to bring out potential differences and similarities regarding the
respective attentional foci on a theoretical level, therefore providing training recommendations.
Keywords
attention, training, sports psychology, boxing, soccer
Heft 1/2012 Seite 67
Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz
Problemstellung
Die
Konzentrationsleistung
ist
von
wesentlicher Bedeutung für den sportlichen
Erfolg (Nideffer & Sagal, 2001). Im Boxen
und Fußball sowie auch in anderen Sportarten
ist es notwendig, während des Wettkampfes
konzentriert zu handeln, um die Leistung
abzurufen und Verletzungen zu vermeiden.
In einer Wettkampfsituation kann der Athlet
durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren von
der eigentlichen Tätigkeit abgelenkt werden.
Folgende Situation soll dies am Beispiel der
Sportart Boxen verdeutlichen: Der Athlet
befindet sich in einem Wettkampf und
konzentriert sich auf den Gegner, um auf dessen
Aktion adäquat reagieren zu können bzw. diese
zu antizipieren. Doch während er versucht
sich zu konzentrieren, wird der Athlet von
nicht für die Leistung förderlichen Aspekten
abgelenkt (z. B. Publikum, Ringrichter).
Dadurch
geht
die
uneingeschränkte
Aufmerksamkeit für die Kampfsituation
verloren
und
die
aufgabenbezogene
Aufmerksamkeitsausrichtung wird gehemmt
(Beckmann & Elbe, 2008; Mayer & Hermann,
2009). Doch auf welche konkreten Parameter
soll sich der Athlet während des Wettkampfes
konzentrieren? Welche Anforderungen im
Bezug auf die Aufmerksamkeitsregulation
stellt die jeweilige Sportart? Welche
Möglichkeiten gibt es, die Konzentration in
dieser Sportart zu verbessern?
Um diese Fragen zu beantworten, wird
daher im weiteren Verlauf dieses Artikels
auf drei Aspekte eingegangen. Erstens
wird der theoretische Hintergrund zur
Erstellung
eines
sportartspezifischen
Trainings der Aufmerksamkeitsregulation
beleuchtet. Im zweiten Schritt werden
die
anforderungsspezifischen
Aufmerk­
samkeitsausrichtungen
der
jeweiligen
Sportart exemplarisch dargestellt, um im
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abschließenden Teil dieses Beitrages auf die
Trainingsinhalte einzugehen.
Theoretischer Hintergrund
Niedeffer (1976) unterscheidet verschiedene
Formen derAufmerksamkeit, welche sich zu vier
Aufmerksamkeitsausrichtungen kombinieren
lassen (Beckmann & Elbe, 2008). Dabei wird
die Ausrichtung der Aufmerksamkeit über
zwei Dimensionen: internal – external und
weit – eng, differenziert (u. a. Eberspächer,
2007). Jede Sportart hat im Hinblick auf
dieses Modell eine individuelle Anforderung
(Beckmann & Elbe, 2008). Dabei wird
jede einzelne Aufmerksamkeitsausrichtung
zu unterschiedlichen Zeitpunkten des
Wettkampfes
benötigt.
Im
Folgenden
werden
die
vier
Dimensionen
der
Aufmerksamkeitsausrichtung dargestellt.
External-eng
Die external-enge Aufmerksamkeitsform wird
benötigt, um bestimmte Sachverhalte sehr
genau zu betrachten (Eberspächer, 2007).
Dabei liegt die Aufmerksamkeit außerhalb der
Person (external). Während des Wettkampfes
ist es zum Beispiel notwendig, sich externaleng auf den Gegner und seine Aktionen zu
konzentrieren, um auf eine situative Bedingung
entsprechend agieren oder reagieren zu
können.
External-weit
Die external-weite Aufmerksamkeitsform
ermöglicht
ein
umfassendes,
relativ
undifferenziertes Bild von der Umgebung.
Diese Aufmerksamkeitsausrichtung erlaubt
es, viele Informationen im Umfeld der Person
aufzunehmen (Eberspächer, 2007).
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Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen
Der
external-weite
Form
hat
eine
Bedeutung in der Vorbereitung auf den
Wettkampf. Der Athlet kann sich bei dieser
Aufmerksamkeitsausrichtung auf das Publikum
oder die Wettkampfstätte konzentrieren, um
sich einen Überblick zu verschaffen.
Internal-eng
Die internal-enge Aufmerksamkeitsform
wird benötigt, um sich auf einen bestimmten
Punkt oder Vorgang der eigenen körperlichen
und psychischen Prozesse konzentrieren
zu können (Eberspächer, 2007). Diese
Aufmerksamkeitsausrichtung kann in der
Wettkampfvorbereitung vom Athleten gezielt
eingesetzt werden. Durch die Konzentration
auf bestimmte psychische und somatische
Prozesse kann der Athlet in sich hinein
hören, sich „zentrieren“ und gegebenenfalls
anforderungsspezifisch regulieren. Auch für
das mentale Training (Visualisierung) kann
diese Form der Aufmerksamkeit verwendet
werden. So kann der Athlet vor dem Wettkampf
bestimmte Situationen noch einmal gedanklich
durchgehen (Beckmann & Elbe, 2008).
Internal-weit
Um sich ein umfassendes Bild von der
allgemeinen momentanen Befindlichkeit
zu machen, sollte die internal-weite
Aufmerksamkeitsform
gewählt
werden
(Eberspächer, 2007). So kann der Athlet
seinen Eigenzustand analysieren und diesen
gegebenenfalls regulativ an die entsprechende
Anforderungssituation anpassen (Beckmann &
Elbe, 2008).
Heft 1/2012 Anforderungsspezifische
Aufmerksamkeitsausrichtung im
Fußball und Boxsport
Um das Training zur Verbesserung der
Aufmerksamkeitsregulation nach dem Modell
von Nideffer (1976) zielgenau gestalten
zu können, sollten die leistungsrelevanten
psychischen Voraussetzungen der jeweiligen
Sportart (Konzag & Kratzer, 1991), sowie
den für die jeweilige Wettkampfsituation
passenden
Einsatz
der
kognitiven
Fertigkeiten, hier der Aufmerksamkeit (u.a.
Zeitpunkt, Ausrichtung, Form, Intensität,
Dauer), bestimmt werden. Daher wird im
Folgenden auf die anforderungsspezifischen
Aufmerksamkeitsausrichtungen
in
den
Sportarten Boxen (Abbildung 1) und Fußball
(Abbildung 2) exemplarisch eingegangen.
Beide Darstellungen lassen erkennen,
dass
alle
Aufmerksamkeitsformen
in
bestimmten
Wettkampfsituationen,
zu
unterschiedlichen Zeitpunkten und mit
unterschiedlichen Zielstellungen, eingesetzt
werden können. Stoll und Ziemainz
(1999) bieten in diesem Zusammenhang
„Aufmerksamkeitsregulations-Drehbücher“
an, bei denen im Detail beschrieben wird,
welche Aufmerksamkeitsform in welcher
Situation am förderlichsten erscheint. Dabei
sollte darauf hingewiesen werden, dass dies
jeweils eine beispielhafte Darstellung der
Aufmerksamkeitsausrichtungen darstellt. So
kann zum Beispiel die Aufmerksamkeitsform
„external-eng“ auch vor dem Wettkampf
sinnvoll sein, wenn sich der Athlet auf einen
bestimmten Punkt konzentrieren möchte.
Obwohl die beiden gewählten Sportarten große
Differenzen in ihren Anforderungen darstellen
(Spiel- und Kampfsport), können in dem VierFelder-Schema von Nideffer keine elementaren
Unterschiede in der Schwerpunktsetzung in
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Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz
external
external-weit
external-eng
Zeitpunkt: vor dem Wettkampf
Konzentration auf Publikum und
Wettkampfort
Aufnahme vieler Informationen, sich
Übersicht verschaffen, orientieren
Zeitpunkt: während des Wettkampfs
Konzentration auf Gegner und seine
Aktionen
z. B. Konzentration auf Schwächen in
der Deckung des Gegner, um eigene
Aktionen durchzuführen
weit
eng
internal-eng
internal-weit
Zeitpunkt: während des Wettkampfs
Konzentration auf den gesamten Körper
Wahrnehmung der eigenen
Befindlichkeit
Zeitpunkt: vor dem Wettkampf
Konzentration auf bestimmte Aspekte
des eigenen Körpers
z. B. Konzentration auf Atmung
Athlet kann sich zentrieren und
regulieren
internal
Abb. 1. Beispielhafte Darstellung der Aufmerksamkeitsausrichtungen im Boxsport (in Anlehnung
an Nideffer, 1976 in Beckmann & Elbe, 2008, S. 77)
Bezug auf die Aufmerksamkeitsausrichtung
erkannt werden. Allerdings wird postuliert,
dass die Aufmerksamkeitsform „external-weit“
im Boxsport weniger differenziert genutzt
wird, da der Athlet: (1) einen kleineren Raum
(Boxring) überblickt, (2) keine Mitspieler
bzw. ein Spielgerät beachten muss sowie (3)
die Aufmerksamkeitsausrichtung meist auf
den Gegner abzielt. Im Gegensatz dazu ist
der Fußballer dazu gezwungen, ständig eine
Vielzahl von (external-weiten) Informationen
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aufzunehmen (Wo befindet sich das Spielgerät?
Wo stehen die Gegen- bzw. Mitspieler? Welcher
Raum ist frei bespielbar?), diese auszuwerten
und adäquat zu agieren. Dies kann in der
Folge Konsequenzen für die Trainingsinhalte
der Aufmerksamkeitsregulation in den
verschiedenen Sportarten haben und soll im
Folgenden dargestellt werden.
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Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen
external
external-weit
external-eng
Zeitpunkt: vor oder während des Spiels
Konzentration auf Publikum und
Wettkampfort
Aufnahme vieler Informationen,
Übersicht verschaffen, orientieren
Zeitpunkt: während des Spiels
z. B. „Lesen“ der Taktik; TW verschafft
sich Übersicht beim Abschlag
Zeitpunkt: während des Spiels
Konzentration auf Gegner und seine
Aktionen
z. B. Konzentration auf Gegner und
seine Aktionen oder eigene
Ausführung bzw. Zielfeld
weit
eng
internal-weit
internal-eng
Zeitpunkt: während des Spiels, z. B.
beim Elfmeterschießen
Konzentration auf den gesamten Körper
Wahrnehmung der eigenen
Befindlichkeit
gesteigerte Körperwahrnehmung
Zeitpunkt: vor odr während des Spiels
Konzentration auf bestimmte Aspekte
des eigenen Körpers
z. B. Konzentration auf Atmung
Athlet kann sich zentrieren und
regulieren
internal
Abb. 2. Beispielhafte Darstellung der Aufmerksamkeitsausrichtungen im Fußball (in Anlehnung
an Nideffer, 1976 in Beckmann & Elbe, 2008, S. 77)
Training der
Aufmerksamkeitsregulation
Nachdem
die
anforderungsspezifischen
Aufmerksamkeitsausrichtungen im Fußball
und
Boxsport
exemplarisch
definiert
wurden, soll folglich ein Training der
Aufmerksamkeitsregulation in den beiden
Zielsportart
dargestellt
werden.
Die
unterschiedlichen Interventionsmaßnahmen
orientieren sich an dem Modell von Nideffer
Heft 1/2012 (1976), der beschreibt, dass ein Athlet nicht alle
verschiedenen Aufmerksamkeitsausrichtungen
gleich gut ausführen kann. Zielsetzung
ist
somit
die
Sensibilisierung
des
Sportlers für die situationsspezifischen
Aufmerksamkeitsformen, das Erlernen der
zielgenauen Ausrichtung der Aufmerksamkeit
in bestimmten Anforderungssituationen sowie
das Hin- und Herschalten zwischen den vier
Formen (Beckmann & Elbe, 2008).
Es wird jeweils eine Übung kurz beschrieben
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Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz
und die entsprechende Zielsetzung erläutert.
Vorab ist anzumerken, dass die Übungsauswahl
nur
einen
kleinen
Ausschnitt
der
Trainingsmöglichkeiten darstellt. Somit liegt
die Zielstellung dieses Artikels nicht in einer
umfassenden Darbietung unterschiedlicher
Trainingsmethoden, sondern primäres Ziel ist
die systematische und zielgenaue Erarbeitung
eines Trainings der Aufmerksamkeitsregulation
auf Grundlage der relevanten Anforderungen
an den Athleten bzw. der Sportart. Im
Folgenden werden exemplarisch verschiedene
Übungen im Boxsport und Fußball
dargestellt, welche jeweils eine der vier
Aufmerksamkeitsausrichtungen
verbessern
soll.
Aufmerksamkeitsregulation im
Boxsport – Beispielübungen
Übung 1 (external-weit)
Aufgabenbeschreibung
Ein Athlet bekommt die Aufgabe, über
einen kurzen Zeitraum das Geschehen in
der Trainingshalle wahrzunehmen. Danach
werden ihm vom Trainer dazu Fragen gestellt
(z. B. „Wie viele Athleten waren in der Halle
aktiv? Wie viele Athleten habe „die rechte
Gerade“ trainiert? Welche Aktionen hat Athlet
XY im Beobachtungszeitraum gezeigt?“).
Trainingsziele
• Verbesserung der external-weiten
Aufmerksamkeitsrichtung
• Schnellere Orientierung in neuer
Umgebung (z. B. im Wettkampf)
• Viele Informationen gleichzeitig
aufzunehmen; Bild von der Situation
zu verschaffen
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Übung 2 (external-eng)
Aufgabenbeschreibung
Ein Athlet bekommt die Aufgabe, einen
Kampf zu beobachten. Er soll dabei die Anzahl
bestimmter Aktionen zählen, z. B. die „rechte
Gerade“.
Trainingsziele
• Verbesserung der external-engen
Aufmerksamkeitsausrichtung
• Verbesserung der genauen
Betrachtung bestimmter Sachverhalte
• Aktionen des Gegners können
schneller erkannt und darauf reagiert
werden
Übung 3 (internal-weit bzw. external-eng)
Aufgabenbeschreibung
Ein Athlet steht in Kampfstellung (ggf.
geschlossene Augen). Der Trainer steht hinter
ihm und gibt taktile Reize an bestimmten
Körperstellen. Dabei ist jede Körperstelle
mit einer bestimmten Aktion verbunden, z.
B.: Berührung an rechter Schulter bedeutet
die Ausführung des Schlages „linke Gerade“
auf einen bestimmten Zielpunkt am Boxsack
(external-eng).
Trainingsziele
• Verbesserung der internalweiten bzw. external-engen
Aufmerksamkeitsausrichtung
• Aufmerksamkeitsausrichtungen
anforderungsspezifisch zu wechseln
• Verbesserung der
Körperwahrnehmung (internal-weit)
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Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen
Übung 4 (internal-eng)
Aufgabenbeschreibung
Ein Athlet konzentriert sich auf seine Atmung,
zählt die Atemzüge innerhalb eines bestimmten
Zeitfensters. Es wird versucht, ihn durch
äußerliche Störungsreize abzulenken.
Trainingsziele
• Verbesserung der internal-engen
Aufmerksamkeitsausrichtung
• Verbesserung der
Konzentrationsfähigkeit auf
bestimmte körperliche Prozesse
• Verbesserung der Fähigkeit, externale
Störfaktoren auszublenden
Aufmerksamkeitsregulation im
Fußball – Beispielübungen
Übung 1 (external-eng bzw. externalweit)
Aufgabenbeschreibung
Die Spieler befinden sich in einem großen
quadratischen Feld. In jeder Ecke befindet sich
ein kleineres Viereck aus Hütchen (jeweils
groß genug für die Hälfte der Mannschaft).
Der Trainer steht in der Mitte. Die Mannschaft
wird in zwei Teams aufgeteilt und bewegt
sich in das gegenüberliegende Feld und
führt dabei technische Aufgaben aus (z.
B. Körpertäuschungen oder Übersteiger).
Nun gibt der Trainer optische Signale an die
Mannschaft. Wenn er ein gelbes Leibchen
hebt, laufen alle im Uhrzeigersinn ein Feld
weiter, hebt er ein blaues Leibchen, laufen
alle gegen den Uhrzeigersinn ein Feld zurück.
Hebt der Trainer einen Ball hoch, laufen alle
eine Runde mit dem Ball. Hebt er seine Hände
hoch, laufen alle eine Runde ohne Ball.
Heft 1/2012 Trainingsziele
• Verbesserung der externalweiten bzw. external-engen
Aufmerksamkeitsrichtung mit Hilfe
visueller Reize
• Schnellere Orientierung in neuer
Umgebung (z. B. im Wettkampf) bzw.
Spielsituation
• Viele Informationen gleichzeitig
aufzunehmen; Bild von der Situation
zu verschaffen
• Aufmerksamkeitsausrichtungen
anforderungsspezifisch zu wechseln
Übung 2 (external-eng bzw. externalweit)
Aufgabenbeschreibung
Gleicher Übungsaufbau wie bei Übung 1,
wobei bei allen Vierecken verschiedenfarbige
Hütchen benutzt werden (z. B. zwei rote
und zwei gelbe). Die Spieler stehen in der
Mitte des Vierecks, der Trainer ruft eine
Hütchenfarbe und zeigt gleichzeitig eine
Leibchenfarbe an (analog zu Übung 1).
Daraufhin müssen die Spieler ein Hütchen
der gesagten Farbe berühren, bevor sie zu
dem ca. 15 Meter entfernten (schwarzen)
Hütchen sprinten und danach entsprechend der
angezeigten Leibchenfarbe im oder gegen den
Uhrzeigersinn weiterrücken.
Trainingsziele
• Verbesserung der externalweiten bzw. external-engen
Aufmerksamkeitsrichtung mit Hilfe
visueller Reize
• Schnell auf einen externen
visuellen und auditiven Reiz zu
reagieren (external-eng) und diesen
in schnellstmögliche impulsive
Bewegungen umzusetzen
• Aufmerksamkeitsausrichtungen
anforderungsspezifisch zu wechseln
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Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz
Übung 3 (external-eng bzw. external-weit
bzw. internal-eng)
Aufgabenbeschreibung
20 Meter vor dem Tor steht mittig ein
Wendehütchen. Rechts und links vom Tor
auf dem Weg zum Wendehütchen befinden
sich jeweils kleine Slalomparcours. Die
Spieler dribbeln durch die Parcours, um das
Wendehütchen herum und versuchen ein Tor
zu schießen. Die anderen Spieler versuchen
den Angreifer durch Zurufe und Schreie zu
irritieren. Der Spieler hat zudem die Aufgabe
vor Beginn des Parcours zehn Sekunden lang
seinen Pulsschlag zu messen.
Trainingsziele
• Verbesserung der externalweiten (Orientierung im
Raum) bzw. external-engen
(Bewegungsausführung;
Aufmerksamkeitsausrichtung
auf Zielfeld im Tor)
Aufmerksamkeitsformen
• Verbesserung der internal-engen
Aufmerksamkeitsausrichtung
(Pulsmessung)
• Aufmerksamkeitsausrichtungen
anforderungsspezifisch zu wechseln
• Verbesserung der Fähigkeit, externale
Störfaktoren auszublenden
Übung 4 (external-eng bzw. externalweit)
Aufgabenbeschreibung
Es wird ein großes Viereck aus Hütchen
aufgestellt (10x10 Meter). Die Spieler
verteilen sich gleichmäßig auf die Ecken.
Ein Ball wird flach von einer Ecke zu einer
beliebigen anderen gespielt. Wer zum ersten
Mal einen Spieler anspielt, muss sich einen
Spitznamen für ihn überlegen, den dieser
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während der ganzen Übung behält und mit dem
er angesprochen werden muss. Somit muss
sich jeder Spieler jeden Spitznamen merken.
Trainingsziele
• Verbesserung der external-weiten
(Reizaufnahme) bzw. externalengen Aufmerksamkeitsformen
(Aufmerksamkeitsausrichtung auf
Pass bzw. Zielfeld oder Mitspieler)
• Aufmerksamkeitsausrichtungen
anforderungsspezifisch zu wechseln
Fazit
Die hier vorgestellten Trainingsinhalte
ermöglichen dem Athleten unter anderem die
Optimierung der anforderungsspezifischen
Aufmerksamkeitsregulation. Der Sportler
soll in der Lage sein, die Aufmerksamkeit
situationsangemessen auszurichten, mögliche
Ablenkungen auszublenden und zwischen den
verschiedenen Aufmerksamkeitsausrichtungen
anforderungsspezifisch wechseln zu können.
Der Sportler lässt sich durch diese Maßnahmen
im Wettkampf weniger von Störungen ablenken
und besitzt einen anforderungsspezifischen
Aufmerksamkeitsfokus
(Beckmann
&
Elbe, 2008). Es wird postuliert, dass das
Training der Aufmerksamkeitsregulation
regelmäßig eingesetzt werden sollte, da
hierdurch die sportliche Leistungsfähigkeit
erhöht und somit die Erfolgschancen des
Athleten gesteigert werden können. Zudem
sollte das sportpsychologische Training die
leistungsrelevanten kognitiven Anforderungen
der Sportart berücksichtigen (Konzag &
Kratzer, 1991). Um schließlich den Transfer
der
Interventionsmaßnahmen
in
den
Wettkampf zu sichern, sollten zum Beispiel
Aufmerksamkeitsregulations-Drehbücher
(Stoll & Ziemainz, 1999) genutzt werden.
Zeitschrift für Gesundheit und Sport
Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen
Zusammenfassend lässt der vorliegende Beitrag
erkennen, dass alle Aufmerksamkeitsformen
in bestimmten Wettkampfsituationen, zu
unterschiedlichen Zeitpunkten und mit
unterschiedlichen Zielstellungen, eingesetzt
werden sollten. Dabei werden in den
Spielsportarten andere Schwerpunkte in der
Aufmerksamkeitsausrichtung im Vergleich
zum Kampfsport gestellt. Es wurde diskutiert,
dass in der Sportart Boxen aufgrund der
sportartspezifischen
Anforderungen
die
„external-weite“
Aufmerksamkeitsform
eine weniger differenzierte Ausprägung
im Vergleich zu der Sportart Fußball
besitzt. Somit ergeben sich Konsequenzen
für das sportpsychologische Training der
Aufmerksamkeitsregulation. In der Sportart
Fußball werden häufig in einer Übung
verschiedene Aufmerksamkeitsformen –
sowie das anforderungsspezifische Wechseln
zwischen diesen – gefordert. Dies hängt
mit der Komplexität der einzelnen Sportart
zusammen. Mayer und Hermann (2009)
haben in diesem Zusammenhang Sportarten
in verschiedene Komplexitätsstufen eingeteilt,
um folglich ein zielführendes mentales
Training (Visualisierung) durchzuführen.
Dabei stellen sie fest, dass bei einer Steigerung
der Komplexität der Sportart auch das Mentale
Training entsprechend gestaltet werden muss.
Nach der Kategorisierung von Mayer und
Hermann (2009) befindet sich die Sportart
Boxen (sowie andere Kampfsportarten) in der
Komplexitätsstufe 6 (Bewegung + Variation
+ Gegner + Kontakt), und die Sportart
Fußball (sowie andere Spielsportarten)
in der Komplexitätsstufe 7 (Bewegung +
Variation + Gegner + Kontakt + Team).
Aufgrund des Kriteriums „Team“ erhöht
sich u.a. die Komplexität der Sportart
Fußball. Allerdings sollte im Bezug auf
die Aufmerksamkeitsregulation noch das
Spielgerät (Ball) Berücksichtigung finden, da
Heft 1/2012 es zur Komplexität beiträgt und somit auch
das Training der Aufmerksamkeitsregulation
beeinflusst.
Zukünftige
Beiträge
zu
diesem
Themenkomplex
sollten
empirische
Belege
für
die
Schwerpunktsetzung
der
Aufmerksamkeitsformen
sammeln.
Auch der zeitliche Umfang der einzelnen
Aufmerksamkeitsformen in den jeweiligen
Sportarten über einen Wettkampfzeitraum
könnte für die Trainingspraxis wertvoll
sein und erfordert eine wissenschaftliche
Untermauerung.
Literaturverzeichnis
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der Sportpsychologie im Wettkampf- und
Leistungssport. Balingen: Spitta Verlag.
Eberspächer, H. (2007). Mentales Training.
Das Handbuch für Trainer und Sportler.
München: Copress.
Engel, G. L. (1976). Psychisches Verhalten in
Gesundheit und Krankheit. Bern: Huber.
Konzag, G. & Kratzer, H. (1991).
Untersuchungsmethoden
in
der
Sportpsychologie. In: P. Kunath & H.
Schellenberg, (Hrsg.), Tätigkeitsorientierte
Sportpsychologie (S. 135–163). Harri
Deutsch, Frankfurt a.M.
Mayer, R. (2011). fussball training pocket
2011, Ausgabe 2. Münster: PhilippkaSportverlag.
Mayer, J. & Hermann, H.-D. (2009). Mentales
Training. Heidelberg: Springer.
Nideffer, R.M. (1976). Test of Attentional and
Interpersonal Style. Journal of Personality
and Social Psychology, 34, 394–404.
Seite 75
Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz
Nideffer, R. M., & Sagal, M. S. (2001).
Concentration and attention control
training. In: Williams, J. M. (Ed.), Applied
Sport Psychology: Personal Growth to
Peak Performance (4th ed., pp. 312–332).
Mountain View, CA: Mayfield Publishing
Company.
Stoll, O. & Ziemainz, H. (1999). Mentales
Training im Langstreckenlauf . Butzbach:
Afra.
Seite 76
Kontakt
Dr. Gregor Nimz
H:G Hochschule für Gesundheit und Sport
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10371 Berlin
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