Erwünscht und notwendig. Kontakt zum Elternhaus.

Transcription

Erwünscht und notwendig. Kontakt zum Elternhaus.
BASISBEITRACi
KONTAKT ZUM ELTERNHAUS
ERWÜNSCHT UND NOTWENDIG
Kontakt zum Elternhaus
Gisela Schmid-Schönbein Alle Untersuchungen zum
Leistungsstand von Schulkindern betonen, dass das Elternhaus
eine entscheidende Variable für den Schulerfolg ist. Für Sie als
Lehrkraft ist das sicherlich nicht neu. Für die Eltern hingegen ist
es häufig schwierig, ihre Kinder im Englischunterricht der
Grundschule angemessen zu unterstützen. Sie werden in einem
Fach unterrichtet, dessen Didaktik und Methodik den Eltern
unbekannt ist.
Ein neues Fach - auch für die Eltern
Wenn Sie sich bewusst machen, dass vermutlich kein Elternteil je als Schülerin oder Schüler Englisch in der Grundschule
gelernt hat (genau so wenig, wie Sie selbst), dann wird schnell
klar, dass hier ein weißer Fleck im Wissen der Eltern besteht.
Zwar hat ein Großteil der Eltern in der Schule Englisch gelernt
und deswegen eine Vorstellung vom Unterricht in diesem
Fach im Kopf, aber gerade diese Vorstellung ist für die
Grundschule nicht angemessen: Keine Vokabelhefte, keine
Grammatikregeln, keine Übersetzungen, wenig Schreiben und,
je nach Bundesland, keine versetzungsrelevanten Noten.
Stattdessen: Total Physical Response, storytelling, picture books,
code-switching, e-mail-correspondence, rhymes and poems, role
play, project work, Einsprachigkeit, Einsatz der Handpuppe,
Interkulturelles Lernen, Echo-Methode, Audio-CDs, Portfolio.
Die Liste könnte fortgesetzt werden mit weiteren Begriffen, die die Eltern vom Konzept und der methodischen
Umsetzung her aus dem selbst erlebten Englischunterricht
kaum kennen werden, die aber zum Verständnis der besonderen Lernsituation auf dieser Sprachlernstufe besonders
wichtig wären. Und nicht nur das: Kinder in Ihrer Klasse
können auch aus einem ganz anderen Kulturkreis mit einer
6
anderen Muttersprache als der deutschen kommen. Beruhigen Sie diese Eltern: Ihre Kinder sind durch das Erlernen
des Deutschen schon recht erfahren im Umgang mit einer
fremden Sprache und erleben mit dem Englischen deswegen
häufig schnelle Erfolge
Elternabende
Der erste Elternabend -Informationen zu Grundprinzipien
Zu Beginn des Schuljahres werden Sie als Klassenlehrkraft
(oder in Zusammenarbeit mit dieser) zu einem Elternabend
bitten, der eher allgemein informiert, bei dem Sie aber schon
die Grundprinzipien des neuen Faches klären können. Das ist
auch nötig, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, weil
die Eltern von ihren eigenen Lernerfahrungen her andere
Erwartungen an den Englischunterricht haben.
Es ist zunächst hilfreich zu erklären, dass sich alle Bundesländer für einen früheren Beginn in der Fremdsprache entschieden haben. Sie können dazu eine Überblicksfolie zeigen,
die Quelle finden Sie unter "Anmerkung" am Ende des Beitrags.
Warum aber der Englischunterricht jetzt früher beginnt, lässt
sich nicht einfach mit "je früher, desto besser" begründen, eine
Erfahrung, die aus dem Zweitsprachenerwerb von Kindern in
einem fremdsprachlichen Land stammt. In der Schule haben
wir im Vergleich dazu sehr viel geringere Kontaktzeiten mit der
Fremdsprache: Wunder sind also nicht zu erwarten. Dagegen
kann der früh beginnende Englischunterricht einen positiv
erlebten Einstieg in das Fremdsprachenlernen überhaupt
vermitteln und kann die Begeisterungsfähigkeit für das überall
präsente Englisch nutzen. Zudem profitiert er von einem
window of opportunity in Bezug auf unbelastete Nachahmungsfreude und vermittelt die Normalität des Fremden, weil zu den
Grundschulmagazin Englisch 112007
KONTAKT ZUM ELTERNHAUS
Unterrichtsinhalten auch andere als die gewohnten Gebräuche
und Kulturen gehören.
Wenn Ihre Schule ein Lehrwerk als Leitmedium einsetzt,
haben Sie es relativ einfach. Schon die Gestaltung des Pupil's
Bool< oder des Activity Bool< wird den Eltern zeigen, wie
fröhlich und kindgerecht die Units aufgebaut sind und welche
Aufgabenformen zum altersgemäßen Üben und Festigen
beitragen. Wenn Sie dann noch eine Kostprobe von der CD
vorspielen, einen peppigen Song oder einen kurzen nativespeal<er-Dialog, werden die Eltern nicht nur informiert,
sondern auch überzeugt sein vom Wert des frühen Einstiegs.
Schließlich lohnt es sich, auf die Form und Funktion des
Portfolio hinzuweisen, in dem die Kinder dokumentieren,
woran sie arbeiten und was sie können. Da das Portfolio Besitz
des Kindes ist und es eines Tages in die weiterführende Schule
begleiten wird, können Sie damit auch die Sorgen der Eltern
zum Übergang thematisieren und möglichst ausräumen.
Der zweite Elternabend - Was wir schon alles können
Etwa gegen Mitte des Schuljahres haben Sie und Ihre Kinder im
Englischunterricht eine hervorragende Chance, den ursprünglich weißen Fleck im Wissen der Eltern zusammen mit Ihren
Kindern farbig werden zu lassen und gleichzeitig die weitere
Unterstützung des Elternhauses sowie dessen Stolz auf die
Leistung der Kinder einzuwerben.
Die Einladung
Das fängt schon mit der Einladung an, die Ihre Kinder mit
einem einfachen Text selbst schreiben und ausmalen, mit
Invitation in großen Lettern auf der Vorderseite eines einmal
gefalteten und von den Kindern dekorierten farbigen DIN-A4Blattes. Also wäre vielleicht ein Text ähnlich wie der folgende
angebracht, dem die Kinder einen hübschen Rahmen geben
können (Beispiel von Lea, 8 jahre, siehe S. 6). Den Text selbst
werden sie natürlich von der Tafel abschreiben. Nun werden
diejenigen unter Ihnen, die in der ersten jahrgangsstufe mit
Englisch beginnen, erhebliche Zweifel an einem solchen
BASISBEITRACi
Vorhaben äußern, diejenigen mit Beginn in der dritten jahrgangsstufe vielleicht auch. Was könnte man sich unter einem
English evening vorstellen und wie ihn verwirklichen?
Das "englische" Klassenzimmer
Zunächst geht es um das Klassenzimmer, dem Sie einen
möglichst "englischen" Rahmen geben werden - mit der
English bool< corner, in der Sie möglichst viele storybool<s offen
auslegen können, um die Eltern während einer Aufwärmphase
neugierig zu machen. Auf seitlichen Tischen könnten Sie auch
das benutzte Unterrichtswerk mit allen Zusatzmaterialien
auslegen - einschließlich des Handbuchs, das in seinem
Umfang schon zeigt, wie ernsthaft und professionell Sie sich
mit der Unterrichtsvorbereitung beschäftigen. Auch ein Laptop
mit Software, eine Landkarte eines englischsprachigen Landes,
ein englischer Kalender, Postkarten, Fotos, ein Lottospiel oder
Memory mit Schriftbildern,jlashcards - kurz alles, was irgendwie eine englischsprachige Atmosphäre vermittelt, in Sonderheit natürlich Arbeiten der Kinder: Get-well cards, Happy
Birthday cards, Christmas cards oder Arbeitsblätter, welche die
Kinder ausgefüllt und ausgemalt haben. Der Handpuppe
werden Sie sowieso einen zentralen Platz einräumen wollen.
Das Programm des "englischen" Elternabends
Nun zum wesentlichen Teil, dem Programm. Selbst wenn Sie
erst mitten im ersten Unterrichtsjahr in Englisch sind: Ihre
Kinder beherrschen schon eine Reihe von englischen Liedern,
mit denen sie die Eltern begrüßen können. Ein Muntermacher
für den Anfang ist stets: Ifyou 're happy and you I<now it - clap
your hands, schon weil nach den ersten beiden Strophen die
Eltern aufgefordert werden können, mitzumachen. (Um
niemanden zu verunsichern, könnte ein Kind den Text als Folie
auf den Tageslichtprojektor legen und den Zeilen mit einem
Zeigestift folgen). Thematisch knüpft ein Reim an, der immer
ein voller Erfolg ist, vorgeführt von einer Gruppe von jeweils
zwei oder drei jungen und Mädchen.
Up, down, (erst Arme hoch strecken,
dann Knie berühren)
Turn around,
Up, down,
Touch the ground, (Fußboden berühren)
Up, down,
Snap, snap, snap, (mit den Fingern schnipsen)
Up, down,
Clap, clap, clap (in die Hände klatschen)
Up, down,
Hop, hop, hop (hüpfen)
Up, down,
STOPf (mit beiden Händen waagerecht, erst überkreuz und dann
auseinander eine energische "Schluss"-Bewegung machen).
..Abb. 1: Have you seen my dog?
Grundschulmagazin Englisch 1!2007
Anschließend können Ihre Kinder in einem Spiel wie Simon
says demonstrieren, wie viel an Hörverständnis sie schon
erworben haben. Dabei werden Sie selbst sich gewiss im
Hintergrund halten, denn Aufforderungen wie Simon says:
Touch your nose oder Touch your I<nees können abwechselnd
von verschiedenen Kindern der Klasse gegeben werden.
7
BASISBEITRAG
KONTAKT ZUM ELTERNHAUS
Im Mittelpunkt des Programms könnte ein story te lli ng mit
einem big boo!< stehen -: auch das ist etwas, das die Eltern
weder aus ihrem eigenen Unterricht noch, in der besonderen
Form des big boo!<, aus ihrer Kindheit kennen. Wenn Sie sich
für ein Buch wie Have you seen my cat? (KlippeljPreedy 2002)
entscheiden, birgt das die Möglichkeit, die Klasse Teile der sich
wiederholenden Strukturen des Textes schon beim ersten
storytelling sprechen zu lassen, Strukturen wie Hello, I'm Anna,
I live at number 2. - Have you seen my cat? Danach können Sie
im Rollenspiel Minidialoge umsetzen, selbst wenn die einzelnen Hausbewohner nur mit Sorry, no, I haven't antworten. Und
warum nicht im zweiten Durchgang Anna durch einen Jungen
und die Katze durch einen verlorenen Hund ersetzen (Abb. 1)7
Aber auch andere Minidialoge aus einem von Ihnen eingesetzten Lehrwerk bieten sich an. Besonders "elternfreundlich"
sind Dialoge mit Inhalten, die jeder kennt, z. B. über Londoner
Sehenswürdigkeiten (Abb. 2): Big Ben, Victoria Station, Buc!<ingham Palace, Tower Bridge, The London Eye, London Zoo (Beispiel
aus Ginger 2 2004, 7). Mit unterschiedlichen Fahrtzielen lässt
sich die Szene jeweils wiederholen.
Abb. 2: Welcome
to London
Darauf werden die Kinder in Ihrer Klasse stolz sein. Das
kommt zu Ihnen zurück, es ist schließlich auch Ihre Leistung. _
Tourist: A tic!<et to Victoria Station, please.
Bus driver: E3, please.
Tourist: Here you are, E3.
Bus driver: Than!< you. Here's your tic!<et.
Tourist: Than!< you.
Auf einen Blick
Die Eltern haben den Englischunterricht in der Grundschule selbst nicht kennen gelernt. Die Elternarbeit ist in
diesem Fach daher besonders wichtig. Hier fünfVorschlä-
Als Höhepunkt am Ende des Programms bitten Sie einfach
alle Anwesenden, zusammen mit den Kindern einen großen
Kreis zu bilden, und spielen von der CD (KlippeI2000) den
Hokey Cokey einmal vor, den die Kinder selbstverständlich
sofort mitsingen und mitspielen können. Ich schwöre Ihnen:
Die Eltern machen nach anfänglicher Unsicherheit begeistert
mit - und die Kinder sind stolz, weil sie wenigstens einmal
etwas besser können als die Erwachsenen.
ge dazu:
~ Informieren Sie die Eltern über den bundesweiten
Standard des Frühbeginns (www.kles.org).
~
Klären Sie beim ersten Elternabend die Grundprinzipien
des Englischunterrichts in der Grundschule: Betonung des
Mündlichen, wenig Schriftliches, handlungsorientiertes
Lernen, kein Übersetzen, kein Regellernen, Portfolio.
~
Laden Sie die Eltern zu kleinen Vorführungen von action
rhymes, songs und Minidialogen ein. Kommentieren Sie
Und was außerdem?
Zunächst zeigt Ihnen Theresa Zanatta auf den folgenden vier
Seiten viele praktische Beispiele, wie Sie das Interesse des
Elternhauses durch kleine Produkte aus Ihrem Englischunterricht weiterhin gestalten und pflegen können. Außerdem lohnt
es sich, bei Gelegenheit zu erfragen, ob unter den Eltern jemand
fließend Englisch spricht und vielleicht einmal als Gast in die
Klasse käme und ein storybook vorlesen würde. "Wird der
Englischunterricht in der Grundschule zu einem Anliegen der
Eltern", meint ein erfahrener Schulrat, "werden sie sich nicht
nur in Projekten und besonderen Unterrichtsvorhaben beteiligen, sondern auch den Kindern aus einer positiven Einstellung
heraus Unterstützung in ihrem Lernweg gewähren" (Wendt
2005, 11). Schließlich erscheinen die folgenden Ratschläge an
Eltern aus dem Handbuch zum Lehrwerk Supermouse (2002, 19)
so sinnvoll wie hilfreich:
~ Lassen Sie Ihr Kind nie Wörter oder Sätze ins Deutsche
übersetzen.
~ Ermutigen Sie Ihr Kind, die Lieder und Reime daheim zu
singen und zur CD zu sprechen.
~ Loben Sie Ihr Kind für alles, was es kann.
8
dabei die -Methoden des Faches.
~
Schicken Sie kleine Schülerarbeiten mit englischen
~
Laden Sie sprachkundige Eltern oder ältere Geschwister
Kurztexten an die Eltern.
zum Vorlesen in die Klasse ein.
Literatur
~
~
Ginger 2: Activity Book. Berlin 2004
Harrison, Lois/Prochazka, Anton/Rychli, Eva: Supermouse.
Teacher's Book.lsmaning 2006
~
Klippei, Friederike: Englisch in der Grundschule. Mit CD.
~
Wendt, Peter: Wie sag' ich's meinen Eltern? In: Primary English
Berlin 2000
4/2005, 11-12
Autorin
Prof. Dr. Gisela Schmid-Schönbein lehrte Englische Sprache und
ihre Didaktik an der Universität Koblenz-Landau und ist Herausgeberin des Grundschulmagazin Englisch - The Primary English
Magazine ([email protected]).
Grundschulmagazin Englisch 1\2007