Switch Reference

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Switch Reference
Seminar: Lokale Modellierung
Leipzig, 31. Oktober 2011
Switch Reference
1. Das Phänomen:
Switch Reference (SR) bezeichnet ein Phänomen, das zuerst von Jacobson (1967) beschrieben wurde. Es zeichnet sich kanonischerweise dadurch aus, dass ein subordinierter Satz
mittels eines verbalen Markers anzeigt, ob sein Subjekt mit dem eines übergeordneten
Satzes koreferent ist.
(1)
a.
b.
[CP [CP Xi V-SS ] Xi ]
[CP [CP Xi V-DS ] Xj ]
(2)
Mojave (Munro 1980:145)
a. nya-isvar-k iima-k
when-sing-SS dance-Tns
’When hei sang, hei danced.’
b. nya-isvar-m iima-k
when-sing-DS dance-Tns
’When hej sang, hei danced.’
(3)
Usan (Haiman & Munro 1983:xi(3,4))
a. ye nam su-ab isomei
I tree cut-SS I-went-down
’I cut the tree and went down’
b. ye nam su-ine isomei
I tree cut-DS it-went-down
’I cut the tree down’
Dieses Phänomen findet sich hauptsächlich in den Sprachen Nordamerikas und Papuas,
tritt auch vereinzelt in Südamerika, dem Kaukasus, Ostasien und anderen Regionen auf.
2. Umgebungen:
SR tritt in mehreren Konfigurationen auf. Zum einen in klar subordinierten Sätzen, wie
Adjunkt- (vgl. (2)), oder Argumentsätzen (4).
(4)
Imbambura Quechua (Cole 1983)
Juzi-ta
Utavalo-man kacha-rka-ni paypaj mama-ta
visita-chun
Jose-ACC Otalvalo-to send-PST-1 his
mother-ACC visit.DS.SBJV
’I sent Jose to Otavalo to see his mother’
Außerdem finden sich lange Folgen von SR-markierten Sätzen in sogenannten ClauseChaining-Konstruktionen.
(5)
Amele (Roberts 1987)
Ija Malolo uqa na
ka jic ana-g
na ono nu sum-ud-i
1.SG Malolo 3.SG POSS car road mother-3.SG.POSS at there for wait-3.SG-Pred
bi-bil-igin
ne-ce-b
tobo-co-min
belo-w-an
Sim-be-DUR-1.SG.DS come_down-DS-3.SG climb_up-DS-1.SG go-1.DU-PAST
Philipp Weisser
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’While I waited for Malolo’s car there at the main road, he came down, I climbed
in, we two went of’
Es ist letztlich nicht klar, ob diese Art der Satzverknüpfung eine Form der Subordination
ist oder der Koordination. Da sie Eigenschaften von beiden Phänomenen teilt, führen bspw.
Foley & van Valin (1984) einen neuen Typ der Cosubordination ein.
Außerdem scheint es noch Fälle zu geben, wo SR-Markierung in klassischen Koordinationskontexten auftritt.
(6)
Kiowa (McKenzie 2010)
Béchép hé-bà
nàu
Yísàum èm
sáu.
Big.Tree enter.3.SG-PF and.DS two+look REFL sit_down.PF
’Bechep came in and Yisaum sat down.’
Allerdings scheint es sich dabei nur sehr wenige Sprachen zu handeln. (Nur Kiowa???)
Geographisch ist SR in (adjungierter) Subordination eher in den Sprachen in Nordamerikas
zuhause wohingegen Papua-Sprachen eher Clause-Chaining-Konstruktionen benutzen.
3. Parameter:
3.1 SR ist eine verbale Kategorie:
Generell tritt SR in praktisch allen Fällen an Verben auf. Es gibt wenige Fälle in denen
behauptet wird, dass der SR-Marker ein eigenes freies Morphem ist oder and den Komplementierer affigiert auftritt (vgl. auch Kiowa)
(7)
Lenakel (Lynch 1983:213)
magau t-r-va
(kani)-m augin
Magau FUT-3.SG-come and-SS eat
’I will come and eat’
Allerdings wird für Lenakel auch behauptet, dass es sich dabei gar nicht um SR-Markierung
handelt.
3.2 SR bezieht sich nur auf Subjekte:
Im Allgemeinen bezieht sich SR ausschließlich auf grammatische Subjekte, allerdings scheint
es Ausnahmen zu geben:
(8)
Seri (Farrell 1991)
P a:t
kiP p-a:P -ka:
(*ta)-X P e:pol kiP mos si-a:P-ka
limberbush the IR-PASS-look.for DS-UT ratany the also IR-PASS-look.for
aP-aP
AUX-DECL
’If limberbush is looked for, white ratany should also be looked for.’
3.3 SR bezieht sich nur auf adjazente Sätze:
Normalerweise bezieht sich der Vergleich zweier Subjekte stets auf adjazente Sätze, allerdings kann es zu sogenanntem clause skipping kommen, wenn der intervenierende Satz z.B.
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ein Wetterverb oder ein unakkusatives Verb enthält.
(9)
Amele (Roberts 1987)
Ege co-cob-i
bi-bil-ob
wen
g-ece-b
saab
1.PL SIM-walk-APPL SIM-sit-1.PL.SS hunger 1.PL.O-DS-3.SG.S food
j-om
eat-1.PL.S.REMP
’As we walked along and sat down, we became hungry and ate food.’
3.4 SR folgt immer einem akkusativischem Muster:
Auch in (teilweise) syntaktisch ergativen Sprachen, scheint sich die SR-Markierung immer
auf A-, und S-Argumente zu beziehen.
(10)
Wagaya (Austin 1981)
irrjartekarn jirreweniy inkapu
penkangerl
spear-INST-I spear-PAST kangaroo.ABS go-REL.SS
’I speared the kangaroo while I was going along.’
3.5 DS-Markierung ist immer schwerer als SS-Markierung:
Generell lässt sich sagen, dass DS-Kontexte phonologisch schwerer markiert sind als SSKontexte. Oftmals sind SS-Kontexte auch durch ein invariables Affix gekennzeichnet (auch
gerne ∅) wohingegen DS-Kontexte durch komplette Kongruenz mit dem zweiten Subjekt
ausgedrückt wird.
(11)
Udihe (Nikolaeva & Tolskaya 2001:791)
a. Nua-ni ei aziga-wa ic’a bi-Nie-i
aju-o:-ni
he-3SG this girl-ACC [small be-CVB-SS] love-PAST-3SG
’He loved this girl when he was young.’ ()
b. Nua-ni ei aziga-wa ic’a bi-Nie-ni
aju-o:-ni
he-3SG this girl-ACC [small be-CVB-3SG] love-PAST-3SG
’He loved this girl when she was small.’
3.6 Im SR-markierten Satz wird das Subjekt nicht realisiert
Im SR-markierten Satz wird das Subjekt konsequent getilgt. Einzige gefundene Ausnahme:
(12)
Diyari (Austin 1981)
nhulu puka
thayi-rna,
nhawu pali-rna warrayi.
He.ERG food.ABS eat-REL(SS) he.NOM die-PART AUX
’While eating some food, he died’ (Austin 1981:318)
Bemerkung: Man beachte aber, dass die Wiederaufnahme des Subjekts möglicherweise an
der Interaktion mit dem Kasus-Split-System der Sprache liegt
3.7 SR tritt nur in OV-Sprachen auf
Philipp Weisser
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Allgemein kann man beobachten, dass SR sich praktisch ausschließlich in OV-Sprachen
wiederfindet. Eine mögliche Ausnahme hierzu stellt Lenakel dar:
(13)
Lenakel (Lynch 1983)
magau r-im-aamh
tom kani m-im-akimw
Magau 3.SG-PAST-see Tom and SS-PAST-run_away
’Magau saw Tom and ran away’
3.8 Relative Ordnung der Sätze
Man kann beobachten, dass SR-Morpheme dann Suffixe sind, wenn der SR-markierte Satz
dem Matrixsatz nachfolgt. Wenn er ihm vorangeht, handelt es sich bei den SR-Morphemen
immer um Präfixe. Letzteres ist aber sehr selten (Nur Lenakel?)
3.9 Überlappung der Referenten
In manchen Sprachen werden SS-Marker benutzt, auch wenn die jeweiligen Subjekte nur
teilweise auf dieselben verweisen.
(14)
Huichol (Comrie (1983))
Juab Minöp kale
kaj pak-mil Juab
nipe ram ar-öp
Juab Minöp they.two pig strike SS-3.DUAL Juab he house take go-3.SG
’Juab and Minöp killed a pig and Juab took it home’
Bemerkung: Für alle denkbaren Kombinationen wurden Sprachen gefunden, die dieses
Muster als SameSubject markieren, allerdings ist nicht jedes Pattern in jeder Sprache
erlaubt.
4. SR in Logophorizität
Logophorizität sieht in vielen Westafrikanischen Sprachen auf den ersten Blick so aus wie
SR:
(15)
Igbo (Comrie(1983))
a. ò sírí ná ò by’ar’a
hei said that hej came
’Hei said that hej came’
b. ò sírí ná yá by’ar’a
hei said that hei came
’Hei said that hei came’
Es gibt aber mehrere Gründe, von einer gemeinsamen Analyse abzusehen:
1. Log. Pron. sind immer durch sogenannte logophorische Verben (semantische Klasse)
eingeleitet.
2. Log. Pron. beziehen ihre Referenz immer von dem Matrixsubjekt, können aber selbst
jede semantische Rolle besetzen.
3. Log. Pron. sind zumeist auf dritte Personen beschränkt, weil sie nur dort zu semantischer Disambiguierung beitragen.
Philipp Weisser