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Systematisches Training der Aufmerksamkeitsregulation am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen Christian Müller, Ralf Pocan, Johannes Pöschl, Daniel Stredak, Gregor Nimz Zusammenfassung Basierend auf der Annahme, dass der Mensch ein bio-psycho-soziales System darstellt (Engel, 1976), ergibt sich, dass auch psychische und soziale Faktoren Voraussetzungen jeder sportlichen Leistung sind. Im Spitzensport sind sportpsychologische Trainingsverfahren daher inzwischen weitestgehend etabliert und anerkannt, mit der Zielstellung eine optimale Leistung zum definierten Zeitpunkt zu erreichen (Eberspächer, 2007). Eine Form des sportpsychologischen Trainings ist die Aufmerksamkeitsregulation, die in diesem Beitrag exemplarisch im Bereich des Boxens und Fußballs vorgestellt werden soll. Dazu werden in einem ersten Schritt die anforderungsspezifischen Aufmerksamkeitsausrichtungen der beiden Sportarten in Anlehnung an Nideffer (1976) erläutert, um folglich Trainingsformen zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsregulation aufzuzeigen. Die beiden Zielsportarten weisen durch ihre komplexen Anforderungen die Möglichkeit auf, potenzielle Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Bezug auf die verschiedenen Aufmerksamkeitsausrichtungen theoretisch heraus zu arbeiten und somit Handlungsempfehlungen zu geben. Schlüsselwörter Aufmerksamkeit, Training, Sportpsychologie, Boxen, Fußball Abstract Based on the assumption that every human being constitutes a bio-psycho-social system (Engel, 1976), it follows that psychic and social factors are prerequisites of any athletic accomplishment as well. Therefore, on a high-performance level, sports-psychological training measures are established and recognized, in order to achieve optimal results at a defined point in time (Eberspächer, 2007). One form of sports-psychological training is attentionnal regulationcontrol, which in this article will be presented by the example of boxing and soccer. In a first step, we will elucidate the specific attentional foci of the two sports following Nideffer (1976), in order to demonstrate training forms enhancing attentional regulationcontrol. Due to their complex necessities, the two target sports offer the opportunity to bring out potential differences and similarities regarding the respective attentional foci on a theoretical level, therefore providing training recommendations. Keywords attention, training, sports psychology, boxing, soccer Heft 1/2012 Seite 67 Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz Problemstellung Die Konzentrationsleistung ist von wesentlicher Bedeutung für den sportlichen Erfolg (Nideffer & Sagal, 2001). Im Boxen und Fußball sowie auch in anderen Sportarten ist es notwendig, während des Wettkampfes konzentriert zu handeln, um die Leistung abzurufen und Verletzungen zu vermeiden. In einer Wettkampfsituation kann der Athlet durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren von der eigentlichen Tätigkeit abgelenkt werden. Folgende Situation soll dies am Beispiel der Sportart Boxen verdeutlichen: Der Athlet befindet sich in einem Wettkampf und konzentriert sich auf den Gegner, um auf dessen Aktion adäquat reagieren zu können bzw. diese zu antizipieren. Doch während er versucht sich zu konzentrieren, wird der Athlet von nicht für die Leistung förderlichen Aspekten abgelenkt (z. B. Publikum, Ringrichter). Dadurch geht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit für die Kampfsituation verloren und die aufgabenbezogene Aufmerksamkeitsausrichtung wird gehemmt (Beckmann & Elbe, 2008; Mayer & Hermann, 2009). Doch auf welche konkreten Parameter soll sich der Athlet während des Wettkampfes konzentrieren? Welche Anforderungen im Bezug auf die Aufmerksamkeitsregulation stellt die jeweilige Sportart? Welche Möglichkeiten gibt es, die Konzentration in dieser Sportart zu verbessern? Um diese Fragen zu beantworten, wird daher im weiteren Verlauf dieses Artikels auf drei Aspekte eingegangen. Erstens wird der theoretische Hintergrund zur Erstellung eines sportartspezifischen Trainings der Aufmerksamkeitsregulation beleuchtet. Im zweiten Schritt werden die anforderungsspezifischen Aufmerk samkeitsausrichtungen der jeweiligen Sportart exemplarisch dargestellt, um im Seite 68 abschließenden Teil dieses Beitrages auf die Trainingsinhalte einzugehen. Theoretischer Hintergrund Niedeffer (1976) unterscheidet verschiedene Formen derAufmerksamkeit, welche sich zu vier Aufmerksamkeitsausrichtungen kombinieren lassen (Beckmann & Elbe, 2008). Dabei wird die Ausrichtung der Aufmerksamkeit über zwei Dimensionen: internal – external und weit – eng, differenziert (u. a. Eberspächer, 2007). Jede Sportart hat im Hinblick auf dieses Modell eine individuelle Anforderung (Beckmann & Elbe, 2008). Dabei wird jede einzelne Aufmerksamkeitsausrichtung zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Wettkampfes benötigt. Im Folgenden werden die vier Dimensionen der Aufmerksamkeitsausrichtung dargestellt. External-eng Die external-enge Aufmerksamkeitsform wird benötigt, um bestimmte Sachverhalte sehr genau zu betrachten (Eberspächer, 2007). Dabei liegt die Aufmerksamkeit außerhalb der Person (external). Während des Wettkampfes ist es zum Beispiel notwendig, sich externaleng auf den Gegner und seine Aktionen zu konzentrieren, um auf eine situative Bedingung entsprechend agieren oder reagieren zu können. External-weit Die external-weite Aufmerksamkeitsform ermöglicht ein umfassendes, relativ undifferenziertes Bild von der Umgebung. Diese Aufmerksamkeitsausrichtung erlaubt es, viele Informationen im Umfeld der Person aufzunehmen (Eberspächer, 2007). Zeitschrift für Gesundheit und Sport Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen Der external-weite Form hat eine Bedeutung in der Vorbereitung auf den Wettkampf. Der Athlet kann sich bei dieser Aufmerksamkeitsausrichtung auf das Publikum oder die Wettkampfstätte konzentrieren, um sich einen Überblick zu verschaffen. Internal-eng Die internal-enge Aufmerksamkeitsform wird benötigt, um sich auf einen bestimmten Punkt oder Vorgang der eigenen körperlichen und psychischen Prozesse konzentrieren zu können (Eberspächer, 2007). Diese Aufmerksamkeitsausrichtung kann in der Wettkampfvorbereitung vom Athleten gezielt eingesetzt werden. Durch die Konzentration auf bestimmte psychische und somatische Prozesse kann der Athlet in sich hinein hören, sich „zentrieren“ und gegebenenfalls anforderungsspezifisch regulieren. Auch für das mentale Training (Visualisierung) kann diese Form der Aufmerksamkeit verwendet werden. So kann der Athlet vor dem Wettkampf bestimmte Situationen noch einmal gedanklich durchgehen (Beckmann & Elbe, 2008). Internal-weit Um sich ein umfassendes Bild von der allgemeinen momentanen Befindlichkeit zu machen, sollte die internal-weite Aufmerksamkeitsform gewählt werden (Eberspächer, 2007). So kann der Athlet seinen Eigenzustand analysieren und diesen gegebenenfalls regulativ an die entsprechende Anforderungssituation anpassen (Beckmann & Elbe, 2008). Heft 1/2012 Anforderungsspezifische Aufmerksamkeitsausrichtung im Fußball und Boxsport Um das Training zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsregulation nach dem Modell von Nideffer (1976) zielgenau gestalten zu können, sollten die leistungsrelevanten psychischen Voraussetzungen der jeweiligen Sportart (Konzag & Kratzer, 1991), sowie den für die jeweilige Wettkampfsituation passenden Einsatz der kognitiven Fertigkeiten, hier der Aufmerksamkeit (u.a. Zeitpunkt, Ausrichtung, Form, Intensität, Dauer), bestimmt werden. Daher wird im Folgenden auf die anforderungsspezifischen Aufmerksamkeitsausrichtungen in den Sportarten Boxen (Abbildung 1) und Fußball (Abbildung 2) exemplarisch eingegangen. Beide Darstellungen lassen erkennen, dass alle Aufmerksamkeitsformen in bestimmten Wettkampfsituationen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Zielstellungen, eingesetzt werden können. Stoll und Ziemainz (1999) bieten in diesem Zusammenhang „Aufmerksamkeitsregulations-Drehbücher“ an, bei denen im Detail beschrieben wird, welche Aufmerksamkeitsform in welcher Situation am förderlichsten erscheint. Dabei sollte darauf hingewiesen werden, dass dies jeweils eine beispielhafte Darstellung der Aufmerksamkeitsausrichtungen darstellt. So kann zum Beispiel die Aufmerksamkeitsform „external-eng“ auch vor dem Wettkampf sinnvoll sein, wenn sich der Athlet auf einen bestimmten Punkt konzentrieren möchte. Obwohl die beiden gewählten Sportarten große Differenzen in ihren Anforderungen darstellen (Spiel- und Kampfsport), können in dem VierFelder-Schema von Nideffer keine elementaren Unterschiede in der Schwerpunktsetzung in Seite 69 Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz external external-weit external-eng Zeitpunkt: vor dem Wettkampf Konzentration auf Publikum und Wettkampfort Aufnahme vieler Informationen, sich Übersicht verschaffen, orientieren Zeitpunkt: während des Wettkampfs Konzentration auf Gegner und seine Aktionen z. B. Konzentration auf Schwächen in der Deckung des Gegner, um eigene Aktionen durchzuführen weit eng internal-eng internal-weit Zeitpunkt: während des Wettkampfs Konzentration auf den gesamten Körper Wahrnehmung der eigenen Befindlichkeit Zeitpunkt: vor dem Wettkampf Konzentration auf bestimmte Aspekte des eigenen Körpers z. B. Konzentration auf Atmung Athlet kann sich zentrieren und regulieren internal Abb. 1. Beispielhafte Darstellung der Aufmerksamkeitsausrichtungen im Boxsport (in Anlehnung an Nideffer, 1976 in Beckmann & Elbe, 2008, S. 77) Bezug auf die Aufmerksamkeitsausrichtung erkannt werden. Allerdings wird postuliert, dass die Aufmerksamkeitsform „external-weit“ im Boxsport weniger differenziert genutzt wird, da der Athlet: (1) einen kleineren Raum (Boxring) überblickt, (2) keine Mitspieler bzw. ein Spielgerät beachten muss sowie (3) die Aufmerksamkeitsausrichtung meist auf den Gegner abzielt. Im Gegensatz dazu ist der Fußballer dazu gezwungen, ständig eine Vielzahl von (external-weiten) Informationen Seite 70 aufzunehmen (Wo befindet sich das Spielgerät? Wo stehen die Gegen- bzw. Mitspieler? Welcher Raum ist frei bespielbar?), diese auszuwerten und adäquat zu agieren. Dies kann in der Folge Konsequenzen für die Trainingsinhalte der Aufmerksamkeitsregulation in den verschiedenen Sportarten haben und soll im Folgenden dargestellt werden. Zeitschrift für Gesundheit und Sport Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen external external-weit external-eng Zeitpunkt: vor oder während des Spiels Konzentration auf Publikum und Wettkampfort Aufnahme vieler Informationen, Übersicht verschaffen, orientieren Zeitpunkt: während des Spiels z. B. „Lesen“ der Taktik; TW verschafft sich Übersicht beim Abschlag Zeitpunkt: während des Spiels Konzentration auf Gegner und seine Aktionen z. B. Konzentration auf Gegner und seine Aktionen oder eigene Ausführung bzw. Zielfeld weit eng internal-weit internal-eng Zeitpunkt: während des Spiels, z. B. beim Elfmeterschießen Konzentration auf den gesamten Körper Wahrnehmung der eigenen Befindlichkeit gesteigerte Körperwahrnehmung Zeitpunkt: vor odr während des Spiels Konzentration auf bestimmte Aspekte des eigenen Körpers z. B. Konzentration auf Atmung Athlet kann sich zentrieren und regulieren internal Abb. 2. Beispielhafte Darstellung der Aufmerksamkeitsausrichtungen im Fußball (in Anlehnung an Nideffer, 1976 in Beckmann & Elbe, 2008, S. 77) Training der Aufmerksamkeitsregulation Nachdem die anforderungsspezifischen Aufmerksamkeitsausrichtungen im Fußball und Boxsport exemplarisch definiert wurden, soll folglich ein Training der Aufmerksamkeitsregulation in den beiden Zielsportart dargestellt werden. Die unterschiedlichen Interventionsmaßnahmen orientieren sich an dem Modell von Nideffer Heft 1/2012 (1976), der beschreibt, dass ein Athlet nicht alle verschiedenen Aufmerksamkeitsausrichtungen gleich gut ausführen kann. Zielsetzung ist somit die Sensibilisierung des Sportlers für die situationsspezifischen Aufmerksamkeitsformen, das Erlernen der zielgenauen Ausrichtung der Aufmerksamkeit in bestimmten Anforderungssituationen sowie das Hin- und Herschalten zwischen den vier Formen (Beckmann & Elbe, 2008). Es wird jeweils eine Übung kurz beschrieben Seite 71 Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz und die entsprechende Zielsetzung erläutert. Vorab ist anzumerken, dass die Übungsauswahl nur einen kleinen Ausschnitt der Trainingsmöglichkeiten darstellt. Somit liegt die Zielstellung dieses Artikels nicht in einer umfassenden Darbietung unterschiedlicher Trainingsmethoden, sondern primäres Ziel ist die systematische und zielgenaue Erarbeitung eines Trainings der Aufmerksamkeitsregulation auf Grundlage der relevanten Anforderungen an den Athleten bzw. der Sportart. Im Folgenden werden exemplarisch verschiedene Übungen im Boxsport und Fußball dargestellt, welche jeweils eine der vier Aufmerksamkeitsausrichtungen verbessern soll. Aufmerksamkeitsregulation im Boxsport – Beispielübungen Übung 1 (external-weit) Aufgabenbeschreibung Ein Athlet bekommt die Aufgabe, über einen kurzen Zeitraum das Geschehen in der Trainingshalle wahrzunehmen. Danach werden ihm vom Trainer dazu Fragen gestellt (z. B. „Wie viele Athleten waren in der Halle aktiv? Wie viele Athleten habe „die rechte Gerade“ trainiert? Welche Aktionen hat Athlet XY im Beobachtungszeitraum gezeigt?“). Trainingsziele • Verbesserung der external-weiten Aufmerksamkeitsrichtung • Schnellere Orientierung in neuer Umgebung (z. B. im Wettkampf) • Viele Informationen gleichzeitig aufzunehmen; Bild von der Situation zu verschaffen Seite 72 Übung 2 (external-eng) Aufgabenbeschreibung Ein Athlet bekommt die Aufgabe, einen Kampf zu beobachten. Er soll dabei die Anzahl bestimmter Aktionen zählen, z. B. die „rechte Gerade“. Trainingsziele • Verbesserung der external-engen Aufmerksamkeitsausrichtung • Verbesserung der genauen Betrachtung bestimmter Sachverhalte • Aktionen des Gegners können schneller erkannt und darauf reagiert werden Übung 3 (internal-weit bzw. external-eng) Aufgabenbeschreibung Ein Athlet steht in Kampfstellung (ggf. geschlossene Augen). Der Trainer steht hinter ihm und gibt taktile Reize an bestimmten Körperstellen. Dabei ist jede Körperstelle mit einer bestimmten Aktion verbunden, z. B.: Berührung an rechter Schulter bedeutet die Ausführung des Schlages „linke Gerade“ auf einen bestimmten Zielpunkt am Boxsack (external-eng). Trainingsziele • Verbesserung der internalweiten bzw. external-engen Aufmerksamkeitsausrichtung • Aufmerksamkeitsausrichtungen anforderungsspezifisch zu wechseln • Verbesserung der Körperwahrnehmung (internal-weit) Zeitschrift für Gesundheit und Sport Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen Übung 4 (internal-eng) Aufgabenbeschreibung Ein Athlet konzentriert sich auf seine Atmung, zählt die Atemzüge innerhalb eines bestimmten Zeitfensters. Es wird versucht, ihn durch äußerliche Störungsreize abzulenken. Trainingsziele • Verbesserung der internal-engen Aufmerksamkeitsausrichtung • Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit auf bestimmte körperliche Prozesse • Verbesserung der Fähigkeit, externale Störfaktoren auszublenden Aufmerksamkeitsregulation im Fußball – Beispielübungen Übung 1 (external-eng bzw. externalweit) Aufgabenbeschreibung Die Spieler befinden sich in einem großen quadratischen Feld. In jeder Ecke befindet sich ein kleineres Viereck aus Hütchen (jeweils groß genug für die Hälfte der Mannschaft). Der Trainer steht in der Mitte. Die Mannschaft wird in zwei Teams aufgeteilt und bewegt sich in das gegenüberliegende Feld und führt dabei technische Aufgaben aus (z. B. Körpertäuschungen oder Übersteiger). Nun gibt der Trainer optische Signale an die Mannschaft. Wenn er ein gelbes Leibchen hebt, laufen alle im Uhrzeigersinn ein Feld weiter, hebt er ein blaues Leibchen, laufen alle gegen den Uhrzeigersinn ein Feld zurück. Hebt der Trainer einen Ball hoch, laufen alle eine Runde mit dem Ball. Hebt er seine Hände hoch, laufen alle eine Runde ohne Ball. Heft 1/2012 Trainingsziele • Verbesserung der externalweiten bzw. external-engen Aufmerksamkeitsrichtung mit Hilfe visueller Reize • Schnellere Orientierung in neuer Umgebung (z. B. im Wettkampf) bzw. Spielsituation • Viele Informationen gleichzeitig aufzunehmen; Bild von der Situation zu verschaffen • Aufmerksamkeitsausrichtungen anforderungsspezifisch zu wechseln Übung 2 (external-eng bzw. externalweit) Aufgabenbeschreibung Gleicher Übungsaufbau wie bei Übung 1, wobei bei allen Vierecken verschiedenfarbige Hütchen benutzt werden (z. B. zwei rote und zwei gelbe). Die Spieler stehen in der Mitte des Vierecks, der Trainer ruft eine Hütchenfarbe und zeigt gleichzeitig eine Leibchenfarbe an (analog zu Übung 1). Daraufhin müssen die Spieler ein Hütchen der gesagten Farbe berühren, bevor sie zu dem ca. 15 Meter entfernten (schwarzen) Hütchen sprinten und danach entsprechend der angezeigten Leibchenfarbe im oder gegen den Uhrzeigersinn weiterrücken. Trainingsziele • Verbesserung der externalweiten bzw. external-engen Aufmerksamkeitsrichtung mit Hilfe visueller Reize • Schnell auf einen externen visuellen und auditiven Reiz zu reagieren (external-eng) und diesen in schnellstmögliche impulsive Bewegungen umzusetzen • Aufmerksamkeitsausrichtungen anforderungsspezifisch zu wechseln Seite 73 Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz Übung 3 (external-eng bzw. external-weit bzw. internal-eng) Aufgabenbeschreibung 20 Meter vor dem Tor steht mittig ein Wendehütchen. Rechts und links vom Tor auf dem Weg zum Wendehütchen befinden sich jeweils kleine Slalomparcours. Die Spieler dribbeln durch die Parcours, um das Wendehütchen herum und versuchen ein Tor zu schießen. Die anderen Spieler versuchen den Angreifer durch Zurufe und Schreie zu irritieren. Der Spieler hat zudem die Aufgabe vor Beginn des Parcours zehn Sekunden lang seinen Pulsschlag zu messen. Trainingsziele • Verbesserung der externalweiten (Orientierung im Raum) bzw. external-engen (Bewegungsausführung; Aufmerksamkeitsausrichtung auf Zielfeld im Tor) Aufmerksamkeitsformen • Verbesserung der internal-engen Aufmerksamkeitsausrichtung (Pulsmessung) • Aufmerksamkeitsausrichtungen anforderungsspezifisch zu wechseln • Verbesserung der Fähigkeit, externale Störfaktoren auszublenden Übung 4 (external-eng bzw. externalweit) Aufgabenbeschreibung Es wird ein großes Viereck aus Hütchen aufgestellt (10x10 Meter). Die Spieler verteilen sich gleichmäßig auf die Ecken. Ein Ball wird flach von einer Ecke zu einer beliebigen anderen gespielt. Wer zum ersten Mal einen Spieler anspielt, muss sich einen Spitznamen für ihn überlegen, den dieser Seite 74 während der ganzen Übung behält und mit dem er angesprochen werden muss. Somit muss sich jeder Spieler jeden Spitznamen merken. Trainingsziele • Verbesserung der external-weiten (Reizaufnahme) bzw. externalengen Aufmerksamkeitsformen (Aufmerksamkeitsausrichtung auf Pass bzw. Zielfeld oder Mitspieler) • Aufmerksamkeitsausrichtungen anforderungsspezifisch zu wechseln Fazit Die hier vorgestellten Trainingsinhalte ermöglichen dem Athleten unter anderem die Optimierung der anforderungsspezifischen Aufmerksamkeitsregulation. Der Sportler soll in der Lage sein, die Aufmerksamkeit situationsangemessen auszurichten, mögliche Ablenkungen auszublenden und zwischen den verschiedenen Aufmerksamkeitsausrichtungen anforderungsspezifisch wechseln zu können. Der Sportler lässt sich durch diese Maßnahmen im Wettkampf weniger von Störungen ablenken und besitzt einen anforderungsspezifischen Aufmerksamkeitsfokus (Beckmann & Elbe, 2008). Es wird postuliert, dass das Training der Aufmerksamkeitsregulation regelmäßig eingesetzt werden sollte, da hierdurch die sportliche Leistungsfähigkeit erhöht und somit die Erfolgschancen des Athleten gesteigert werden können. Zudem sollte das sportpsychologische Training die leistungsrelevanten kognitiven Anforderungen der Sportart berücksichtigen (Konzag & Kratzer, 1991). Um schließlich den Transfer der Interventionsmaßnahmen in den Wettkampf zu sichern, sollten zum Beispiel Aufmerksamkeitsregulations-Drehbücher (Stoll & Ziemainz, 1999) genutzt werden. Zeitschrift für Gesundheit und Sport Systematisches Aufmerksamkeitstraining am Beispiel der Sportarten Fußball und Boxen Zusammenfassend lässt der vorliegende Beitrag erkennen, dass alle Aufmerksamkeitsformen in bestimmten Wettkampfsituationen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Zielstellungen, eingesetzt werden sollten. Dabei werden in den Spielsportarten andere Schwerpunkte in der Aufmerksamkeitsausrichtung im Vergleich zum Kampfsport gestellt. Es wurde diskutiert, dass in der Sportart Boxen aufgrund der sportartspezifischen Anforderungen die „external-weite“ Aufmerksamkeitsform eine weniger differenzierte Ausprägung im Vergleich zu der Sportart Fußball besitzt. Somit ergeben sich Konsequenzen für das sportpsychologische Training der Aufmerksamkeitsregulation. In der Sportart Fußball werden häufig in einer Übung verschiedene Aufmerksamkeitsformen – sowie das anforderungsspezifische Wechseln zwischen diesen – gefordert. Dies hängt mit der Komplexität der einzelnen Sportart zusammen. Mayer und Hermann (2009) haben in diesem Zusammenhang Sportarten in verschiedene Komplexitätsstufen eingeteilt, um folglich ein zielführendes mentales Training (Visualisierung) durchzuführen. Dabei stellen sie fest, dass bei einer Steigerung der Komplexität der Sportart auch das Mentale Training entsprechend gestaltet werden muss. Nach der Kategorisierung von Mayer und Hermann (2009) befindet sich die Sportart Boxen (sowie andere Kampfsportarten) in der Komplexitätsstufe 6 (Bewegung + Variation + Gegner + Kontakt), und die Sportart Fußball (sowie andere Spielsportarten) in der Komplexitätsstufe 7 (Bewegung + Variation + Gegner + Kontakt + Team). Aufgrund des Kriteriums „Team“ erhöht sich u.a. die Komplexität der Sportart Fußball. Allerdings sollte im Bezug auf die Aufmerksamkeitsregulation noch das Spielgerät (Ball) Berücksichtigung finden, da Heft 1/2012 es zur Komplexität beiträgt und somit auch das Training der Aufmerksamkeitsregulation beeinflusst. Zukünftige Beiträge zu diesem Themenkomplex sollten empirische Belege für die Schwerpunktsetzung der Aufmerksamkeitsformen sammeln. Auch der zeitliche Umfang der einzelnen Aufmerksamkeitsformen in den jeweiligen Sportarten über einen Wettkampfzeitraum könnte für die Trainingspraxis wertvoll sein und erfordert eine wissenschaftliche Untermauerung. Literaturverzeichnis Beckmann, J. & Elbe, A.-M. (2008). Praxis der Sportpsychologie im Wettkampf- und Leistungssport. Balingen: Spitta Verlag. Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler. München: Copress. Engel, G. L. (1976). Psychisches Verhalten in Gesundheit und Krankheit. Bern: Huber. Konzag, G. & Kratzer, H. (1991). Untersuchungsmethoden in der Sportpsychologie. In: P. Kunath & H. Schellenberg, (Hrsg.), Tätigkeitsorientierte Sportpsychologie (S. 135–163). Harri Deutsch, Frankfurt a.M. Mayer, R. (2011). fussball training pocket 2011, Ausgabe 2. Münster: PhilippkaSportverlag. Mayer, J. & Hermann, H.-D. (2009). Mentales Training. Heidelberg: Springer. Nideffer, R.M. (1976). Test of Attentional and Interpersonal Style. Journal of Personality and Social Psychology, 34, 394–404. Seite 75 Müller, Pocan, Pöschl, Stredak, Nimz Nideffer, R. M., & Sagal, M. S. (2001). Concentration and attention control training. In: Williams, J. M. (Ed.), Applied Sport Psychology: Personal Growth to Peak Performance (4th ed., pp. 312–332). Mountain View, CA: Mayfield Publishing Company. Stoll, O. & Ziemainz, H. (1999). Mentales Training im Langstreckenlauf . Butzbach: Afra. Seite 76 Kontakt Dr. Gregor Nimz H:G Hochschule für Gesundheit und Sport Vulkanstraße 1 10371 Berlin [email protected] Zeitschrift für Gesundheit und Sport Zeitschrift für Gesundheit und Sport 1/12